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Verwirrte “Tier Bild”-Freunde

Möglich, dass “Bild” auf der Seite eins bloß ein bisschen Werbung für die bei Axel Springer erscheinende “Tier Bild” machen wollte — und dabei sind dann einige Fakten etwas durcheinander geraten. Jedenfalls heißt es dort:

Das klingt zunächst ganz nachvollziehbar, Hundebesitzer aus Berlin zum Beispiel kennen das. Auch dort gilt ein ziemlich weitgehender Leinenzwang. Und im Text in “Bild” steht:

Das Gesetz (gilt bereits in Berlin und Halle) soll heute beschlossen werden.

Und das stimmt leider ebensowenig wie die Überschrift. Tatsächlich gilt in Hamburg nämlich derzeit schon ein Leinenzwang, der dem in Berlin geltenden sehr ähnlich ist (das lässt sich beispielsweise hier und hier nachlesen).

Deshalb verwirrt die Überschrift, die man bei Bild.de für die Werbung den fast wortgleichen Artikel (nur der Hinweis auf Halle und Berlin fehlt) gewählt hat noch mehr:

In Hamburg — Erste deutsche Stadt mit Leinenzwang für Hunde

Das ist natürlich auch Unsinn, wie wir ja schon wissen.

Tatsächlich geht es um folgendes: Die Hamburger Bürgerschaft wird heute beschließen, dass eine neue Hundeverordnung ausgearbeitet werden soll, die einen generellen Leinenzwang für Hunde vorsieht. Das bedeutet, dass alle Hunde überall an der Leine zu führen sind. Nur wer einen sogenannten “Hundeführerschein” macht, kann sich vom generellen Leinenzwang befreien lassen. Und wenn ein solches Gesetz tatsächlich wie geplant im Herbst verabschiedet wird, dann wäre Hamburg zwar immer noch nicht die “erste deutsche Stadt” mit generellem Leinezwang möglicherweise aber die erste deutsche Großstadt.

Vielleicht ist es ja auch kein Wunder, dass sowohl “Bild” als auch Bild-Online hier etwas durcheinander geraten sind. Die “Tier Bild”, auf die “Bild” und Bild.de so freundlich hinweisen, schreibt zwar was von einem “generellen Leinenzwang”, erklärt aber nicht, was das bedeutet .

Mit Dank für den sachdienlichen Hinweis an Stefan R.

Wogegen sich Claudia Roth wehrt

GegendarstellungSo ungefähr also (siehe Ausriss) sieht die heutige Seite 6 der “Bild”-Zeitung aus – weil dort unter anderem, ca. 4 cm groß, das Wort “Gegendarstellung” steht.

Die Gegendarstellung selbst ist größer als ein DIN-A-4-Blatt, groß eben, so groß wie ein “Bild”-Artikel vom 20. April, den Claudia Roth und Volker Schäfer gegengedarstellt gegegendarstellt gegendargestellt wissen wollen. Der Anlass ist bekannt, der Text der Gegendarstellung im Kern auch. Anders als Bild.de hatte sich “Bild” jedoch mit dem Abdruck schwerer getan, ein “Bild”-Sprecher sogar bekräftigt, die Fakten seien korrekt und man habe sich nichts vorzuwerfen.

Auch “Bild”-Chef Kai Diekmann gibt sich heute via “Süddeutsche Zeitung” noch alle Mühe, die Sache klein zu reden (Zitat: “Sie wissen doch, dass eine Gegendarstellung bedeutet, dass der Vorwurf nicht wahr sein muss”). Doch heißt es in der Gegendarstellung – sinngemäß zusammengefasst – nicht nur, der durch die Berichterstattung erweckte Eindruck einer angeblichen “Amigo-Affäre” von Roth und Schäfer “entbehrt jeglicher Grundlage”, nein…

… am Ende stellt “die Redaktion” ausdrücklich fest:

"Frau Roth und Herr Schäfer haben Recht."

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Betr.: “Thai-Hure boxt deutschen Sex-Tourist k.o.”

“Die Zeit” berichtet in ihrer aktuellen Ausgabe unter dem Titel “Zum Abschuss freigegeben” über Menschen, die zu “Medienopfern” werden. Es geht — natürlich — auch um “Bild”, unter anderem um Friedrich F.:

Friedrich F., 53 Jahre alt. Der gebürtige Bayer lebt seit geraumer Zeit in Thailand, in einem kleinen Bungalow im Urlauberparadies Pattaya. (…)

Vergangenen Sommer ist der Deutsche in seinem Bungalow von zwei Unbekannten überfallen und ausgeraubt worden. Das Opfer wurde dabei verprügelt, das Gesicht war voller Blutergüsse und Schwellungen. Als Friedrich F. zur Polizeistation kam, sei da “ein Haufen Reporter” gewesen. Keiner habe mit ihm gesprochen, sagt er, aber es seien Fotos von seinem zerschundenen Gesicht gemacht worden. Eines davon fand den Weg zur Bild-Zeitung. Und die kolportierte eine passende Geschichte dazu, Überschrift: Thai-Hure boxt deutschen Sex-Tourist k. o. Im Text heißt es, “Geschäftsmann Friedrich F.” habe “ein Thai-Mädchen” engagiert und ihr “viel Geld für ein privates Pornovideo” versprochen. Nach dem Sex habe F. nicht zahlen wollen. Wie von Sinnen habe dann “die Hure” auf ihn eingeschlagen. “Vergeblich versuchten andere Prostituierte und die Bordellchefin dazwischenzugehen.” In das Foto mit F.s malträtiertem Gesicht hat Bild noch vier spärlich bekleidete thailändische Prostituierte im Hintergrund montiert.

Die Mutter von Friedrich F. in Bayern hatte den Bericht als Erste entdeckt. Ihr fiel niemand anderes ein als Günter Wallraff, an den sie sich wenden konnte. Der vermittelte den Hamburger Anwalt Helmuth Jipp. Eine Unterlassungserklärung habe Bild schon abgegeben, sagt er, nun wolle er noch auf Widerruf klagen und ein Schmerzensgeld von 30.000 Euro für seinen Mandanten erstreiten. Das Landgericht Hamburg hat Friedrich F. dafür Prozesskostenhilfe bewilligt — was das Gericht nicht getan hätte, hielte es die Klage für aussichtslos. (…) Zur Stützung [der eigenen] Version hat Bild inzwischen einen Journalisten für eine “Nachrecherche” nach Thailand geschickt; er soll belegen, dass sich alles so, wie beschrieben, oder zumindest so ähnlich zugetragen habe. Dabei behält Bild sich vor, die Kosten der Recherche bei F. mittels einer “Widerklage” einzutreiben. Opferanwalt Jipp weist darauf hin, dass die umstrittenen Filme von der örtlichen Polizei bislang nicht gefunden wurden, auch sei das gegen F. eingeleitete Verfahren mittlerweile eingestellt worden. “Die Filme gibt es nicht.”

Chefredakteur der “Zeit” ist übrigens Giovanni di Lorenzo, über dessen Privatleben “Bild” gestern rein zufällig groß und faktenarm auf Seite 1 berichtete.

Nachtrag, 10. Juni: Giovanni di Lorenzo hat nach Informationen von fairpress.biz vor Gericht durchgesetzt, dass “Bild” nicht über seine angebliche Beziehung berichten darf.

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Symbolfoto VIII

Am Mittwochabend stürzte bei einem Auftritt von Schlagersängerin Nicole in Lüdenscheid eine Beleuchtungskonstruktion ins Publikum. Und, um es positiv zu formulieren: Das Foto, das “Bild” dazu am Freitag abdruckt, zeigt tatsächlich Nicole und nicht Plumpaquatsch, und das grenzt angesichts dessen, was “Bild” im übrigen über den Unfall schreibt, an ein Wunder.

Um zu illustrieren, was passierte, zeigt das Blatt dieses Foto:

Darunter steht:

Dieser Beleuchtungsträger stürzte ins Publikum, verletzte acht Menschen.

“Dieser Beleuchtungsträger” hat mit dem ganzen Unfall nichts zu tun. Umgekippt ist eine Traverse, die auf zwei Stativen befestigt war, die links und rechts vor der Bühne standen (genauer nachzulesen hier). Die Scheinwerfer hingen also oben quer über der Bühne. Die betroffene Konstruktion ist der, die “Bild” zeigt, nicht einmal ähnlich.

Zu dem Unglück kam es, weil Unbekannte an den beiden Stativen jeweils zwei von vier Fußstützen abmontiert hatten, und zwar die, die in den Zuschauerraum hineinragten. Möglicherweise geschah das in böser Absicht. Die naheliegendste Erklärung aber ist, dass jemand sie einfach für Stolperfallen hielt. Diese Möglichkeit fehlt in “Bild” komplett.

“Bild” beschreibt den Vorfall außerdem so, als sei das Gerüst mit großer Geschwindigkeit in die Zuschauer gestürzt (“kracht auf einen Tisch”). Dabei senkte sich die Konstruktion, weil sie teilweise noch gehalten wurde, langsam nach unten, wie in Zeitlupe, und verletzte mehrere Menschen. Die “Westfälische Rundschau” beschreibt es so: “Zudem reckten mehrere Zuschauer ihre Arme hoch und versuchten, die Verstrebungen abzubremsen.” Auch in der “Bild”-Zeitung kommt die Zeitlupe vor, aber nur in einem Zitat von Nicole, das klingt, als habe die Dramatik ihre Wahrnehmung verzerrt:

“Alles passierte wie in Zeitlupe. Überall waren Schreie und Blut.”

In einem weiteren Artikel am Samstag stimmen zwar ein paar mehr Fakten über den Unfallhergang. Dafür geht aber die Fantasie vollends mit “Bild” durch.

Wollte ein Irrer Nicole töten?

lautet nun die Überschrift. Und im Text (online unter der bezeichnenden Adresse “…/nicole__anschlag.html”) heißt es:

Jetzt kommt ein furchtbarer Verdacht auf: Trachtet etwa ein Irrer Nicole nach dem Leben?

“Bild” kann im Text niemanden aufbieten, der diesen “furchtbaren Verdacht” äußert. Kein Wunder: Dieser “Irre” müsste schon ganz besonders irre sein. So irre, dass er, um jemanden umzubringen, der auf einer Bühne steht, die Gerüstkonstruktion so sabotiert, dass sie gar nicht auf die Bühne fallen kann.

Danke an Tobias N. für den Hinweis!

Überraschend ist etwas anderes II

Amigo-Affäre um Grünen-Chefin Roth — Warum bekam ihr Freund so lukrative Staatsaufträge?

So schrieb “Bild” am 20. April 2005. Die Antwort auf die von “Bild” gestellte Frage muss offen bleiben, denn Roths Freund bekam die “lukrativen Staatsaufträge” schon, als er noch gar nicht ihr Freund war, was es ein bisschen knifflig macht, darin eine wie auch immer geartete “Amigo-Affäre” zu sehen.

Erstaunlicherweise blieb die “Bild”-Zeitung dennoch bei ihrer Darstellung, und Claudia Roth musste sich ihr Recht auf eine Gegendarstellung erst vor Gericht erkämpfen. Heute nun steht sie im Blatt. Und der Artikel, von dem ein “Bild”-Sprecher zuletzt noch sagte, die Fakten seien korrekt und man habe sich nichts vorzuwerfen, ist spurlos aus dem Online-Angebot verschwunden.

Korrektur, 14. Mai: Nur der Online-Ableger von “Bild” hat die Gegendarstellung akzeptiert und gedruckt. Die “Bild”-Zeitung geht weiterhin juristisch dagegen vor.

Nachtrag, 13.6.2005:
Über den aktuellen Stand der juristischen Auseinandersetzung informiert heute (unter dem Titel “Vorentscheid für Roth”) die kommerzielle Dementi-Plattform Fairpress.biz von Ex-“Bild”-Chef Udo Röbel.

Überraschend ist etwas anderes

“Die Geschichte geht so: Da gibt es einen Volker Schäfer aus Kassel. Der ist gelernter Kunstlehrer, freiberuflicher PR-Berater und steht den Grünen nahe. In jeder Beziehung! ‘Das ist mein Lebensgefährte, wir lieben uns’, stellte Grünen-Parteichefin Claudia Roth den Mann aus Kassel vor wenigen Monaten überglücklich vor, nahm ihn mit zu einer Gala beim französischen Botschafter.

So weit, so gut. Überraschend ist etwas anderes: Der ‘Kulturexperte’ Volker Schäfer verdient seit einiger Zeit kräftig Geld nebenbei dazu – als Kommunikationsberater für das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS).”

So ähnlich geht die “Geschichte” noch eine ganze Weile weiter. Und weil sie gestern unter der Überschrift “Amigo-Affäre um Grünen-Chefin Roth – Warum bekam ihr Freund so lukrative Staatsaufträge?” in der “Bild”-Zeitung stand, konnte der Eindruck entstehen, es gebe einen kausalen Zusammenhang zwischen der Beauftragung Schäfers als Kommunikationsberater des BfS und seiner Beziehung zu Roth.

Roth jedoch ließ nach dem “Bild”-Bericht mitteilen, der Eindruck, es gäbe einen kausalen Zusammenhang zwischen der Beauftragung Schäfers als Kommunikationsberater des BfS und seiner Beziehung zu Roth, “entbehrt jeglicher Grundlage”. So heißt es jedenfalls in einer Meldung der Nachrichtenagentur dpa, die außerdem einen “Bild”-Sprecher zitiert, der sagt, die Fakten in “Bild” seien korrekt und würden nicht bestritten. “Wir haben uns nichts vorzuwerfen” lautet das Resümee bei “Bild”, das allerdings leider nicht so ganz nachvollziehbar ist.

Denn Roth hat nicht nur rechtliche Schritte gegen “Bild” angekündigt, ihr Anwalt weist zudem ausdrücklich darauf hin, Roth habe Schäfer “zu einem Zeitpunkt kennen gelernt, als dieser bereits seit über einem Jahr als Kommunikationsberater für das Bundesamt für Strahlenschutz tätig war”. Und das bedeutet doch, die Fakten in “Bild” (egal wie “korrekt” und “nicht bestritten” sie auch sein mögen) sind derart unvollständig, dass von einer “Amigo-Affäre” womöglich überhaupt gar keine Rede sein kann, oder?

Mit Dank an Max P., CS und Pascal-Nicolas B. für die Hinweise.

Nachtrag, 22.4.2005:
Wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet (siehe Netzeitung.de), hat Roth nach Angaben einer Parteisprecherin vorm Landgericht Berlin wegen des “Bild”-Berichts eine Einstweilige Verfügung gegen die “Bild”-Zeitung erwirkt, wonach das Blatt eine Gegendarstellung abdrucken müsse. Weiter heißt es: Das BfS und das Bundesumweltministerium betonten, der Vertrag Schäfers sei einwandfrei, er arbeite projektbezogen seit März 2001 für das BfS. Der Axel Springer-Verlag will dennoch Rechtsmittel einlegen.

Lobbyismus-Alarm bei “Bild am Sonntag”

Am 16. Januar meldete die “Bild am Sonntag”:

“(…) nach BamS-Recherchen stellt sich jetzt heraus: Freilandeier sind seit Jahren immer wieder mit dem krebserregenden Supergift Dioxin belastet!”

Die “BamS” stützte ihre Behauptung auf Messergebnisse aus Bayern, dem baden-württembergischen Kehl und Niedersachsen. Und die “BamS”-Geschichte selbst wurde in quasi allen deutschen Medien weiterverbreitet.

Aber es regte sich auch Kritik – bis in den Deutschen Bundestag.

Am gestrigen Donnerstag nun widmete sich das ARD-Politmagazin “Monitor” dem Thema und fragte:

“Was ist dran an den Zahlen, die ‘Bild am Sonntag’ vorlegte?”

Als Antwort zitiert das Magazin u.a. den bayerischen Gesundheitsminister Werner Schnappauf mit den Worten “Die Meldung der ‘Bild am Sonntag’ traf zu keinem Zeitpunkt zu.” Der Kehler Bürgermeister Jörg Armbruster spricht von “Missbrauch” und “Lobbyismus” und “Monitor” selbst von “schlechter Recherche” bzw. Fakten, die offensichtlich “von der ‘Bild am Sonntag’ verschwiegen” wurden. Insbesondere an der Berichterstattung aus Niedersachsen, wo laut “BamS” “sogar 28 Prozent der Freilandeier über den zulässigen 3 Pikogramm Dioxin” lagen (vgl. hier), sei “alles vollkommen falsch”.

“Monitor” wirft der “BamS” vor, hinter dem “Horrormärchen mit falschen Zahlen” stehe weniger die tatsächliche Gefahr vergifteter Freilandeier als ein für 2007 drohendes Verbot der Käfighaltung von Hühnern, das auf heftigen Widerstand der Käfighaltungslobby stößt, deren unsachliche Argumente wiederum die “BamS” undistanziert kolportierte.

PS: Zwei Tage nach dem “Dioxin-Alarm” der “BamS” hieß es übrigens in einem Experten-Interview bei “Bild”:

Darf ich überhaupt noch Eier essen?
(…) Ja. Denn die gefundene Konzentration des Giftes ist zu niedrig, als daß sie zu Gesundheitsschäden im Körper führen könnte.

Und wie viele Eier pro Tag sind unbedenklich?
(…) Im Prinzip können Sie so viel essen, wie Sie wollen. Selbst bei fünf Eiern sehe ich kein gesundheitliches Risiko.”

“Dumm gelaufen”

“Bild” macht heute den Schriftsteller Andreas Maier in 28 schmalen Zeilen zum “Verlierer” des Tages und bezieht sich dabei auf eine Meldung der Nachrichtenagentur dpa vom gestrigen Donnerstag um 14.02 Uhr.

Es geht darin um ein neues Literaturstipendium der Stadt Potsdam, das nicht zuletzt darin besteht, dass einem von einer Jury ausgewählten Autor eine Zeit lang “ein angemessener Wohnraum” zur Verfügung gestellt wird. Darüber, dass sich der Wohnraum indes in einem Plattenbau befinden soll, hatte sich die Jury beschwert, woraufhin dann die Wohnungsunternehmen, die den Wohnraum zur Verfügung stellen wollten, ihr Angebot zurückzogen. Stipendiat für das Jahr 2004 ist übrigens besagter Andreas Maier, der laut dpa “äußerte, dass man Stipendiaten in der Regel in einem Schloss, einer Villa an der Ostsee oder einem aufgearbeiteten Bauernhaus, nicht aber in der ‘Platte’ wohnen lasse”. Und ganz ähnlich steht’s heute auch in “Bild”:

“Doch der Autor meckerte laut dpa: Stipendiaten lasse man in der Regel in einem Schloß oder einer Villa wohnen, nicht aber in der ‘Platte’. Da zogen die Wohnungsunternehmen ihr Angebot zurück.”

Dass dpa gestern bereits um 17.45 Uhr meldete, die Wohnungsunternehmen hätten “die der Stadt gegebene Zusage erneuert”, steht (anders als Oliver Kahns “Amoklauf” gegen 22.33 Uhr) nicht in “Bild”. Erstens. Zweitens “meckerte” Maier nicht. Wie bereits vor einer Woche in den “Potsdamer Neusten Nachrichten” nachzulesen war, reagierte er vielmehr “durchaus noch sehr humorvoll” bzw. “freundlich, mit allenfalls leicht ironischer Note” (“FAZ”) oder “zurückhaltend” (FAZ.net): Dem Potsdamer Blatt (auf das sich übrigens auch dpa bezog) sagte Maier nämlich auch, das umstrittene Wohnraum-Angebot habe ihn “erstaunt”. Nachdem aber selbst ein Schloss für Stipendiaten “nicht immer das Ideale” sei, sehe er “schon die Möglichkeit, sich auf die Platte am Stadtrand einzulassen”, denn:

Vielleicht leide ich da, vielleicht auch nicht. Aber es könnte ebenso gut auch sein, dass ich eine geräumige Altbauwohnung in der Innenstadt habe (…) und ich mich dort auch nicht wohl fühle.“

Dass das alles nicht in 28 schmale “Verlierer”-Zeilen passt, ist klar. Dass “Bild” die ganze Sache ja ohnehin bloß mit dem Hinweis “laut dpa” verbreitet hatte, auch. Nur schrieb doch “Bild”-Chef Kai Diekmann kürzlich an seine Mitarbeiter:

“Wer sich bei heiklen Themen auf andere verläßt und keine eigenen Recherchen anstellt, paßt nicht zu uns. (…) Wer bei anderen abschreibt und dabei nicht mal in der Lage ist, Namen oder Fakten richtig abzuschreiben, gehört nicht zu BILD!”

Bleibt also die Frage, weswegen Maier überhaupt zum “Verlierer” wurde – und der Anfang des “Verlierer”-Textes. Er lautet:

“Dumm gelaufen”

“Bild” macht Neuanfang

“Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann greift hart durch: Er will bei der Beachtung der “journalistischen Standards” des Blattes in Zukunft kein Auge mehr zudrücken. Das sagte er anlässlich der Neubesetzung mehrerer Stellen in der Chefredaktion, die er als “Zäsur” bezeichnete. Seine “grundsätzlichen Überlegungen” waren ihm “so wichtig”, dass er sie zusätzlich per E-Mail an die “Bild”-Mitarbeiter schickte. In dem Brief, den die Fachzeitschrift “werben & verkaufen” veröffentlichte, lobt er die Bedeutung des Blattes, fährt aber fort:

Wo Licht ist, ist Schatten. Wo gearbeitet wird, da werden Fehler gemacht. Das heißt nicht, daß wo mit besonders großen Buchstaben gearbeitet wird, deshalb auch besonders große Fehler gemacht würden. Aber: In großen Buchstaben sind Fehler eben besonders eindrucksvoll und tun uns besonders weh. Gerade weil wir journalistischer Schrittmacher und Marktführer sind, werden wir sehr genau und kritisch beobachtet. Und deshalb müssen wir uns selbst und unsere Performance jeden Tag kritisch überprüfen.

Jeder Fehler ist ein Fehler zuviel! Lassen Sie mich ein paar Dinge unsortiert herausgreifen:

Wer sich bei heiklen Themen auf andere verläßt und keine eigenen Recherchen anstellt, paßt nicht zu uns. Übergeigte Überschriften, die vom Text nicht gehalten werden, haben in BILD nichts zu suchen. Texte, die man nicht versteht, Bildunterschriften, die lieblos hingerotzt werden, machen unsere Zeitung kaputt. Wer bei anderen abschreibt und dabei nicht mal in der Lage ist, Namen oder Fakten richtig abzuschreiben, gehört nicht zu BILD!

Was ich Ihnen hier beispielhaft sage, sind eigentlich selbstverständliche Standards. … Deshalb gilt bei der Beachtung unserer journalistischen Standards künftig: Null Toleranz! Qualität kommt von quälen. Und das erwarte ich von uns. Jeden Tag, immer wieder.

Wem die Bereitschaft fehlt, mit Lust, mit Liebe und mit Leidenschaft für BILD zu arbeiten, jeden Tag für das gesamte Blatt mitzudenken, der sollte sich prüfen, ob er bei uns wirklich richtig ist. In diese Kritik schließe ich jeden, der Führungsverantwortung trägt, vor allem und zu allererst mich, ein.

Der Antritt der neuen Mitglieder der Chefredaktion, fast vier Jahre, nachdem Diekmann “Bild”-Chefredakteur wurde, solle als ein “Neuanfang” begriffen werden, schrieb Diekmann:

Wenn alle mitmachen, werden die nächsten vier Jahre ganz sicher so erfolgreich wie die vergangenen vier Jahre.

Wir begrüßen den “Neuanfang”, weisen aber darauf hin, dass die verkaufte Auflage von “Bild” in den vergangenen vier Jahren um elf Prozent oder eine halbe Million Exemplare gesunken ist.

Die Geister, die sie riefen II

Oh Gottogottogott, Nazis im sächsischen Landtag. Da brauchen wir schnell einen Skandal. Die anderen Kandidaten sind aus dem Studio gegangen, als der NPD-Mann sprach, und die Interviewerin hat ihm das Mikrofon entzogen? Super, da machen wir eine “Pöbel-Attacke” raus. Macht schon mal ‘ne Schlagzeile fertig: Nazi-Eklat im ZDF-Studio. Oder: Politiker flohen aus ZDF-Studio. Oder besser gleich beides. Ham wir Fotos? Was? Nicht vom ZDF-Studio, nur vom ARD-Studio? Ist doch egal. Merkt doch kein Schwein. Hey, das sind Neonazis, da kann man sich die Fakten schon mal zurechtbiegen, wie es einem passt, um die zu bekämpfen.

Ob das ein “Nazi-Eklat im ZDF-Studio” war und ob die “Politiker aus dem ZDF-Studio flohen”, darüber kann man vielleicht noch streiten. Unbestreitbar ist, dass die Bilder unter diesen “Bild”-Schlagzeilen nicht das ZDF-Studio zeigen. Das sah — in dem Moment, als der erste Politiker ging — so aus:

Danke an gleich mehrere aufmerksame Hinweisgeber!

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