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“Bild” macht friedliche Moslems zu radikalen Islamisten

Alte „Bild“-Grundregel: Menschen, die etwas Schlimmes getan haben, verlieren automatisch ihre Persönlichkeitsrechte.

Egal, wie alt sie sind.


(Unkenntlichmachung von uns.)

Die 15-Jährige soll regelmäßig eine Moschee von radikalen Islamisten besucht haben, wollte angeblich nach Syrien reisen (darum “ISIS-Horror”) und steht nun im Verdacht, in Hannover einen Polizisten niedergestochen zu haben.

Aus dem Pressekodex:
Bei einer identifizierenden Berichterstattung muss das Informationsinteresse der Öffentlichkeit die schutzwürdigen Interessen von Betroffenen überwiegen; bloße Sensationsinteressen rechtfertigen keine identifizierende Berichterstattung. (…) Insbesondere in der Berichterstattung über Straftaten und Unglücksfälle dürfen Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres in der Regel nicht identifizierbar sein.

Das Foto des Mädchens hat „Bild“ (noch so eine alte Grundregel) bei Facebook besorgt, ebenso wie die meisten Fotos im Innenteil: das Mädchen im Kinderzimmer, auf einem Pferd, vor dem Eiffelturm …

Ob wenigstens das richtige Kind zu sehen ist, wissen wir nicht. Gut möglich, dass die Fotobeschaffer wieder mal im falschen Profil gewildert haben.

Allzu sorgfältig sind die “Bild”-Leute auf ihrer Fotojagd jedenfalls nicht vorgegangen, wie dieses Beispiel (ebenfalls aus dem Artikel) zeigt:

Das stimmt nicht. Das Foto zeigt keine Moschee, sondern ein Cem-Haus. Und es gehört nicht zum „Deutschsprachigen Islamkreis“, sondern zur „Alevitischen Gemeinde“ Hannovers.

Das mag für „Bild“-Redakteure eh alles dasselbe sein, ist es in der Realität aber nicht.

Im Gegensatz zum salafistischen Islamkreis in Hannover ist die alevitische Gemeinde Mitglied in der Deutschen Islamkonferenz und wird nicht vom Verfassungsschutz beobachtet. Von Salafisten unterscheidet Aleviten ohnehin eine ganze Menge: Männer und Frauen beten bei ihnen gemeinsam, sie deuten den Koran nicht wörtlich und lehnen die fünf Säulen des Islam ab. Mit dem „Islamischen Staat“ verbindet sie allenfalls, dass er ihnen die Köpfe abschneiden will.

Anders gesagt: Das abgebildete Haus und die Gemeinde, zu der es gehört, haben überhaupt nichts mit dem „Terror-Mädchen“ zu tun; “Bild” bringt sie zu Unrecht mit dem “ISIS-Horror” in Verbindung.

Ein Mitglied der Gemeinde sagte uns, sie würden oft beleidigt und bedroht, weil viele Leute annähmen, sie hätten was mit Terroristen zu tun. Durch die falsche Bebilderung würden sie jetzt umso mehr zur Zielscheibe.

Bei Facebook schreibt der Vorstand der Gemeinde, er fasse dies “als bewusste Tat gegen uns auf”.

Wir würden eher auf Fahrlässigkeit tippen. Wenn die “Bild”-Zeitung die Wahl hat zwischen Sorgfalt und Schnelligkeit, entscheidet sie sich eben für Letzteres. Auch wenn sie dabei in Kauf nimmt, unbeteiligte Menschen zu Hassobjekten zu machen. Alte Grundregel.

Nachtrag, 23.15 Uhr: Wie wir gerade entdeckt haben, hat “Bild” heute eine Korrektur veröffentlicht.

Falls Sie auch nicht gleich fündig werden: Ganz oben, zwischen dem toten Wal und Sarah Connor.

Die alevitische Gemeinde schreibt dazu bei Facebook:

In der heutigen ‪#‎BILD‬ Ausgabe (05.03.2016) wurde eine Richtigstellung aufgrund der ‪#‎Fotoverwechslung‬ vom Vortag vorgenommen. Die Redaktion bedaure die Verwechslung. Die Frage ist jedoch wie es zu so einer Verwechslung kommen konnte!?
Unser Dachverband ‪#‎AABF‬ und auch die Alevitische Gemeinde ‪#‎Hannover‬ ist nun seit fast 25 Jahren im Widerstand gegen Extremismus, vor allem gegen radikalen Islamismus. Denn die Alevitische Gesellschaft kennt die Folgen extremistischer Gewalt sehr gut. Dennoch werden wir nach all den Jahren mit den Feinden der Demokratie verwechselt. Kann ein knapp verfasster Artikel das wieder gut machen?

Der Minister, die Schauspielerin und die Medien

Bundesjustizminister Heiko Maas und seine Frau haben sich getrennt. Der Anwalt der beiden hat die Trennung am vergangen Mittwoch bekanntgegeben, seitdem haben sie sich nicht mehr öffentlich geäußert.

„Bild“ vermeldete das …

… am Mittwochabend online und wusste am Tag darauf in der Print-Ausgabe exklusive Details zu berichten:

Dass der Minister und seine Frau darum gebeten hatten, „ihre Privatsphäre strikt zu respektieren“, steht in dem Artikel natürlich nicht.

Am nächsten Tag ging es weiter, diesmal nannte “Bild” auch den Namen der angeblichen Affäre:


(Wir haben die Frau hier und in den folgenden Screenshots unkenntlich gemacht.)

Genüsslich gibt „Bild“-Reporter Michael Schacht in dem Artikel das „Getuschel“ wieder, das es im “Umfeld” der beiden gebe, und erklärt: „Wie die Ehe von SPD-Hoffnungsträger Maas zerbrach“.

Doch so eklig dieser Voyeurismus auch ist — rechtlich gesehen ist der Fall nicht ganz eindeutig. “Bild” greift zwar in die Privatsphäre der Betroffenen ein, doch das heißt nicht, dass sie vor Gericht automatisch Recht bekämen, sollten sie dagegen vorgehen.

Rechtsanwalt Ralf Höcker sagte 2014 in der „taz“ auf die Frage, ob es zulässig sei, über die Affäre eines Politikers zu berichten:

Das hängt vom Vorleben ab. Wer sein Privatleben schon vorher öffentlich macht, der muss auch später unangenehme Berichterstattung dulden. Man müsste also die Archive nach freiwilligen privaten Selbstveröffentlichungen (…) durchsuchen, um zu wissen, was er sich gefallen lassen muss.

Auch Anwalt Johannes Eisenberg erklärte in einem Interview mit dem „Freitag“ vor einigen Jahren:

Das entscheidende Kriterium ist, ob man selber in guten Zeiten seine Familie zum Gegenstand öffentlicher Wahrnehmung macht, die Frau präsentiert, Homestorys zulässt.

Im vergangenen Jahr trafen sich Heiko Maas und die Schauspielerin zum Doppel-Interview mit der “Bild am Sonntag”, um über ihre Freundschaft zu plaudern. Ob das genug “Homestory” ist, um auch über eine (angebliche) Affäre berichten zu dürfen, werden im Zweifel Gerichte entscheiden müssen.

Ob man alles machen muss, was man machen darf, ist eine andere Frage. Man könnte auch Privates einfach im Privaten lassen. Oder zumindest abwarten, bis sich die Betroffenen selbst zu Wort melden.

Eine ganze Reihe von Medien hat sich entschieden, nicht abzuwarten und stattdessen die Affärengerüchte der „Bild“-Zeitung nachzuplappern. Darunter natürlich Klatschmedien wie “Gala”, vip.de und stern.de:



Aber auch Medien wie der „Tagesspiegel“, die “WAZ” und das „Handelsblatt:



Die Gerüchte gingen ins Ausland …

… wurden zum Clickbait …

… und dienten selbst den Fremdenfeinden von „Politically Incorrect“ für was auch immer:

Am eifrigsten aber sind die Leute von „Bild“. Vergangenen Samstag gab’s die dritte Titelstory.

Heiko Maas hatte sich zwar immer noch nicht geäußert („WARUM SCHWEIGT DER MINISTER?“), und die Schauspielerin „ließ BILD über ihr Management wissen, dass es eine gemeinsame Erklärung geben werde“. Doch so lange wollte das Blatt nicht warten. Reporter Michael Schacht hatte sich ja ohnehin bereits im “Umfeld” der beiden umgehört, was ihm reichte, um das “Liebes-Wirrwarr” zu konstruieren und einen der schmierigsten “Bild”-Artikel seit Langem abzuliefern:

Die Schauspielerin ist maaslos verliebt. Er hat das Direktmandat für ihr Herz gewonnen.

Der Minister leidet, wie aus seinem Umfeld zu hören ist. Nicht nur seine Ehe ist zerbrochen, er weiß auch, dass jedes Wort zu viel nun politisch riskant wäre, jedes Wort zu wenig aber seine neue Liebe aufs Spiel setzt.

[Die Schauspielerin] ist eine selbstbewusste Frau. Sie kennt die Spielregeln auf Berlins glattem gesellschaftlichen Parkett, wo Macht und Glamour sich umarmen. Da muss man schweigen können. Aber geht das, wenn zwei Herzen so laut schlagen, dass es ganz Berlin hört?

Am nächsten Tag: nächste Titelstory.

Die Reporter hatten anscheinend vor dem Haus der Schauspielerin campiert; im Blatt zeigen sie ein Foto, auf dem sie gerade das Haus verlässt und zum Auto geht. Offenbar sind sie ihr auch weiter gefolgt (sie wissen zumindest, wohin sie dann gefahren ist).

Und sie bleiben dran. Heute der nächste Artikel.

Der nächste Akt in diesem „Boulevardtheater mit Starbesetzung“, wie es die „Bild am Sonntag“ nennt. Als wäre es bloß ein Spiel, eine weitere amüsante Aufführung auf dem „Klatsch-Parkett“ („Bild“).

Um dieses Spiel zu beenden, bleibt Maas und der Schauspielerin im Grunde nur, sich öffentlich dazu zu äußern oder sich juristisch dagegen zu wehren. In jedem Fall haben sie es mit einem verdammt unbequemen Gegner zu tun.

Anwalt Eisenberg sagte damals im Interview mit dem „Freitag“ noch:

Die Bild ist jedenfalls besonders rücksichtslos, und sie müssen überhaupt nicht aufs Geld achten. Wenn ein Politiker sich mit der Bild anlegt, hat er erst einmal schlechte Karten. Politiker haben ja in der Regel kein größeres einsetzbares Vermögen für eine Auseinandersetzung mit einem weltweit operierenden Konzern, der Milliardengewinne macht. Ich habe noch keinen einzigen Politiker gesehen, der in einer echten Krise das Geld hatte oder aufbringen wollte, der Bild Paroli zu bieten und die 80.000 Euro oder so Prozesskosten zu riskieren.

Mir hat kürzlich ein Richter gesagt, der in dem anschließenden Urteil die Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung feststellte: „Ihr kriegt den Deckel sowieso nicht mehr zu.“ Das ist genau das Kalkül: Wenn die Sache in der Welt ist, fragt niemand danach, ob die Medien berechtigt waren, sie in die Welt zu setzen. Sie ist dann nicht mehr rückholbar. Und genau darauf setzen die Medien.

Sein Wort in ihren Ohren

„Mag“? „Vergöttert“ trifft es viel besser. In der Welt von „Bild“ ist Zuckerberg nämlich nichts weniger als ein übermenschlicher Held, der Franz Beckenbauer des Internets. „Bild“-Oberchef Kai Diekmann nennt Zuckerberg den „Charity-Gott“. Springer-Vorstand Mathias Döpfner schwärmt, er sei „a wonderful human being“. Franz Josef Wagner nennt ihn in einem rasselnden Atemzug mit Nelson Mandela und Mutter Teresa.

Umso aufgedrehter war die Springer-Bande gestern — denn der Facebook-Chef hatte angekündigt, sie am Abend in ihrem Hauptquartier zu beehren.

Schon morgens jauchzte Kai Diekmann:

Zu Ehren ihres Gastes hatten die Springer-Leute nicht nur schnell einen Award ins Leben gerufen, sondern gleich noch ihre Dachterrasse umgebaut …

… ein Stück Berliner Wald abgeholzt …

… und alles ganz facebookblau-kuschelig gemacht für den man of the evening.

Und dann — endlich:

An einem so zauberhaften Abend spricht man natürlich nur ungern über heikle Themen. Aber dafür gab es dann ja auch die Zuckerberg-Fragestunde heute in Berlin, zu der wir Folgendes eingereicht hatten:

Da die Frage zu denen mit den meisten Likes gehörte (vielen Dank für die Unterstützung!), ist Zuckerberg auch darauf eingegangen. Er sagte:

Well, this is a tricky one. If it’s not a public photo, then someone should not be taking your photo and using it publicly. You know, in general, the rule is that you control all the content that you post on facebook. (…) If we’re building a community and people are sharing stuff that they don’t intend to be public, and then someone else is making it public, then that’s an issue. Right? And that’s gonna undermine the trust that our community has in us to making sure that, you know, when you share something with just your friends then that’s actually going to only the people that you want.

This is a tricky area for us, because we don’t control … you know, the law in most countries around the world, I believe, is that you post a photo, you own that photo. And that people don’t have the ability to use that photo without your permission. So if you find out that someone, you know, whether it’s on a blog or … you know, someone else is using your photo without your permission, you should have the right to be able to send them an e-mail and get in touch with them and tell them that that they don’t have permission to do that and they should take it down. In (…) most countries I can think of, if people don’t respect your rights for the content that you own, you have legal recourse to go after that.

But this is obviously an issue for facebook, because we want people to feel completely comfortable, that if they share something with their friends or with a community of a hundred people, then that’s not somehow gonna be taken and shared with more people. Unfortunately, we don’t have complete control if someone takes a screenshot or something, but you do own those photos and have the right to have it distributed only how you want, wheter that’s on our service or outside.

Man darf also sagen: Er findet’s eher nicht okay.

Das hatten wir ehrlich gesagt vermutet, und wir hatten die Hoffnung (zumindest ein kleines bisschen), dass — wenn es schon die Justiz, die Polizei, Angehörige von Betroffenen, der Presserat, wir und auch sonst keiner schafft, den “Bild”-Mitarbeitern die Fotoklauberei bei Facebook auszutreiben — dass vielleicht ja Mark Messias Zuckerberg etwas in seinen Jüngern auszulösen vermag.

Jene Jünger waren natürlich auch bei seiner Fragestunde, haben live getickert und später einen Artikel gebracht, in dem sie die Fragen und Antworten zusammenfassen. Über das Thema Täter- und Opferfotos schreiben sie sowohl im Ticker als auch im Artikel — kein Wort.

Aber dafür, heute auf Bild.de:

(Unkenntlichmachung von uns.)

Persönlichkeitsrechte? Ehrensache!

Bei „Bild“ arbeiten noch Journalisten mit Anstand.

Als zum Beispiel der 1. FC Union Berlin vorgestern mitteilte, dass Trainer Sascha Lewandowski aufgrund einer nicht näher benannten Erkrankung drei Wochen lang ausfallen werde, schrieb „Bild“ nur:


Selbstverständlich. Journalisten mit Anstand eben.

Noch ein Beispiel? Hier: Über Justizminister Heiko Maas und dessen Frau, die sich kürzlich getrennt haben, schreibt „Bild“ heute:

Der SPD-Politiker und die Lehrerin bitten, ihre Privatsphäre strikt zu respektieren.

Den respektlosen Rest des Artikels mit den privaten Details und den ganzen Spekulationen über eine angebliche Affäre …

… muss die Redaktionskatze geschrieben haben, da kann „Bild“ selbstverständlich nichts für.

Auch diese beiden Damen, die vor ein paar Tagen vor Gericht standen und ganz offensichtlich nicht fotografiert werden wollten …


(Unkenntlichmachung durch den BR.)

… hat „Bild“ am Dienstag bestimmt bloß aus Versehen in Nahaufnahme und unverpixelt im Blatt gezeigt:


(Unkenntlichmachung durch uns.)

Denn Persönlichkeitsrechte zu respektieren, das ist für die Leute von „Bild“ — selbstverständlich.

Mit Dank an Pascal S.

Bild  

Foto: Privat

Wenn die „Bild“-Zeitung unverpixelte Fotos von Opfern oder Tätern abdruckt (was ja hin und wieder vorkommen soll) und man am Rand entweder gar keine Quellenangabe oder nur „Foto: Privat“ liest, kann man das in der Regel so übersetzen: Foto bei Facebook beschafft, Urheber nicht gefragt, Zustimmung der Abgebildeten nicht eingeholt, uns doch egal, alles geben, alles zeigen.

Vorgestern, “Bild”-Zeitung, Seite 3:

Gesicht entstellt! Nahm ihr Ex grausame Rache? - SÄURE-ATTENTAT AUF VANESSA (27) [dazu ein riesiges Doto des Opfers und ein kleineres Foto des Tatverdächtigen]

(Unkenntlichmachung von uns. Für den Verdächtigen unten rechts hat „Bild“ einen kleinen Augenbalken springen lassen, für die Frau auf dem großen Foto nichts. Quelle: “Privat”.)

Man darf wohl davon ausgehen, dass die Leute von “Bild” auch in diesem Fall keine Erlaubnis der Abgebildeten vorliegen hatten, denn der abgebildete Mann sitzt in U-Haft — und die abgebildete Frau hat überhaupt nichts mit der Sache zu tun. Da haben sie mal wieder das falsche Foto geklaut.

Inzwischen wurde die Seite aus dem ePaper entfernt und in der Ausgabe von gestern eine Korrektur veröffentlicht versteckt, drei Seiten weiter hinten und sechsmal kleiner als das falsche Foto:

Korrektur - In dem Bericht über den Säureanschlag auf Vanessa (27) vom 16. Februar ist es bedauerlicherweise zu einer Verwechslung gekommen. Das von BILD veröffentlichte Foto zeigt nicht das Opfer des Angriffs, sondern eine unbeteiligte Person. Dafür bitten wir um Entschuldigung.

Und sie haben es sich nicht nehmen lassen, bei der Gelegenheit auch gleich noch mal den Verdächtigen zu zeigen. Und das (angeblich diesmal richtige) Opfer. Ohne jede Verpixelung.

So geht es Säure-Opfer Vanessa [dazu ein Foto des Opfers und ein Foto des Verdächtigen]

Klein am Rand steht: „Foto: Privat“.

Mit Dank an Gabriel M.

Katastrophen-Journalismus heute – eine Anleitung

Sie sind ein deutsches Medium und fragen sich, wie Sie nach einem schweren Unglück trotz der Undurchsichtigkeit und Hektik in kurzer Zeit möglichst viele relevante Informationen liefern Klicks abstauben?

Da können wir helfen.

Wir haben uns die Berichterstattung nach dem Zugunglück in Bad Aibling genauer angeschaut und daraus ein paar hilfreiche Regeln abgeleitet. Wenn also das nächste Mal eine Katastrophe eintritt:

1. Atmen Sie auf keinen Fall tief durch. Beeilen Sie sich. Hauen Sie sofort alles raus, was Sie in die Finger kriegen. Alles. Sofort!


(maz-online.de, Dienstag)


(maz-online.de, Mittwoch)

***

2. Schildern Sie immer wieder ganz ausführlich und in riesiger Aufmachung die grausamen Details.

Wenn der Polizeisprecher sagt:


(n24.de)

… dann besorgen Sie sie woanders.


(“Focus Online”)


(n24.de)


(ovb-online.de)


(tz.de)

***

3. Sie sind ein Fachmedium, das thematisch eigentlich nichts mit der Sache zu tun hat? Egal.


(“Sport 1”)


(“Focus Money”)

***

4. Fangen Sie möglichst früh an, über die Ursachen und Hintergründe zu spekulieren. Raten Sie einfach drauflos.


(Bild.de)


(stuttgarter-zeitung.de)


(Bild.de)

***

5. Benutzen Sie die Spekulationen über die Ursache als Clickbait.

***

6. Benutzen Sie alles als Clickbait.


(“Focus Online”)


(“Huffington Post”)


(“Huffington Post”)

***

7. Ein Augenzeugenvideo vom Unglück taucht auf? Clickbait!


(Bild.de)


(abendzeitung-muenchen.de)


(express.de)

***

8. Ausschnitte! Zeigen Sie Ausschnitte!


(mopo24.de, Unkenntlichmachung von uns)


(“Tagesschau”, Unkenntlichmachung von uns)


(RTL, Unkenntlichmachung von uns)


(“Bild”, Unkenntlichmachung von uns)

Pro-Tipp: Laden Sie das Video auf ihre eigene Seite hoch und schalten Sie Werbung davor. So verdienen Sie jedes Mal mit, wenn sich jemand das Schock-Video angucken will.


(welt.de)

Um die Nörgler wegen des Videos zu besänftigen, schwurbeln Sie sich eine Rechtfertigung zusammen oder denken Sie sich irgendeinen Vorwand aus, warum Sie die Bilder zeigen.


(merkur.de, Unkenntlichmachung von uns)


(Unkenntlichmachung von uns)

***

9. Empören Sie sich über Medien, die die Bilder gezeigt haben. Ignorieren Sie die Tatsache, dass Sie sie selbst gezeigt haben.

***

10. Lassen Sie Beinahe-Opfer zu Wort kommen, die zwar überhaupt nicht dabei waren, aber fast.


(tz.de, Unkenntlichmachung von uns)

***

11. Fotografieren Sie Trauernde.


(Bild.de, Unkenntlichmachung von uns)

***

12. Wühlen Sie im Privatleben der Opfer und veröffentlichen Sie alles, was Sie finden können.


(tz.de)


(merkur.de, Unkenntlichmachung von uns)


(“Focus Online”)


(“Bild”, Unkenntlichmachung von uns)


(Bild.de, Unkenntlichmachung von uns)


(Bild.de, Unkenntlichmachung von uns)


(Bild.de, Unkenntlichmachung von uns)


(Bild.de, Unkenntlichmachung von uns)


(Bild.de, Unkenntlichmachung von uns)


(“Bild am Sonntag”, Unkenntlichmachung von uns)

***

13. Bedrängen Sie die Angehörigen, Freunde, Nachbarn und Kollegen der Opfer. Nehmen Sie keine Rücksicht.


(“Bild am Sonntag”, Unkenntlichmachung von uns)


(Bild.de, Unkenntlichmachung von uns)

***

Alles beherzigt? Glückwunsch! Damit dürften Sie Ihre Reichweite erheblich vergrößert haben. Und das Leid vieler Menschen. Aber so ist das eben.

Mit Dank auch an Matthias K. und Michael H.

“Bild”-Online-Chef: “BILDblog marschiert für Pegida”

Julian Reichelt, der Online-Chef der “Bild”-Zeitung, unterstellt BILDblog eine ideologische Nähe zur fremdenfeindlichen “Pegida”-Bewegung.

Vorgeblicher Anlass dafür ist, dass wir uns beim Presserat über die Berichterstattung von “Bild” über einen Mann beschwert haben, der im vergangenen Oktober mit einem Galgen (“reserviert” für Angela Merkel und Sigmar Gabriel) auf einer Pegida-Demonstration gesehen wurde. Ein anonymer “Bild”-Fotograf lichtete ihn, offensichtlich gegen seinen Willen, in der Tür seiner Privatwohnung ab.

Wir halten das, ganz egal, wie sehr man den Mann, seine Aktion und Pegida ablehnt, für einen Verstoß gegen die Ziffer 8 des Pressekodex, in der es heißt:

Die Presse achtet das Privatleben des Menschen und seine informationelle Selbstbestimmung. Ist aber sein Verhalten von öffentlichem Interesse, so kann es in der Presse erörtert werden. Bei einer identifizierenden Berichterstattung muss das Informationsinteresse der Öffentlichkeit die schutzwürdigen Interessen von Betroffenen überwiegen; bloße Sensationsinteressen rechtfertigen keine identifizierende Berichterstattung.

Wie der Mann aussah, war vorher schon bekannt und in “Bild” zu sehen. Dafür, ihn noch einmal an der Tür seiner Wohnung zu fotografieren, sprach also nur das Sensationsinteresse.

Wir haben darüber berichtet und Beschwerde eingereicht, die der Presserat jetzt an den zuständigen Beschwerdeausschuss sowie die “Bild”-Zeitung weitergeleitet hat.

BILDblog-Chef Mats Schönauer schrieb darin:

Ich sehe in dem Artikel einen ethischen Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex. Die Fotos zeigen einen Mann ohne Unkenntlichmachung an der Tür seiner privaten Wohnung, auch das Innere der Wohnung ist zu erkennen. Laut Aussage des Abgebildeten wurden die Fotos “still und heimlich” gemacht und obwohl es “eindeutig untersagt war, dass da Fotos gemacht werden” (https://www.youtube.com/watch?v=jlpexCQgkkQ&t=6m). “Bild” und Bild.de nennen auch den Wohnort des Mannes, sein Alter und seinen Beruf. Sie verstoßen gegen den Pressekodex, weil sie “das Privatleben des Menschen und seine informationelle Selbstbestimmung” missachten. Dass der Mann bei einer Demo einen symbolischen Galgen für Angela Merkel und Sigmar Gabriel hochgehalten hat, rechtfertigt meines Erachtens keinen derartigen Eingriff in seine Persönlichkeitsrechte. Ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit an einer identifizierenden Berichterstattung bestand schon deshalb nicht, weil “Bild” und Bild.de bereits zwei Tage zuvor ein Foto von der Demo veröffentlicht hatten, auf dem das Gesicht des Mannes zu erkennen war (sogar extra eingekringelt von der Redaktion).

Diese Beschwerde hat nun offenbar Julian Reichelt erreicht. Er reagierte darauf wie folgt:

In weiteren Tweets sprach Reichelt von “Schönauers Verteidigungsschrift für den Pegida-Hetzer”, behauptete: “@BILDblog marschiert für Pegida” und klagte, dass Schönauer sich “schon lange ideologisch verwirrt” habe.

Seine An- und Ausfälle wurden teilweise vom offiziellen @Bild-Account an dessen 1,13 Millionen Follwer weiterverteilt.

In unserem Blogeintrag zum Thema hatten wir im Oktober übrigens vorsorglich formuliert:

Bevor hier Missverständnisse aufkommen (Herr Reichelt, gut aufpassen): Es geht nicht um den Galgen, der war schäbig und hatte mit “Satire”, wie es der Mann nennt, nichts zu tun. Es geht darum, dass auch besorgte Flachzangen Grundrechte haben.

Hat er nicht verstanden.

Die Opfer der “Bild”-Zeitung

Und was macht man als guter “Bild”-Reporter nach einem Terroranschlag, bei dem mehrere Deutsche gestorben sind? Richtig: Witwen schütteln.


(Unkenntlichmachung von uns.)

Dazu hat “Bild” ein Foto des Mannes abgedruckt — und eins seiner Leiche.

Auch von fünf anderen Opfern zeigt das Blatt unverpixelte Porträtfotos, nennt ihre (abgekürzten) Namen, ihre Wohnorte und viele private Details.

Davon, dass “Bild” die Erlaubnis der Angehörigen hatte, ist eher nicht auszugehen. Quellen für “die Geschichten der deutschen Opfer” sind überwiegend Nachbarn, (Ex-)Kollegen und die Facebookprofile der Verstorbenen.

Mit Dank auch an Jonas J.

Paparazzi zum Abschied

Ohne eine letzte Attacke konnten die Leute von “Bild” ihren Lieblingsfeind Stefan Raab natürlich nicht in den Fernsehruhestand ziehen lassen.

Nach der letzten Folge “TV Total” am Mittwochabend twitterte Prosieben:

Das Ergebnis der Belagerung findet man heute groß auf Seite 4 der “Bild”-Zeitung:


(Unkenntlichmachung von uns.)

Den Namen des Fotografen nennt “Bild” lieber nicht.

Bild  

Hetzen ist nur bei “Bild” erlaubt

Vor knapp zwei Monaten schrieb “Bild”:

Deutschland ist entsetzt: Ganz offen und mit vollem Namen wird in sozialen Netzwerken zu Gewalt aufgerufen und gehetzt – gegen Ausländer, Politiker, Journalisten, Künstler…

Hemmungslos und ungestört, vor allem auf Facebook und Twitter. So viel offener Hass war nie in unserem Land! Und wer Hass sät, wird Gewalt ernten. Längst ist die Grenze überschritten von freier Meinungsäußerung oder Satire zum Aufruf zu schwersten Straftaten bis zum Mord.

BILD reicht es jetzt: Wir stellen die Hetzer an den Pranger! Herr Staatsanwalt, übernehmen Sie!

BILD-Doppelseite: 'DER PRANGER DER SCHANDE'

(Unkenntlichmachung von uns.)

Knapp 40 Facebook-Kommentare (“Verpisst euch aus Deutschland”, “An die Wand,mit dem Dreckspack”) druckte “Bild” inklusive Fotos und Namen der Verfasser ab und verkündete wenig später stolz:

Erste Anzeigen! Jetzt MUSS der Staatsanwalt ermitteln

Auf ihrer eigenen Facebookseite sehen die Leute von “Bild” das mit dem Hass, der Hetze und den Aufrufen zu schwersten Straftaten aber nicht ganz so eng. Dort lassen sie die Leute säen, was immer sie wollen.

Hier zum Beispiel geht es um eine Schlägerei in einer Schule in Neukölln:
Mal wieder die üblichern Ausländer mit ihren geistig extrem beschränkten Mitteln! Ali, Suleyman, Umit, Mustafa und Fikret, ging es mal wieder um 'die EHRE'?? Ach was, die brauchen offenbar keinen Grund, sich täglich zu kloppen.Widerliche Leute!



Hier um eine Frau, die einer Seniorin viel Geld gestohlen haben soll:
Direkt an die Wand mit der....
War bestimmt eine auslanderin

(War sie nicht.)

Hier über einen Mann, der wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt wurde:

Dieses dumme Schwein lebt auf Kosten deutschen Bürger weiter....ich könnt kotzen
sowat gehört eingemauert... und nich auf unsere Kosten durchefüttert
Ihn auch würgen, aber NICHT minutenlang, sondern STUNDENLANG
Rübe ab und fertig























Das ist eine kleine Auswahl allein von heute Abend, es geht auch munter weiter, gelöscht haben die Leute von “Bild” nichts. Scheint ihnen ja wirklich sehr am Herzen zu liegen, der Kampf gegen den Hass.

Mit Dank an Christoph H.

Nachtrag, 11. Dezember: Inzwischen wurden die meisten Kommentare gelöscht.

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