1. “Berichterstattung bei Geiselnahme” (taz.de, Karim El-Gawhary)
Karim El-Gawhary klärt auf über die Hilflosigkeit von Korrespondenten, von denen stündlich News gefordert wird, die aber auch nicht mehr wissen als die Redaktion zuhause: “Fakt ist, dass eine Gruppe von 11 Touristen und ihre acht ägyptischen Begleiter verschleppt wurden. Wir wissen nicht von wem, wir haben in Wirklichkeit keine Ahnung wie die Forderungen der Entführer lauten, wir wissen nicht einmal genau wer mit wem verhandelt.”
2. “Die Zeitungsnutzung der Generation ‘Twitter'” (relevantmedianow.typepad.com, Stephan Sperling)
Stephan Sperling beweist, dass auch Twitterer Zeitung lesen. Es ist also nur fast alles, nicht ganz alles verloren.
3. “Knuts Papa, die Zeitungen und das Internet” (medienpiraten.tv, Peer Schader)
Was ist Medienkompetenz heute? Wenn eine 22jährige im Internet Fact-checking macht, nachdem sie etwas im Fernsehen gesehen hat. Das Zitat des Tages, festgehalten vom Berliner Kurier, lautet so: “Als die Meldung im Fernsehen kam, habe ich im Internet nachgesehen, ob es wirklich stimmt.”
4. “ARD und ZDF im Internet” (focus.de, Frank Fleschner)
“Mit neuen Google-Diensten lässt sich jetzt abschätzen, wie mächtig ARD und ZDF im Internet sind.”
5. “Mitten in der Revolution” (faz.net, Marcus Theurer)
“1,2 Millionen ‘Bravo’-Hefte verkaufte Deutschlands größtes Zeitschriftenhaus, der Heinrich Bauer Verlag, noch im Jahr 1998 Woche für Woche. Heute, nur zehn Jahre später, ist die Auflage auf knapp 500.000 Exemplare geschmolzen. Dazwischen liegt mit der Geburt des Internets als Massenmedium der Beginn einer Medienrevolution, die mittlerweile in vollem Gang ist.”
6. “Internettourismus: Die Welt auf Vorovoro” (woz.ch, Mirco Lomoth)
“Auf der Fidschi-Insel Vorovoro lebt eine Gemeinschaft von InternetfreundInnen eine neue Form des Tourismus: natürliches Leben in einem polynesischen Stamm.”
Vier Tage ist es her, dass die Leiche der 8-jährigen Michelle aus Leipzig gefunden wurde. Und die Polizei weiß noch nicht, wer Michelle getötet hat. Für die “Bild”-Zeitung ist das offenbar ein unerträglicher Zustand.
Schon am vergangenen Samstag berichtete sie, die Polizei habe eine “1. heiße Spur”. “Bild” veröffentlichte auf der Titelseite das Phantombild eines Mannes, nach dem die Polizei angeblich “fahndet” und schrieb groß darüber:
“Bild” sparte auch nicht mit Details, die sie aus “Ermittlerkreisen” erfahren haben wollte. “Zwischen Michelle und ihrem Killer” habe es “einen Kampf” gegeben, schrieb “Bild”. “Haarbüschel” seien gefunden worden, und Michelle habe “blaue Flecken am Körper”.
Gestern verhängtediePolizeieineNachrichtensperre, weil in den Medien über sogenanntes “Täterwissen” berichtet wurde. Dazu gehört unter anderem, dass blaue Flecken am Körper des Mädchens gefunden worden seien, und dass es einen Kampf gegeben habe, wie uns ein Polizeisprecher sagt. Beides bestätigt die Polizei nach wie vor nicht. Dass Haarbüschel gefunden wurden hingegen schon.
Die “Bild”-Zeitung indes behauptet heute im Wesentlichen noch einmal als Tatsache, was sie schon am Samstag behauptet hatte und was nach wie vor unbestätigt ist. “Michelle kämpfte mit ihrem Killer” lautet die Überschrift und im Text heißt es erneut:
Es ist eine erste heiße Spur auf der Suche nach dem Mörder der kleinen Michelle († 8)!
Und wieder zeigt “Bild” auch das Phantombild, das sie bereits am Samstag auf der Titelseite druckte. “Das Fahndungsfoto der Polizei” steht darunter (siehe Ausriss).
Während man jedoch dem “Bild”-Artikel vom Samstag noch entnehmen konnte, dass das Phantombild eigentlich von einem anderen Fall stammt und bereits vier Monate alt ist, fehlt in der “Bild” von heute jeglicher Hinweis darauf. Dabei hatte die Polizei nach der ersten Veröffentlichung am Samstag ausdrücklich klargestellt, dass das Phantombild nicht aktuell von der Sonderkommission Michelle erstellt worden sei und lediglich ein Anhaltspunkt unter vielen sei (siehe Kasten).
Das Phantombild:
“Ein Polizeisprecher dementierte am Samstag Informationen der ‘Bild’-Zeitung, dass sie eine heiße Spur von dem Täter habe. Die Zeitung hat das Phantombild eines Mannes veröffentlicht (…).” (AP vom 23.8.2008.)
“Eine heiße Spur gebe es jedoch nicht, sagte Polizeisprecher Uwe Voigt. Damit wies er einen Bericht der ‘Bild’-Zeitung zurück, die in ihrer Samstagsausgabe ein Phantombild eines Mannes veröffentlicht hatte.” (dpa vom 23.8.2008.)
“Auch ein Mann, der vor vier Monaten ein elfjähriges Mädchen in der Gegend belästigte und von dem es ein Phantombild gibt, stehe nicht konkret unter Verdacht.” (dpa vom 23.8.2008.)
“Ein Polizeisprecher hatte am Samstag klargestellt, ein von einer großen Zeitung veröffentlichtes Phantombild sei nicht aktuell von der Sonderkommission Michelle erstellt worden.” (AFP vom 24.8.2008.)
Daran hat sich bis heute nichts geändert, wie uns ein Polizeisprecher bestätigt. Dass die Polizei nach dem Mann auf dem Phantombild fahnde, sei falsch. Vielmehr gehe man allen Hinweisen nach, auch denen, die sich auf die Veröffentlichung des Phantombildes in “Bild” beziehen. “Wir fahnden nach allem möglichen”, so der Polizeisprecher, es gebe nach wie vor “keine heiße Spur”.
Sagen wir es so: Die Polizei ermittelt in alle Richtungen. Die “Bild”-Zeitung hat sich weitgehend festgelegt.
P.S.: Weil es so gut passt, hier einige Passagen aus einer Meldung der Nachrichtenagentur AP von heute morgen:
Bei der Suche nach dem Mörder der achtjährigen Michelle aus Leipzig hat die Polizei noch immer keine heiße Spur. Es gebe fast stündlich neue Hinweise, der entscheidende sei aber noch nicht dabei gewesen, sagte ein Polizeisprecher am Montag der AP. “Es gibt absolut nichts Neues.” (…) Der Sprecher dämpfte zugleich Hoffnungen auf einen schnellen Fahndungserfolg. “Zu glauben, wir sind in wenigen Tagen mit der Überprüfung aller Spuren und Hinweise durch, ist nicht realistisch.” Die Polizei müsse und werde gründlich und akribisch vorgehen, fügte er hinzu. “Schnellschüsse sind dabei wenig hilfreich.”
1. Interview mit Focus-Online-Chefredakteur Jochen Wegner (meedia.de, Alexander Becker)
Jochen Wegner erzählt, dass es “Standard in den deutschen Nachrichtenredaktionen” ist, sich “eigene SEO-Experten” zu halten: “Gegen den Zukauf von Traffic ist nichts einzuwenden. Mich stört lediglich die oft eher verschämte Kommunikation in diesem Zusammenhang.” Ausserdem: “Helmut Markwort liest jeden Leserbrief.”
2. Interview mit TV-Journalist Ulrich Tilgner (tagesanzeiger.ch, Philipp Mäder)
Ulrich Tilgner wird genötigt, über sein “versteinertes Gesicht” zu reden: “Dieser Gesichtsausdruck hat nichts mit meinem Beruf zu tun. Ich lache auch auf Kinderfotos nicht.” Zudem verrät er, wie man als Journalist in Krisengebieten am besten überlebt.
3. “Ein Blick hinter die Kulissen von Zattoo” (infoweek.ch, Marcel Wüthrich)
Ein Hintergrundbericht über das P2P-TV Zattoo: “Zattoo hat das Potential, zum Inbegriff für Internetfernsehen zu werden und die Welt zu erobern.”
4. “Wir machen das Magazin nicht, weil grün ‘cool’ ist” (persoenlich.com, Stefan Wyss)
Das deutsche Ivy wurde vom deutschen Verlag Burda am 25.07.2008 eingestellt, da “keine ausreichende wirtschaftliche Basis” vorhanden war – kein Grund für schweizer Verlage, mit nicht weniger als drei grünen Lifestyle-Magazinen ihr Glück zu versuchen. Ein Gespräch mit “ecoLife”-Chefredaktor Paul Stierli.
5. “Mona wird auf eBay verramscht” (blick.ch, Peter Padrutt)
“Wer in diesen Tagen eBay anklickt, glaubt an einen Sonnenstich. SF verhökert Kram, den Mona Vetsch auf ihrer ‘Fernweh’-Reise eingekauft hat.” (Link: medienlese.com)
6. “Neger gesucht” (spiegel.de, Petra Bornhöft)
“Ein Grüppchen Parlamentarier fühlte sich nicht genug hofiert auf der Dienstreise nach Amerika. Ihre Beschwerden sind ein Dokument der Peinlichkeit.”
1. “Springer-Chef Döpfner zur US-Zeitungskrise” (handelsblatt.com, Hans-Peter Siebenhaar)
Mathias Döpfner, Vorstandschef des Medienkonzerns Axel Springer, kennt den Weg aus dem “Krisengerede”: “Unser Geschäft ist Inhalt. Wenn wir guten Journalismus pflegen, egal ob gedruckt oder online, dann ist mir nicht bange. Wer sein Kerngeschäft herunter redet oder sich gar zu Tode spart, wird scheitern.”
2. Der Organisator der TV-Übertragungen der ARD (ftd.de, Lutz Knappmann)
Olympia-Produktionsleiter Gerald Heitzig beklagt sich über die ständigen Sicherheitskontrollen:”Obwohl wir unsere Ausrüstung minutiös angemeldet haben und hochtransparent sind, müssen wir ständig alles öffnen und vorführen. Jeden Tag eine neue Hürde. Die Sicherheitsmaßnahmen machen uns das Leben wirklich schwer.”
3. “Ernüchternd – Die Verwirrung der Medien im Fall Clement” (ndr.de, Video, 6:58 Minuten)
Die Sendung “Zapp” beleuchtet das Wesen der Entschuldigung. Da viele Politiker überaus viel Mühe bekunden, ein Wort der Entschuldigung über ihre Lippen zu bringen, sind viele Medien dazu übergegangen, auch schon Ansätze von Entschuldigungen als Entschuldigungen zu werten.
4. Roger Schawinski über Radiokonzessionen und Ehrverletzung (weltwoche.ch, Philipp Gut und Peer Teuwsen)
Die Weltwoche befragt Roger Schawinski: “Bei der Fahrt zu diesem Gespräch haben wir Radio 1 gehört. Das Thema war: ‘Hundeknochen im Abo’. Macht man so Qualitätsradio?” Schawinski: “Das ist eine sehr kursorische Sendekritik.”
5. “sf lanciert tagesschau-timeline” (benkoe.ch, Thomas Benkö)
“alle news der vergangenen 24 h chronologisch im überblick. bitte aufs bild klicken.”
6. “Markwort – Allein zu Haus” (riesenmaschine.de, Jan Bölsche) Focus bringt eine aufsehenerregende Titelstory, wie man durch Fahrradfahren Sprit sparen kann. Was die Riesenmaschine zu weiteren Titeln inspiriert. Zum Beispiel: “Die neue Gang-Art: Schlendern – entschleunigt, entspannt, entertaining! Toll: Ihr Körper bringt schon alles mit, was sie dazu brauchen!”
wenn ich ehrlich bin, würde meine Mutter Sie vermutlich einen Sonnyboy nennen (also eigentlich “Sanniboi”), wenn sie Sie mal wieder in einer dieser Polit-Talkshows gesehen hätte, in denen besser Ihr Kollege Kai Diekmann von der “Bild”-Zeitung hätte gesessen haben sollen. Aber dann saßen doch immer Sie da – mit der zweifellos telegeneren Frisur und… diesem Lächeln. Das immer so aussieht, als wären die Zeitungen, die man jeden Sonntag kaufen kann, “informativ, enthüllend und hintergründig”, ein “Anwalt des Bürgers und kritischer Beobachter” und “Service-Dienstleister für alle Lebenslagen” bzw. so wie Ihr Lächeln: vertrauenswürdig, wohlwollend, selbstkritisch, zugänglich, selbstgewiss (naja, Sie kennen das ja aus dem Badezimmerspiegel) – so, als wären Sie eben nur Chef der “Bild am Sonntag“, der sonntagslächelnd Leserfragen beantwortet (siehe Kasten).
Worauf der Chefredakteur antwortet:
“Warum hat BamS einen so breiten Rand, Herr Strunz?”
“Gibt es zur EM wieder eine DVD-Reihe, Herr Strunz?”
“Muss es denn immer Hitler sein, Herr Strunz?”
“Wie komme ich noch an ein BamS-Panini-Abo, Herr Strunz?”
“Kann ich aus BamS ein T-Shirt machen, Herr Strunz?”
“Wo gibt es meine Geburtstags-BamS, Herr Strunz?”
“Wo ist unser Grill, Herr Strunz?”
“Haben Sie uns im TV gesehen, Herr Strunz?”
“Wo sind meine Togo-Fotos, Herr Strunz?”
“Wo sind die Panini-Bilder, Herr Strunz?”
“Wo kriege ich Ihr Sudoku-Heft, Herr Strunz?”
“Warum sind Sie so feige, Herr Strunz?”
“Warum hetzen Sie das Volk auf, Herr Sonntag Strunz?”
“Schenken Sie auch mir nächsten Sonntag eine DVD, Herr Strunz?”
“Wo war denn mein Panini-Album, Herr Strunz?”
“Wie kriege ich diesen Vogel los, Herr Strunz?”
“Wollten Sie Ihre Leser verar…, Herr Strunz?”
“Was ist des Rätsels Lösung, Herr Strunz?”
(halbwillkürliche Auswahl)
Jetzt hab’ ich aber irgendwo gelesen, dass Sie’s bald nicht mehr sind, “BamS”-Chef — und anderswo was von “unüberbrückbaren Differenzen” zwischen Ihnen und dem Diekmann.
Ganz ehrlich, Claus? Ich glaub’ das nicht. Immerhin ähnelt Ihre “BamS” Diekmanns “Bild” schon seit geraumer Zeit nicht nur im Auflagentrend, den Sie und Diekmann Ihren Blättern seit Amtsantritt verpasst haben, sondern jede Woche auch sonst so. Und vielleicht hält man sich ja wirklich für was besseres, bloß weil man besser aussieht. Was weiß denn ich.
Aber das mit den unüberbrückbaren Differenzen passt natürlich prima. Weil’s sowieso schon immer alle denken: dass Sie so’n stiller Querkopf sind. “Seine Unterschrift fehlt regelmäßig unter den rührenden Manifestationen konzerninterner Geschlossenheit, die alle Springer-Titel treu und diensteifrig abdrucken”, schrieb mal einer, der Ihnen offenbar derart auf den Leim gegangen war, dass er sogar öffentlich behauptete, Sie gölten “bei Springer als der vermutlich wichtigste Chefredakteur des Hauses”. Und wenn ich sehe, dass es Ihnen schon als Errungenschaft ausgelegt wird, wenn sich in Ihrer Zeitung auch mal ein kritisches Wort über Dieter Bohlen oder ein Argument für die Rechtschreibreform fand, dann klappt(e) der Trick mit dem “Good Guy der ‘Bild-Zeitung'” offenbar ganz gut. So gut, dass Leute wie Anke Engelke, die “Bild” vermutlich nicht mal mit dem A**** angucken, der “Bild am Sonntag” 2-seitige Interviews geben und ein Trittin bei Ihnen einfach mal den Gastautor macht. Claus Strunz, das unbeugsame Feigenblatt – da hatten irgendwie alle was davon.
Dooferweise hab’ ich Sie schon ganz anders erlebt. Als einen, der lügt. Oder als einen, der lügt. Oder die Unwahrheit sagt. Oder zulässt. Oderoderoderoder. Oder als einen, den meine Mutter ‘ne fiese Möpp nennen würde. Wollte ich nur mal sagen.
Viel Spaß in Hamburg,
Ihre Clarissa
P.S.: Ihr Nachfolger kommt ja, wie man hört, von der “B.Z.”, dem schmuddeligen kleinen Schwesterblatt der “Bild”. Womit nach acht Jahren wenigstens die Heuchelei ein Ende haben dürfte – und ich mich frage, wer wohl demnächst an Diekmanns Stelle in den Talkshows sitzt.
Was bedeutet es eigentlich, wenn “RWI-Experte Manuel Frondel” in “Bild” sagt:
Bedeutet das wirklich, dass mit einer “Milliarden-Ersparnis für Wirtschaft und Verbraucher” zu rechnen sei, wie “Bild” behauptet (und “Focus Online” weiterverbreitet)?
Nicht unbedingt. Wie der “Klima-Lügendetektor” berichtet, räume sogar “RWI-Experte” Frondel auf Nachfrage ein, dass “die Erzeugungskosten erstmal nichts mit dem Endpreis des Stroms zu tun” hätten. Die errechnete Ersparnis falle vielmehr bei den Stromkonzernen an und müsse von denen natürlich nicht an die Verbraucher weitergegeben werden – was Frondel “so auch nie gesagt” haben will, offenbar nicht mal zu “Bild”.
Die 7 “Bild”-Wahrheiten über unsere Kernkraft:
1. “Kernkraft ist sicher”
2. “Kernenergie gehört zum Energiemix der Zukunft”
3. “Kernkraft dämpft den Preisanstieg beim Strom”
4. “Der Ausstieg schadet dem Standort Deutschland”
5. “Kernkraft ist gut für den Klimaschutz”
6. “Das Problem mit dem Atomabfall ist ungelöst”
7. “Die Zustimmung zur Kernenergie wächst”
Der “Klima-Lügendetektor” schließt aber nicht mal aus, dass Frondel in seinem “Bild”-O-Ton mit “uns” ohnehin nicht “Wirtschaft und Verbraucher” (also uns) gemeint hat, sondern bloß seine unsere Energiewirtschaft.
Und die dürfte sich dann nicht nur über die via “Bild” in Aussicht gestellte “Milliarden-Ersparnis” freuen, sondern auch über den “Bild”-Artikel drumherum mit der Überschrift: “7 Wahrheiten über Kernkraft”. Immerhin sechs der sieben “Wahrheiten” fallen da für die Kernkraft überraschend positiv aus (siehe Kasten) – und achtens steht oben drüber als Autor: “OliverSanten”.
Endert zu Sixtus, Deutschlandbrillen, zeitgeschichtliche Relevanz.
Der Redaktionsleiter des Onlineauftritts des Handelsblatts, Julius Endert, wechselt, nachdem er sich dort mit einem vom Publikum (wie oft) sehr mässig aufgenommenen Relaunch verabschiedet hat, zu den Blinkenlichten Produktionen Ltd. & Co. KG, einer neuen Firma, als deren Geschäftsführer sich der elektrische Reporter, Mario Sixtus, aufführt. Die auf handelsblatt.com durchgeführte Umfrage zeigt am Samstagnachmittag, dass über die Hälfte der Nutzer den Auftritt für mangelhaft oder ungenügend halten. Immerhin fast ein Viertel bewertet ihn als gut oder sehr gut.
Vor einer Woche hatte die “Bild”-Zeitung einen vermeintlichen “Sex-Skandal” um Gina-Lisa Lohfink aufgedeckt. Im Internet würden “pikante Aufnahmen” der Kandidatin von “Germany’s Next Topmodel” kursieren, von denen “Bild” einige abdruckte und schrieb:
Fotos und Filme, die das Model beim Sex mit ihrem Ex zeigen. Sie ist mal nackt, mal trägt sie Lack und Leder, befriedigt ihren Freund mit dem Mund!
Die “PC Welt” warnte kurz darauf vor einem “Trittbrettfahrer”, der den “Hype” um das Video dazu ausnutze, einen Computer-Virus zu verbreiten. Außerdem wunderte sich das Magazin, dass außer “Bild” bisher noch niemand das Video gefunden zu haben schien und mutmaßte, die “Bild”-Geschichte solle womöglich nur dafür sorgen, “dass der Name von Gina-Lisa wieder in den Medien landet.”
Heute berichtet “Bild” wieder groß über Gina-Lisa:
An Verehrern dürfte es Gina-Lisa nach ihren sexy Auftritten in der “Topmodel”-Show eigentlich nicht mangeln. Doch den Richtigen fürs Herz hat sie offenbar immer noch nicht gefunden. Oder warum sollte Gina-Lisa sonst im Internet einen Mann suchen? (…)
Jetzt startet Gina-Lisa einen neuen Versuch in Sachen Liebe. Und stellt an ihren möglichen Partner hohe Ansprüche: (…) (Hervorhebung von uns)
Doch Gina-Lisa sucht offenbar gar keinen Mann im Internet. Jedenfalls nicht “jetzt” auf der “Flirtseite”, aus der “Bild” zitiert und von der sie einen Screenshot abdruckt. Zwar ist Gina-Lisa offenbar seit April 2007 Mitglied dort. Aber ihr letzter Besuch auf der Seite datiert vom 10. Juni 2007 (siehe Ausriss).
“Focus Online”:
Am besten wäre es aber, Frau Lohfink suchte den Traummann über ein Fernsehauswahlverfahren. “Gina-Lisa´s Next Toplover” würde sich als Titel anbieten. Oder: “Gina-Lisa sucht den Superlover.”
Und sonst? Auch bei “Focus Online” ist man schon auf den Gedanken gekommen, dass es sich bei den “Bild”-Geschichten über Gina-Lisa um ein mehr oder weniger inszeniertes “Paris-Hilton-Programm” handeln könnte. Trotzdem verbreitet “Focus Online” auch die heutige “Bild”-Geschichte überaus detailliert weiter, verpackt sie aber, anders als andereMedien, wieder als Boulevard-Kritik. Dass “Frau Lohfink”, “das verhinderte Topmodel”, schon seit einem Jahr nicht mehr in der Flirtbörse vorbei geschaut hat, ist “Focus Online” jedoch, genau wie anderenMedien, entgangen.
Mit Dank an Manu B., Max M. und Christian W. für den Hinweis.
Eigentlich hatten die Demokraten in den USA beschlossen, die Ergebnisse der Vorwahlen in Florida und Michigan nicht zu zählen, weil sie zu früh stattfanden. Vor allem Hillary Clinton, die in beiden Bundesstaaten gewonnen hatte (in Michigan war Obama wegen des Regelverstoßes gar nicht angetreten), hatte in den vergangenen Wochen darum gekämpft, diesen Beschluss rückgängig zu machen. Gestern einigte sich die Demokratische Partei auf einen Kompromiss: Die Stimmen werden nun doch berücksichtigt, aber nur zur Hälfte. Hillary Clinton holt damit auf — aber nicht so sehr, wie sie gehofft hatte und vermutlich nicht genug, um noch gewinnen zu können.
Es gibt natürlich viele Möglichkeiten, diese Nachricht anzukündigen. Die von Bild.de gewählte gehört nicht dazu:
Denn in beiden Staaten hat Clinton gewonnen, in beiden Staaten erhält sie die Mehrheit der Delegierten, und überhaupt wurden nach den bisherigen Regeln Florida und Michigan ja gar nicht bewertet.
…was immerhin weniger falsch, aber auch nicht richtig ist. Das ist aber kein Wunder, denn bei Bild.de hat man den Beschluss, dass die Delegierten aus Florida und Michigan mit halber Stimme zählen, nicht einmal im Ansatz verstanden:
Nö.
Nachtrag, 2. Juni. Bild.de hat den Artikel aktualisiert, um die Vorwahl in Puerto Rico zu berücksichtigen, hält aber an der falschen Fifty-Fifty-Variante fest. Und in der neuen Dachzeile lässt die Präposition “in” erahnen, dass Bild.de nach wie vor ahnungslos ist, um was es eigentlich geht.
Helmut Kohl hat am vergangenen Donnerstag seine Lebensgefährtin Maike Richter geheiratet. Und “Bild” war dabei. Daniel Biskup, Kohls Lieblingsfotograf, hat Fotos gemacht. Und “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann berichtet. Diekmann war, neben Leo Kirch, Trauzeuge. So wie Kohl Trauzeuge bei Diekmanns Hochzeit war.
“Bild” zeigt von dieser Hochzeit keine unscharfen Fotos, auf denen irgendeiner der Beteiligten in unglücklicher Pose zu sehen ist. “Bild” hat den Wunsch Kohls nach strengster Verschwiegenheit über die Planungen und die Zeremonie selbst respektiert und erst berichtet, nachdem Kohls Büro einen Artikel der “Rheinpfalz” am Dienstag bestätigte. “Bild” hat aus den ungewöhnlichen Umständen der Hochzeit keine spektakuläre Überschrift gemacht wie: “Blitzhochzeit in Klinik — Wie krank ist Kohl wirklich?” “Bild” hat trotz des Altersunterschieds des Brautpaares keine anzüglichen Witze gemacht oder neben ein Foto der Braut einen Pfeil gesetzt und geschrieben: “Drama um Erbschaft: Holt sie sich Kohls Vermögen?” “Bild” hat nicht mit einer großen Schlagzeile aufgemacht wie: “Familienkrach? Kohl-Söhne boykottieren Trauung!”
Es ist also nicht so, dass die “Bild”-Zeitung nicht anders könnte. Sie muss es nur wollen.