Suchergebnisse für ‘verpixelt’

Ist Bild.de doch egal, worum das BKA bittet

Das Bundeskriminalamt (BKA) konnte in der vergangenen Nacht bei Twitter einen Fahndungserfolg melden:

Screenshot eines Tweets des Bundeskriminalamts - Verdacht des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern - Fahndung ist erfolgreich beendet. Festnahme des Tatverdächtigen. Wir sagen Danke! Bitte löschen Sie alle geteilten Bilder. Weitere Informationen werden hier im Laufe des Tages veröffentlicht.

Nach dem Verdächtigen wurde seit gestern per Öffentlichkeitsfahndung gesucht. Zahlreiche Medien zeigten das Gesicht des Mannes, der zwei Jungen missbraucht, Aufnahmen von ihnen gemacht und diese Kinderpornographie in Foren verbreitet haben soll. Die Bitte des BKA, die Fotos, die den Verdächtigen zeigen, nun zu löschen, erscheint logisch: Die Fahndung ist abgeschlossen, der Verdächtige geschnappt — warum also weiter sein Gesicht zeigen?

Ja, Mitarbeiter von Bild.de, warum also weiter sein Gesicht zeigen?

Screenshot Bild.de-Startseite - Nach Öffentlichkeitsfahndung - Kinderschänder von Viersen gefasst - mit unverpixeltem Foto des Verdächtigen
(Alle Unkenntlichmachungen in diesem Beitrag durch uns.)

In dem Artikel zur Festnahme des Gesuchten, den die Redaktion heute morgen auf ihrer Startseite anteaserte, hat sie auch den Tweet des BKA eingebettet, in dem die Behörde um die Löschung der Fotos bittet. Dieser Artikel startet so:

Screenshot eines Bild.de-Artikels - Zu sehen ist die Überschrift Kinderschänder von Viersen gefasst und direkt darunter das Gesicht des Tatverdächtigen in Großaufnahme

Etwas weiter unten im Text folgt dann der BKA-Tweet:

Screenshot des Bild.de-Artikels - Zu sehen ist der eingebettete BKA-Tweet

Ein paar Stunden später hat Bild.de einen weiteren Text zu der Festnahme gebracht — wieder mit dem BKA-Tweet, wieder mit einem unverpixelten Foto des Verdächtigen. Und wieder hat die Redaktion den Beitrag prominent auf der Startseite verlinkt:

Screenshot Bild.de-Startseite - Leberflecke überführen Kinderschänder - mit unverpixeltem Foto des Verdächtigen

Wir haben bei “Bild”-Sprecher Christian Senft nachgefragt, warum Bild.de das Gesicht des Mannes ohne jegliche Unkentlichmachung zeigt und ob der Redaktion die Bitte des Bundeskriminalamts egal ist. Bisher haben wir keine Antwort erhalten.

Dass es auch anders geht, zeigen die “Springer”-Kollegen der “B.Z.”: Auf deren Website ist ebenfalls ein Artikel zu der Festnahme erschienen, auch sie haben den BKA-Tweet eingebettet — und über das Gesicht des Verdächtigen immerhin einen großen schwarzen Balken gelegt.

Dazu auch:

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

Resozialisierung? Nicht mit “Bild”!

Zwischen Donnerstag und Samstag vergangener Woche muss irgendetwas passiert sein, das nur die “Bild”-Medien mitbekommen haben. Jedenfalls schien der am Donnerstag für “Bild” und Bild.de offenbar noch geltende Anspruch von Dieter Degowski auf Resozialisierung am Samstag aus Sicht von “Bild” und Bild.de nicht mehr zu gelten.

Degowski, einer der zwei Täter bei der Geiselnahme von Gladbeck im August 1988, ist seit dem 15. Februar dieses Jahres wieder auf freiem Fuß. Er hat seine lebenslange Freiheitsstrafe abgesessen, im Gefängnis eine Therapie absolviert, eine Ausbildung gemacht, der Rechtsausschuss im Landtag von Nordrhein-Westfalen urteilte, dass von Degwoski keine Gefahr mehr ausgehe. Dass seine Entlassung für die Angehörigen der zwei bei der Geiselnahme getöteten Menschen wahnsinnig schmerzhaft sein kann, steht außer Frage.

Nach der Ausstrahlung von Teil 1 des erfolgreichen Gladbeck-Zweiteilers im “Ersten” titelte “Bild” am Donnerstag:

Ausriss Bild-Titelseite - Millionen sahen den ARD-Film - Das Leben der Gladbeck-Gangster heute

Im Blatt zeigte die Redaktion ein aktuelles Foto von Dieter Degowski, das Gesicht hatte sie verpixelt.

Zwei Tage später schreibt Rainer Fromm, ein Fotograf, der für “Bild” bei dem Geiseldrama dabei war und zur Medienmeute gehörte:

Ausriss Bild-Zeitung - Es ist eine Schande, dass Degowski frei rumläuft

Dass Fromm schreibt, Degowski sehe “noch genauso dümmlich aus wie damals” — geschenkt. Und es ist auch völlig legitim, es schwer auszuhalten und falsch zu finden, dass der einstige Geiselnehmer wieder in Freiheit leben darf, während der von ihm erschossene Emanuele De Giorgi nicht älter als 15 Jahre werden konnte. Wirklich problematisch ist, dass die “Bild”-Medien ein neues Foto von Degowski zeigen, ohne dabei sein Gesicht unkenntlich zu machen:

Ausriss Bild-Zeitung - Übersicht der ganzen Seite mit dem Degowski-Foto
Screenshot Bild.de - Foto von Dieter Degowski
(Unkenntlichmachungen — auch beim Foto des blutverschmierten Emanuele De Giorgi, das “Bild” ohne Rücksicht auf Angehörige zeigt — durch uns.)

Damit könnte die Redaktion die Resozialisierung Degowskis enorm erschweren. Es ist im Interesse der Gesellschaft, dass dessen Wiedereingliederung, die jedem Ex-Häftling zusteht und die nicht von den “Bild”-Mitarbeitern nach Gutdünken mal zugelassen werden kann und mal nicht, klappt — schließlich erhöht sie die Chance, dass er nicht rückfällig wird. Für diesen Zweck hat Degowski auch die Erlaubnis bekommen, seinen Namen zu ändern. Am Donnerstag schrieb “Bild” zur Namensänderung:

Den neuen Namen bekam Degowski auch, weil befürchtet wird, dass die Mafia den Mord an dem italienischen Jungen Emanuele de Giorgi rächen könnte.

Sollte das stimmen, kennt die Mafia jetzt vielleicht noch nicht den Aufenthaltsort von Dieter Degowski und auch nicht den neuen Namen. Aber dank “Bild” und Bild.de hat sie immerhin ein aktuelles Foto.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

“Bild”-Richter vorverurteilen “G20-Plünderer”

Bei der von vielen Tiefpunkten geprägten “Bild”-Berichterstattung zu den G20-Ausschreitungen gibt es seit drei Tagen einen neuen Tiefpunkt: Nun (vor)verurteilen die “Bild”-Richter schon jemanden, bei dem einiges dafür spricht, dass er unschuldig ist, und stellen ihn an den Pranger.

Derzeit läuft in Hamburg der Prozess gegen den 30-jährigen Dimitri K.:

Als G20-Chaoten am 7. Juli einen Supermarkt im Schanzenviertel plünderten (Schaden: 1,7 Mio. Euro), soll er mittendrin gewesen sein. Anklage: besonders schwerer Landfriedensbruch.

K. sagt, er sei nicht vor Ort gewesen. Stattdessen sei er am fraglichen Tag mit Schmerzen zu Hause geblieben, schließlich hätten ihn am Vortag Polizisten angegriffen. Die Verlobte von K. bezeugte dessen Aussage.

Doch, so die “Bild”-Medien …

Doch ein verknackter G20-Plünderer identifizierte ihn. Sven B. (19) ist sich sicher: K. war dabei. Die Hals-Tattoos erkenne er wieder, hundertprozentig!

Für den Prozess zwar unerheblich, für die “Bild”-Redaktion aber bemerkenswert: Dimitri K. hat nicht nur ein Hals-Tattoo. Unter seinem rechten Auge hat er das Wort “Fuck” tätowiert und unter dem linken das Wort “Cops”. Was jetzt schon nach einer Folge “Richterin Barbara Salesch” klingt, wird noch besser:

Als der Angeklagte dann aber seine linke Hand zeigte, war plötzlich alles anders. Statt des von B. beschriebenen “187”-Tattoos stehen dort arabische Schriftzeichen. Irritiert änderte der Zeuge seine Aussage: “Ich bin mir sicher, dass er es nicht ist.”

Fassen wir mal zusammen: Ein Angeklagter, der ein Alibi für die Tatzeit zu haben scheint. Ein Zeuge, der den Angeklagten erst schwer belastet und dann komplett umkippt. Eine Tätowierung, die den Angeklagten belasten könnte, die es aber gar nicht gibt. Es sieht aktuell nicht gerade so aus, dass Dimitri K. während des G20-Gipfels “einen Supermarkt im Schanzenviertel” geplündert hat.

Und was machen die “Bild”-Medien? Trotz dieser Entwicklung im Prozess zeigen sie K. vor drei Tagen bei Bild.de unverpixelt ganz oben auf der Startseite und nennen ihn “G20-Plünderer” …

Screenshot Bild.de - G20-Plünderer mit Fuck Cops-Tattoo - Ihm steht der Hass ins Gesicht geschrieben - Dazu ein unverpixeltes Foto von Dimitri K
(Alle Unkenntlichmachungen in diesem Beitrag durch uns.)

… und drucken vorgestern in der Hamburg-Ausgabe der “Bild”-Zeitung das Foto des angeblichen “Plünderers” ebenfalls ohne jegliche Unkenntlichmachung:

Ausriss Bild-Zeitung - Prozess gegen Plünderer - Der Hass steht ihm ins Gesicht geschrieben - Dazu ein unverpixeltes Foto von Dimitri K

Persönlichkeitsrechte eines möglicherweise Unschuldigen? Sind der “Bild”-Redaktion doch egal. Und sowieso: Unschuldsvermutung? Ist der “Bild”-Redaktion doch egal. Julian Reichelt und sein Team treten elementare Prinzipien eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens mit den Füßen. Für sie, die sich als Deutschlands oberste Ankläger und Richter sehen, reicht es offenbar, dass jemand angeklagt ist, um diese Person einem Millionenpublikum als Verbrecher zu präsentieren.

Reichelts Verachtung für deutsche Gerichte kann man regelmäßig in seinem Blatt beobachten. Sein gefährliches Rechtsverständnis präsentierte er am vergangenen Montag bei seinem Besuch in der Talkrunde “Hart aber fair”.

Mit Dank an Julia und @DonPepone110 für die Hinweise!

Disruptions-Baustelle BR, TV-Duell-Millionäre, How to Strunz

1. Baustelle Liebeskummer
(sueddeutsche.de, Claudia Tieschky & Katharina Riehl)
Der Bayerische Rundfunk (BR) befindet sich inmitten großer Veränderungen, vielleicht ist es sogar der größte Umbruch, den der Sender verkraften musste: Riesige Defizite wurden angehäuft, bis 2025 sollen 450 Stellen in der Produktion abgebaut werden. Für 2017 bis 2020 droht ein Minus von 328 Millionen, aber trotzdem baut der „BR“ in Freimann eine neue Senderzentrale. Die SZ-Autorinnen Tieschky und Riehl zweifeln an der Geordnetheit der Umstrukturierungen: „Bleibt die Frage, ob das so sein muss. Alles gleichzeitig – hätte man nicht entzerren können, das Sparen, die Reform, den Umzug?“

2. Sofortige Freilassung von Deniz Yücel gefordert
(deutschlandfunkkultur.de, Katrin Heise)
Der Journalist Deniz Yücel („Welt“) befindet sich seit nunmehr über 200 Tagen in türkischer Haft. Lea Deuber von “journalists.networks” hat einen offenen Brief an den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gestartet, den 14 Journalistenorganisationen unterstützen. Im Interview mit dem Deutschlandfunk spricht Deuber über ihre Beweggründe und Hoffnungen.
Weiterer Lesetipp: “Moralische Appelle reichen nicht mehr aus” auf Welt.de.

3. Neues aus dem Fernsehrat (15): Zehn Thesen zur Zukunft der öffentlich-rechtlichen Medien
(netzpolitik.org, Leonhard Dobusch)
Leonhard Dobusch stellt ein Thesenpapier zur Zukunft der öffentlich-rechtlichen Medien vor, das Vertreter aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft in einem Gesprächskreis mit Politik und öffentlich-rechtlichen Sendern entwickelt haben.

4. Marcel H. zeigt keine Emotionen und gibt Taten zu
(wdr.de, Sebastian Wehner)
Der WDR hat sich entschieden, einen 19-Jährigen, dem der Mord an zwei Menschen vorgeworfen wird und der die Tat eingeräumt hat, nur verpixelt zu zeigen. Das ist insofern bemerkenswert, da der Angeklagte vor Gericht den ausdrücklichen Wunsch geäußert hat, er wolle nicht unkenntlich gemacht werden. „Der Grund für unsere Entscheidung: Wir wollen niemandem eine Bühne bieten, der schockierende Fotos seiner Opfer ins Netz gestellt und mit seinen Taten geprahlt haben soll.”

5. Wenn Millionäre fragen
(freitag.de, Wolfgang Michal)
Wolfgang Michal ist aufgefallen, wie wenig es beim TV-Duell zwischen Merkel und Schulz um das Thema der sozialen Gerechtigkeit ging. Womöglich hängt das mit den prominenten und gut situierten Fragestellern Klöppel (RTL), Maischberger (ARD), Illner (ZDF) und Strunz (Sat1) zusammen: „Alle vier sind erfolgreiche Unternehmer in eigener Sache. Das ist auch gar nicht zu kritisieren. Bei ihren Vorgängern Stefan Raab und Anne Will war es 2013 nicht anders. Aber fragen wird man schon dürfen, ob es thematisch nicht zu extremen Verzerrungen kommt, wenn sich die Fragesteller biographisch kaum unterscheiden, wenn sie alle den gleichen sozialen Status und das gleiche Alter aufweisen und mehr verdienen als Kanzlerin und Herausforderer zusammen.”

6. Strunz in fünf Minuten
(zdf.de)
Sie wollen unbedingt werden wie Fremdschäm-Ikone und Rechtsaußen-Talker Claus Strunz (Sat1)? Ein 5-Minuten-Coaching durch Carolin Kebekus macht’s möglich.

Kommissar Reichelt und die “Bild”-Sheriffs üben Titelseiten-Selbstjustiz

Auch für Idioten gilt die Unschuldsvermutung. Auch Idioten müssen sich keine Vorverurteilung gefallen lassen. Auch Idioten sind nicht gleich “Verbrecher”, nur weil jemand ein Foto von ihnen gefunden hat, aus dem man ableiten könnte, dass sie eine Straftat begangen haben. Auch Idioten haben Persönlichkeitsrechte. Auch Idioten haben ein Recht am eigenen Bild.

Wir schreiben das so deutlich, weil die “Bild”-Redaktion das alles anders zu sehen scheint:


(Alle Unkenntlichmachungen in diesem Beitrag durch uns. Bei “Bild” und Bild.de waren die Gesichter aller Personen zu erkennen.)

So sah gestern die Titelseite der “Bild”-Zeitung aus. Die Fahndung nach den “G20-Verbrechern” erstreckte sich auch aufs Internet, prominent platziert bei Bild.de:

Insgesamt 18 Personen, die am vergangenen Wochenende irgendwas in Hamburg gemacht haben sollen, haben die “Bild”-Medien an den Pranger gestellt, mit vergrößerten Gesichtern und der Beschreibung von besonderen Merkmalen. Manche von ihnen sind beim Werfen eines Steins zu sehen, manche beim Tragen eines Steins. Eine Frau ist kurz davor, eine leere Cola-Flasche wegzuschleudern. Eine andere hat zwei volle Flaschen Kindersekt unter den Arm geklemmt. Was die Leute davor gemacht haben oder danach, wohin die Steine und Flaschen fliegen, die sie in den Händen halten, ob sie bei manchen überhaupt fliegen oder nicht doch wieder fallen gelassen werden — nichts davon ist bekannt, und nichts davon lösen “Bild” oder Bild.de auf.

Das alles ist gleich aus mehreren Gründen mindestens problematisch, teilweise wohl auch rechtswidrig. Es fängt an mit der Vorverurteilung durch die “Bild”-Medien. Bereits in der Titelzeile steht fest, dass es sich um “Verbrecher” handele (wobei schon das Wort “Verbrecher” falsch ist, weil es sich erst dann um ein Verbrechen handelt, wenn die Mindestfreiheitsstrafe ein Jahr beträgt, etwa bei Mord oder schwerer Körperverletzung, nicht aber bei schwerem Landfriedensbruch — dort spricht man von einem Vergehen). Die Unschuldsvermutung, die für jeden Menschen gilt, gilt nicht bei “Bild”. Während man normalerweise erst nach einer rechtskräftigen Verurteilung ein Straftäter ist, reicht für die Redaktion schon eine Momentaufnahme, um ein Urteil zu sprechen. Ein möglicher Kontext ist dabei völlig egal.

Und das ist dann auch schon das nächste Problem: Die “Bild”-Medien nehmen Rollen ein, die nichts mehr mit der normaler Berichterstatter zu tun haben. In guten Momenten werden Medien zur vierten Gewalt, weil sie die drei anderen Gewalten — Legislative, Exekutive und Judikative — überwachen. “Bild” reicht das offenbar nicht mehr. Stefan Niggemeier schreibt bei “Übermedien” dazu:

Die Zeitung übernimmt die Rolle des Fahnders, und sie maßt sich dabei gleichzeitig die Rolle des Richters an. Ihr Urteil über die Menschen, nach denen sie öffentlich fahnden lässt, ist schon gefällt, und ein Teil der Strafe in Form des öffentlichen Prangers schon vollstreckt.

Dass “Bild” überhaupt öffentlich nach Personen fahndet, sei “klar rechtswidrig”, sagt Dr. Marcel Leeser, Medienanwalt bei der Kölner Kanzlei “Höcker Rechtsanwälte”:

Öffentliche Fahndungsaufrufe müssen immer durch einen Richter angeordnet werden. Sie sind nur zulässig bei Straftaten von erheblicher Bedeutung. Nur in Notfällen dürfen auch Staatsanwaltschaft und Polizei die öffentliche Fahndung anordnen. Keinesfalls dürfen Private oder Medien im Alleingang Menschen zur Fahndung ausrufen.

Und dann gibt es noch das Recht am eigenen Bild. “Fotos von Demonstrationen oder der Begehung von Straftaten können zwar in vielen Fällen veröffentlicht werden”, sagt Leeser. Die Art und Weise, wie der “Bild”-Medien die Fotos präsentieren, mit Zoom auf die Gesichter, verletzte “aber eindeutig deren Recht am eigenen Bild.”

“Bild” und Bild.de tun den abgebildeten Personen Unrecht. Ohne dass je ermittelt wurde, was diese tatsächlich getan haben, stellen sie sie an den Pranger. Gerade erst am vergangenen Wochenende, ebenfalls aufgrund von Berichten über die Geschehnisse rund um den G20-Gipfel, konnte man sehen, wie das Missachten der Unschuldsvermutung nach hinten losgehen kann. Bild.de schrieb am Freitag über einen Böller, der vor einem Polizisten explodiert ist. Dazu veröffentlichte die Redaktion dieses im Original unverpixelte Foto:

Im Artikel steht dazu:

Auf einem der zahlreichen Randale-Bilder vom Freitag ist zu sehen, wie einer der Tausenden G20-Chaoten vor einem Beamten steht, der schwer verletzt in die Knie geht – der Mann hat dem Polizisten kurz zuvor einen Böller direkt ins Gesicht geworfen!

Das stimmt allerdings gar nicht. Der Mann, der auf dem Foto zu sehen ist, hat mit dem Böllerwurf nichts zu tun. Die Hamburger Polizei griff — auch wegen des Bild.de-Berichts — bei Twitter ein, weil man “einen Unschuldigen vor einer ‘Online-Hetzjagd’ schützen” wolle:

Bild.de fügte der Bildunterschrift später die Information hinzu, dass der Böller-Werfer nicht auf dem Foto zu sehen sei. Gelernt haben die “Bild”-Medien aus diesem Fall aber offenbar nichts, wie die Titelseiten von Montag eindrucksvoll zeigt.

Die “GESUCHT!”-Aktion hat bereits konkrete Folgen. Heute meldete “Bild” — sicher nicht ohne Stolz — auf der Titelseite: “GESTELLT!”, nachdem sich einer der Abgebildeten bei der Polizei gemeldet hat:

Max Hoppenstedt schreibt bei “Vice”, dass es auch erste Kopfgelder gibt, die von rechten Internetseiten ausgelobt wurden, auf Grundlage der bei der “Bild”-Fahndung gedruckten Fotos.

Stefan Koldehoff sieht beim “Deutschlandfunk” “die Unabhängigkeit der Presse” durch die “Bild”-Zeitung “massiv beschädigt”:

Ohne damit die Hamburger Gewalttäter auch nur ansatzweise verstehen und verteidigen zu wollen: Wer sich so verhält, wie es die “BILD-Zeitung” heute tut, bestärkt all jene, die in Medien ohnehin nur den verlängerten Arm des Staates – die angebliche “Staatspresse” — sehen. Und das kann ernsthaft niemand wollen. Die Unabhängigkeit der Presse hat “BILD” heute massiv beschädigt.

Und Medienanwalt Ralf Höcker weist im Interview mit “Meedia” darauf hin, dass die Vorverurteilung durch “Bild” und der mediale Pranger sich bei einem möglichen Strafverfahren gegen die abgebildeten Personen auf das Strafmaß auswirken könnte:

Mit ihrer journalistischen Amtsanmaßung machen die Chefredakteure Julian Reichelt und Tanit Koch es am Ende alles nur noch schlimmer. Sie tun möglicherweise Unschuldigen unrecht und sorgen gleichzeitig dafür, dass tatsächliche Täter mit einer geringeren Strafe davonkommen.

Trotz all dieser Bedenken findet “Bild”-Chefredakteurin Tanit Koch die Aktion ihrer Zeitung völlig in Ordnung. Sie beruft sich bei ihrem Urteil auf die “Vedachtsberichterstattung”:

Nun bedeutet “Verdachtsberichterstattung” eigentlich, dass man besonders zurückhaltend berichtet und extra kenntlich macht, dass es sich lediglich um einen Verdacht handelt. “Bild” macht das exakte Gegenteil und spricht von “Verbrechern”. Entweder weiß Tanit Koch nicht, was “Verdachtsberichterstattung” bedeutet. Oder sie stellt sich extra blöd. Egal wie — es wäre recht traurig.

Ebenfalls zum Thema:

Mit Dank an Martin, Jan, Christian M., Daniel W., Viktor F., Jens A. L., Kenneth W., Ion L., @r_ebener, @rainerzufall_le, @DJ_anzen und @gamgeaDavid für die Hinweise!

“Ihr Gaffer seid echt das Letzte!” Aber eure Fotos nimmt “Bild” gern

Die “Bild”-Medien haben ja auch mal Recht. Zum Beispiel, wenn es um Gaffer und Schaulustige bei Unfällen geht. Bei diesem Thema platzt “Bild”-Chefreporter Peter Tiede nämlich schon mal der Kragen:

Und zwar in diesem Artikel:

Ende April schrieb Tiede seinen Gaffer-Kommentar und fand darin ziemlich deutliche Worte, Großbuchstaben und Ausrufezeichen für die “verhaltensgestörte Stau-Pegida” sowie die “Schwarm-Verblödung und Gruppen-Verrohung auf unseren Autobahnen”:

Das macht mich rasend: Wieder sind Retter und Helfer auf dem Weg zu einem schweren Autobahn-Unfall blockiert und bei ihrer Arbeit auch noch beschimpft worden!

JA, SCHON WIEDER! Asphalt-Pöbel! Fremdleid-Gaffer! Rettungsgassen-Penner!

In den Tagen nach Tiedes geplatztem Kragen erschien bei Bild.de gehäufte Gaffer-Kritik. Am 3. Mai veröffentlichte das Portal beispielsweise “Die Gaffer-Galerie von der A4” und zeigte dort (verpixelte) Bilder von LKW- und Autofahrern, die mit ihren Handys eine Unfallstelle filmten oder fotografierten:

Drei Verletzte nach einem Crash auf der A4. Ein Transporter ist umgekippt, die Bergung schwierig. Doch statt zügig an der Unfallstelle vorbei zu rollen, halten viele Kraftfahrer skrupellos mit der Handykamera drauf.

Am 18. Mai titelte Bild.de zu einem Unfall auf der A1: “SCHON WIEDER! Gaffer behindern Unfall-Retter”.

Problem bei der Rettung: Die anderen Autos ließen die Retter nicht durch! Christian Bahrs von der Feuerwehr Harpstedt: “Die Rettungsgasse hat wenig bis gar nicht funktioniert. Und auf der Gegenspur hat ein LKW-Fahrer auf dem Standstreifen angehalten und Fotos gemacht, statt zu helfen.”

Nur zwei Tage später der nächste Bild.de-Text: “Gaffer stören Retter nach Massen-Crash!”

Die Rettungsgasse fehlte auf langen Abschnitten, Gaffer stiegen aus ihren Autos und liefend (sic) fotografierend und filmend über die Autobahn! Die Polizei musste eingreifen, sprach Mahnungen aus.

Und so gibt es immer mal wieder die völlig berechtigte Gaffer-Schelte in den “Bild”-Medien. Erst gestern am späten Abend erneut bei Bild.de:

Dutzende Gaffer versammelten sich indes um den Unfallort. Ein junger Mann hielt mit dem Handy drauf.

Heute berichtet das “Bild”-Onlineportal über einen Unfall auf der A9 in Bayern, bei dem nach aktuellem Stand 18 Menschen ums Leben kamen. Dafür benutzt es auch dieses Foto als Aufmacher-Optik:

Als Quelle ist lediglich “privat” angegeben. Die Person, die das Foto geschossen hat, muss sich auf der gegenüberliegenden Autobahnspur befunden haben. Und sie hat es ganz offensichtlich aus einem Fahrzeug heraus gemacht — oben rechts kann man in der Spiegelung der Fensterscheibe das Armaturenbrett und das Lenkrad erkennen. Es sieht stark nach einer Gaffer-Aufnahme aus.

Gaffer sind “echt das Letzte”, findet “Bild”. Außer sie liefern der Redaktion dramatische Fotos.

Mit Dank an Coroline S., Manni, Harald C.-H., Frank L. und Frederik für die Hinweise!

Nachtrag, 4. Juli: Inzwischen haben es noch mehr Aufnahmen, die von Autofahrern stammen, die gestern an der Unfallstelle auf der A9 vorbeigekommen sind und ihr Mobiltelefon gezückt haben, zu Bild.de geschafft.

Dieses Foto — auch hier nur die Quellenangabe “privat” — zum Beispiel:

Die Redaktion hat außerdem ein Handyvideo veröffentlicht, auf dem der brennende Bus zu sehen ist:

Bei “RTL aktuell” lief gestern das gleiche Video, während später im selben Beitrag die problematischen Gaffer thematisiert wurden:

Die “Bild”-Zeitung hat eine Gaffer-Aufnahme — vermutlich ein Standbild aus dem oben bereits erwähnten Handyvideo — sogar auf die heutige Titelseite gepackt …

… und auf Seite 2 gleich eine ganze Gaffer-Foto-Collage veröffentlicht:

Mit Dank an Christian M., Stefan K., @kaeptn99 und @KiCKLOCHONE für die Hinweise!

Heiße “Bild”-Altherren könnten Finger nicht von Frauen-Body lassen

Manchmal reicht eine einzige Zeile unter einem Foto, und schon schüttelt’s einen vor lauter “Bild”-Breitbeinigkeit. Zum Beispiel diese hier:

Aber mal ehrlich: An Jörns Stelle könnten wir auch nicht die Finger von diesem knattergeilen Body lassen

Die Frau mit dem “knattergeilen Body”, von der die ehrlichen “Bild”-Redakteure die Finger nicht lassen könnten, war mit dem Schauspieler Jörn Schlönvoigt im Urlaub. Die “Bild”-Zeitung brachte am vergangenen Freitag eine ganze Fotoserie mit Bildern der beiden — er in Badehose, sie im silbernen Bikini –, die sie auf einer Jacht vor der Küste Mallorcas zeigen:

Ausriss Bild-Zeitung - Schauspieler Jörn Schlönvoigt mit neuer Freundin - Sexy Silber-Nixe geht GZSZ-Star ins Netz
(Alle Unkenntlichmachungen in diesem Beitrag durch uns.)

Bild.de berichtete bereits am späten Donnerstagabend:

Ausriss Bild.de - Sexy Silber-Nixe geht GZSZ-Star ins Netz

Die acht (“Bild”) beziehungsweise 14 (Bild.de) Fotos, die in “Bild” riesig ausgebreitet werden und bei Bild.de nur mit einem “Bild plus”-Abo zu sehen sind, haben alle eine gewisse Paparazzo-Ästhetik; wir wollen aber nicht ausschließen, dass sie gestellt sind. Da wir nicht sicher sein können, ob die Aufnahmen mit den Personen, die sie zeigen, abgesprochen waren, haben wir sie lieber verpixelt.

Die Fotos und die eventuelle, damit zusammenhängende Verletzung der Privatsphäre sind eine Sache. Eine andere sind der dazugehörige Text und vor allem die Bildunterschriften. Dort gibt es neben der “knattergeil”-Zeile die gesammelte Altherrenwitzigkeit der “Bild”-Medien:

Jörn Schlönvoigt und seine brünette Sex-Bombe — schwer verliebt auf Mallorca

Alle J-ACHTung: Jörn Schlönvoigt und seine Hanna bei Hoppe-Hoppe-Reiter-Spielen an Deck

Der Silberpfeil will geölt werden: Jörn Schlönvoigt cremt seine neue Freundin Hanna ein

Kaum zusammen, da nimmt sich Jörn seine Hanna schon zur Brust

Aufschwung zur Liebe. So schön kann Nahkampf sein

Gemeinsames Sonnenbaden — da wird uns schon beim Zuschauen ganz heiß

Auf ihrem Tagesprogramm: DECKungsarbeit an Bord! Es wird getätschelt, geplanscht und gaaanz viel geknutscht.

Ein bisschen planschen im kalten Wasser würde auch den Altherren von “Bild” und Bild.de ganz gut tun.

Mit Dank an @Fluxcompensator, @RA_Conrad und Lukas H. für die Hinweise!

Geld verdienen mit dem Tod junger Menschen

Es ist ein großes Glück, dass in der Redaktion der “Bild”-Zeitung so viele feinfühlige Eltern sitzen. Andernfalls hätte die Berichterstattung des Boulevardblatts über den Anschlag in Manchester nämlich ganz anders ausgesehen.

Das ist jedenfalls der logische Rückschluss aus dem, was “Bild”-Ombudsmann Ernst Elitz in der Samstag-Ausgabe schrieb:

In dieser Woche erreichten mich mehrere Zuschriften von Lesern, die meinten, man hätte darauf verzichten sollen, die Fotos der Opfer von Manchester zu zeigen. (…)

Viele Mitarbeiter haben Kinder im Alter der Ermordeten. Und so wurde die Auswahl der Fotos eben nicht nur von Journalisten getroffen, sondern von Müttern und Vätern, die sich fragten: Würde ich mein Kind so zeigen, wenn meine eigene Familie von diesem Grauen betroffen wäre? (…)

Die Auswahl eines jeden Fotos war eine Gewissensentscheidung. Ich finde, das Gewissen der Mütter und Väter in der Redaktion hat bei der Auswahl der Fotos aus Manchester richtig entschieden.

Kurzum, das übliche ElitzUrteil: “Bild” hat’s richtig gemacht.

Und das dank der “Mütter und Väter in der Redaktion”. Die sollen sich also gefragt haben: “Würde ich mein Kind so zeigen, wenn meine eigene Familie von diesem Grauen betroffen wäre?” Nun orientiert sich das Persönlichkeitsrecht und das Recht am eigenen Bild und auch der Pressekodex in der Regel nicht an einer hypothetischen Entscheidung des durchschnittlichen “Bild”-Redakteurs. Die richtigere Frage wäre wohl gewesen: “Wollen die Eltern, dass ihr Kind so gezeigt wird?” Und diese Frage hätten die “Bild”-Mitarbeiter am besten nicht sich selbst gestellt, sondern den betroffenen Eltern.

Haben sie aber nicht gemacht und sich stattdessen entschieden, “Fotos aus den glücklichen Tagen der ermordeten Kinder zu zeigen”. Ernst Elitz verkauft diese Entscheidung beinahe als Wohltat:

BILD entschied auch, Fotos aus den glücklichen Tagen der ermordeten Kinder zu zeigen, damit sie uns mit ihrem Lächeln, ihrer Hoffnung, ihrer Schönheit in Erinnerung bleiben. Als ein Zeugnis der Liebe, das uns von den Terroristen unterscheidet.

Halten wir also schon mal fest: Sollten die Kinder der “Bild”-Mitarbeiter jemals in ein derartiges Unglück geraten — was hoffentlich niemals geschehen wird! –, kann man ohne Bedenken ihre Facebook- und Instagram-Seiten plündern und die dort zu sehenden Fotos ins Internet stellen, Bezahl-Artikel mit ihnen füllen, sie hunderttausendfach drucken. Schließlich haben die “Mütter und Väter in der Redaktion” die Frage “Würde ich mein Kind so zeigen, wenn meine eigene Familie von diesem Grauen betroffen wäre?” mit einem kräftigen “Ja!” beantwortet. Sie haben dabei auf Collagen zurückgegriffen, auf denen Personen zu sehen waren, die zur Zeit des Anschlags nicht mal in Großbritannien waren. Sie haben einen Text über die 18-jährige Georgina veröffentlicht, Titel: “Ausgelöscht!”, der fast ausschließlich aus Postings des Mädchens in verschiedenen Sozialen Netzwerken besteht. Um ihn lesen zu können, braucht man ein “Bild plus”-Abo. Es soll bei solchen Artikeln also darum gehen, ein kleines Denkmal für dieses Mädchen zu errichten, ein “Zeugnis der Liebe”, wie Ernst Elitz schreibt? Nein, es geht ums Geldverdienen mit verstorbenen jungen Menschen.

Die “Bild”-Eltern haben sich auch dazu entschlossen, verletzte Kinder und Jugendliche zu zeigen, die nach dem Anschlag schockiert und verwirrt und voller Panik durch Manchester laufen. Immerhin — das stellt auch Elitz heraus (“Die Redaktion entschied dabei sehr bedacht, machte die Gesichter der flüchtenden Kindern unkenntlich.”) — haben sie dabei nicht jedes, aber viele der Gesichter verpixelt.

Fast alle dieser Fotos, die die feinfühligen Mütter und Väter aus der “Bild”-Redaktion unkenntlich gemacht haben, sind auch bei Bild.de erschienen. Dort allerdings bis heute ohne irgendeine Verpixelung. Auch das wäre eine Erkenntnis aus Ernst Elitz’ Verteidigungsschrift: Bei Bild.de arbeiten offenbar nur Kinderlose ohne Gewissen.

Zwei Jahre alt, “beste Star-Appeal-Gene”, keine Privatssphäre

Viel besser hätte die neue Woche für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Bild.de nicht starten können. Sie sind ganz verzückt:

Ob Eva beim Anblick des Vater-Tochter-Gespanns auch jedes Mal wieder ins Schwärmen kommt? Wir schon!

Mit “Eva” ist die Schauspielerin Eva Mendes gemeint, der “Vater” ist Schauspieler Ryan Gosling und die “Tochter” ist eines von zwei gemeinsamen Kindern des Ehepaares.

Ryan Gosling war mit seiner zweijährigen Tochter vor Kurzem in Los Angeles unterwegs. Paparazzi entdeckten die beiden und schossen Fotos, auf dem das Gesicht des Mädchens zu erkennen ist. Eines dieser Bilder hat nun also auch die Bild.de-Redaktion in die Hände bekommen. Und seitdem kommen die Promi-Kinder-Glotzer aus dem Schwärmen nicht mehr raus:

Die Unkenntlichmachung stammt von uns, Bild.de zeigt das Kind komplett unverpixelt auf der Startseite. Und das, obwohl die Redaktion sehr genau weiß, dass “Eva und Ryan” stets zu verhindern versuchen, dass ihre Kinder auf klickgeilen Internet-Portalen ausgestellt werden.

Im Artikel von Bild.de steht:

Esmeralda ist zwar schon ganze zwei Jahre alt und hat offensichtlich die besten Star-Appeal-Gene abbekommen — Bilder dieser Art sind aber eine absolute Rarität. Eva und Ryan achten sehr auf die Privatsphäre ihre [sic] Sprösslinge und halten sie fern von Blitzlichtgewitter und Paparazzi.

Den Schutz der Privatsphäre eines Kindes kann man natürlich schon mal vergessen, bei all der Begeisterung über solche “Star-Appeal-Gene” einer Zweijährigen.

Bei Bunte.de sind sie hingegen ganz erleichtert. Endlich ist er weg, dieser wahnsinnige Druck! Schließlich habe man “lange gewartet”:

Auf diese Bilder haben wir lange gewartet: Endlich zeigt uns Ryan Gosling seine Tochter Esmeralda!

Das Burda-Portal veröffentlicht ebenfalls das Foto von Gosling mit seiner jungen Tochter. Das Burda-Portal verzichtet dabei ebenfalls auf eine Verpixelung. Und das Burda-Portal schreibt ebenfalls, dass “Ryan und Eva” ihr Privatleben “weitgehend geheim” hielten:

Ryan und Eva sind bereits seit 2011 ein Paar, doch die Hollywood-Stars leben zurückgezogen und halten ihr Privatleben weitgehend geheim. Nicht mal von den beiden Schwangerschaften der schönen Schauspielerin erfuhr die Öffentlichkeit — bis die Geburten jeweils kurz bevor standen.

Dennoch — oder gerade deswegen — hat das Team von Bunte.de für ihren nächsten Beutezug einen Bitte an Ryan Gosling:

Esmeralda hat seit etwa einem Jahr eine kleine Schwester namens Amada (1). Auch auf sie würden wir gerne mal einen Blick werfen. Vielleicht beim nächsten Ausflug, Ryan?

Das klingt nach einer ziemlich ernsten Drohung.

Mit Dank an Vitus H. für den Hinweis!

Oberstes “Bild”-Gericht hat “BVB-Bomber” längst schuldig gesprochen

Die “Süddeutsche Zeitung”, NDR und WDR berichten heute, dass der Mann, der verdächtigt wird, die drei Bomben neben dem Mannschaftsbus des BVB gezündet zu haben, sagt, er sei es nicht gewesen:

“Mein Mandant bestreitet die Tat”, erklärt der Tübinger Anwalt Reinhard Treimer, der den 28-jährigen Mann vertritt. Sergej W. habe auch gegenüber dem Haftrichter des Bundesgerichtshofs bestritten, dass er der Täter gewesen sei.

Auch die weiteren Ermittlungen der zuständigen Behörden sollen bislang kein weiteres belastendes Material zutage gefördert haben:

Die bisherige Auswertung des bei Durchsuchungen sichergestellten Materials hat nach Recherchen von Süddeutsche Zeitung, NDR und WDR keine weiteren eindeutigen Belege für die Tat gebracht.

Dennoch seien sich die Ermittler “weiterhin sicher, dass der wegen dringenden Tatverdachts festgenommene 28-jährige Sergej W. den Anschlag auf den Bus verübt hat.” In dem Fall geht es um versuchten Mord, gefährliche Körperverletzung und die Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion.

Bild.de berichtet, mit Bezug auf die “Süddeutsche Zeitung”, ebenfalls über die neueste Entwicklung:

Moment mal! “Mutmaßlicher Attentäter”? Warum denn auf einmal diese Zweifel, liebe “Bild”-Richter? Ihr wart doch schon vor Tagen sicher:


(Diese und alle weiteren Unkenntlichmachungen im Beitrag von uns.)

Wozu auf eine offizielle Verurteilung warten, wenn man medial schon mal vorverurteilen kann? Warum nicht einfach schon mal schreiben, dass es sich um “seinen 30-fachen Mordversuch” handelt?

Warum nicht jemanden schon mal ohne jeden Zweifel zum “Dortmund-Attentäter” erklären?

Warum nicht immer und immer wieder vom “BVB-Bomber” beziehungsweise, wenn man in besonderer Alliterationslaune ist, vom “BVB-Bus-Bomber” schreiben und ein unverpixeltes Foto des Tatverdächtigen danebenpacken, als hätte ein Gericht bereits rechtskräftig festgestellt, dass es sich bei dem Mann um den Attentäter handelt?



Keine Frage: Aufgrund der Indizien — zum Beispiel die Börsenwette des Tatverdächtigen auf einen fallenden BVB-Aktienkurs oder sein Bestehen auf ein Hotelzimmer mit Blick auf den Anschlagsort — kann man der Meinung sein, dass der Mann etwas mit dem Attentat zu tun hat. Aber es sind eben nur Indizien. Und ein “mutmaßlich” oder “angeblich” oder “wahrscheinlich” in die Berichterstattung einzubauen, ist kein großer Akt. Wenn eine Redaktion es denn will.

Die Mitarbeiter von “Focus Online” schrieben übrigens auch schon vom “BVB-Attentäter”. Aber im Gegensatz zu ihren “Bild”-Kollegen hatten sie auch schon ein Geständnis des Tatverdächtigen gehört. Jedenfalls meinten sie vor einer Woche, eins gehört zu haben:

Die “dpa” griff die “Focus Online”-Hinhör-Geschichte damals auf und machte eine Meldung daraus. Diese tauchte dann erneut bei “Focus Online” auf:

Heute veröffentlichte “Focus Online” diese Eilmeldung:

Ebenfalls zum Thema:

Mit Dank an @LSAwesome und @ziesmannmedia für den Hinweis!

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