1. Meinungsfreiheit in Zeiten von Corona – Monitor studioM (youtube.com, Monitor, Video: 1:08 Stunden)
Bei “studioM” sprechen “Monitor”-Chef Georg Restle und Tilo Jung (“Jung & Naiv”) über journalistisches Arbeiten in Zeiten des Coronavirus und über die Gefahren, die aus den derzeitigen Grundrechtseinschränkungen erwachsen können. Außerdem dabei: Die Journalistin Katja Gloger, die als Vorstand bei Reporter ohne Grenzen über die Lage in anderen Ländern berichten kann.
2. Über 15 Mio. Abrufe: Der gewaltige Erfolg des “Coronavirus Update” mit Professor Christian Drosten (meedia.de, Stefan Winterbauer)
Nur wenige kennen Norbert Grundei, Leiter des Radiosenders N-Joy und des NDR-Audio-Labs Think Radio. Viele kennen jedoch einen Podcast, den er angestoßen hat: Das “Coronavirus-Update” mit dem Virologen der Berliner Charité Christian Drosten. Bei “Meedia” verrät Grundei, wie es zu der Idee kam, wieviele Personen an der Produktion beteiligt sind und wie es um die Reichweite bestellt ist.
3. Wenn die Wahrheit zur Corona-Pandemie nicht ans Licht kommen soll (tagesspiegel.de, Gloria Geyer)
Die Corona-Krise ist in vielen Teilen der Welt auch eine Medienkrise. Der Geschäftsführer der Reporter ohne Grenzen habe sich im Gespräch mit dem “Tagesspiegel” alarmiert gezeigt: “‘Ich bin selber überrascht, dass es fast auf der ganzen Welt Einschränkungen wegen der Coronavirus-Ausbreitung gibt.'” In vielen Ländern würden die Sichtweisen, die nicht dem Handeln der Regierung entsprechen, eingeschränkt.
4. Wie wir jetzt arbeiten – Journalismus in Zeiten von Corona (stern.de)
Auch beim “Stern” entstehen Magazin und Website mittlerweile an vielen verschiedenen Orten und in den unterschiedlichsten Homeoffice-Umgebungen. Die Arbeitsbedingungen sind so vielfältig wie die Journalisten und Journalistinnen selbst, die über die ganze Welt verstreut sind — von Hamburg bis nach New York, von Berlin bis nach Shanghai.
5. Wie das Coronavirus Journalist:innen auf die Probe stellt (netzpolitik.org, Dominic Lammar)
Volker Stollorz ist Geschäftsführer und Redaktionsleiter des Science Media Center Germany. Im Gespräch mit netzpolitik.org geht es um den Umgang der Medien mit wissenschaftlichen Fakten: Wie sollen Journalistinnen und Journalisten mit wissenschaftlichen Unklarheiten umgehen? Wie kann der Umgang mit ungeprüften Studien und widersprüchlichen Aussagen erfolgen? Und wie lassen sich Falschnachrichten herausfiltern?
Weiterer Lesehinweis: Beatrice Lugger ist Direktorin des Nationalen Instituts für Wissenschaftskommunikation. Bei “Zeit Online” ermuntert sie Forscherinnen und Forscher zum Dialog mit den Nichtexperten: “Forscher sollten lernen, mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren.”
6. Wenig Licht am Ende des Tunnels (blog.tagesschau.de, Tamara Anthony)
Tamara Anthony berichtet für die “Tagesschau” aus dem ARD-Studio Peking. Was zu normalen Zeiten schon schwierig ist, gestaltet sich jetzt als besondere Herausforderung: Anthony befindet sich in Quarantäne. Im Blog der “Tagesschau” erzählt sie, wie sie und ihr Team mit den derzeitigen Umständen umgehen, einschließlich der Vertonung unter der akustikverbessernden Bettdecke.
1. Wegen Corona: ORF-Mitarbeiter wohnen im Fernsehsender (rnd.de)
Um den Sendebetrieb aufrechterhalten zu können, werden mehr als 150 Menschen beim ORF einziehen und dort eine “Corona-WG” bilden (Zitat Armin Wolf). Essen, schlafen, arbeiten — all das werde für die betreffenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Österreichischen Rundfunks nun in sogenannten Isolationsbereichen direkt im Sender stattfinden.
2. Land des Lächelns (taz.de, Steffen Grimberg)
Der Vorstandsvorsitzende des Springer-Konzerns Mathias Döpfner hat einen längeren Text über die Corona-Krise geschrieben (erster Satz: “Seit Tagen zögere ich, etwas zu schreiben”). Was für einige Irritation sorgte: Döpfners Aufsatz erschien nicht nur bei der Springer-Tochter “Welt”, sondern auch im neokonservativen Rechtsaußen-Blog “Achse des Guten”. Steffen Grimberg kommentiert: “Warum der Springer-Chef seinen Beitrag jetzt ausgerechnet dort für eine Zweitveröffentlichung freigegeben hat, fragt er sich hoffentlich mittlerweile selbst.”
3. Warum dieser Mann die Epidemie kleinredet (welt.de, Nike Heinen)
Weil das Video immer noch zirkuliert, der folgende Lesetipp: Wissenschaftsjournalistin Nike Heinen hat sich mit dem Lungenarzt Wolfgang Wodarg beschäftigt, dessen vielfach geteiltes Verschwörungsvideo zu Covid-19 immer noch für Verunsicherung und Verwirrung in Teilen der Bevölkerung sorgt. Nach der inhaltlichen Aufarbeitung hat Heinen eine schöne Schlusspointe zu dem fragwürdigen Mediziner parat: “In den 1980er-Jahren übernahm er die Leitung am Gesundheitsamt Flensburg. Einem größeren Publikum bekannt wurde er, weil er dort den Medizin-Hochstapler und gelernten Postboten Gert Postel als stellvertretenden Amtsarzt einstellte.”
Weiterer Lesetipp: Die gefährlichen Falschinformationen des Wolfgang Wodarg (spiegel.de, Julia Merlot).
Bei den “Riffreportern” hat sich Marcus Anhäuser dem Thema gewidmet, ergänzt um eine umfangreiche Liste mit Faktenchecks und Einordnungen. Eine fantastische Fundgrube für alle, die sich weiter in das Thema einlesen wollen. Wodarg, Bhakdi und Co.: Die Besserwisser in Zeiten der Coronakrise
4. Wie das Coronavirus den Journalismus verändert (anchor.fm, Levin Kubeth, Audio: 57:39 Minuten)
Für seinen Medienpodcast “Unter Zwei” hat sich Levin Kubeth mit Susanne Amann, Managing Editor beim “Spiegel”, unterhalten. Wie geht das Nachrichtenmagazin mit der Pandemie um? Wie wirkt sich die derzeitige Lage auf das Miteinander im Haus aus? Welche technischen und administrativen Folgen erfordert die neue Situation?
5. Gegenläufig (sueddeutsche.de, Caspar Busse)
Medienunternehmen reagieren ganz unterschiedlich auf das Coronavirus: Manche schicken die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ins Homeoffice, manche verfallen auf das Arbeitsmarkt-Instrument der Kurzarbeit. Caspar Busse hat sich angeschaut, wie Mediengrößen wie Bertelsmann, Axel Springer und ProSiebenSat.1 derzeit agieren.
6. 9 Pandemie-Filme, in denen Journalisten eine Rolle spielen (journalistenfilme.de, Patrick Torma)
Patrick Torma sammelt auf journalistenfilme.de Kinofilme und Fernsehproduktionen, in denen Journalisten und Journalistinnen eine Rolle spielen. In einer Sonderausgabe stellt er neun Pandemie-Filme vor, in denen Medienschaffende auftauchen.
1. “Auch wenn ich schlafe, aktualisiert sich die Seite” (sz-magazin.sueddeutsche.de, Michaela Haas)
Die “weltweit beste Info-Seite zum Coronavirus” stammt laut “SZ-Magazin” nicht von einem Mediziner oder einer Gesundheitsbehörde, sondern vom 17-jährigen Avi Schiffmann aus Seattle. Die Website verzeichnet schier unglaubliche Besucherzahlen: “Allein in den letzten 24 Stunden waren es mehr als 12 Millionen, am Tag zuvor 6 Millionen, es werden jeden Tag mehr. Das wächst stündlich. Bis Ende des Monats werden wir wohl eine Milliarde erreichen. Es ist völlig verrückt”, so Schiffmann im Interview. Wie er den Inhalt auf dem Laufenden hält? “Ich gebe manuell keine Daten ein. Auch wenn ich schlafe, aktualisiert sich die Seite. China, zum Beispiel, hat seine eigenen regionalen Gesundheitsbehörden. Meine Software liest diese Seiten und überträgt die Information in meine Datenbank. Man sollte keine koreanischen Regierungsseiten durchforsten müssen, um zu verstehen, wie viele Leute sich in Korea angesteckt haben.”
2. Pro und Contra zu Paywalls in Corona-Zeiten: Geschäft mit der Angst oder legitime Einnahmequelle? (meedia.de, Thomas Borgböhmer & Tobias Singer)
Viele Medienseiten stellen ihre Corona-Artikel hinter die Bezahlschranke, was oft kritisiert wird. Profitieren die Nachrichtenseiten auf unethische Weise von der Krise? Oder ist das Vorgehen legitim? Darüber diskutieren Thomas Borgböhmer und Tobias Singer in einem Pro und Contra.
3. Coronavirus-Faktenchecks: Diese Behauptungen hat Correctiv geprüft (correctiv.org)
Seit Januar betreibt “Correctiv” Faktenchecks rund um das Coronavirus und die damit verbundene Pandemie. In einem fortlaufend aktualisierten Artikel werden alle Faktenchecks kurz und bündig aufgeführt.
Weiterer Lesetipp: Richtig berichten und informieren: “Correctiv”-Tipps zum Umgang mit dem neuartigen Coronavirus (Factsheet zum Download als PDF).
4. Lokalzeitungen dringen auf schnelles Geld vom Staat (dwdl.de, Uwe Mantel)
Lokalzeitungen könnten durch die Auswirkungen der Corona-Krise in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, so der Verband Deutscher Lokalzeitungen. Der Grund: “zum Teil existenzbedrohende Anzeigen- und Beilagenrückgänge im Lokalen”. Der Verband dränge daher darauf, die von der Bundesregierung bereits beschlossenen Gelder zur Vertriebsförderung unverzüglich auszuschütten.
5. Beim Versuch, über Flüchtlinge an der griech.-türk. Grenze zu berichten … (twitter.com, Fabian Goldmann)
Der Journalist Fabian Goldmann wurde vergangene Woche an der griechisch-türkischen Grenze festgenommen. Die Ironie an der Geschichte: Weil die türkischen Polizisten ihn stundenlang im Lager herumfuhren, das ansonsten für Journalistinnen und Journalisten gesperrt ist, ermöglichten sie ihm erst die Berichterstattung, von der sie ihn eigentlich abhalten sollten.
Weiterer Lesetipp: Goldmanns komplette Reportage gibt es hier: Durch das Fenster eines türkischen Polizeiwagens (neues-deutschland.de).
6. Klaas Heufer-Umlauf wird die #jdjmm-Auszeichnung 2019 aberkannt (mediummagazin.de)
Der TV-Moderator Klaas Heufer-Umlauf wurde 2019 beim Preis der “Journalistinnen und Journalisten des Jahres” auf Platz 3 in der Kategorie Unterhaltung gewählt. Dieser Preis wurde ihm nun aberkannt. Das Format “Late Night Berlin” habe in einigen Beiträgen Authentizität nur vorgetäuscht und auf die notwendige Transparenz verzichtet. Siehe dazu auch: Joko und Klaas: So faken sie ihre Videos (youtube.com, Strg-F, Video: 29:16 Minuten).
2. Corona: Was das Virus für die Filmbranche bedeutet (out-takes.de, Peter Hartig)
Auch die Film- und Fernsehbranche leidet unter den Auswirkungen der Corona-Krise. Peter Hartig stellt in einem fortlaufend aktualisierten Beitrag zusammen, was das für die Beschäftigten und die Produktionen konkret bedeutet. Eine gelungene Übersicht mit vielen weiterführenden Links.
3. Krise – aber auch Chance für Lokaljournalismus (djv.de, Mika Beuster)
Mika Beuster erinnert an die derzeit besonders wichtige Rolle des Lokaljournalismus. Die dort tätigen Personen seien momentan unentbehrlich: “In Zeiten des ‘Social Distancing’ sorgen sie dafür, dass Menschen gerade eben nicht sozial isoliert sind, sondern mit den lokaljournalistischen Angeboten am kommunalen Leben in Notzeiten teilhaben können.” Dies müsse jedoch auch honoriert werden, ob durch den Abschluss von Abos oder den Kauf von Artikeln.
4. Wissen Sie eigentlich … (twitter.com, Sebastian Pertsch)
“Wissen Sie eigentlich, wie modern unsere Bibliotheken mittlerweile sind und welch grandiose digitale Angebote es für läppische 10 € pro Jahr gibt?” Sebastian Pertsch erklärt auf Twitter, wie man sich über den Umweg einer öffentlichen Bibliothek eine Online-Kultur-Flatrate zum Minipreis besorgt.
Weiterer Lesehinweis: Kultur-Tipps für Corona-Tage: Kostenlos und frei Haus (deutschlandfunkkultur.de).
5. Die Zeitung in Zeiten von Corona (blogs.taz.de, Georg Löwisch)
“taz”-Chefredakteur Georg Löwisch schreibt im Hausblog über die besonderen Herausforderungen einer Zeitung in Krisenzeiten: “Um die Verbreitung des Corona-Virus zu verlangsamen, verringern wir Recherchereisen. Das tazlab ist längst um ein Jahr verschoben. Das taz-Haus in der Friedrichstraße, sonst im Erdgeschoss öffentlicher Diskussionsort und Restaurant, ist vorläufig zum reinen Verlagsgebäude geworden. Und das Haus leert sich weiter.” Parallel bereite ein Planungsstab die “taz” auf die Zeit vor, in der womöglich eine Quarantäne über die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen verhängt werden muss.
6. Diskussion ohne Distanz (uebermedien.de, Boris Rosenkranz, Video: 1:16 Minuten)
Talkshows finden aus Sicherheitsgründen mittlerweile ohne Studiopublikum aus, und auch die Gäste sollten einen Sicherheitsabstand wahren, um einer möglichen Corona-Ansteckung vorzubeugen. Bei “Anne Will” war dies am Sonntag nicht der Fall, was so richtig deutlich wurde, als eine Medizinerin von einem Sicherheitsabstand von zwei Metern sprach und dafür peinlich berührtes Lachen erntete. Eindeutig besser gemacht hatte es die zeitgleich stattfindende ORF2-Sendung “Im Zentrum”.
1. Das Coronavirus und die Medien (ndr.de, Armin Ghassim & Gabor Halasz, Video: 2:51 Minuten)
Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie an der Charité Berlin, hält die Berichterstattung über das Coronavirus für teilweise kontraproduktiv: “Die Bundespressekonferenz zuletzt habe ich als Zeitverschwendung empfunden. Ich wurde nur nach leeren Fußballstadien und dem CDU-Parteitag gefragt, anstatt inhaltliche, medizinische Fragen zu beantworten.”
Weiterer Lesehinweis: Sternstunde für die Regionalen: “Die überregionalen Medien berichten längst nicht mehr über jede Neu-Infektion mit Corona. Nun schlägt die Stunde des Lokaljournalismus — zum Beispiel beim ‘Bonner General-Anzeiger'” (deutschlandfunk.de, Annika Schneider, Audio: 4:53 Minuten).
Und auf vielen Ebenen interessant: So veranschaulichen Datenjournalist:innen das Coronavirus (netzpolitik.org, Dominic Lammar) — aber Achtung: Diese Coronavirus-Karte stiehlt Passwörter (futurezone.at).
2. RTL trennt sich mit sofortiger Wirkung von Xavier Naidoo (dwdl.de, Thomas Lückerath)
Nachdem fragwürdige Videos des Künstlers Xavier Naidoo mit äußerst irritierenden, teils rassistischen Textstellen aufgetaucht sind, hat sich RTL von Naidoo getrennt. Dem Wortlaut der Stellungnahme des Privatsenders nach, beziehe sich das zunächst aber nur auf die nächste “Deutschland sucht den Superstar”-Ausgabe. “Dass Naidoo jedoch zu ‘DSDS’ zurückkehren wird, hält man nicht nur bei der Produktionsfirma UFA Show & Factual für unwahrscheinlich”, so “DWDL”-Chefredakteur Thomas Lückerath.
3. Irreführende Aussagen über rechten Terror (tagesschau.de, Patrick Gensing & Georg Mascolo)
Der heutige AfD-Europaabgeordnete und frühere stellvertretende “Bild am Sonntag”-Chefredakteur Nikolaus Fest weiß in einem Video von angeblich brisanten Informationen zu berichten: Ein Bericht der EU-Polizeibehörde Europol sehe seiner Aussage nach keine Gefahr durch rechten Terror. Vielmehr seien Islamismus und Linksterror die großen Bedrohungen. Dies wolle man jedoch, so die Fest-Diktion, aus politischen Gründen nicht eingestehen und habe den Bericht daher als geheim eingestuft. Der ARD-“Faktenfinder” ist dem Fall nachgegangen und kommt zum gegenteiligen Ergebnis. Damit konfrontiert, gerät Fest ziemlich ins Rumeiern.
4. NDR verzichtet auf Studiopublikum und sagt Veranstaltungen ab (presseportal.de)
Der Norddeutsche Rundfunk hat ein ganzes Bündel an Maßnahmen beschlossen, um die Ausbreitung des Corona-Krankheitserregers zu verlangsamen. Das reicht von der Einschränkung des Besucherverkehrs bis hin zu Veranstaltungsabsagen. Sendungen, die auf dem NDR-Gelände produziert werden, etwa die “NDR Talk Show” und “extra 3”, fänden bis auf Weiteres ohne Studiopublikum statt.
5. Und dann will das BKA an Ihr Passwort (zeit.de, Lisa Hegemann)
Am heutigen Donnerstag wird im Bundestag ein Gesetzesentwurf diskutiert, der Rechtsextremismus und Hasskriminalität in Sozialen Netzwerken bekämpfen soll. Was sinnvoll klingt, hat seine Tücken, denn das Gesetz greife massiv in unsere Grundrechte ein und sei untauglich. Lisa Hegemann erklärt die Problemfelder und berichtet von den Bedenken der Kritikerinnen und Kritiker.
6. Kundendienst (sueddeutsche.de, Helena Ott)
Hinter der Gesundheitspostille “Apotheken-Umschau” steckt ein pfiffiges Konzept: Das Gratisblatt bezahlen nämlich nicht die Leser und Leserinnen, sondern die Apotheken. Je nach Vertrag sollen dies um die 35 Cent pro Stück sein. Nun wolle der Verlag den Erfolg mit einem anderen Magazin wiederholen: Er habe dazu 650.000 Exemplare des “Digital-Ratgebers” gedruckt und bundesweit an Apotheken ausgeliefert. Das erste Heft sei für die Apotheken kostenlos. Wie es danach weitergeht, sei noch nicht bekannt.
1. Licht ins Dunkle bringen (journalist.de, Juliane Löffler & Pascale Müller)
Juliane Löffler und Pascale Müller erklären, warum es in Deutschland besonders schwierig sei, über sexuelle Belästigung und sexualisierte Gewalt zu schreiben. Wer öffentlich Vorwürfe erhebt, trage ein doppeltes Risiko: “Erstens, dass der mutmaßliche Täter nicht bestraft wird. Und zweitens, dass man stattdessen selbst bestraft wird.” In ihrem Artikel erläutern die couragierten Reporterinnen, warum über die Kriterien und Zulässigkeit von Verdachtsberichterstattung mindestens neu diskutiert werden müsste.
2. Deconstructing Woody (taz.de)
Der Rowohlt-Verlag will die Autobiographie des amerikanischen Komikers und Filmemachers Woody Allen veröffentlichen. Dagegen wenden sich einige Rowohlt-Autoren und -Autorinnen in einem Offenen Brief. Ähnlich wie der US-Verlag Hachette möge Rowohlt die Veröffentlichung zurückziehen: “Wir zeigen uns solidarisch mit den Angestellten des Hachette-Verlags, deren Proteste dazu geführt haben, dass der Verlag sich gegen eine Veröffentlichung des Buches entschieden hat. Wir fordern Sie auf, diesem Beispiel zu folgen. Das Buch eines Mannes, der sich nie überzeugend mit den Vorwürfen seiner Tochter auseinandergesetzt hat, und der öffentliche Auseinandersetzungen über sexuelle Gewalt als Hexenjagd heruntergespielt hat, sollte keinen Platz in einem Verlag haben, für den wir gerne und mit großem Engagement schreiben.” Auf der Rowohlt-Seite zu Allens Autobiographie steht derzeit der Hinweis: “Dieses Buch wird auf unbestimmte Zeit verschoben”.
Weiterer Lesehinweis: David Steinitz hält die Entscheidung des US-amerikanischen Verlags Hachette, das Buch fallen zu lassen, für mindestens problematisch: “Die Entscheidung von Hachette sendet ein fatales Signal: an Missbrauchsopfer, weil den Verlag der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs nicht gestört zu haben scheint, solange in Aussicht stand, dass man mit dem Buch Geld verdienen kann; und an Autoren, weil der Verlag sie nicht aufgrund von Fakten und Beweisen, sondern von Meinungen und Stimmungen fallen zu lassen scheint. Das hat nichts mehr mit den ehernen Absichten der ‘Me Too’-Bewegung und ihren Unterstützern zu tun, sondern ist schlicht und einfach ein Trauerspiel.” (sueddeutsche.de)
3. Legendärer V-Mann – so lief die Recherche (spiegel.de, David Walden, Video: 6:26)
Der “Spiegel” spricht von Murat Cem als dem “wohl wichtigsten Polizeispitzel der deutschen Kriminalgeschichte”, und das könnte stimmen, wenn man die aktuelle Titelgeschichte des Nachrichtenmagazins zugrunde legt. “VP01” habe viele Jahre für die Polizei gearbeitet und die Behörden frühzeitig vor Anis Amri gewarnt, dem Terroristen, der am Berliner Breitscheidtplatz einen Anschlag beging. Im Video berichten die beteiligten “Spiegel”-Redakteure von ihren Treffen mit dem V-Mann und ihrer Recherche. Es ist ein abenteuerlicher Stoff, aus dem Netflix mühelos mehrere Serien machen könnte.
4. Donald Trump verklagt jetzt auch CNN (faz.net)
Nachdem das Wahlkampfteam des US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump bereits “Washington Post” und “New York Times” verklagt habe, ziehe es nun juristisch gegen den Fernsehsender CNN zu Felde. In der Klageschrift sei von einer “verleumderischen Berichterstattung” die Rede.
5. Warum das Urteil veröffentlicht werden darf (lto.de, Martin W. Huff & Pia Lorenz)
Der Ehemann der Bundesministerin Franziska Giffey (SPD) wollte die Veröffentlichung eines Urteils verhindern, das ihn wegen Arbeitszeit- und Reisekostenbetrugs aus dem Beamtenverhältnis entfernte. Er blieb damit erfolglos: Das Verwaltungsgericht habe das Urteil veröffentlichen dürfen, so die aktuelle Entscheidung des Gerichts. Martin W. Huff und Pia Lorenz schreiben über die Hintergründe der Causa Giffey und erläutern, wie es zu dem Urteil kam.
6. Ich liebe TikTok, und ich werde mich nicht dafür entschuldigen (uebermedien.de, Gabriel Yoran)
Gabriel Yoran erklärt in seiner Glosse anhand einiger praktischer Beispiele, warum er die chinesische Video-App TikTok so liebe: “Ich kann problemlos stundenlang TikTok gucken, und ich werde mich nicht dafür entschuldigen.”
1. Wohldosierte Panikmache (deutschlandfunk.de, Samira El Ouassil, Audio: 5:03 Minuten)
Samira El Ouassil beschäftigt sich in ihrer Deutschlandfunk-Kolumne unter anderem mit der medienethischen Frage, inwieweit die ständige Berichterstattung über das Coronavirus in Live-Tickern sinnvoll ist: “Tickern ist die mediale Form der Stunde. Es wird über den Virus getickert als handele es sich um ein Fußballspiel von der Dauer einer Präsidentschaftswahl. ‘Bild’, ‘Welt’, ‘Spiegel’, ‘Focus’ haben alle natürlich einen Ticker. Ja, sogar die ‘Superillu’ berichtet minutengenau über die ersten Infektionen in Brandenburg. Es stellt sich die Frage, wie sinnvoll das Vermelden jeder neuen Infektion wirklich ist, denn es vermittelt lediglich eine protokollarische Unmittelbarkeit und inszeniert eher das Informieren, als tatsächlich zu informieren.”
2. Zahlen lügen nicht (journalist.de, Carsten Fiedler)
In der empfehlenswerten Serie “Mein Blick auf den Journalismus” sprechen Mediengrößen über ihre Ideen für einen besseren Journalismus. In der siebzehnten Folge ist Carsten Fiedler zu Gast, der Chefredakteur des “Kölner Stadt-Anzeigers” und vormalige Chef des Boulevardblatts “Express”. Letzteres merkt man ihm noch etwas an: Fiedlers elf Empfehlungen tragen die Namen von erfolgreichen Popsongs.
3. Viel Brunftgebrüll (zeit.de, Daniel Gerhardt)
Als “Härtetest für die deutsche Rapszene” bezeichnet Daniel Gerhardt das Verhalten des Rappers Fler: “Wer den Einsatz von #unhatewomen schmälert oder Flers Drohgebärden verharmlost, überschreitet eine rote Linie, die nicht verhandelbar sein darf. Gerade dort, wo sich Sexismus, Misogynie, Antisemitismus und Gewaltverherrlichung vollkommen unverhohlen zeigen, ist es wichtig, sie zu benennen und dagegen vorzugehen.”
4. “Demokratie ist kein Kaufhaus” (kontextwochenzeitung.de, Susanne Stiefel)
Die Wochenzeitung “Kontext” hat sich mit der Journalistin Anja Reschke unterhalten, die bei der ARD das Magazin “Panorama” moderiert. Im Gespräch geht es um Gleichberechtigung, Antifeminismus und rechtes Gedankengut, um Freude an der Empörung und Besonnenheit.
5. Zoff um Johnsons Hausblatt (taz.de, Steffen Grimberg)
Die für ihren konservativen Grundton bekannte britische Tageszeitung “Daily Telegraph” macht wirtschaftlich schwere Zeiten durch. Die Auflage sei vergleichsweise zusammengebrochen, und das Blatt habe sich der offiziellen Auflagenkontrolle entzogen. Zu alldem sei auch noch eine Familienfehde zwischen den adligen Eigentümern entbrannt, wie Steffen Grimberg in der “taz” berichtet.
6. Fakes bei Joko und Klaas – “Wir haben Hinweise bekommen” (ndr.de, Juliane Puttfarcken, Video: 5:36 Minuten)
“Ich habe gegen meine eigenen Medienidole recherchiert.” Han Park vom Youtube-Format “Strg_F” erzählt, wie es zur Aufdeckung der gefakten Joko-&-Klaas-Videos kam. Ein angenehm unaufgeregtes Gespräch, das nachdenklich macht. Und in dem Han Park anregt, der Frage nachzugehen, was Unterhaltungsfernsehen darf und was es nicht dürfen sollte.
Vorgestern ist im hessischen Volkmarsen ein Mann mit einem Auto in eine Menschenmenge gefahren, die sich gerade den örtlichen Karnevalsumzug angeschaut hat. Die Polizei geht davon aus, dass der 29-Jährige dies mit Absicht getan hat. 61 Menschen wurden verletzt.
Bereits kurz nach der Tat bat die Polizei in einer Pressemitteilung darum, zu den Vorkommnissen “keine ungesicherten Meldungen weiter zu verbreiten”. Diese Bitte des Polizeipräsidiums Nordhessen war noch keine Stunde online, da lief schon die erste “Bild live”-Sondersendung. Moderator Moritz Wedel hatte Elmar Schulten am Telefon, einen Fotografen aus der Nähe von Volkmarsen. Und Schulten verbreitete in der Sendung das, was das Polizeipräsidium Nordhessen wohl als “ungesicherte Meldung” bezeichnen würde:
Natürlich haben die Leute zuerst gesagt: “Attentat! Attentat!” Aber danach sieht es nicht aus.
Aus dieser Mutmaßung, die nur auf Schultens Bauchgefühl basierte, machte die “Bild”-Redaktion gleich eine Einblendung:
Zum Geschehen in Volkmarsen folgten am Montag noch weitere “Bild live”-Sendungen. In einer davon wurde Reinhard Kubat zugeschaltet. Der Landrat des Kreises Waldeck-Frankenberg erzählte Moderatorin Anna von Bayern unter anderem:
Ich habe hinterher mit Angehörigen gesprochen, die mir bestätigt haben: Es machte, unvorstellbar für mich, “plopp, plopp, plopp”. Da ist der über die Menschen hinweggefahren.
Diese Aussage nutzte Bild.de in einem Artikel für eine Zwischenüberschrift, dievieleLeutesehrunangemessenfanden, um es vorsichtig auszudrücken:
Zwar basiert diese Zwischenüberschrift auf dem Zitat von Landrat Kubat. Aber niemand zwingt die “Bild”-Redaktion, dieses Zitat zu übernehmen, es sich zu eigen zu machen und überfahrene Menschen akustisch zu Popcorn oder Sektflaschen herabzuwürdigen.
Später in derselben Sendung schaltete die Redaktion zu “Bild”-Reporter Markus Brekenkamp, der in Volkmarsen stand. Diese Schalte verdeutlicht eine der großen Gefahren, die von “Bild live” ausgeht und die wir schon früher beobachtet haben: Die Redaktion berichtet alles, ohne über mögliche Folgen nachzudenken. In diesem Fall erzählte Brekenkamp von einem Einsatz des SEK, der hinter ihm gerade stattfinde:
Hier hat sich gerade die Lage ein bisschen geändert: Hier sind gerade mehrere Mannschaftswagen vom SEK eingetroffen. Der ganze Ort wird hier gerade abgesperrt. Im Hintergrund sieht man das vielleicht. Das sind Beamte mit Maschinenpistolen, die hier den Ort jetzt absperren. Was da genau hinter steckt, da können wir im Moment noch nichts sagen. Die sind gerade eingetroffen. Ja, spannend.
Moderatorin Anna von Bayern fragte nach:
Und wie viele sind das, SEK-Wagen, die da jetzt angekommen sind im Hintergrund?
Brekenkamp:
An der Stelle, an der ich stehe, sind es allein vier oder fünf Mannschaftstransporter. Ich kann jetzt auch nur diesen Bereich überschauen. Hier ist es inzwischen dunkel, es regnet. Also das werden wir gleich noch versuchen zu klären, was das jetzt für einen Grund hat.
In der darauffolgenden “Bild live”-Sendung ging es dann fast ausschließlich um den immer noch stattfindenden SEK-Einsatz. Anna von Bayern sagte:
Mittlerweile läuft auch ein SEK-Einsatz im Ort. Und wir wollen schalten zu Markus Brekenkamp, unserem Reporter dort, der uns davon mehr erzählen kann.
Brekenkamp erzählte:
Ja, hier sind vor gut einer Viertelstunde halt mehrere Fahrzeuge mit SEK-Beamten eingetroffen. Hier ist der komplette Ortskern inzwischen abgesperrt. Wir können im Moment noch nicht sagen, was hinter diesem Einsatz dahintersteckt. Wir wissen nur, dass hier im Ort erzählt wird, dass auch eine zweite Person heute Nachmittag eine Rolle gespielt haben soll, die nämlich dort vor Ort gefilmt haben soll, wie der Fahrer in diese Menschenmenge gefahren ist. Was an diesen Dingen dran ist, das ist im Moment alles noch sehr, sehr unübersichtlich. Viel mehr können wir noch nicht sagen.
Anna von Bayern wollte aber mehr wissen:
Wo befinden sich die SEK-Wagen jetzt?
Brekenkamps Antwort:
Die SEK-Wagen befinden sich hier, vielleicht kann man sie sehen im Hintergrund. Hier stehen fünf oder sechs Einsatzfahrzeuge. Die Straße ist abgesperrt. Die Beamten sind vermummt und schwer bewaffnet, lassen keinen mehr durch. Und wir wissen nicht, was genau dahintersteckt.
Das reichte von Bayern aber immer noch nicht:
Wo sind die Beamten hin, die in diesem Wagen waren?
Das konnte Markus Brekenkamp nicht so richtig beantworten:
Die stehen hier vor Ort und sperren die Straße. Die anderen sind weiter in den Ortskern gegangen. Aber dort haben wir keinen Einblick mehr.
Also ab zum nächsten Reporter. Anna von Bayern:
Wir wollen einmal schalten zu Karsten Socher, der auch in Volkmarsen ist.
Der freie Fotograf Karsten Socher erzählte:
Also ich bin jetzt vermutlich auf der anderen Seite vom Kollegen. Wir sind gerade mit mehreren Kollegen hier durch Volkmarsen gelaufen und haben die Ecke gesucht, wo angeblich der SEK-Einsatz laufen soll. (…) Hinter mir ist die Straße abgesperrt, da stehen vermummte Polizisten. Die haben mir gerade gesagt, es läuft ein Polizeieinsatz. Aber mehr wird auch gerade nicht gesagt.
Und wieder fragte Anna von Bayern nach, wo das denn nun alles stattfindet:
Und wo läuft dieser Einsatz? Du sagtest, hinter Dir stehen diese Wagen.
Socher antwortete:
Also hinter mir stehen vier, fünf Beamte, vermummte. Ich kenne mich selber jetzt hier in Volkmarsen nicht aus. Aber das dürfte nicht so weit entfernt sein vom Rauhaus.
Dann war endlich Schluss mit dem Preisgeben von Details eines gerade laufenden Polizeieinsatzes.
Während der Sendung spielte die Redaktion immer wieder Videoaufnahmen ein, die die Ermittler am Tatfahrzeug zeigten. Eigentlich hatten Polizei und Rettungskräfte einen Sichtschutz aufgebaut. Der “Bild”-Kameramann hat sich aber offenbar einen erhöhten Punkt gesucht und über den Sichtschutz gefilmt:
(Alle Unkenntlichmachungen in diesem Beitrag durch uns.)
Gestern gab es in einer weiteren “Bild live”-Sendung den nächsten Tiefpunkt:
Auch wenn die Eltern der 10-Jährigen mit der Befragung ihrer Tochter einverstanden gewesen sein sollten — das bedeutet nicht, dass eine Redaktion nicht noch einmal nachdenken kann, ob man einem Kind, das einen Tag zuvor etwas Schreckliches erlebt hat, so etwas zumuten will. Das gilt auch für die vierjährige Schwester des Mädchens, die bei der Amokfahrt verletzt wurde und im Krankenhaus liegt. Von ihr zeigte Bild.de ein unverpixeltes Foto:
In der “Bild”-Zeitung von heute erklärt ein Psychologe, “welche FOLGEN” “das Erlebte für die KINDER” haben kann. Und er gibt Tipps, welche Maßnahmen Kindern anschließend helfen könnten. “Sie interviewen” und “Fotos von ihnen auf der Startseite veröffentlichen” gehören nicht dazu.
Ebenfalls in der heutigen “Bild”-Ausgabe steht, dass der Tatverdächtige kurz vor der Amokfahrt zu einer Nachbarin gesagt haben soll, dass er “bald in der Zeitung” stehe. Diesen Wunsch erfüllen ihm die “Bild”-Medien, mit Foto, sogar auf der Titel- beziehungsweise Startseite:
1. Gezielte Falschmeldungen über Amokfahrt (tagesschau.de, Patrick Gensing)
Nach der Amokfahrt von Volkmarsen gab es im Internet wilde Spekulationen über die Hintergründe. Ein gerne verwandtes, zusammenfantasiertes Narrativ: Der Täter habe einen Migrationshintergrund, es habe sich um einen islamistischen Anschlag gehandelt. Selbst mit den größten Bemühungen um Aufklärung und Information dringe man manchmal nicht in die alternative Realität mancher Nutzerinnen und Nutzer vor, so Patrick Gensing: “Einige Nutzer vertrauen einer anonymen Webseite aus dem Ausland mehr als sämtlichen Polizisten und Reportern, die vor Ort arbeiten. In Kommentaren werfen sie Polizei, Regierung und Medien vor, sie würden gemeinsam agieren und Informationen zurückhalten, um die Menschen zu belügen. So wachsen Verschwörungstheorien — und geglaubt wird nur noch das, was ins eigene Weltbild passt.”
2. Zensur und Einschränkung von Journalisten (reporter-ohne-grenzen.de)
Reporter ohne Grenzen wendet sich gegen die chinesische Zensur im Rahmen der Berichterstattung über das Coronavirus. Anfang Februar seien sogar mehrere Journalisten und politische Kommentatoren festgenommen worden. ROG-Geschäftsführer Christian Mihr: “Vollständige Transparenz und eine informierte Öffentlichkeit können verhindern, dass sich Gerüchte verbreiten und die Krise damit verschärfen. Dafür müssen Medienschaffende ungehindert recherchieren können.”
3. Wie Zuckerberg von Hass und Lügen profitiert (faz.net, Christopher Lauer)
In seinem Gastbeitrag für die “FAZ” stellt Christopher Lauer einen interessanten Vergleich an: “Wir müssen uns Mark Zuckerberg also als einen Wirt vorstellen, in dessen Restaurant sich Nazis, Rechtsextreme und Verschwörungsideologen treffen, andere Gäste bedrohen und beleidigen, sich im Restaurant zu Straftaten verabreden, der aber, statt sich seines Hausrechts zu bedienen und die Idioten einfach rauszuschmeißen, mehr Regulierung fordert. Ach so, wenn die Polizei in seiner Wirtschaft vorbeikommt und fragt, wer sich da denn letzte Woche bei ihm getroffen habe, gibt es dann auch immer nur die Antwort ‘Bitte schicken Sie uns ein internationales Rechtshilfeersuchen’. Auch die Gäste, die bei ihm beleidigt und bedroht worden sind, bekommen nichts anderes zu hören.”
4. Bitte lauter! (sueddeutsche.de, Kathrin Hollmer)
Viele TV-Zuschauerinnen und -Zuschauer würden sich regelmäßig über Probleme mit der Akustik beschweren — die Dialoge seien unverständlich, die Sprache werde von Geräuschen überlagert. Kathrin Hollmer ist dem Problem nachgegangen, das viel mit Technik zu tun hat. Bei der Verbesserung des Bildes habe es in den vergangenen Jahren große Verbesserungen gegeben, nur beim Ton scheue man anscheinend Mühe und Investitionen.
5. ARD will an verlängerten “Tagesthemen” festhalten (deutschlandfunk.de, Bettina Köster, Audio: 5:52 Minuten)
Bei ARD und ZDF gibt es Zoff: Die ARD will die “Tagesthemen”-Ausgabe am Freitag um eine Viertelstunde verlängern, was zu einer Kollision mit dem parallel im ZDF stattfindenden “Heute Journal” führt. Bettina Köster hat mit ARD-Chefredakteur Rainald Becker über den öffentlich-rechtlichen Nachrichtenkonflikt gesprochen.
6. Behauptungsjournalismus (indiskretionehrensache.de, Thomas Knüwer)
Thomas Knüwer beschäftigt sich mit dem “Behauptungsjournalismus”, der nach folgendem Prinzip funktioniere: “Ich spreche einer Person oder einem Ding eine Funktion oder Eigenschaft [zu], die sie nicht besitzt — und hoffe, dass die Leser doof genug sind, dies nicht zu bemerken.” Damit es nicht bei einer bloßen Behauptung bleibt, bringt Knüwer drei Beispiele mit: einen Beitrag aus dem “Business Insider”, ein Fundstück aus dem Düsseldorfer “Express” und einen Textauszug aus Gabor Steingarts “Morning Briefing”.
Nun ist Julian Reichelt nicht nur Medienethiker bei Twitter, sondern nebenberuflich auch noch “Bild”-Chefredakteur. Und damit verantwortlich für eine solche Überschrift, die gestern Abend im E-Paper der “Bild”-Zeitung erschienen war:
Im Artikel stand:
Die im weltoffenen Hamburg ohnehin schwache AfD beendete gestern die jahrelange Serie von Wahlsiegen.
Dazu zeigte die Redaktion die “erste Hochrechnung, Stand: 19:10”, laut der die AfD es nicht in die Bürgerschaft geschafft hatte:
Oder um es mit den Worten von Julian Reichelt zu sagen: Die “Bild”-Redaktion verkündete die Niederlage der AfD, “BEVOR es belastbare Fakten gab.” Erst nachträglich änderte sie ihre Überschrift in: “SPD-ERFOLG, DEBAKEL FÜR DIE CDU”. Im Artikel tauschte sie den oben zitierten Satz aus — dort steht inzwischen: “Die im weltoffenen Hamburg ohnehin schwache AfD musste gestern zittern.” Und die Grafik zeigt nun das “vorläufige amtliche Ergebnis”, in dem die AfD bei 5,3 Prozent liegt — und damit in der Bürgerschaft ist.
Wie stark Selbstblindheit und/oder Selbstgerechtigkeit bei Julian Reichelt ausgeprägt sind, zeigt auch ein Blick wenige Tage zurück: Nur ein paar Stunden nach den ersten Meldungen über die Schüsse in Hanau, hatten die Reporter, die in der “Bild live”-Sondersendung auftraten, keinerlei “belastbare Fakten”, mutmaßten aber schon mal, dass “Russen” hinter den Schüssen stecken, und dass das “Drogenmilieu” auch eine Rolle spielen dürfte.
Seinem Plädoyer für abwartenden Journalismus fügte der “Bild”-Chef noch ein paar Screenshots hinzu. Und er veröffentlichte einen “Nachtrag”:
Damit beweist Julian Reichelt einmal mehr seine Inkompetenz: Bei 831.715 Menschen, die in Hamburg gewählt haben, wäre es eine mathematische Überraschung, wenn die AfD nur 5,3 Prozent erreicht, sollten wirklich “211.000 Hamburger AfD gewählt” haben. Man braucht keinen Taschenrechner, um zu erkennen, dass das nicht passt.
Tatsächlich waren es rund 170.000 Wählerinnen und Wähler weniger: “Zeit Online” schreibt von “42.000 Menschen”, die die AfD bei der Hamburger Bürgerschaftswahl 2020 wählten, laut “Hamburger Morgenpost” waren es “rund 44.000 Hamburger”. Jeder von ihnen konnte bis zu fünf Stimmen auf der Landesliste frei vergeben. So kommt die deutlich höhere Anzahl an Stimmen für die AfD zustande: 211.327.
Der Chef der größten deutschen Tageszeitung ist nicht in der Lage, Wählerinnen/Wähler und abgegebene Stimmen auseinanderzuhalten.