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“Bild” holt alles für sich raus

Seit Beginn der Woche hat “Bild” neue Werbegesichter. Unter anderem ein schwer verletztes dreijähriges Mädchen aus dem syrischen Aleppo wirbt jetzt für die Zeitung.

Oder, wie “Bild” es selbst formuliert:

Das Bild, mit dem BILD aufrütteln will!

Andere Motive der neuen Kampagne aus dem Hause Jung von Matt zeigen etwa eine Frau mit Gesichtsschleier und die Aktivistinnen von “Pussy Riot”. Der Slogan lautet jedes Mal: “Wir haben 500 Reporter und ein einziges Versprechen: Wir holen alles für Sie raus.”

Wir finden: Wer über “Bild” spricht, darf vor allem einen dieser 500 Reporter nicht vergessen: Paul Ronzheimer, Träger des Herbert Quandt Medien-Preises und der Mann, der “den Pleite-Griechen die Drachmen zurück” gegeben hat.

Brust? Raus!

“Bild” hätte Griechenland ja am liebsten aus der Euro-Zone raus. Das geht nicht spurlos an den Mitarbeitern vorbei: In der Bildunterschrift zum großen Brust-Artikel aus der “Bild am Sonntag” gehört Griechenland jetzt nicht mal mehr zu Europa.

Insgesamt tragen zehn Millionen Frauen auf der Welt schönheitsoperierte Brüste. Weit vorn liegen dabei die USA, Europa und Griechenland. Je nach Art der Operation kostet eine Brust- OP zwischen 4500 und 7500 Euro *

Mit Dank an Tobias N.

Ein bisschen Friedensnobelpreis

Vermutlich wird “Bild” nicht so unoriginell wie Bild.de sein und morgen auf der Titelseite behaupten “wir” seien jetzt “Friedensnobelpreis”. Aber immerhin: 27 Staaten mit insgesamt 500 Millionen Einwohnern – mithin die Europäische Union – werden in diesem Jahr mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

Bild.de hat dafür ordentlich Platz auf der Startseite freigeräumt und zeigte noch oberhalb vom “Nacktfoto-Klau bei Justin Bieber” dieses Banner:

Bemerkenswert daran ist vor allem die Karte, die Bild.de zeigt:

Das, was da zu sehen ist, ist zwar grob der europäische Kontinent, aber es sind nicht die Länder der Europäischen Union. Die abgebildeten Länder Norwegen, die Schweiz, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Serbien, Weißrussland, Moldawien, die Ukraine und die russische Exklave Kaliningrad gehören nämlich nicht dazu. Dafür fehlen die EU-Mitglieder Zypern, Malta und Griechenland.

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Die Nachrichtenagentur dapd schreibt in ihrem “Stichwort: Friedensnobelpreis”, das von zahlreichen Medien übernommen wurde:

Das Komitee überreicht den mit acht Millionen schwedischen Kronen (923.000 Euro) dotierten Preis am 10. Dezember, dem Todestag Nobels. Den ersten Friedenspreis erhielten 1901 der Gründer des Roten Kreuzes, Henri Dunant, und der Gründer der französischen Friedensgesellschaft, Frédéric Passy. Bisher wurden zwei Deutsche mit dem Preis ausgezeichnet: Carl von Ossietzky und Willy Brandt.

Diese Formulierungen verbreitet die Agentur (bzw. ihr Vorläufer, der deutsche Dienst der Associated Press) mit leichten Abwandlungen seit mehr als 20 Jahren, aber sie sind falsch: Ebenfalls mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurden der frühere deutsche Reichskanzler Gustav Stresemann (1926) und der deutsche Pazifist Ludwig Quidde (1927).

(Albert Schweitzer [1952] und Henry Kissinger [1973] wurden zwar in Deutschland geboren, hatten zum Zeitpunkt ihres Auszeichnung aber bereits die französische bzw. amerikanische Nationalität angenommen.)

Mit Dank an Marc E., Joachim L. und Matthias.

Nachtrag/Korrektur, 14. Oktober: In der ursprünglichen Fassung dieses Eintrags hatten wir angegeben, dass auch Montenegro auf der Karte von Bild.de zu sehen sei. Das stimmt nicht: Dort, wo Montenegro liegen müsste, klafft auf der Karte ein Loch zwischen Bosnien und Herzegowina und Serbien.
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“Bild” will Inseln schriftlich haben

“Bild” hält sich ja gerne für das Zentralorgan einer vermeintlich vorherrschenden Stimmung (“ganz Deutschland …”). Wenn es um richtig ernste Themen geht, geht die Zeitung aber gerne noch einen Schritt weiter und betreibt ein bisschen Amtsanmaßung.

Als die deutsche Fußballnationalmannschaft nach dem Vorrunden-Aus bei der EM 2004 und zwei Jahre vor der WM im eigenen Land ohne Trainer und Perspektive dastand, druckte “Bild” einen symbolischen “Arbeitsvertrag zwischen dem Deutschen Fußball-Bund und Fußball-Lehrer Ottmar Hitzfeld” und forderte lautstark “Herr Hitzfeld, unterschreiben Sie diesen Vertrag!”. (Ottmar Hitzfeld erzählte Jahre später, er habe sich davon “sehr viel unter Druck gesetzt” gefühlt.)

Im März 2010, als sich das Ausmaß der griechischen Staatskrise in den Medien abzeichnete, schrieb die “Bild”-Redaktion einen Brief an den damaligen griechischen Ministerpräsidenten Giorgos Papandreou. Überschrift: “Ihr griecht nix von uns!”

Und im vergangenen November druckte “Bild” einen “Stimmzettel” für eine “Volksabstimmung”, bei denen sich das “Volk” zwischen den Optionen “JA, schmeißt ihnen weiter die Kohle hinterher!” und “NEIN, keinen Cent mehr für die Pleite-Griechen, nehmt ihnen den Euro weg!” entscheiden sollte.

Heute nun ist der griechische Premier Antonis Samaras in Berlin, um sich mit Angela Merkel zu treffen. Bereits gestern hatte “Bild” ein Interview veröffentlicht, in dem der Griechen-Beauftragte Paul Ronzheimer (der sich bemüht, den Eindruck zu erwecken, ein fast freundschaftliches Verhältnis zu Samaras zu haben) dem Griechen-Premier das Versprechen abrang, Griechenland werde alle seine Schulden zurückzahlen. Doch das reichte der Zeitung offenbar nicht, sie hätte es gerne … schriftlich.

“Bild” hat dafür Kosten und Mühen gescheut und den Grafiker in pseudogriechischen Buchstaben eine “Garantie-Erklärung” zusammenkloppen lassen, die aussieht wie die Servietten in einem griechischen Lokal:

Besonders perfide natürlich Punkt 2, in dem “Bild” fordert:

Griechenland wird dazu alle notwendigen Schritte unternehmen, den Verkauf unbewohnter Inseln notfalls eingeschlossen.

Die Zeitung ist vom Verkauf griechischer Inseln geradezu besessen, ignoriert dabei aber regelmäßig, welchen Klang solche Forderungen aus Deutschland in einem Land haben, das im zweiten Weltkrieg unter deutscher Besatzung gelitten hat.

Im Eifer des Gefechts hat “Bild” auch noch vergessen, zu erwähnen, wem Samaras das eigentlich versprechen soll, aber im Zweifelsfall sind “Deutschland” und “Bild” ja eh synonym verwendbar.

Stattdessen schreibt “Bild”, das Interview mit Samaras habe “weltweit hohe Wellen” geschlagen. “New York Times” und “Washington Post” hätten seinen Satz “Ich verspreche, dass wir unsere Schulden zurückzahlen” zitiert.

Mehr noch:

Wütend dagegen das Medienecho in Griechenland.

Die Zeitung “Ta Nea” fragt: “Warum hat Samaras die Brandstifter von BILD empfangen?” Der größte Radiosender “Vima”: “Es war ein großer Fehler, den BILD-Reporter zu empfangen.”

Hintergrund: Die kritische Griechenland-Berichterstattung in BILD, die mehr Sparwillen und weniger Hilfe aus Steuergeldern für das südeuropäische Land einforderten, gefiel vielen Griechen nicht.

“Kritische Griechenland-Berichterstattung”.

So kann man es natürlich auch nennen, wenn eine Zeitung über Monate und Jahre von “Pleite-Griechen” schreibt, einseitig berichtet und so gegen ein ganzes Land aufhetzt (BILDblog berichtete ausgiebig). Oder wenn sie vom Ministerpräsidenten eines (theoretisch) souveränen Staates irgendwelche Garantien auf einer Papierserviette fordert.

PS: Die Kredite und Garantien für Griechenland und andere Länder haben den deutschen Steuerzahler bisher übrigens “keinen Euro” gekostet, wie der Direktor der Europäischen Zentralbank, Jörg Asmussen, erst diese Woche im Interview mit der “Frankfurter Rundschau” erklärt hatte.

Mit Dank an Martin E. und Karstinho.

Nachtrag, 25. August: Samaras hat nicht unterschrieben:

Zuletzt bewies der Premier noch Humor. Als die BILD-Redakteure ihn auch um seine Unterschrift unter eine “Garantie-Erklärung” zur Rückzahlung aller griechischen Hilfs-Kredite bitten (BILD-Ausgabe von Freitag), lacht er herzlich. Samaras: “Ich habe doch schon im BILD-Interview versprochen, dass mein Land alle Kredite zurückzahlen wird …”

Humor ist eben, wenn man trotzdem lacht …

Milchmädchen verlieren mehr Geld

Statt auf “Pleite-Griechen” einzudreschen, befasste Bild.de sich gestern zur Abwechslung einmal mit den Folgen einer möglichen “Griechen-Pleite”. Dabei wurde unter anderem folgende Rechnung angestellt:

• Wie viel Geld verliert Deutschland bei einer Griechen-Pleite?
Aus Deutschland sind bislang nach Berechnungen des ifo-Instituts 50,4 Mrd. Euro nach Griechenland geflossen – das Geld wäre weg. Hinzu kommen 27 Mrd. Euro, mit denen Griechenland bei der Europäischen Zentralbank in der Kreide steht – für die haftet Deutschland teilweise. Macht zusammen 119,7 Milliarden Euro!

Die 50,4 Milliarden Euro tauchen tatsächlich in einer aktuellen Berechnung des ifo-Instituts (pdf, Summe der Posten 1 bis 5) auf. Das gleiche gilt für die 27 Milliarden Euro (Posten 6). Wie jedoch die Summe aus 50,4 Milliarden und 27 Milliarden stolze 119,7 Milliarden Euro betragen kann, das wissen wohl nur die Milchmädchen.

Das ifo-Institut jedenfalls kommt – je nachdem ob Griechenland in der Eurozone verbleibt oder nicht – auf 88,7 bzw. 82,2 Milliarden Euro. Und so steht es heute auch in “Bild” sowie in einer Agenturmeldung auf Bild.de.

Mit Dank an Katrin H.

“Bild” erzählt einen vom trojanischen Pferd

Sollte es in absehbarer Zeit zu einem Krieg zwischen Deutschland und Griechenland kommen, kann man den Leuten von “Bild” nicht vorwerfen, nicht alles dafür getan zu haben: Erst hetzen sie seit zwei Jahren gegen die “Pleite-Griechen”, jetzt haben sie sich auch noch auf ein Terrain vorgewagt, bei dem viele Menschen noch weniger Spaß verstehen als bei drohenden Staatspleiten — Fußball.

Der trojanische BILD-Reporter im Griechen-Hotel

Und so klingt es, wenn sich so ein “Bild”-Reporter in einem polnischen Hotel frei bewegt:

Ich fühle mich wie 007.

Ich, der BILD-Reporter, spioniere bei den Griechen, unseren Gegnern am Freitag.

Nein, wir wussten auch nicht, dass die Griechen am Freitag gegen die Redaktionsmannschaft von “Bild” spielen. Aber vielleicht ist das Gefühl, “ganz Deutschland” zu sein, bei “Bild”-Mitarbeitern genauso tief verwurzelt wie ihre Boshaftigkeit gegenüber den Griechen:

Am Dienstag ziehe ich ein. Mein Doppelzimmer kostet 93 Euro pro Nacht. Lobenswert sparsam, die Griechen.

Überhaupt wirkt der ganze Text wie eine traurige Mischung aus dem Worst-Of-Programm von Fips Asmussen und dem Aufsatz “Mein schönstes Ferienerlebnis” eines Grundschülers:

Am härtesten arbeitet bei den Griechen die Kaffeemaschine. Sie haben zwei davon in ihrem Bereich. Eine kann Cappuccino und Latte Macchiato, die andere normalen Kaffee. Sie arbeiten Vollzeit.

Ja, Kaffee wäre jetzt wirklich hilfreich, so unspannend wie die Erlebnisse aus dem Mannschaftshotel sind:

Ich sehe Theofanis Gekas (32), den Stürmer aus der Bundesliga (Bochum, Leverkusen, Hertha, Frankfurt). Gekas hat Kopfhörer in den Ohren, hört Musik über sein iPhone. Der singt sich schon heiß aufs Spiel.

Fast wäre beinahe etwas vielleicht passiert:

Mit meinem Handy mache ich Fotos. Plötzlich tippt mich der Barkeeper an. Er will wissen, wer ich bin. Ist meine Zahnarzt-Tarnung (weißes Hemd, weiße Hose, weiße Turnschuhe) aufgeflogen? Ich schwitze. Cool bleiben. Ich tue so, als sei ich aus Russland und murmele “nix kappitschi”. Der Barkeeper zieht Leine. Puh…

Dann aber doch noch etwas, das überraschend zum Skandal taugt:

Plötzlich schreit jemand im Hinterhof. Ich renne hin, schaue um die Ecke und sehe Georgios Karagounis. Der ist 35 und Kapitän der Griechen. Er schreit in Disco-Lautstärke in sein Handy. Jedes zweite Wort ist “Malaka”. Ein griechischer Freund bringt mir bei, dass “Malaka” auf Deutsch so etwas heißt wie “Leck mich am Arsch”.

Den Brüller sehen wir am Freitag nicht auf dem Platz. Malaka-Karagounis ist gesperrt.

Derlei schnarchige Belanglosigkeiten, bemüht aufgeregt erzählt, haben offenbar dennoch ausgereicht, dass einzelne griechische Medien über den “Bild”-Reporter im Mannschaftshotel berichten.

Oder, wie Bild.de es nennt:

Griechenland tobt!

Die Reaktionen scheinen aber vor allem einem Missverständnis geschuldet:

Auf der Homepage des griechischen TV-Senders “Star” steht: “Neue Provokation der BILD. BILD nennt Karagounis einen Malaka.”

In dem Bericht heißt es weiter: “Im Hotel der geliebten Nationalmannschaft ist ein deutscher Reporter der BILD eingedrungen und setzt seine Provokationen gegen das Spiel fort. Höhepunkt ist: Er nennt Karagounis einen Malaka – ein Arschloch.” Ein Missverständnis durch eine unglückliche Formulierung in BILD: Die Formulierung “Malaka-Karagounis” sollte keine Beleidigung des Griechen-Kapitäns sein (“Malaka” bedeutet unter anderem Wi…er)! Sondern ein Spitzname, weil Karagounis bei seinem Telefonat häufig “Malaka” sagte. BILD bedauert das Missverständnis.

Was halt so passiert, wenn skandalwillige Beinahe-Journalisten auf beiden Seiten mit erhöhtem Blutdruck mit Fremdsprachen hantieren.

Dieses internationale Doppelpass-Spiel könnte bis zum Viertelfinalspiel am morgigen Abend so weitergehen, wenn der “trojanische BILD-Spion”, dessen Gesicht die Zeitung verpixelt hat, nicht vorher auffliegt.

Nach unseren Informationen handelt es sich bei dem Mann um Jörg Weiler, der sonst bei Borussia Dortmund für “Bild” im Einsatz ist und dort unter anderem an der unrühmlichen Berichterstattung über einen im Stadion tödlich verunglückten Fan beteiligt war.

In Troja gewannen damals übrigens die Griechen, wie sogar “Bild” richtig erklärt.

Mit Dank auch an Martin E., Michael, Dietfried D. und Ernst R.

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Wiederholungstäter

Es ist nur eine kleine Meldung auf Seite 2, wonach die “Griechen” bzw. “griechische Politiker” “wieder” bzw. “erneut” Reparationszahlungen von Deutschland fordern, für die Schäden, die Griechenland unter der deutschen Besatzung (1941-44) erlitten hat.

Etwas länger ist der Kommentar von Paul Ronzheimer, dem “Pleite-Griechen”-Beauftragten bei “Bild”, geworden:

Dreister Griechen-Wahlkampf

Wer soll diese griechischen Politiker noch verstehen?

Ihr Land steckt mitten in seiner schwersten Krise – und sie haben nichts Besseres zu tun, als von Deutschland mal wieder Reparationen zu verlangen.

Um eines ganz klar zu sagen: Über die Schrecken der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg gibt es keinen Zweifel, das Nazi-Regime hat den Griechen schweres Leid angetan.

Aber Reparationszahlungen sind längst geleistet worden. Wenn jetzt griechische Politiker das Thema für ihren Wahlkampf missbrauchen, ist das verantwortungslos und unverschämt zu gleich. (…)

Da dachten wir uns: Wenn die Griechen ihre Reparationsforderungen wiederholen und “Bild” ihre Behauptung, dass alle Reparationsforderungen beglichen seien, dann können wir auch einfach unseren Eintrag vom vergangenen Juli wiederholen, in dem wir das Thema schon einmal behandelt hatten:

Die Reparationsforderungen, die 18 Staaten (darunter Griechenland) im Pariser Reparationsabkommen von 1946 gestellt hatten, wurden mit dem Londoner Schuldenabkommen von 1953 zurückgestellt. Die Reparationszahlungen sollten erst nach Abschluss eines Friedensvertrags mit Deutschland wieder eingefordert werden, doch den gibt es bis heute nicht: Der Zwei-plus-Vier-Vertrag zwischen den alliierten Siegermächten (USA, Großbritannien, Frankreich und UdSSR) auf der einen und der Bundesrepublik und der DDR auf der anderen Seite wurde ausdrücklich “anstatt eines Friedensvertrags” geschlossen. Experten sind sich uneins, ob die Ansprüche früherer deutscher Kriegsgegner wie Griechenland auf Reparationszahlungen damit ebenfalls verfallen sind oder nicht.

“Geregelt” ist im Fall Griechenlands also nichts und “beglichen” schon gar nicht: Hagen Fleischer, Historiker an der Universität in Athen, hat in einem Gespräch mit dem Deutschlandradio Kultur vom März 2010 erklärt, dass Griechenlands Forderungen nach der Wiedervereinigung “im Allgemeinen bereits vom Türsteher abgewiesen” worden waren. Hinzu komme ein Zwangsdarlehen der griechischen Staatsbank an Nazi-Deutschland, das sich nach heutiger Kaufkraft auf über fünf Milliarden Euro beliefe (“ohne einen Pfennig Zinsen”).

Der Wirtschaftshistoriker Albrecht Ritschl sagte im Juni in einem Interview mit “Spiegel Online”:

Die Griechen kennen die feindlichen Artikel aus deutschen Medien sehr gut. Wenn die Stimmung im Land umschlägt, alte Forderungen nach Reparationszahlungen laut und auch von anderen europäischen Staaten erhoben werden und Deutschland diese je einlösen muss, werden wir alle bis aufs Hemd ausgezogen.

Ebenfalls bei “Spiegel Online” findet sich die stolze Zahl von 162 Milliarden Euro plus Zinsen, mit der der griechische Nationalheld Manolis Glezos die deutschen Schulden gegenüber Griechenland beziffert hat.

Mehr zu den Besatzungskrediten steht bei labournet.de.

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Der Brandbeschleuniger als Biedermann

Gestern war der “Bild”-Redakteur Paul Ronzheimer zu Gast bei Maybritt Illner. Ronzheimer ist 26 Jahre alt und macht seit zwei Jahren im Blatt Stimmung gegen die Griechen. Das Online-Angebot der “Stern” nennt ihn einen “zuverlässigen Brandbeschleuniger im griechisch-deutschen Missverhältnis”.

Im April 2010 verteilte der Deutsche auf dem Omonia-Platz in Athen Drachmen an die Griechen: “BILD gibt den Pleite-Griechen die Drachmen zurück.” In der Talkrunde wurde er als Kenner der griechischen Gefühlslage behandelt.

Zu Beginn fragte Maybrit Illner ihn:

Hat Ihre Zeitung, hat die “Bild”-Zeitung, die Stimmung, die es zwischen beiden Ländern momentan gibt, nämlich zwischen Deutschland und Griecheland, zusätzlich vergift, weil neben solchen Gigs [wie der Drachmen-Verteilaktion] tatsächlich auch ziemlich viele Überschriften zu lesen waren, die da hießen: “Pleite-Griechen”, “Bettler-Griechen”… Haben Sie im wahrsten Sinne des Wortes da ganze Arbeit geleistet?

Ronzheimers Antwort:

Nein, also, ich glaube nicht, dass die Berichterstattung einer Zeitung und auch nicht der “Bild”-Zeitung die Stimmung zwischen Ländern vergiften kann.

PS: Am Ende der Sendung stand ein Mann aus dem Publikum auf und steckte Ronzheimer ein Geldbündel zu. “Damit er mal bessere Reportagen schreibt.”

Nachtrag/Korrektur, 8. März. Es handelte sich nicht um ein Geldbündel, sondern einen Zehn-Euro-Schein.

Bonz, Paul Bonz

Paul Ronzheimer ist der “Pleite-Griechen”-Beauftragte von “Bild”. Er “gab den Pleite-Griechen die Drachmen zurück”, beklagte, dass griechische Medien “mächtig Stimmung gegen Berlin” machten, und wurde für seine Griechenland-Berichterstattung mit dem “Herbert Quandt Medien-Preis” ausgezeichnet. Im vergangenen November war er im griechischen Fernsehen zu Gast und bekam dafür nach eigenen Angaben viel Zuspruch von den “Pleite-Griechen”.

Bei Bild.de scheint Ronzheimer nicht ganz so beliebt zu sein wie in Griechenland. Offenbar gibt es dort sogar jemanden, der dem jungen Starreporter seine oft herablassende Hetze gegen die “Pleite-Griechen” übel nimmt:

Schlagersänger, Unternehmer, Sport- und Show-Stars Griechenlands: Steuersünder-Liste macht Europa fassungslos. Von Paul Bonzheimer.

Zufall dürfte das kaum sein — immerhin passiert das nicht zum ersten Mal:

Pleitegriechen wollen Akropolis vermieten. Von Paul Bonzheimer.

Mit Dank auch an Dimitrios P.

Nachtrag, 14.40 Uhr: Das ging schnell: Paul Bonzheimer heißt jetzt in beiden Artikeln Ronzheimer.

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Ein Ouzo für seine guten Freunde

“Bild” ist für ihre, wie es die Zeitung selbst formuliert, “Griechenland-Berichterstattung” vor ein paar Wochen mit der “Europa-Distel für den größten europapolitischen Fehltritt des Jahres” ausgezeichnet worden. Nikolaus Blome, Leiter des Hauptstadtbüros, hatte bei der “Preisverleihung” überdeutlich gemacht, dass sich die Zeitung von derartiger Kritik nicht beeindrucken lassen würde (BILDblog berichtete).

Paul Ronzheimer, Blomes Adjutant und Drachmen-Verteiler, scheint sich die Kritik dennoch ein Stück weit zu Herzen genommen zu haben. Statt, wie sonst, von “Pleite-Griechen” zu schreiben, wählt er heute eine andere Formulierung.

Die könnte sich bei längerer Überlegung allerdings auch als Ausdruck von Ronzheimers Zynismus erweisen:

Pünktlich zum EU-Gipfel neue Nachrichten von unseren griechischen Freunden: Griechen überweisen Millionen in die Schweiz

In welchem Ausmaß die “arbeitslosen Griechen” “Millionen” in die Schweiz überwiesen haben sollen, erklärt Ronzheimer selbst übrigens so:

• 18 Griechen, die arbeitslos gemeldet sind, überwiesen jeweils mehr als eine Million Euro ins Ausland. Woher das Geld kommt, wird jetzt geklärt.

• Ein “Kleinunternehmer” aus der griechischen Provinz, der angeblich nur einige Zehntausend Euro pro Jahr verdiente, überwies mehr als 50 Millionen Euro auf ein Schweizer Konto. (…)

Mit Dank auch an Martina Y., altautonomer und Thomas D.

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