Suchergebnisse für ‘spiegel online’

Runge, Kress, Doppelleben

1. “Klick-Prostitution im Netz”
(taz.de, Daniel Bouhs)
“Qualität und Online-Journalismus – das geht nicht immer zusammen. Schockierend ist der Internetauftritt der ‘Rheinischen Post’. In Weblogs wird sie heftig kritisert.”

2. Interview mit Bernd Runge
(sz-magazin.sueddeutsche.de, Max Fellmann und Jan Heidtmann)
Bernd Runge, jahrelanger Leiter des deutschen Ablegers von Condé Nast, spricht über seine Kontakte zum Ministerium für Staatssicherheit: “Ja, da war auch Opportunismus im Spiel. Kein Korrespondent der staatlichen Medien – Fernsehen, Radio und Presseagentur – wurde ohne das ausdrückliche und schriftliche Okay des Geheimdienstes und der Abteilung Agitation und Propaganda des Zentralkomitees der SED ins Ausland geschickt. Aber was für mich heute damals viel gefährlicher war, war meine jugendliche Selbstüberschätzung, die Annahme, ich wäre cleverer als die.”

3. “BND observierte SWP-Redakteur”
(suedwest-aktiv.de, Hans-Uli Mayer)
“1996 hat der Bundesnachrichtendienst einen Redakteur der Südwest Presse in Ulm observiert. Jetzt wurde der Fall im Untersuchungsausschuss in Berlin behandelt. Ein Fall von Pleiten, Pech und Pannen.”

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BVB-Fans: “BILD halt’s Maul!”

Kurz vor dem DFB-Pokalspiel zwischen Borussia Dortmund und Werder Bremen am vergangenen Mittwoch verunglückte im Dortmunder Stadion ein 21-Jähriger Dortmund-Fan tödlich, nachdem er offenbar “beim Überklettern eines Geländers/ Brüstung über dem Aufgang zur Stehtribüne im Bereich des Blocks 13 abgestürzt und ca. sieben Meter in die Tiefe gefallen” war.

Und natürlich berichtete nach Bekanntwerden des tragischen Unfalls auch “Bild” – und hatte dazu versucht, sowohl im privaten und beruflichen Umfeld des Toten als auch in Internet-Communities wie StudiVZ Details über ihn in Erfahrung zu bringen. Anders als andere Medien veröffentlichte “Bild” anschließend Einzelheiten aus seinem Privatleben und zu seinen tödlichen Verletzungen – und druckte sogar ein Porträtfoto, das von der Homepage seines Arbeitgebers stammt.

Für “Bild” ist das alles nicht ungewöhnlich (siehe Kasten).

Ungewöhnlich ist vielleicht nur die Reaktion der Dortmund-Fans, die am vergangenen Samstag beim Spiel Dortmund : Leverkusen öffentlich an den tragischen Unfall erinnerten – mit Schweigeminuten, Kerzen am Unfallort, “In Gedanken an”-Spruchbändern und… folgendermaßen:

Foto aus dem Stadion mit Fan-Spruchband: "Schlagzeilen mit einem Toten... BILD halts Maul!"

 
P.S.: Die “Bild am Sonntag” berichtete gestern quasi ganzseitig über die Gedenkaktionen von Verein und Fans – und zeigte ohne Quellenangabe ein weiteres Foto des Verstorbenen (diesmal aus seinem Profil in einer Online-Community). Obiges Transparent indes blieb unerwähnt.

Mit Dank an die Hinweisgeber und Tommy von schwatzgelb.de fürs Foto.

Pocher, Antiquitätenhändler, SEO

1. “Online bis dass der Tod uns scheidet”
(medienspiegel.ch, Andrea Masüger)
Der publizistische Direktor der Südostschweiz Medien glaubt, es sei “möglich, dass auf den Redaktionen unserer grossen Zeitungen zu wenig geschrieben und zu viel geschwatzt wird.” Dennoch könne es nicht so sein, dass “die Wegmarken im Schweizer Journalismus” künftig von jenen gesetzt werden, “die bei der SDA schon in der ersten Woche einer Schnupperlehre hochkant rausfliegen würden”.

2. “Woher soll das Geld für aufwändigere Berichterstattung kommen?”
(heise.de/tp, Thomas Pany)
Der konservativen Verleger (“graumelierter Kurzhaarschnitt, englischer Anzug, Hornbrille, die faltenfreie FAZ ungelesen auf dem Büroschreibtisch”) auf den Podien der DLD wirken “manchmal ein wenig wie ratlose Antiquitätenhändler”. “Um sie herum aufgeklappte Notebooks, dahinter junge kluge Köpfe mit Drähten dran und leisen Fingern, die so nebenbei über saubere Tastaturen laufen, während man dem Bekannten freundlich zunickt; eine neue, zielgerichtete Generation.”

3. “Mehr Pocher!”
(faz.net)
Michael Hanfeld wünscht sich mehr Oliver Pocher und weniger “Gremien-Gremlins” (Zitat Günther Jauch): “Die Kritik an seinem kleinen Stauffenberg-Auftritt wirkt vorgeschoben, sie ist lächerlich. Die Rundfunkräte, die nun in wohlfeiler Empörung aufmarschieren, sollten daran denken, dass es ihre Aufgabe nicht ist, Geschmackszensur auszuüben, und das Programm nicht daran gemessen wird, ob es bestimmten, nach politischem Proporz ausgewürfelten Gruppen behagt.”

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“Bild” sind immer noch Papst

Papst Benedikt XVI. hat den exkommunizierten Bischof Richard Williamson, gegen den wegen Holocaust-Leugnung ermittelt wird, wieder in die Kirche aufgenommen. Williamson hat die Existenz von Gaskammern bestritten und behauptet, während der Naziherrschaft seien nicht sechs Millionen Juden umgebracht worden, sondern rund 300.000. Jüdische Organisationen sind dementsprechend schockiert und kritisieren die Entscheidung des Papstes scharf.

Die Nachricht, dass der Papst einen Holocaust-Leugner rehabilitiere, betrifft zwei Kernkompetenzen der “Bild”-Berichterstattung:

  • Papst
  • Juden

Zum einen hofiert “Bild” den Papst bekanntlich wie kein zweites Medium und informiert die Leser akribisch per “Vatikan-Sonder-Korrespondent” wenn Benedikt “aus der Sommer-Residenz” grüßt, “viele Krippen sehen” will, “einen flauschigen Koala” streichelt oder auch darüber, was für ein “überwältigendes Gefühl” es sei, “vor ihm zu knien, den Fischerring zu küssen”. Zum anderen ist der “Bild”-Zeitung das “Herbeiführen einer Aussöhnung zwischen Juden und Deutschen” per Unternehmensgrundsatz verordnet – den “Bild” manchmal zu ernst zu nehmen scheint.

Die Herausforderung, mit der aktuellen Papst-Juden-Nachrichtenlage umzugehen, nahm die “Bild”-Zeitung gestern an, indem sie, wie auch andere Medien, auf der Titelseite darüber berichtete – allerdings etwas kleiner als andere Medien:

"Vergebung für Ex-Bischof"

Und heute, da viele Medien noch einmal über die umstrittene Entscheidung des Papstes berichten, berichtet natürlich auch “Bild” über den Papst – wieder auf der Titelseite:

"Papst reist nach Afrika"

Mit Dank an Michu B. für die Anregung.

Bohlen, Beobachter, CCTV, NZZ

1. Euer Dieter knüppelhart
(bild.de, Dieter Bohlen)
Dieter Bohlen, Sänger seichter Liedchen und erfolgreicher Musikproduzent, bloggt bei bild.de und zeigt dort natürliches Boulevard-Talent und endlose Eitelkeit. Er schreibt über Mitarbeiter (“Klar, der ist ein netter Typ, aber für uns leider nicht zu gebrauchen”) und Kandidaten (“Wie bestehen sie, wenn sie in einem Interview brettharte Fragen um die Ohren bekommen?”).

2. “Wenn Satire in die Hose geht”
(welti.ch, Philippe Welti)
Der Beobachter (Axel Springer Schweiz AG) versucht sich an Satire und scheitert kläglich am Humorsinn der Leserschaft. Chefredakteur Andres Büchi sieht sich nach Interventionen von Lesern und Zeitungen zu einer Entschuldigung genötigt. Nein, man wolle sich nicht ernsthaft von den Kantonen Wallis und Tessin trennen (Artikel und Entschuldigung).

3. “Die anarchische Produktionsweise der Medien”
(weltwoche.ch, Kurt W. Zimmermann)
Kolumnist Zimmermann beschäftigt sich mit den “Merkwürdigkeiten der Zeitungsbranche”, die in ihren Prozessen unflexibel sei: “Die Redaktionsgrösse bemisst sich nicht an der anfallenden Arbeit. Sie bemisst sich an externen Faktoren. In guten Anzeigenzeiten wachsen die Redaktionen. In schlechten Anzeigenzeiten schrumpfen die Redaktionen. Der journalistische Aufwand bleibt gleich.”

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“Bild”-Leser Broder trifft “Bild”-Macher Diekmann

Kai Diekmann hat da schon ein Glas Wein getrunken, mit ehemaligen Außenministern geplaudert, mit Guido Westerwelle geschäkert und mit “Spiegel”-Chef Mathias Müller von Blumencron getuschelt. Kann sein, dass es daran liegt, aber anschließend sagt er:

“Ich behaupte, dass ich als ‘Bild’-Chefredakteur einer der beliebtesten Journalisten Deutschlands bin, oder?”

Diekmanns Gesprächspartner, der Kolumnist Henryk M. Broder, überhört das kleine Fragezeichen und antwortet: “Solange die Leute die Zeitung nicht lesen.” Diekmann lacht freundlich mit.

Die knapp einstündige Dokumentation, die Arte heute abend um 23.40 Uhr zeigt, heißt:

Durch die Nacht mit… Kai Diekmann und Henryk M. Broder

Aber eigentlich sehen wir: Henryk M. Broder durch die Nacht mit Kai Diekmann.



Diekmann lässt sich von Broder in der “Bild”-Redaktion abholen, lässt ihn dort aber zunächst in seinem Büro warten, führt ihn anschließend durch die Redaktion (Broder: “Wo werden hier die Sklaven ausgepeitscht?”), zeigt Broder ein ehemaliges Lieblingsrestaurant, das Atelier eines mittellosen Malers und die “Bild”-Druckerei. Im Gegenzug lässt er sich von Broder auf einen Polit-Promi-Empfang, in ein InternetCafé, zum Asia-Imbiss, in die U-Bahn mitnehmen. Die Nacht mit Broder nennt er “ein Experiment”, auf das er sich eingelassen habe.

Arte nennt die jüngste Folge der Doku-Reihe “Durch die Nacht mit…”:

Ein Treffen zwei der streitbarsten und meinungsfreudigsten Männer des Landes.

Doch während man von dem einen, Broder, erfährt, was man eh schon weiß, weil er sich häufig in Szene setzt, erfährt man über den anderen, Diekmann, den Talkshow-Verweigerer, nichts: immer im Dienst, verlegen und verlegen um Antworten (zumindest solange ihm ein Mikro am Hemd klemmt und die Kamera läuft).

Okay, Diekmann sagt “Doppelstandard”, wenn er “Doppelmoral” meint; er ist besorgt, ob er nicht vielleicht doch eine Krawatte tragen soll. Zuhause in Potsdam werde der Müll getrennt – und während Broder sich den Abend freigenommen hat und irgendwann von seiner Tochter (“Ah, die Tochter!”) angerufen wird, greift Diekmann wieder und wieder selbst zum roten “Bild”-Handy, um bei “Bild” anzurufen. Und die zurechtgelegt wirkenden Koketterien Broders über “Bild” lässt er ebenso über sich ergehen wie dessen Erörterungs- und Verbrüderungsversuche. “Was Broder für den ‘Spiegel’ ist, ist Franz Josef Wagner für uns’, sagt er.

Es ist also, wie es kommen musste: Kolumnist trifft Chefredakteur, Selbstdarsteller trifft Macher. Und “Durch die Nacht…”-Autor Hasko Baumann filmt dankenswerterweise mit:

Broder: Ich finde übrigens die ganze RAF-Debatte unerträglich.
Diekmann: Ja.

Broder: Wissen Sie, was toll ist an Berlin? Man kann hier nicht auffallen.
Diekmann: Ja.



Diekmann nickt, wenn Broder in der U-Bahn seine Sicht auf den Antisemitismus in Deutschland ausbreitet. Wenn Broder lang und breit von einer Reise in die Geburtsstadt seiner Mutter erzählt, fragt Beckmann Diekmann in einer Sprechpause: “Wie war das emotional?”

Sagt aber Diekmann dann doch mal einfach so, er finde Claudia Roth “in Ordnung” (“Irgendwie hat die was.”), dann witzelt Broder (“Ja, Übergewicht.”) und redet weiter, irgendwas.

Es gibt zahllose solcher Miniaturen in der Doku, aufwändig und schlau und unaufgeregt mitgedreht, immer nur dabei mit der Kamera. Das muss reichen. Und immer ein wenig zu nah dran an den Gesichtern dieser beiden Journalisten, die sich – das merkt man – nur im Grad ihrer Beliebtheit ähneln. Eine Männerfreundschaft wird das jedenfalls, auch wenn Arte Gegenteiliges behauptet, nicht.

Am Anfang der Doku sehen wir Broder in einer schwarzen Limousine zum Berliner Springer-Hochhaus fahren (“Vor 30, 40 Jahren wollte ich Springer noch enteignen, jetzt finde ich aber so eine Fahrt in der Luxuslimousine doch ganz angenehm.”). Am Ende fährt Diekmann mit der schwarzen Limousine in die Nacht (“So. Ham’ wir’s.”). Broder bleibt zurück. Abspann.

  • heute, 23.40 Uhr, Arte

Siehe auch “taz”, “Süddeutsche Zeitung”, “Westfälische Rundschau”, “Berliner Zeitung”, “Frankfurter Rundschau” und “Spreeblick”.

Nachtrag, 23.1.2009: Eine Woche lang kann man die Doku in voller länge und kostenlos auch auf arte.tv anschauen.

Strunz, Tages-Anzeiger, Feuilletons

1. “Die 10 besten Texte aus den Feuilletons des vergangenen Jahres”
(umblaetterer.de)
Das Consortium Feuilletonorum Insaniaeque hat in einem aufwändigen und, wie mir zugetragen wurde, leidenschaftlich geführten Verfahren wie jedes Jahr die 10 angeblich™ besten Artikel aus den Feuilletons gekürt. “Der goldene Maulwurf” für das Jahr 2008 geht unter anderem an Iris Radisch (Zeit), Jörg Diehl/Ralf Hoppe (Spiegel) und Johan Schloemann (SZ).

2. Die Abenteuer eines Radiomoderators sind vorbei
(gerryonline.wordpress.com, Gerry Reinhardt)
Eines der wenigen von Schweizer Journalisten unter Echtnamen und mit unbeschwerter Frische geführten Blogs schliesst: “In meiner Position als Radiomoderator und der Bekanntheit dieses Blogs lässt es sich nicht mehr frei und ungezwungen schreiben. Wenn ich über Coop schreibe, muss ich befürchten, dass sie keine Werbung mehr in meinem Radio schalten, wenn ich über Promis schreibe, muss ich damit leben können, dass sie mir keine Interviews mehr geben. Es geht nicht mehr. Sorry.”

3. “Hamburger Abendblatt – Was erlauben Strunz?”
(sueddeutsche.de, Christopher Keil)
“Von diesem Montag an soll das Abendblatt nach SZ-Informationen nicht mehr als Zeitung geführt werden, die einen Online-Auftritt bietet, sondern als Online-Angebot, das auch eine Zeitung im Portfolio hat.”

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“Bild” und “B.Z.” lassen Christian Klar nicht weg

Im Lebach-Urteil von 1973 (…) entschied das Bundesverfassungsgericht, dass eine Berichterstattung über Straftäter unzulässig sei, wenn sie deren Resozialisierung gefährdet. Und das sei schon dann der Fall, wenn “unter Namensnennung, Abbildung oder Darstellung des Täters” im Zusammenhang mit der Tat über ihn berichtet werde, weil eine derartige Berichterstattung “sein Fehlverhalten öffentlich bekanntmacht und seine Person in den Augen der Adressaten von vornherein negativ qualifiziert.”

Der verfassungsrechtliche Schutz des Persönlichkeitsrechts lasse es nicht zu, “dass die Medien sich über die aktuelle Berichterstattung hinaus zeitlich unbeschränkt mit der Person eines Straftäters befassen”: “Vielmehr gewinnt nach Befriedigung des aktuellen Informationsinteresses sein Recht, “allein gelassen zu werden” zunehmende Bedeutung und setzt den Wunsch der Massenmedien und einem Bedürfnis des Publikums, Straftat und -täter zum Gegenstand der Erörterung oder gar der Unterhaltung zu machen, Grenzen. (…) Auch der Täter, der durch eine schwere Straftat in das Blickfeld der Öffentlichkeit getreten ist und die allgemeine Missachtung erweckt hat, bleibt Glied der Gemeinschaft mit dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf Schutz seiner Individualität.”

Das ist noch immer ständige Rechtsprechung.
(Zitiert aus: BILDblog.de vom 26.3.2007)

Und was wäre dem hinzuzufügen? Vielleicht dies:

  • Als die “Bild am Sonntag” nach der Haftentlassung der ehemaligen RAF-Terroristin Brigitte Mohnhaupt aktuelle Fotos von ihr veröffentlicht hatte (die tags drauf auch “Bild” zeigte), wurde ihr die Veröffentlichung anschließend gerichtlich untersagt.
  • Als “B.Z.” und “Bild” aktuelle Fotos der ehemaligen RAF-Terroristin Eva Haule nach ihrer Haftentlassung veröffentlicht hatten, wurde ihnen die Veröffentlichung anschließend gerichtlich untersagt.
  • Als gestern die “B.Z.” aktuelle Fotos des ehemaligen RAF-Terroristen Christian Klar nach seiner Haftentlassung veröffentlicht hatte (obwohl Klar laut “Tagesspiegel” nach seiner Freilassung die Veröffentlichung von Fotos hatte untersagen lassen), kündigte Klars Anwalt an, das Blatt auf Unterlassung, Schadenersatz und Vernichtung des Fotomaterials zu verklagen (wir berichteten).

Und als scherten sich “Bild” und “B.Z.” einen Dreck um die bisherige Rechtsprechung und den Resozialisierungsgedanken, sehen ihre Titelseiten heute so aus:

“B.Z.”-Anwalt Jan Hegemann in der “B.Z.”:

“Die Berichterstattung einschließlich Fotoveröffentlichung ist zulässig.

Die Öffentlichkeit hat ein berechtigtes Informationsinteresse daran, dass Christian Klar Verhandlungen mit einem mit Steuergeldern subventionierten Theater über einen Praktikumsplatz führt.”

In ihrer Berichterstattung verschweigen sowohl “Bild” als auch die “B.Z.” – anders als gestern Bild.de – nicht, dass Klar sein Praktikum beim Berliner Ensemble wegen einer “anhaltenden und agressiven journalistischen Kampagne einzelner Medien” und der “sensationslüsternen Berichterstattung” (bzw. wegen der “B.Z.”-Fotos) abgesagt habe. Die “B.Z.” zitiert sogar ihren eigenen Anwalt, der “die Berichterstattung einschließlich Fotoveröffentlichung” kurzerhand für “zulässig” erklärt (siehe Kasten).

Das ist wenig verwunderlich. Entschieden wird über die Zulässigkeit jedoch – auch wenn die Boulevardzeitungen der Axel Springer AG gern einen anderen Eindruck erwecken – nicht in “B.Z.” und “Bild”, sondern vor Gericht (siehe oben).
 
P.S.: Unter der Überschrift “Christian, der Dreiste!” wirft “Bild” Klar in einem Kommentar zum wiederholten Mal vor, “nie Anzeichen von Reue gezeigt” zu haben. Und ähnlich steht es auch an anderer Stelle in “B.Z.” (“Klar hat sich bis heute nicht bei seinen Opfern entschuldigt und auch keine Reue gezeigt.”) und “Bild” (“REUE ZEIGT CHRISTIAN KLAR BIS HEUTE NICHT.”).

Ob und inwiefern diese Pauschalbehauptung jedoch überhaupt noch aufrechterhalten werden kann, hat Daniel Boese, Redakteur beim Berliner Stadtmagazin “Zitty”, aus aktuellem Anlass noch einmal in einem lesenswerten Blogeintrag zusammengefasst.

(Wird vermutlich fortgesetzt…)

Nachtrag, 19:00 Uhr. Der Strafverteidiger und Blogger Udo Vetter meint, “Bild” werde Christian Klar für die Veröffentlichung des Fotos ein hohes Schmerzensgeld zahlen müssen — und auf diese Weise zu seiner Resozialisierung beitragen.

Nachtrag, 11.1.2009: In der “Bild am Sonntag” schreibt Kolumnist Peter Hahne “über Christian Klar und seinen Fehlstart in ein neues Leben”:

(…) Auch ein erklärter Staatsfeind hat in unserem Rechtsstaat das Recht auf Rehabilitation. Es gibt noch nicht einmal eine Pflicht zur Reue, wie mir Altbundespräsident Roman Herzog, der die Klar-Familie gut kennt, unlängst sagte. (…)

Illustriert hat die “BamS” Hahnes Kolumne mit den Klar-Titelseiten der “B.Z.” vom Freitag und Samstag, auf denen allerdings (auch online) Klars Gesicht unkenntlich gemacht wurde.

Nachtrag, 12.1.2009 (mit Dank an Daniel Boese): Bereits vor zwei Jahren schrieb übrigens Axel Vornbäumen in einem Seite-3-Artikel für den “Tagesspiegel” darüber, dass das öffentliche Bild von Christian Klar als “Hardliner (…), unfähig zu Einsicht und Reue” möglicherweise nicht komplett sei. Interessant ist im Hinblick auf die Haltung von “Bild” insbesondere der Anfang des Textes:

Dieser Tage hat die “Bild”-Zeitung bei Rechtsanwalt Heinz-Jürgen Schneider angerufen, man wird ja schließlich noch mal fragen dürfen. Das Blatt meldete sich mit einer ungewöhnlichen Offerte: Man wäre bereit, Schneiders Mandanten [Christian klar] einen angemessenen Platz zur Verfügung zu stellen, falls der einen offenen Brief schreiben wolle – adressiert an Waltrude Schleyer, inzwischen 90-jährige Witwe des 1977 im “Deutschen Herbst” von der Rote Armee Fraktion (RAF) ermordeten Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer. Eine Entschuldigung wäre gut.

Doch aus dem journalistischen Scoop wurde nichts. (…)

Zensur, Bund, Hulu

1. “Wirres zum ‘Bund’ aus Berlin”
(bernergazette.ch)
Roland Mischke schreibt in der Berliner Zeitung einen Text über “das absehbare Ende” der Schweizer Tageszeitung Bund. Die Berner Gazette hat ihn gelesen und ist damit nicht zufrieden: “Um den Medienjournalismus bei der ‘Berliner Zeitung’ steht es schlecht, wenn ein derart sinn- und faktenfreier Text durchgeht und auch noch gedruckt wird.”

2. Interview mit Margrit Sprecher
(tagesanzeiger.ch, Rico Bandle)
Reportagejournalistin Margrit Sprecher hat den Schweizer Kultursender DRS2 besucht und ein Buch darüber geschrieben: “Seit ich das Buch geschrieben habe, höre ich mehr DRS 2 als je zuvor. Ich begreife aber nicht, weshalb der Sender ausschliesslich bewundert und gelobt wird. Mit so viel Mitteln und Freiheiten ist es keine Kunst, ein gutes Kulturradio zu machen. Im Vergleich zu Print-Journalisten sind die wahnsinnig verwöhnt.”

3. Interview mit Karin Storch
(tagesspiegel.de, Thomas Eckert und Joachim Huber)
Die Leiterin des ZDF-Studios in Tel Aviv schläft zurzeit “miserabel”. Zur Informationsfreiheit sagt sie diesen bemerkenswerten Satz: “Ich fühle mich überhaupt nicht manipuliert, wir unterliegen allerdings der israelischen Zensur.”

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Topp, die Meldung gilt!

"Sender-Schlacht um Wetten dass..?"

So stand es gestern in der “Bild am Sonntag”. Und das mit der “Sender-Schlacht” ist sicher etwas übergeigt (tatsächlich kann man die neue RTL-Show nämlich auch ziemlich unbrisant finden, wie sich bei DWDL.de nachlesen lässt). Aber darum geht es gar nicht, sondern um das, was die Nachrichtenagentur AP daraus machte:

"RTL plant show wie Wetten dass...?"

Diese AP-Überschrift fasst in etwa den Nachrichtenwert der “BamS”-Geschichte zusammen. Doch AP verbreitete die “BamS”-Geschichte nicht nur mehr oder weniger unkritisch weiter, sondern auch noch falsch. In der AP-Meldung heißt es nämlich:

In der niederländischen Sendung von RTL4 war im November laut “Bild am Sonntag” schon Peter Siener zu sehen, der bei “Wetten dass…?” mit einem durch die Nase eingezogenen Wasserstrahl aus seiner Tränendrüse zehn Kerzen gelöscht hatte.

Und dieser Satz findet sich nun unter anderem bei Standard.at, bei Stern.de, bei der Netzeitung oder natürlich bei RP-Online. Auf Welt.de und bei Spiegel-Online sogar ohne Hinweis auf die Agentur AP.

Dabei hätte ein flüchtiger Blick in die “BamS” offenbart, dass die das gar nicht behauptet. Dort heißt es nämlich:

Im Februar 2004 lieferte Kandidat Peter Siener (35) einen der schrägsten Momente in der 27-jährigen “Wetten, dass..?”-Geschichte: Er löschte mit einem Wasserstrahl aus seiner Tränendrüse zehn Kerzen (…). Am 9. November 2008 sehen Millionen holländische Zuschauer dieselbe Wette in “Ik Wed Dat Ik Het Kann” – durchgeführt durch einen anderen Mann!
(Hervorhebung von uns)

Bei AP hat man das in der Aufregung um die “Sender-Schlacht” offenbar überlesen – und die anderen haben sich nicht mal die Mühe gemacht, das zu merken.

Aber bei AP scheint man in diesen besinnlichen Tagen ohnehin etwas zur Aufgeregtheit zu neigen. Vorgestern schrieb AP über den Fehlstart eines Flugzeugs in Denver:

Die Boeing 737 der Continental Airlines kam beim Beschleunigen von der Startbahn ab, stürzte in eine Schlucht und fing Feuer.

Auch diese AP-Meldung findet sich nun in diversen Medien, und zum Teil haben die “Schlucht” und das “stürzen” es sogar in die Überschrift geschafft (siehe Scrrenshots). Andere nennen die “Schlucht” hingegen wesentlich unaufgeregter “Graben” (oder auf Englisch: “ditch”) oder schreiben schlicht, die Maschine sei von der Startbahn abgekommen. Das scheint den Vorfall dann doch etwas präziser zu beschreiben.

Mit Dank für den sachdienlichen Hinweis an Sebastian M.

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