Suchergebnisse für ‘falschmeldung’

Alternativmedizin, Neon, Steve Jobs

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Wie sich Die Presse mit Homöopathie blamiert”
(scienceblogs.de, Ulrich Berger)
Ulrich Berger befasst sich mit dem Artikel “Was die Homöopathie kann – oder auch nicht”. “Die Presse hält die Leser von Artikeln zur Alternativmedizin offenbar für geistig beschränkt – eine Tendenz, die man übrigens auch in anderen Medien beobachten kann.”

2. “Serbisches TV mit falschem Nobelpreisträger”
(kurier.at)
“Eine der echten Internetpräsenz des Nobelpreis-Komitees ähnelnde Seite” bringt mehrere serbische Medien dazu, nicht Tomas Tranströmer, sondern Dobrica Ćosić als Träger des diesjährigen Literaturnobelpreises zu vermelden.

3. “Wie war nochmal die Frage?”
(griepentrog.org, Hannes Griepentrog)
Hannes Griepentrog liest im “Tübinger Wochenblatt” eine Umfrage zum Papst-Besuch: “Die Frage ist so offen, dass man alles und nichts darauf antworten kann. Um das zu kanalisieren, gibt es daher verschiedene Antwortvorgaben, die jeweils unterschiedliche Unterstellungen beinhalten.”

4. “Hölle! Hölle! Hölle! Klaut NEON wirklich Themen?”
(christoph-koch.net)
Christoph Koch schreibt zur Nominierung von “Neon” zum “Freischreiber”-“Hölle”-Preis. “Mal ehrlich: Das hätte man sich bei den Freischreibern früher überlegen müssen, bevor man so scharf schießt.” Siehe dazu auch: “Wie die Nominierungen für den Himmel-und-Hölle-Preis zustande gekommen sind” (freischreiber.de).

5. “Falschmeldung in der BZ”
(herthabsc.de)
Werner Gegenbauer, Präsident des Fußballvereins Hertha BSC Berlin: “Der Inhalt dieses Artikels entbehrt jeder Wahrheit. Wir haben uns in der beschriebenen Präsidiumssitzung nicht über die Genehmigung eventueller Neuverpflichtungen unterhalten.”

Hinweis, 13:00 Uhr: Der Beitrag auf herthabsc.de ist inzwischen nicht mehr verfügbar. Auf unsere Anfrage, warum dem so ist, antwortete die Pressestelle: “Natürlich stehen wir noch zu der Aussage. Aber der Artikel stand gestern in der Zeitung. Wir haben gestern darauf reagiert. Nicht mehr und nicht weniger.”

6. “Weltverbesserer für wenige”
(spiegel.de, Stefan Kuzmany)
Was bedeutet es, “den Geschäftsmann Steve Jobs zu einer Art religiöser Figur zu stilisieren, als größten praktischen Philosophen seiner Zeit?”, fragt Stefan Kuzmany. “Was sagt es aus, Jobs ernsthaft und so wie auch in der Apple-Eigenwerbung als einen zu bezeichnen, der die Welt zu einem besseren Ort gemacht hat? Es sagt viel über die Menschen, die das tun.”

Urbane Legenden über Political Correctness (2)

Die Falschmeldung, dass die BBC die Bezeichungen “vor Christus” (BC) und “nach Christus” (AD) abgeschafft und durch die religionsneutralen Formulierungen “vor / nach unserer Zeitrechnung” (BCE / CE) ersetzt habe, zieht Kreise.

Die “Neue Osnabrücker Zeitung” (Neue OZ) berichtete groß in ihrer Samstagsausgabe:

LONDON. Die BBC streicht die Geburt Jesu aus dem Programm: Moderatoren sollen bei Zeitangaben nicht mehr die Begriffe “vor Christus” und “nach Christus” verwenden. Damit will der Sender auf die Sensibilitäten anderer Ethnien Rücksicht nehmen. Doch im Jahr 2011 nach der Geburt jenes Mannes, der nicht mehr genannt werden darf, regt sich viel Protest.

Was die Autorin mit “Ethnien” meint, wenn es doch um Religionen geht, ist nicht ganz klar, aber ohnehin ist das alles falsch — wie der aufmerksame Leser des Artikels immerhin erahnen kann, wenn er weiterliest bis zu der Stelle, an der plötzlich nicht mehr von einem Verbot, den Namen Jesu zu nennen, die Rede ist: “(…) jede Redaktion darf selbst entscheiden, welche Variante sie nutzt (…).”

Die BBC überlässt ihren Mitarbeitern also die freie Entscheidung. Die BBC-Religionsseiten im Internet haben sich dafür entschieden, die religionsneutralen Bezeichnungen zu verwenden, die im Schulunterricht in England und Wales ohnehin seit fast zehn Jahren verwendet werden. Die Entscheidung dieses BBC-Ressorts wurde schon vor Jahren getroffen und veröffentlicht, ist aber offenbar erst jetzt von Kritikern der BBC und der angeblichen “Political Correctness” entdeckt worden, die sie für eine sehr wirkungsvolle Desinformationskampagne nutzen.

Auch die “Westdeutsche Allgemeine Zeitung” (WAZ) wollte die längst widerlegte Mär glauben und packte eine kurze, falsche Meldung, die offenbar von derselben Autorin stammt wie die “Neue OZ”-Version, sogar auf ihre Titelseite:


Foto: pottblog.de

Sicherheitshalber ordnete die WAZ die Sache gleich noch für ihre Leser in einem Kommentar auf Seite 2 ein, der zu dem Schluss kommt:

Diese epochale Entscheidung beruhigt uns sehr. Zeigt sie uns doch, dass es nicht nur hierzulande politisch überkorrekte Bedenkenträger gibt, die Probleme vor allem dort suchen, wo sie keinen stören.

Er meint mit den beunruhigenden “Bedenkenträgern” selbstverständlich nicht die Leute, die ein Problem damit haben, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Großbritannien seinen Redakteuren die Wahl lässt, und die der BBC vorschreiben wollen, wie sie in jedem Fall die Jahrenzahlen angeben muss. Und immerhin war es die WAZ, die das “Problem” der Bezeichnung der Zeitenwende in einem kleinen Teil des BBC-Angebotes im Vergleich zu all den anderen Problemen auf der Welt wichtig genug fand, um es auf die Titelseite zu packen und einen Kommentar dafür zu verwenden.

Der vollständige Kommentar wurde übrigens noch am Freitagabend von der Nachrichtenagentur dapd weiterverbreitet, die offenbar aus irgendwelchen Gründen annahm, die WAZ-Leute kennten sich aus mit dem, was sie kommentieren.

Mit Dank an Benedikt und den Pottblogger!

Nachtrag, 5. Oktober. Die falschen Behauptungen wurden auch vom “Bonner Generalanzeiger” (“Neue Zeiten bei der BBC: Jesu Geburt wird nicht mehr genannt”), der “Kölnischen Rundschau” (“Bei der BBC wird Jesu Geburt nicht mehr genannt”) und dem “Mannheimer Morgen” (“Christus fliegt aus dem Programm”) verbreitet.

Günter Grass, Fahrradfahrer, Charles Moore

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Israelischer Historiker verteidigt Günter Grass”
(spiegel.de, Stefan Kuzmany)
Eine falsche Aussage von Günter Grass in einem Interview mit der Zeitung “Ha’aretz” wird von verschiedenen Medien skandalisiert. Der Historiker und Holocaust-Forscher Tom Segev erklärt, wie es dazu kam: “Er hat eben eine falsche Zahl genannt. Hätte ich es bemerkt, hätte ich ihn darauf hingewiesen, dann hätte er sich sofort korrigiert.”

2. “Was dürfen Autofahrer sich alles erlauben?”
(criticalmass-hamburg.de, Malte)
“Auto Bild” stellt sich die Aufgabe, darüber aufzuklären, was Fahrradfahrern im Straßenverkehr erlaubt ist – “und scheitert wie erwartet”.

3. “Der ORF verabschiedet sich”
(kobuk.at, Hans Kirchmeyr)
Der ORF strahlt den Film “9/11 Mysteries” aus, “distanziert sich jedoch von anfälligen [sic!] Aussagen, die dem ORF-Gesetz, insbesondere dessen Objektivitätsgebot, widersprechen”. ORF-Sprecher Martin Biedermann sagt dazu auf diepresse.com: “Verschwörungstheorien ziehen sich durch den gesamten Themenkomplex des 11. September. Deswegen hat eine solche Doku in einem breit angelegten Programmschwerpunkt ihren Platz.”

4. “‘Twitter terrorists’ face 30 years after being charged in Mexico”
(guardian.co.uk, Jo Adetunji and agencies, englisch)
Wegen Verbreitung der Falschmeldung, eine Schule werde von Bewaffneten angegriffen, drohen einem Lehrer und einer Radiomoderatorin 30 Jahre Haft. “The resulting panic caused dozens of car crashes after parents rushed to save their children from schools across the city and jammed emergency telephone lines, which ‘totally collapsed’ under the pressure.”

5. “Warum der Streit zwischen Assange und Domscheit-Berg kein Zickenkrieg ist”
(wolfgangmichal.de)
Wolfgang Michal fragt, warum sich gerade jetzt so viele Journalisten und Kommentatoren gegen Wikileaks wenden. “Die Reduktion der Enthüllungsplattform WikiLeaks auf ein ‘neutrales’, vermittelndes Medium, das seine journalistischen Sorgfaltspflichten verletzt, blendet die Tatsache aus, dass WikiLeaks von Anfang an darauf aus war, geheimes Material zu publizieren, um bestimmte politische, militärische und finanzielle Machenschaften nicht nur aufzudecken, sondern zu bekämpfen.”

6. Interview mit Charles Moore
(welt.de, Thomas Kielinger)
Aufbauend auf einer Kolumne von Charles Moore wurde im August in deutschsprachigen Medien eine ausführliche Debatte geführt: “Ich habe Ende Juli gerade einmal zwei Kolumnen geschrieben, die eine bis heute andauernde Debatte auslösten, aber man hat immer nur die erste zitiert: ‘Ich fange an zu glauben, dass die Linke tatsächlich Recht haben könnte.'”

9/11, Yvonne, Photoshop

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Leitmedien und die Gegenöffentlichkeit des 11. Septembers”
(heise.de/tp, Marcus Klöckner)
In einem ausführlichen Beitrag stellt Marcus Klöckner den Umgang von Leitmedien wie “Spiegel”, “Zeit” oder “Süddeutsche Zeitung” mit 9/11 in Frage. Zweifler seien vorschnell diffamiert und psychiatrisiert worden. “Stattdessen konnte ein Journalismus beobachtet werden, der Wissen durch Glauben ersetzte und die scheinbar unerschütterliche Überzeugung der eigenen politischen Weltsicht an die Stelle des Prüfens und Hinterfragens treten ließ.”

2. “Wie wird man eigentlich ‘Journalist’?”
(print-wuergt.de, Michalis Pantelouris)
“Bild”-Kritiker werden in einer Bildergalerie als “Experten” in Anführungszeichen dargestellt. “Es handelt sich nach Ansicht von Bild bei Menschen wie dem Wirtschaftsminister Thüringens, Roland Koch und Sigmar Gabriel nicht um Experten, sondern nur um so genannte.”

3. “Wenn Schlagzeilen in die Irre führen”
(nachtwach.blog.sf.tv, Franziska von Grünigen)
Die Produzentin der Call-In-Ratgebersendung “Nachtwach” antwortet auf den “Blick”-Titel “SF bezahlt Psycho-Doc für Talkerin”: “Die Geschichten, die die Redaktoren am Telefon, ich als Produzentin und Barbara Bürer direkt in der Sendung zu hören bekommen, wühlen bisweilen auf, irritieren, machen nachdenklich. Eine sorgfältige Vor- und Nachbereitung ist für uns daher oberstes Gebot.”

4. “Pleiten, Pech und Pannen: Unsere größten Flops”
(dwdl.de, Thomas Lückerath)
“DWDL” erinnert sich zum zehnjährigen Jubiläum an die größten Flops und die bittersten Falschmeldungen.

5. “The head of photography on… picture manipulation and trust in news imagery”
(guardian.co.uk, Roger Tooth, englisch)
“Our rule about the use of Photoshop and other picture-manipulating software is that cropping and toning – basically anything that might have been done in a darkroom – is OK, but the moving of pixels or ‘cutting and pasting’ is forbidden.”

6. “Yvonne – die arme Werbe-Kuh”
(rp-online.de, Dieter Dormann)
Hätte die Kuh Yvonne, das diesjährige Sommertier der Medien, nicht schon viel früher eingefangen werden können? Bernhard Rüb von der Landwirtschaftskammer Rheinland: “Die vom Gut Aiderbichl haben viel PR für sich gemacht, anstatt das Problem zu lösen.”

Sensationelle journalistische Kehrtwenden

Im Profifußball ist es eine liebgewonnene Tradition, dass Journalisten munter verkünden, welcher Spieler aktuell zu welchem Verein wechseln könne oder gar wolle, während Spieler und Vereine mindestens ebenso viel Energie darauf verwenden, alles abzustreiten. Wer recht hatte, weiß man höchstens hinterher, als Faustformel kann man aber sagen: jede Seite kommt auf etwa 50%.

Seit Tagen spekulieren “Bild” und andere Ruhrgebietsmedien, der Spanier Raúl werde den FC Schalke 04 verlassen. Womöglich war es in dieser Situation nicht allzu clever von Schalkes Manager Horst Heldt, gegenüber Bild.de zu bestätigen, dass eine Anfrage von den Blackburn Rovers vorlag. Denn aus dem Angebot machte Bild.de schnell einen Wechsel:

Schalke-Superstar Raúl (34) steht vor dem Abflug nach England. Der Premier League-Klub Blackburn Rovers macht dem Spanier ein Angebot. Das bestätigte Schalke-Manager Horst Heldt (41) gegenüber BILD.de

Heldt: “Wir haben gestern (Montag, die Redaktion) eine offizielle Anfrage von Blackburn Rovers per Mail bekommen. Daraufhin haben wir mit seinem Berater Kontakt aufgenommen. Wir werden uns heute mit Raul und seinem Berater treffen und darüber sprechen.

Eigentlich wollen wir ihn nicht abgeben, aber wenn er uns sagt, dass er gehen möchte, werden wir uns damit beschäftigen und in Verhandlungen einsteigen. Es wird eine zeitnahe Entscheidung in dieser Sache geben und zwar bis spätestens Morgen, 13 Uhr.” Dann steigt Schalke in den Flieger zum Europa League-Play-Off-Spiel in Helsinki.

Noch mehr wusste die “Recklinghäuser Zeitung”:

Jetzt ist es sicher: Schalkes Star Raul wird den Verein noch bis zum 31. August verlassen. Das hat S04-Sportdirektor Horst Heldt unserem Medienhaus gerade bestätigt.

Schon seit Tagen gab es Gerüchte über einen Wechsel des Spaniers in die englische Premiere League zu den Blackburn Rovers. Gerade sagte Horst Held zu dem Thema: “Es macht keinen Sinn, einen Spieler auf Schalke zu halten, der nicht mehr zufrieden ist”. Mehr Details wollte Heldt nicht preisgeben.

Interessant, dass Schalke 04 anschließend das exakte Gegenteil auf seiner Website schrieb:

Am heutigen Dienstag (16.8.) nahm der FC Schalke 04 von einer offiziellen Anfrage der Blackburn Rovers Kenntnis, in welcher der Premier-League-Club mitteilte, an einer Verpflichtung von Raul interessiert zu sein. “Sowohl unser Trainer Ralf Rangnick als auch mein Vorstandskollege Peter Peters und ich haben immer betont, dass wir ihn nicht abgeben möchten”, stellte Manager Horst Heldt klar.

Gleichwohl unterrichteten die Königsblauen den Spieler vom Interesse aus England. Heldt: “Raul hat uns gesagt, dass er bei Schalke 04 bleiben möchte und uns gebeten, den Blackburn Rovers abzusagen. Dies haben wir bereits getan. Wir freuen uns, dass Raul auch künftig alles dazu beitragen will, dass wir sportlich erfolgreich sind.”

Bild.de drehte den Artikel, der ursprünglich unter der Überschrift “Also doch! Raul vor Abflug nach England zu Blackburn Rovers” gestanden hatte, um 180 Grad:

Schalke-Star will nicht nach England: Raúl-Wechsel zu Blackburn geplatzt!

Und die “Recklinghäuser Zeitung”, deren Überschrift “Raul geht definitiv” gelautet hatte, schreibt nun unter der gleichen URL und der ursprünglichen Uhrzeit:

Sensationelle Kehrtwende: Raul bleibt Schalker!

Nur das Ruhrgebietsportal westline.de, das den Artikel von der “Recklinghäuser Zeitung” übernommen hatte, verkündet immer noch:

Abschied vom Spanier:
Raul geht definitiv - Weg von Schalke

Mit Dank an Machete04, Martin E., Cornelius und Steffen F.

Nachtrag, 18. August: westline.de hat seinen Artikel überarbeitet und mit einem Hinweis versehen:

Durch ein Missverständnis war aus einer ganz neutralen Aussage des Schalker Managers Horst Heldt eine “Vollzugsmeldung” geworden. Heldt hatte (wie oben im Artikel nachzulesen) lediglich erklärt, dass es sinnlos sei, einen unzufriedenen Spieler unbedingt halten zu wollen.

Beim Übermitteln des Gesprächsinhaltes in eine Onlinemeldung war dann in unserem Haus aus dem Konjunktiv eine Tatsache geworden. Nun hieß es nicht mehr “wenn ein Spieler gehen wolle”, sondern “dass der Spieler gehen will”.

Wir bitten um Entschuldigung wegen der Falschmeldung. Mehr dazu auch im Schalke-Forum.

Die Meute, Vampirismus, BlaBlaMeter

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Die Meute – Macht und Ohnmacht der Medien”
(youtube.com, Video, 88 Minuten)
Der sehenswerte Film “Die Meute” von Herlinde Koelbl über die Politiker und Journalisten in Berlin wird zehn Jahre alt, siehe dazu auch umblaetterer.de. Unter den vielen bekannten Gesichtern von Journalisten auch Kai Diekmann, Chefredakteur “Bild”: “Ich denke schon manchmal, dass wir aufpassen müssen, dass uns das Maß nicht verloren geht.”

2. “Konfliktsensitiv twittern”
(training.dw-world.de, Steffen Leidel)
Die Krawalle in Großbritannien bei Twitter: Steffen Leidel schreibt über “Falschmeldungen und Gerüchte, die sich via Re-Tweets wie ein Lauffeuer verbreiten und nach unzähligen Re-Tweets als Fakten gehandelt werden. So war unter dem hashtag #riot von brennenden Geschäften und abgefackelten Tankstellen zu lesen. Das Problem: die Infos stimmten schlicht nicht. Das bringt selbst Leute ins Grübeln, von denen man eher Jubelgesänge auf die neuen Technologien gewohnt ist.”

3. “Instant-Angst mit Schauderlust”
(sueddeutsche.de, Heribert Prantl)
Heribert Prantl konstatiert “einen deutschen Katastrophen-Vampirismus. Er nutzt Unglücke, Attentate und Verbrechen, die anderswo in der Welt passieren, um sie sogleich für die politische Debatte in Deutschland zu verwerten. Das ist nicht unbedingt immer verwerflich, aber rasend egozentrisch.”

4. Interview mit Oliver Stör
(basicthinking.de, Christian Wolf)
Oliver Stör hört mit dem Bloggen auf, nachdem er “innerhalb von weniger als einem Jahr dreimal anwaltliche Schreiben” erhalten hatte. “Bisher hat mich das Ganze etwa 1800 Euro gekostet. Die Forderung nach Schadenersatz ist aber noch offen. Da können nochmal über 1000 Euro dazukommen.”

5. “Internettool entlarvt Schwafeleien”
(wissen.dradio.de, Pascal Fischer, Audio, 8 Minuten)
Pascal Fischer redet mit Bernd Wurm, dem Programmierer des BlaBlaMeters. Höre dazu auch dieses Gespräch.

6. “Was ich während der Arbeit im Internet mache”
(graphitti-blog.de, katja)

Wer hat die dümmsten Redakteure?

Das Sommerloch macht es schwer, journalistische Angebote zu füllen. Die Parlamente machen Ferien, im Fernsehen kommen nur Wiederholungen und falls man doch Mal recherchieren will, hört man am anderen Ende der Leitung all zu oft: “Ihr Ansprechpartner ist leider im Urlaub”.

Also muss man den Bodensatz der Pressemitteilungen durchwühlen. Am Besten sind Geschichten, die sich gut anhören, bei denen es aber egal ist, ob sie nun wahr sind oder nicht. Beispielsweise: “Schwangere mögen Sellerie lieber als Saure Gurken”. Oder: “Im Fernsehen kommen nur Wiederholungen“. Oder zur Abwechslung etwas Neues: Der Web-Browser ist mit der Intelligenz verknüpft. Klingt abwegig, banal, irgendwie doof? Egal, es füllt Platz:

Bei “Welt kompakt”:

Browser-Test: Opera-User sind am schlauesten

Bei Krone.at:

Nutzer des Internet Explorer sind am dümmsten

Bei “20 Minuten”:

Bei Bild.de:

Dass niemand zuvor von der ominösen Marktforschungsfirma gehört hatte — egal. Dass die Abweichungen von über 40 IQ-Punkten enorm hoch sind und Nutzer des Internet Explorer 6 mit knapp über 80 IQ-Punkten im Schnitt nur wenig besser abschneiden als Forrest Gump — kein Problem. Schließlich sind in der Studie bunte Grafiken und gewichtig klingende Fachbegriffe wie “WISC-iV”, “Verbal IQ” und “Full Scale IQ”.

Dumm nur: nichts davon stimmt. Die BBC, die die Story zunächst auch verbreitet hatte, hat doch noch einmal nachgefragt und die Geschichte als “Bogus” entlarvt: Unter der angegebenen Telefonnummer meldet sich niemand, die Webseite der angeblich seit fünf Jahre existierenden Firma ist brandneu und aus anderen Webseiten zusammen gestückelt und ein Statistikforscher an der Universität Cambridge findet die publizierten Zahlen unplausibel.

Kurz gesagt: Studie samt Firma sind offenbar Produkt von Witzbolden, die sich über Nutzer des Internet Explorer lustig machen wollten. Das stellt die hiesigen Medien vor ein Problem: Die Spielverderber von der BBC können schließlich nicht ganz ignoriert werden.

Bild.de gibt sich humorvoll:

Und ergänzt:

Wie Kollegen von Computerbild.de jetzt herausfanden, existierte die Kanadische Beraterfirma AptiQuant nicht einmal.

Doch die Kollegen behaupten nicht einmal selbst, es herausgefunden zu haben: Sie beziehen sich bei ihrer Korrektur ausdrücklich auf die BBC.

dapd  

Lohnsteuermann über Bord

Der Unterschied zwischen einem Einkommensnachweis (oder auch Entgeltnachweis) und einer Lohnsteuerkarte mag sich einem Laien vielleicht nicht gleich erschließen, aber er ist gewaltig. Der Einkommensnachweis wird beispielsweise von Banken und Behörden zur Einstufung bei der Kreditvergabe bzw. bei der Klärung von Unterhaltsverpflichtungen genutzt, während eine Lohnsteuerkarte dem Arbeitgeber zur Berechnung der Lohnsteuer dient. Die einzige Gemeinsamkeit eines Einkommensnachweises und einer Lohnsteuerkarte ist, dass es beide in elektronischer Form gibt — oder gab.

Die Nachrichtenagentur dapd hatte diesen Unterschied nicht begriffen, als sie gestern zusätzlich zum Aus des elektronischen Entgeltnachweisverfahrens ELENA das Ende der elektronischen Lohnsteuerkarte erklärte:

Bund verabschiedet sich von elektronischer Lohnsteuerkarte

Berlin (dapd). Die Bundesregierung will die Einkommen der deutschen Steuerzahler nun doch nicht elektronisch erfassen. (…) Der elektronische Entgeltnachweis sollte ab 2014 die alte Lohnsteuerkarte endgültig ersetzen. (…)

Auch in der eine Stunde später folgenden Zusammenfassung hieß es in der Überschrift:

Regierung beerdigt digitale Lohnsteuerkarte – Elektronischer Entgeltnachweis Elena vor dem Aus

Zwar steht das seit Jahren umstrittene ELENA-Verfahren tatsächlich vor dem Aus, mit der digitalen Lohnsteuerkarte hat das jedoch rein gar nichts zu tun. Sie soll, wie geplant, im Jahr 2012 unter dem Namen ELStAM (Elektronische Lohnsteuerabzugsmerkmale) eingeführt werden.

Die “Berichtigung”, die die Agentur dann heute morgen nachlegte (“Damit wird klargestellt, dass die elektronische Lohnsteuerkarte nicht vom Aus für Elena betroffen ist”), kam leider zu spät für die heute erschienenen Printausgaben der “Berliner Morgenpost”, von “Welt Kompakt” und vielen anderen.

Die kursierende Falschmeldung sorgte sogar für eine Richtigstellung des saarländischen Finanzministeriums:

Saarbrücken: Elektronische Lohnsteuerkarte bleibt
Trotz der geplanten Einstellung des Verfahrens zum elektronischen Entgeltnachweises (Elena) bleibt den Arbeitnehmern die elektronische Lohnsteuerkarte erhalten.

Darauf hat das saarländische Finanzministerium hingewiesen. Ein Sprecher sagte, die elektronische Lohnsteuerkarte habe mit Elena nichts zu tun. Elena betreffe nur die Sozialversicherung.

Während heute.de und focus.de ihre zwischenzeitlich falschen Meldungen korrigiert haben, scheint sich bei anderen Online-Ausgaben niemand für die sechs Stunden alte dapd-Berichtigung zu interessieren. Obwohl sich die digitale Lohnsteuerkarte bester Gesundheit erfreut, heißt es etwa in den Online-Auftritten der “Sächsischen Zeitung” und der “Augsburger Allgemeinen” immer noch:

Bund begräbt elektronische Lohnsteuerkarte

"Elena" scheitert am Datenschutz Das Ende der elektronischen Lohnsteuerkarte

Vielleicht wäre es am besten, wenn Nachrichtenagenturen gleich Zugriff auf alle Redaktionssysteme bekämen. Dann könnten sie im Falle mögliche Fehler gleich selbst korrigieren. Denn die Online-Medien überprüfen die Meldungen vor Veröffentlichung ja offensichtlich sowieso nicht.

Mit Dank an Jens G. und Christoph T.

Nachtrag, 21:03 Uhr: Als könnte es Bild.de nicht auf sich sitzen lassen, wenn andere Medien Fehler machen. Gut zehn Stunden nachdem dapd die Falschmeldung von gestern zurückgenommen hat und rund eine Stunde nachdem wir diesen Beitrag veröffentlicht haben, ist ein Artikel erschienen, der alles bisher dagewesene in den Schatten stellt. Bild.de glaubt allen Ernstes immer noch, dass das Aus von ELENA gleichzeitig das Aus für die elektronische Lohnsteuerkarte bedeutet:

Projekt "Elena" gescheitert Aus für digitale Lohnsteuerkarte

Dazu gibt es einen Screenshot von einer Website, die für ELENA wirbt (oder warb), mit diesem Bildtext:

Die digitale Lohnsteuerkarte hat ausgedient. (…)

Im Text heißt es fälschlicherweise:

„Elena” sollte ab 2014 die herkömmliche Lohnsteuerkarte ablösen und die Erstellung von Einkommensbescheinigungen erheblich erleichtern.

Noch größerer Unfug ist jedoch das:

Zwar erhalten sie ihre Lohnsteuerkarte im Gegensatz zu früher weiter auf elektronischem Weg. Diese Form enthält jedoch wesentlich weniger sensible Daten, als das bei „Elena“ der Fall gewesen wäre.

Die Lohnsteuerkarte erhält man nicht “weiter auf elektronischem Weg” wie Bild.de schreibt, sondern im Jahr 2012 zum ersten Mal. Bis dahin gilt die Lohnsteuerkarte von 2010. Der zweite Satz ergibt überhaupt keinen Sinn, wenn man bedenkt, dass ELENA mit der Lohnsteuerkarte rein gar nichts zu tun hat.

Mit Dank an Thomas, Michael M. und Joachim K.

Nachtrag, 20. Juli: Bild.de hat reagiert und die elektronische Lohnsteuerkarte ohne jeden Hinweis aus dem Artikel entfernt.

Netzwerk Recherche, ZDF, Herzblut

6 vor 9

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1. “Ein schrecklicher, notwendiger Verein”
(spiegel.de, Stefan Niggemeier)
Stefan Niggemeier widmet sich den Vorgängen im “Netzwerk Recherche”, das “sich leicht mit einem schrecklichen Mode-Schimpfwort als ‘Gutmenschen’-Verein verunglimpfen” lässt: “Es ist also leicht, das ‘Netzwerk Recherche’ zu hassen, und eine gute Person, um diese Reaktion zu provozieren, ist Thomas Leif. Leif ist im Hauptberuf Chefreporter des Südwestrundfunks. Er ist mit seinem gleichzeitig schroffen und beifallheischenden Auftreten, seiner Wichtigtuerei und seinen festen Positionen eine große Nervensäge.” Siehe dazu auch “Der nackte Kaiser beim Netzwerk Recherche” von Thomas Knüwer, eine ausführliche Presseschau findet sich im “Altpapier”.

2. “Hacker verbreiten Falschmeldungen über Obama-Mord”
(tagesschau.de)
Eine Gruppe, die sich “The ScriptKiddies” nennt, kapert das Twitter-Konto @foxnewspolitics und vermeldet darüber den Tod von Barack Obama (Screenshots, Reaktion von Fox News).

3. “Attacke am Friedhofszaun: MOZ-Fotograf misshandelt”
(moz.de, Maria Neuendorff)
Einem Fotograf der “Märkischen Oderzeitung” wird anlässlich einer Beerdigung die Kamera gewaltsam entwendet, nachdem er sie ausserhalb des Friedhofsgeländes aus seiner Tasche nimmt: “Die Männer nahmen mich in den Klammergriff und drückten mich runter, bis ich mit dem Gesicht im Dreck lag.” Der Journalistenverband Berlin-Brandenburg JVBB protestiert.

4. “Offener Brief von Nachwuchsjournalisten an die deutschen Zeitungsverleger”
(openpetition.de, Daniel Stahl)
Nachwuchsjournalisten schreiben an die deutschen Zeitungsverleger: “Viele von uns erleben, wie Freunde sich vom Journalismus abwenden. Sie gehen lieber in die PR oder suchen sich andere Jobs mit besseren Zukunftsaussichten.” Ausserdem: Der “journalist” berichtet über bei Facebook versammelte “Herzblut-Journalisten”.

5. “Mit einigem Unverständnis habe ich die Kritik Richard Gutjahrs in seinem Blog gelesen”
(twitlonger.com, Dominik Rzepka)
ZDF-Redakteur Dominik Rzepka kann die Kritik “..und nebenan brennt es auf dem Reaktorgelände” von Richard Gutjahr nicht ganz nachvollziehen. “Nach einiger Recherche bin ich zu dem Ergebnis gekommen: Es scheint sich nicht um einen schwerwiegenden Zwischenfall zu handeln – zum Glück.” Gutjahrs Antwort hier.

6. “Total-Ausfall auf dem Lerchenberg: ZDF lahmgelegt”
(dwdl.de, Uwe Mantel)
“Ein Komplett-Ausfall legte das ZDF samt seiner Digital-Ableger, 3sat und Ki.Ka für rund 40 Minuten lahm.”

Reinkarnation: Gesteinigter Hund war Ente

Die Geschichte könnte aus einem Monty-Python-Film stammen, stand aber in der halben Welt auf den Nachrichtenseiten. In der Version von “Spiegel Online” geht sie so:

Gericht verurteilt Hund zum Tod durch Steinigung. Ein Hund läuft in ein Justizgebäude und sorgt dort für Panik - dafür hat ein israelisches Rabbiner-Gericht das streunende Tier zum Tod durch Steinigung verurteilt. Ein Richter hielt den Störenfried offenbar für die Reinkarnation eines missliebigen Anwalts.

Sie können sie aber gerne auch auf den Internetseiten der “Süddeutschen Zeitung” (dort erstaunlicherweise im Ressort “Service”), der “B.Z.”, der “Rheinischen Post” oder des “Stern” nachlesen, falls Sie sie in den gedruckten Ausgaben von “Tagesspiegel”, “Bild”, “Express” oder “Hamburger Morgenpost” verpasst haben. Im Online-Auftritt der BBC war das Stück zeitweise einer der am häufigsten weiterverbreiteten Nachrichtentexte.

Den Experten vom “Berliner Kurier” war es sogar gelungen, ein Foto des Tieres zu bekommen (siehe rechts), obwohl es sich — so geht die Geschichte jedenfalls weiter — der Vollstreckung des Todesurteils durch Weglaufen entzogen hatte.

Die Geschichte ging vor allem dank der tatkräftigen Unterstützung durch die Nachrichtenagentur AFP um die Welt und löste teilweise anti-semitische Hassausbrüche aus. Und sie ist, Überraschung!, falsch. (Und der Hund auf dem Foto nur ein Symbolhund.) Die Wahrheit ist ein bisschen weniger spektakulär:

Ein Hund war ins Gerichtsgebäude gekommen.

Er ließ sich nicht ohne weiteres vertreiben.

Die Richter riefen den städtischen Hundefänger.

Schon in der Version, die die israelische Internetseite ynetnews.com veröffentlicht hatte und eine Quelle für viele der Falschmeldungen war, hatte ein Dementi gestanden. Entgegen der reißerischen Überschrift “Dog sentenced to death by stoning” behauptete der Artikel letztlich nur, dass die Richter spielende Kinder aufgefordert hätten, den Hund mit Steinen zu vertreiben. Die Nachrichtenagentur AFP ließ diesen Teil der Geschichte beim Weitererzählen der Einfachheit halber weg und weigert sich bis heute, ihren Fehler zu korrigieren.

Auch die Katholische Nachrichtenagentur KNA verbreitete die Story, schob vier Tage später aber immerhin eine Meldung “Rabbiner dementieren Bericht über Steinigung für einen Hund” nach. Die fand erstaunlicherweise nicht ganz so große Resonanz.

Viele internationale Medien haben die Falschmeldung inzwischen gelöscht, korrigiert oder sich entschuldigt. Deutschen Journalisten scheint das vergleichsweise egal zu sein.

Mit Dank auch an Arne P. und H.N.

Nachtrag / Korrektur, 17:55 Uhr. “Spiegel Online” hat die Meldung doch korrigiert, oder genauer: einen neuen Artikel mit dem Dementi veröffentlicht, den ursprünglichen Artikel aber aus irgendwelchen Gründen unverändert gelassen.

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