Endert zu Sixtus, Deutschlandbrillen, zeitgeschichtliche Relevanz.
Der Redaktionsleiter des Onlineauftritts des Handelsblatts, Julius Endert, wechselt, nachdem er sich dort mit einem vom Publikum (wie oft) sehr mässig aufgenommenen Relaunch verabschiedet hat, zu den Blinkenlichten Produktionen Ltd. & Co. KG, einer neuen Firma, als deren Geschäftsführer sich der elektrische Reporter, Mario Sixtus, aufführt. Die auf handelsblatt.com durchgeführte Umfrage zeigt am Samstagnachmittag, dass über die Hälfte der Nutzer den Auftritt für mangelhaft oder ungenügend halten. Immerhin fast ein Viertel bewertet ihn als gut oder sehr gut.
Vor einer Woche hatte die “Bild”-Zeitung einen vermeintlichen “Sex-Skandal” um Gina-Lisa Lohfink aufgedeckt. Im Internet würden “pikante Aufnahmen” der Kandidatin von “Germany’s Next Topmodel” kursieren, von denen “Bild” einige abdruckte und schrieb:
Fotos und Filme, die das Model beim Sex mit ihrem Ex zeigen. Sie ist mal nackt, mal trägt sie Lack und Leder, befriedigt ihren Freund mit dem Mund!
Die “PC Welt” warnte kurz darauf vor einem “Trittbrettfahrer”, der den “Hype” um das Video dazu ausnutze, einen Computer-Virus zu verbreiten. Außerdem wunderte sich das Magazin, dass außer “Bild” bisher noch niemand das Video gefunden zu haben schien und mutmaßte, die “Bild”-Geschichte solle womöglich nur dafür sorgen, “dass der Name von Gina-Lisa wieder in den Medien landet.”
Heute berichtet “Bild” wieder groß über Gina-Lisa:
An Verehrern dürfte es Gina-Lisa nach ihren sexy Auftritten in der “Topmodel”-Show eigentlich nicht mangeln. Doch den Richtigen fürs Herz hat sie offenbar immer noch nicht gefunden. Oder warum sollte Gina-Lisa sonst im Internet einen Mann suchen? (…)
Jetzt startet Gina-Lisa einen neuen Versuch in Sachen Liebe. Und stellt an ihren möglichen Partner hohe Ansprüche: (…) (Hervorhebung von uns)
Doch Gina-Lisa sucht offenbar gar keinen Mann im Internet. Jedenfalls nicht “jetzt” auf der “Flirtseite”, aus der “Bild” zitiert und von der sie einen Screenshot abdruckt. Zwar ist Gina-Lisa offenbar seit April 2007 Mitglied dort. Aber ihr letzter Besuch auf der Seite datiert vom 10. Juni 2007 (siehe Ausriss).
“Focus Online”:
Am besten wäre es aber, Frau Lohfink suchte den Traummann über ein Fernsehauswahlverfahren. “Gina-Lisa´s Next Toplover” würde sich als Titel anbieten. Oder: “Gina-Lisa sucht den Superlover.”
Und sonst? Auch bei “Focus Online” ist man schon auf den Gedanken gekommen, dass es sich bei den “Bild”-Geschichten über Gina-Lisa um ein mehr oder weniger inszeniertes “Paris-Hilton-Programm” handeln könnte. Trotzdem verbreitet “Focus Online” auch die heutige “Bild”-Geschichte überaus detailliert weiter, verpackt sie aber, anders als andereMedien, wieder als Boulevard-Kritik. Dass “Frau Lohfink”, “das verhinderte Topmodel”, schon seit einem Jahr nicht mehr in der Flirtbörse vorbei geschaut hat, ist “Focus Online” jedoch, genau wie anderenMedien, entgangen.
Mit Dank an Manu B., Max M. und Christian W. für den Hinweis.
Eigentlich hatten die Demokraten in den USA beschlossen, die Ergebnisse der Vorwahlen in Florida und Michigan nicht zu zählen, weil sie zu früh stattfanden. Vor allem Hillary Clinton, die in beiden Bundesstaaten gewonnen hatte (in Michigan war Obama wegen des Regelverstoßes gar nicht angetreten), hatte in den vergangenen Wochen darum gekämpft, diesen Beschluss rückgängig zu machen. Gestern einigte sich die Demokratische Partei auf einen Kompromiss: Die Stimmen werden nun doch berücksichtigt, aber nur zur Hälfte. Hillary Clinton holt damit auf — aber nicht so sehr, wie sie gehofft hatte und vermutlich nicht genug, um noch gewinnen zu können.
Es gibt natürlich viele Möglichkeiten, diese Nachricht anzukündigen. Die von Bild.de gewählte gehört nicht dazu:
Denn in beiden Staaten hat Clinton gewonnen, in beiden Staaten erhält sie die Mehrheit der Delegierten, und überhaupt wurden nach den bisherigen Regeln Florida und Michigan ja gar nicht bewertet.
…was immerhin weniger falsch, aber auch nicht richtig ist. Das ist aber kein Wunder, denn bei Bild.de hat man den Beschluss, dass die Delegierten aus Florida und Michigan mit halber Stimme zählen, nicht einmal im Ansatz verstanden:
Nö.
Nachtrag, 2. Juni. Bild.de hat den Artikel aktualisiert, um die Vorwahl in Puerto Rico zu berücksichtigen, hält aber an der falschen Fifty-Fifty-Variante fest. Und in der neuen Dachzeile lässt die Präposition “in” erahnen, dass Bild.de nach wie vor ahnungslos ist, um was es eigentlich geht.
Helmut Kohl hat am vergangenen Donnerstag seine Lebensgefährtin Maike Richter geheiratet. Und “Bild” war dabei. Daniel Biskup, Kohls Lieblingsfotograf, hat Fotos gemacht. Und “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann berichtet. Diekmann war, neben Leo Kirch, Trauzeuge. So wie Kohl Trauzeuge bei Diekmanns Hochzeit war.
“Bild” zeigt von dieser Hochzeit keine unscharfen Fotos, auf denen irgendeiner der Beteiligten in unglücklicher Pose zu sehen ist. “Bild” hat den Wunsch Kohls nach strengster Verschwiegenheit über die Planungen und die Zeremonie selbst respektiert und erst berichtet, nachdem Kohls Büro einen Artikel der “Rheinpfalz” am Dienstag bestätigte. “Bild” hat aus den ungewöhnlichen Umständen der Hochzeit keine spektakuläre Überschrift gemacht wie: “Blitzhochzeit in Klinik — Wie krank ist Kohl wirklich?” “Bild” hat trotz des Altersunterschieds des Brautpaares keine anzüglichen Witze gemacht oder neben ein Foto der Braut einen Pfeil gesetzt und geschrieben: “Drama um Erbschaft: Holt sie sich Kohls Vermögen?” “Bild” hat nicht mit einer großen Schlagzeile aufgemacht wie: “Familienkrach? Kohl-Söhne boykottieren Trauung!”
Es ist also nicht so, dass die “Bild”-Zeitung nicht anders könnte. Sie muss es nur wollen.
“Der Expertenbefragungswahn” (medienspiegel.ch, Andrea Masüger)
“Ein Wunder, dass bisher noch kein Hautarzt zum Thema ’18 Jahre ohne Sonnenlicht’ befragt wurde und dass sich noch kein Architekturprofessor zu bautechnischen Aspekten des Kellerverlieses zu äussern hatte. Aber das alles wird bestimmt auch noch kommen.”
Frauenbewegung verkommt zum Karrierecoaching (SZ, Barbara Gärtner)
“Ach, es hätte eine feine Debatte werden können, aber bisher ist es leider nur fades Beleidigtsein. … Die Wir-Mädchen-um-die-Dreißig-Bücher schaffen vielleicht eine lipglossschnutige Betroffenen-Peer-Group, die Interessenpolitik betreibt. Sowas macht auch der Bauernverband. Das ist okay, aber die Emanzipation kommt so keinen Schritt voran.”
Neues Magazin macht auf Tempo (dwdl.de, Jochen Voß)
Das Face-Magazin berichtet über Schauspieler, Meinungsmacher, Musiker, Künstler und Trendsetter. “Für’s Erste lässt sich festhalten, dass man mit Face durchaus eine angenehme bis anregende Stunde verbringen kann. Das gelingt heute auch nicht mehr vielen.”
Die Agentur hat immer recht (Stefan Niggemeier)
Hat sie natürlich nicht, auch über den Ticker laufen Falschmeldungen oder unglückliche Formulierungen. Etwa “Holocaustgegner” statt “Holocaustleugner”. Doof nur, wenn blind abgeschrieben wird. Mindestens tagesschau.de, Netzeitung, Rheinische Post, SWR, Focus, Berliner Morgenpost, Frankfurter Rundschau, Welt und N24 sind reingefallen.
Jeff Jarvis über Internet und Journalismus (elektrischer-reporter.de, Mario Sixtus)
Gähn, noch so ein langweiliges Video? Nein, denn BuzzMachine-Gründer und Hansdampfinallengassen-Journalist Jeff Jarvis bringt die aktuellen Entwicklungen auf den Punkt. Wenn man nur ein Video zum Thema …
Bloß nicht verzetteln (Seth Godin)
“The Times needs 50 more bestseller lists, 20 more trusted stories about real political fact and insight, ten more cultural touchstone features… and a lot less filler, a lot less copycat stuff and nothing, nothing about Barbara Walters.”
Die “Bild”-Zeitung glaubt, dass die ARD-Talkshow “Anne Will” schlechte Quoten hat. Vielleicht will die “Bild”-Zeitung auch nur glauben machen, dass die ARD-Talkshow “Anne Will” schlechte Quoten hat. Denn um das zu belegen, sind einige Verrenkungen nötig. “Bild” schreibt heute:
Seit September 2007 moderiert Anne Will (42) jeden Sonntag um 21.45 Uhr ihre ARD-Polit-Talkshow. Doch die Quoten sind schwach, schon bei der zweiten Sendung schalteten nur noch 3,26 Millionen Zuschauer ein (Vorgängerin Sabine Christiansen holte fast 5 Mio.).
Aha: “Bild” vergleicht die zweite Sendung von Anne Will mit irgendeiner Sendung von “Sabine Christiansen”. Die Zeitung hätte nur die dritte Sendung von Anne Will nehmen müssen, um zu einem ganz anderen Ergebnis zu kommen: Da hatte “Anne Will” nämlich 5,86 Millionen Zuschauer.
Tatsache ist: Im Schnitt aller Sendungen hatte “Anne Will” bessere Quoten als “Sabine Christiansen” in ihrer letzten Saison.
Aber “Bild” hat noch einen anderen Vergleich:
Wills Quoten schwächeln, Plasberg begeistert hingegen mit seinem Talk [“Hart aber fair”] am späten Mittwochabend mit spannenden Gesprächen und tollen Gäste.
Wen Plasberg so begeistert, sagt “Bild” nicht, es ist auch schwer zu sagen. Die Zuschauer eher nicht — jedenfalls nicht, wenn man nach ihrem Einschaltverhalten urteilt. Anne Will hat deutlich höhere Zuschauerzahlen als Plasberg, und das nicht nur absolut gerechnet (wobei Anne Will der Sendeplatz am Sonntagabend zugute kommt, wenn ohnehin besonders viele Menschen fernsehen), sondern auch beim Marktanteil (dem Anteil derjenigen Zuschauer, die eine Sendung sehen, von allen, die zu der jeweiligen Zeit den Fernseher eingeschaltet haben).
Konkret:
Sendung
Zuschauer
Marktanteil
Anne Will
4,00 Mio.
13,8 %
Hart aber fair
3,24 Mio.
12,8 %
Sabine Christiansen*
3,78 Mio.
13,3 %
*) Saison 2006/2007
Und das ist noch nicht alles. “Bild” zitiert gleich zweimal aus einem Bericht des aktuellen “Focus”, der den Anlass für die “Bild”-Verrechnungen bildet:
[Anne] Will fühlt sich durch die Vorgehensweise vom Sender ungerecht behandelt. Dem “Focus” sagte sie: “Es geht nicht um konstruktive Kritik, sondern darum, mir zu schaden.”
Änderungspläne gibt es bei der ARD offenbar schon! Programmdirektor Günter Struve (68) zum “Focus”: “Es wird eine Lösung im Sommer geben, weil es sie geben muss!”
Das Will-Zitat stammt jedoch nicht aus dem “Focus”, sondern aus einem einen Monat alten “FAZ”-Interview — und so steht’s auch im “Focus” selbst (“… klagte sie der FAZ”).
Das Struve-Zitat indes stammt nicht nur nicht aus dem “Focus” (und steht so auch nicht da), sondern aus einer Pressekonferenz zur ARD-Hauptversammlung vor zwei Wochen — und betrifft im Kern sogar nicht einmal Anne Will. Struves “Lösung” bezog sich vielmehr auf die uneinheitlichen Anfangszeiten der “Tagesthemen”.
Und dass der ARD-Vorsitzende Fritz Raff den “Focus”-Bericht, auf den sich “Bild” beruft, scharf dementiert hat, fand “Bild” nicht einmal erwähnenswert.
Weniger wissen mit Wikipedia (faz.net, Jörg Thomann)
Der Brockhaus geht ins Netz, Wikipedia hingegen wird zum Buch: Bertelsmann bringt im September eine gedruckte Kompakt-Version der Online-Enzyklopädie heraus – für 19,95 Euro. Schleierhaft, wer das ausgeben soll.
“Ja, ich würde es wieder machen” (tagesspiegel.de, Thomas Eckert und Joachim Huber)
Gespräch mit Kurt Westergaard und Flemming Rose zu den Konsequenzen der Mohammed-Karikatur.
Die Macht der Vielen (zeit.de, Philip Faigle)
Täglich bewerten Millionen Menschen die Produkte von Unternehmen im Netz. Noch reagieren viele Firmen darauf mit Angst – langfristig könnten die Internetforen das Marketing revolutionieren.
Live-Webradio per Handy (spiegel.de, Felix Knoke)
Ein Telefon und eine gute Idee, mehr braucht man nicht, um einen eigenen Web-Radio-Sender zu gründen. In den USA sind die Amateur-Talkshows längst der Renner. Ein deutscher Anbieter versucht nun, den kruden Charme des Selbstmachradios auch hier zu vermarkten.
Ungefragt zum Werbeträger (focus.de, Torsten Kleinz)
Die Nutzer sind das wichtigste Kapital für soziale Netzwerke. Dass der US-Anbieter Facebook ungefragt mit den Namen seiner Mitglieder Werbung schaltete, ging den Usern dann doch zu weit. Jetzt rudert das Unternehmen eilig zurück.
NZZaS vs. BZ oder ein Nebensatz mit Folgen (klartext.ch/blog, Nick Lüthi)
Die NZZ am Sonntag behauptet in einem Artikel über den Berner Fussballclub Young Boys, der Geschäftsführer des YB-Stadions Stade de Suisse kontrolliere «gewieft» die Berner Zeitung. Ein Vorwurf, den die BZ-Journalisten nicht nachvollziehen können. In Zürich verteidigt man die vorgebrachte Sichtweise, ohne allerdings konkrete Beweise zu liefern.
“Wo Menschen arbeiten, passieren auch Fehler”, hat Kai Diekmann bekanntlich vor einiger Zeit gesagt. Aber man muss wohl bei “Bild” arbeiten, um einen eigenen Fehler, wenn man ihn entdeckt, auf andere zu schieben und so zu korrigieren, dass der Eindruck entsteht, man habe eine besondere Rechercheleistung erbracht und die Info quasi exklusiv.
So hieß es vorgestern in “Bild” und bis gestern Nachmittag auch bei Bild.de in einem Text über den neuen Opel:
Heute indes steht bei Bild.de an derselben Stelle dies hier:
In Internet-Foren wurde bereits eifrig diskutiert, ob der Passat-Konkurrent bei seiner Vorstellung möglicherweise “Aura” heißen wird. BILD erfuhr: Opel hat sich endgültig für den Seriennamen Insignia entschieden.
Die Diskussionen in den Internet-Foren dürften mittlerweile wohl etwas abgeebbt sein, denn was “Bild” da angeblich “erfuhr”, gab Opel bereits im November 2007 in einer Pressemitteilung bekannt und diverseMedienberichtetendamals darüber. Und die Internetseite www.insignia.de ist vermutlich auch schon seit einiger Zeit online.
Mit Dank an Stefan B. und Christian H. auch für den Scan.
Hoffen wir mal, dass Eckard Pahlke, “Anwalt für Immobilienrecht vom Mieterverein zu Hamburg”, der heute in “Bild” die “wichtigsten Fragen” zum Thema “Ärger mit den Handwerkern?” klärt, die Wörter “Artikel” und “Bundesgesetzbuch”(siehe Ausriss) nicht selbst in den Text geschrieben hat – und dass dieser Unsinn kein Indiz für die Qualität der Ratgeber-Seite ist.
Mit Dank an Jings und Steffen K. für den sachdienlichen Hinweis.
Nachtrag, 23.50 Uhr(mit Dank an die zahlreichen Hinweisgeber): Zu Recht weisen uns viele Leser darauf hin, dass es sich bei der Beauftragung eines Handwerkers meist um einen sogenannten Werkvertrag handeln wird, für den die Verjährungsfristen nach Paragraph 634a BGB gelten. “Fehler von Handwerkern” kann man also für gewöhnlich bis zu zwei Jahre (bei Bauwerken fünf Jahre) geltend machen. Die von “Bild” angegebenen drei Jahre sind eher die Ausnahme.
[Achtung: Dieser BILDblog-Eintrag ist fehlerhaft.]
Mit diesem unscheinbaren kleinen Text, der heute auf einer fast kompletten Seite über “die große Hartz-IV-Diskussion” steht, macht die “Bild”-Zeitung eigentlich viel mehr, als das, was sie in der Überschrift behauptet (“BILD beantwortet die wichtigsten Leser-Fragen”). Sie gibt quasi zu, dass ein ganz erheblicher Teil ihrer gestrigen Berichterstattung über Hartz IV Unsinn war und auf völlig falschen Annahmen beruhte. Und dass Nicolaus Fest, Mitglied der Chefredaktion bei “Bild”, in seinem gestrigen “Bild”-Kommentar massiv auf dem Holzweg war.
Aber der Reihe nach: Unter der Überschrift “Ohne Arbeit hätten wir 1 Euro mehr!” rechnete “Bild” gestern vor, dass ein Mann mit einer schwangeren Frau und einem kleinen Kind jeden Monat 1.501,30 Euro Hartz IV bekäme (Grundanspruch, Miet- und Heizkosten sowie 208 Euro Kinderzulage/Sozialgeld). Mit Arbeit und inklusive Kindergeld kam die Familie jedoch laut “Bild” nur auf 1.500 Euro Netto.
Offenbar wusste “Bild” jedoch gestern noch nicht, was sie heute weiß: Bei Hartz-IV-Empfängern mit Kindern wird das Kindergeld (154 Euro pro Kind) als Einkommen auf die Hartz-IV-Bezüge angerechnet. Statt den von “Bild” errechneten 1.501,30 Euro bekäme die Familie also nur 1.347,30 Euro Hartz IV. Folglich hätte die gestrige Überschrift also lauten müssen:
Noch hanebüchener wird die Rechnung, die “Bild” am Ende ihres Textes aufmacht:
In einigen Monaten bekommt die Familie Zuwachs (…). Mit zwei Kindern kommen die Prinzens im Vergleich zu Hartz IV sogar auf 54 Euro weniger Einkommen, weil bedürftige Familien das erhöhte Kindergeld bekommen.
Leider hat “Bild” offenbar auch hier vergessen, das Kindergeld für die alsdann zwei Kinder (also 308 Euro) von den Hartz-IV-Ansprüchen abzuziehen. Und nicht nur das: “Bild” unterschlägt auch, dass die Familie mit Arbeit durch das Kindergeld fürs zweite Kind auf 1.654 Euro Netto käme. Demgegenüber würden sich die Hartz-IV-Ansprüche jedoch nur um einen guten Euro erhöhen. Also:
Den gleichen groben Fehler machte Nicolaus Fest in seinem Kommentar “Wer arbeitet, ist ein Idiot”. Dort hieß es nämlich:
Vor allem mit Kindergeld ist Hartz IV häufig mehr, als viele Arbeitnehmer mit gleicher Kinderzahl nach Hause tragen.
(…) Jetzt will die CDU das Kindergeld erhöhen. Damit wird der Anreiz, eine Arbeit anzunehmen, noch geringer.
Dann gilt noch mehr als bisher: Wer (legal) arbeitet, ist ein Idiot.
Das stimmt nur insoweit, als die CDU tatsächlich dasKindergelderhöhen will. Der Rest ist Unsinn. Denn wenn das Kindergeld erhöht wird (von einer gleichzeitigen Erhöhung der Kinderzulage für Hartz-IV-Empfänger ist in der Diskussion nicht die Rede), dann erhöht sich auch das anzurechnende Einkommen, womit der Hartz-IV-Anspruch sinkt. Der Anreiz, eine Arbeit anzunehmen müsste sich also logischerweise erhöhen.
Aber um die Frage der “Bild”-Leserin zu beantworten, ob es korrekt sein kann, dass sie weniger Hartz-IV bezieht als in den Beispielrechnungen von “Bild”: Klar kann das sein – vor allem, wenn die “Bild”-Beispielrechnungen falsch sind…