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Social-Media-Wahlkampf, Facebooks späte Reaktion, Falsche Prioritäten

1. Wie der Wahlkampf 2021 auf Social Media geführt wird
(tagesspiegel.de)
Welche Partei postet am meisten? Was sind die am häufigsten verwendeten Hashtags? Welche Politiker haben die meisten Follower? Was sind die meistgenutzten Emojis? Der “Tagespiegel” hat zusammen mit Democracy Reporting International den Wahlkampf auf Facebook, Twitter, Instagram und Youtube ausgewertet und die Ergebnisse in interaktiven Grafiken aufbereitet.

2. “Die Sternstunden des Journalismus stehen noch bevor”
(journalist.de, Henning Kornfeld)
Otto-Kommunikationschef Thomas Voigt diskutiert im “journalist”-Interview über die Herausforderungen des Journalismus beim Thema Klima und über die Frage, wo bei Projekten wie “Now”, einer Kooperation von Otto und “Geo”, die Probleme liegen.

3. Über 100 afghanische Journalisten bitten um Hilfe
(reporter-ohne-grenzen.de)
Mehr als 100 afghanische Journalistinnen und Journalisten haben anonym über Reporter ohne Grenzen einen dringenden Appell an die internationale Gemeinschaft gerichtet. Ihr Aufruf ist mit “Der Journalismus in Afghanistan ist vom Aussterben bedroht” überschrieben. Unterzeichnet haben ihn insgesamt 103 Medienschaffende: “Wir sind afghanische Journalistinnen und Journalisten verschiedener politischer Überzeugungen und Ethnien. Einige von uns sind noch arbeitsfähig. Andere verstecken sich in Kabul oder anderswo in Afghanistan. Andere sind bereits ins Ausland geflohen oder stehen kurz vor der Ausreise. Wir alle sind gezwungen, bei diesem Aufruf anonym zu bleiben. Wir wollen nicht, dass der Journalismus in Afghanistan wie von 1996 bis 2001 ausstirbt. Die Zeit drängt.”

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4. Warum jetzt, Facebook?
(zeit.de, Lisa Hegemann)
Eine Woche vor der Bundestagswahl hat Facebook 150 “Querdenken”-Kanäle gelöscht. Der Gedanke dahinter sei richtig, aber der Weg falsch, findet Lisa Hegemann: “Wieso reagiert die Plattform erst jetzt, so kurz vor der Bundestagswahl und zu einem Zeitpunkt, an dem die Bewegung deutlich an Zulauf und Bedeutung verloren hat? Tatsächlich erinnert das Vorgehen stark an den Umgang des sozialen Netzwerks mit US-Präsident Donald Trump: Jahrelang durfte er die Community-Standards ignorieren und Falschinformationen sowie Hetze in den Newsfeed von Nutzerinnen und Nutzern hineinblasen. Erst nach dem Sturm auf das Kapitol im Januar, als er die US-Präsidentschaftswahl schon verloren hatte und sein Abgang nahe war, reagierte Facebook und sperrte ihn.”

5. “Tagesschau” revidiert Bericht über AfD
(faz.net)
Die AfD hat eine Unterlassungsverpflichtung gegen die “Tagesschau” erwirkt. Die Nachrichtensendung muss einen Bericht über das Abstimmungsverhalten der AfD-Bundestagsfraktion zur Fluthilfe nachträglich umarbeiten. Es habe der Eindruck entstehen können, die AfD-Fraktion habe gegen den Aufbau des Fluthilfefonds gestimmt, “tatsächlich hatte sie in 2. Lesung einstimmig dafür votiert.” Ein Beitrag des “Tagesschau”-“Faktenfinders”, der auf den Einwand der AfD geantwortet hatte, ist derzeit offline und werde nach Angaben des NDR überarbeitet.

6. Möbelhaus schlägt Herzzentrum? Die falschen Doku-Prioritäten des ZDF
(dwdl.de, Peer Schader)
Peer Schader erinnert die Programmzuständigen der Öffentlich-Rechtlichen daran, mehr gesellschaftsrelevante Themen aufzugreifen: “Ich hab nicht den Eindruck, dass in Mainz, München und andernorts, wo Fernsehen für die Realitäten des Jahres 2021 gemacht werden soll, schon ausreichend verstanden worden ist, wie viele Beitragszahlende sich nach einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk sehnen, der seine Prioritäten sehr viel besser zu ordnen versteht als das in den zurückliegenden Jahren der Fall war.”

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Eckstein, Eckstein, niemand wird versteckt sein

Eine momentan ganz beliebte Erzählung von Politikern der CDU und CSU geht so: Die SPD und ihr Spitzenkandidat Olaf Scholz sollen die prominenten Vertreter des linken Parteiflügels verstecken, damit diese mit ihren Ideen und Aussagen nicht Scholz’ erfolgreichen Wahlkampf torpedieren können. Das SPD-Führungsduo Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans sollen genauso wie der ehemalige Juso-Chef und heutige stellvertretende Bundesvorsitzende Kevin Kühnert also nicht in die Öffentlichkeit gelassen werden.

Gestern Abend in der “Bild-TV”-Sendung “Viertel nach Acht” hat sich “Bild”-Moderatorin Nena Schink dieser Erzählung angeschlossen:

Der eigentliche Erfolg von Olaf Scholz war doch gar nicht gestern im Triell die Leistung, nein, der eigentliche Erfolg von Olaf Scholz ist, wie er seine Leute im Griff hat. Ich meine, dass Saskia Esken die Einladung zu Anne Will ausschlug, das ist der große Erfolg von Olaf Scholz. Und das ist das, wofür man ihn loben sollte: Dass er es schafft, Enteignungs-Kevin, Versteck-mich-Saskia und den Corona-Hampelmann Lauterbach einfach zu verstecken und damit auch die linken Phantasien.

“Bild”-Chef Julian Reichelt, der ebenfalls in der “Bild-TV”-Sendung sitzt, erzählt zwar, dass Kevin Kühnert aus dem Vorwurf “ein teilweise sehr unterhaltsames Spiel” mache, indem er bei Twitter regelmäßig darauf hinweist, in welcher Talkshow er sich diesmal versteckt; aber auch Reichelt sagt:

Ich habe ja auch das Gefühl, dass das durchaus bewusst ist, dieses Verstecken von manchen Figuren, die vielleicht nicht wirklich zum sehr geschmeidigen, sehr bürgerlichen Auftritt von Olaf Scholz passen wird.

Da haben Recherche-Julian und Fakten-Hampelfrau Schink entweder so gar nicht aufgepasst und einfach nur ahnungslos irgendwas nachgeplappert. Oder sie wissen es eigentlich besser und erzählen bewusst etwas Falsches. Denn dass Saskia Esken, Norbert Walter-Borjans, Kevin Kühnert und Karl Lauterbach “einfach versteckt” werden, ist schlicht Blödsinn. Hier mal eine kleine Übersicht, nur aus dem bisher 14 Tage alten September:

Man kann die SPD und die Vertreter des linken Parteiflügels gern völlig daneben finden. Man sollte dann aber nicht irgendwelche Unwahrheiten über sie verbreiten.

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Offenlegung: Für unser Buch “Ohne Rücksicht auf Verluste” hat Kevin Kühnert das Nachwort geschrieben.

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KW 36: Hör- und Gucktipps zum Wochenende

Hurra, endlich Wochenende – und damit mehr Zeit zum Hören und Sehen! In unserer Samstagsausgabe präsentieren wir Euch eine Auswahl empfehlenswerter Filme und Podcasts mit Medienbezug. Viel Spaß bei Erkenntnisgewinn und Unterhaltung!

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1. 9/11 und Verschwörungstheorien: 20 Jahre danach
(ndr.de, Video: 23:12 Minuten)
Der Terroranschlag vom 11. September 2001 jährt sich zum zwanzigsten Mal, und in den Sozialen Medien und einschlägigen Foren werden immer noch die krudesten Theorien über den Hintergrund verbreitet. Mal soll die US-Regierung dahinterstecken, mal eine “jüdische Weltverschwörung”. Was macht das mit den Betroffenen? Und welche Verantwortung tragen die Plattformbetreiber, auf deren Seiten solche Inhalte zur Verfügung gestellt werden?

2. Wahlkampf undercover: Wie PR-Profis uns manipulieren
(ndr.de, Gesine Enwaldt & Peter Kreysler, Video: 43:40 Minuten)
Der Investigativjournalist Peter Kreysler hat sich unter falscher Flagge und mit gefakter Identität in das Innere international agierender PR-Agenturen eingeschmuggelt. Der Film zeigt, was in der Welt der Wahlkampfstrategen alles möglich ist, und entlarvt die Methoden der Meinungsmacher.

3. Welche Rolle spielen Fake News kurz vor der Bundestagswahl?
(wasmitmedien.de, Daniel Fiene & Sebastian Pähler, Audio: 59:52 Minuten)
Valerie Scholz und ihre Mit-Gründerin Katherina Klimkeit haben mit “Facts for Friends” eine Plattform ins Leben gerufen, mit der Faktenchecks attraktiver werden sollen. Scholz war bereits Ende 2020 bei “Was mit Medien” zu Gast. Bei ihrem neuerlichen Besuch erzählt sie davon, was sich bei dem Medien-Startup in der Zwischenzeit alles getan hat.
Weiterer Hörtipp: Das aktuelle “MedienMagazin” des BR zur Bundestagswahl: Was sagen die Parteiprogramme zu Medienpolitik und Journalismus? (br.de, Sissi Pitzer & Linus Lüring)

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4. Weshalb ärgern sich Datenjournalisten so über das Robert Koch Institut?
(uebermedien.de, Holger Klein, Audio: 23:10 Minuten)
In Zeiten der Pandemie interessieren uns vor allem Zahlen: Wie viele Menschen sind erkrankt, genesen, geimpft? Wie verteilen sie sich auf Deutschland? Aufbereitet wird das Zahlenmaterial meist von Datenjournalistinnen und -journalisten, die jedoch auf die Zusammenarbeit mit dem Robert-Koch-Institut angewiesen sind. Und hier gibt es dringenden Verbesserungsbedarf, wie Elena Erdmann von “Zeit Online” erklärt.

5. Thilo Mischke bei der Bild: Boulevard-Journalismus in der Kritik
(youtube.com, Pro Sieben, Thilo Mischke, Video: 7:20 Minuten)
“Skandalflut, Statistik-Tricks und steile Thesen, gebündelt in unzähligen Schlagzeilen und Onlinemeldungen”: ProSieben-Reporter Thilo Mischke hat “Bild”-Chef Julian Reichelt in dessen Redaktion besucht, um mit ihm über Boulevard-Journalismus zu sprechen.

6. Wie Influencen der Gesundheit schadet
(youtube.com, SWR3, Philipp Walulis, Video: 14:07 Minuten)
Die Welt der Influencerinnen und Influencer ist nicht nur rosarot. Auf vielen lastet ein großer Druck. Stress, Angst und Depressionen können die Folge sein. “Und wenn man nicht gerade zur deutschen Influencer-Elite gehört, wird es sogar doppelt gefährlich. Zu den psychischen Sorgen kommen ganz schnell auch finanzielle Nöte. Die Welt der Influencer hat zwei Seiten und wir erkunden heute die Dunkle”, so Philipp Walulis.
Weiterer Videotipp: BGH-Urteil zu Influencer-Postings – “ZDFheute live” spricht mit Influencerin Cathy Hummels und Anwalt Michael Terhaag über eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (zdf.de, Daniel Bröckerhoff, 25 Minuten).

7. Studio Schmitt
(zdf.de, Tommi Schmitt, Video: 30:44 Minuten)
Bonus-Tipp: In der aktuellen Folge von “Studio Schmitt” (ZDFneo) ist BILDblog-Leiter Moritz Tschermak zu Besuch. Die beiden unterhalten sich über die Ausprägung der “Bild” unter Julian Reichelt sowie die politische Stoßrichtung des Boulevardmediums und spielen zum Schluss eine Partie “Gaga-Kompositum”.

False-Balance-Debatte, Baerbock Hauptziel, Schweigers Impf-Gerede

1. Böhmermann attackiert Lanz: Wie groß ist die Gefahr der False Balance?
(rnd.de, Imre Grimm)
Bei der “Langen Nacht der Zeit” haben “Zeit”-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo, Satiriker Jan Böhmermann und ZDF-Moderator Markus Lanz über “Macht und Ohnmacht des politischen Journalismus” gesprochen. Bei einem Schlagabtausch zwischen Böhmermann und Lanz ging es um die Frage, ob man viel kritisierte Corona-Forscher wie Alexander Kekulé oder Hendrik Streeck eine breite TV-Bühne bieten soll. Dabei fiel auch das Stichwort der “False Balance”. Imre Grimm fasst die Argumentation der Gesprächspartner zusammen und ordnet das Ganze ein.

2. Viel Weißraum um Nichts – Der Streit um Annalena Baerbock und das “Bild”-Interview
(meedia.de, Tobias Singer)
“Das ist ihre Seite, Frau Baerbock” titelte die “Bild am Sonntag” vorgestern und ließ die Seite weiß. Wie es dazu gekommen war? Baerbock hatte ein Interview aus Termingründen abgesagt. Offenbar beleidigt schrieb die “BamS”: “Annalena Baerbock ist die erste grüne Spitzenkandidatin, die vor einer Bundestagswahl keine Zeit für ein Interview mit Bild am Sonntag hatte.” In seinem Kommentar entgegnet Tobias Singer: “Es gibt kein Recht auf ein Interview, auch nicht für ‘Bild’. Andere mussten da auch durch. Wenn Rezo und Tilo Jung eine Absage von Armin Laschet einfahren, dann ist das vielleicht eine vertane Chance für ein junges Publikum, aber: Es gibt kein Recht auf ein Interview.”

3. Faktenprüfer sehen Annalena Baerbock als Hauptziel von Desinformation
(zeit.de)
Nach einem Bericht des Kampagnennetzwerks Avaaz ist die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock im Vergleich zu anderen Politikern und Politikerinnen derzeit das Hauptziel von Desinformationsnarrativen im Fernsehen, in Print- und Online- sowie in Sozialen Medien. Grundlage der Auswertung seien zwischen dem 1. Januar und dem 31. August dieses Jahres erhobene Daten der Faktencheck-Redaktionen der Deutschen Presse-Agentur, der Nachrichtenagentur AFP und des Rechercheteams von “Correctiv”.

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4. Springer positioniert “Die Welt” als “Zeitung fürs Wesentliche”
(dwdl.de, Alexander Krei)
Der Springer-Konzern hat seine Tageszeitung “Die Welt” gestrafft und relauncht: “Statt für 2,80 Euro ist ‘Die Welt’ künftig für genau zwei Euro zu haben. Allerdings schrumpft auch der Inhalt: Auf regulär 16 Seiten sollen in der Zeitung die einzelnen Stücke ‘pointierter und damit kürzer’ ausfallen, gleichzeitig sollen die Struktur stringenter und die Inhalt stärker gebündelt werden, heißt es. Ein Schritt, der wohl auch als Reaktion auf gesunkene Auflagenzahlen gewertet werden kann.”

5. Dokumentarfilm “Eine andere Freiheit” mit Til Schweiger sorgt für Wirbel
(tagesspiegel.de, Christopher Stolz)
Am Wochenende wurde ein Trailer zu einem, nun ja, Dokumentarfilm veröffentlicht, in dem sich der Schauspieler Til Schweiger gegen die Corona-Impfung für Kinder ausspricht: “Für Kinder ist dieser Virus absolut harmlos. Und die Gefahr von so einer Impfung, die man nicht erforscht hat, ist ungleich höher als der Virus selber. Deswegen halte ich persönlich das für entsetzlich”. Belege für seine Behauptungen nennt er nicht. Außerdem redet Schweiger davon, dass unser Grundgesetz “mehr oder weniger” außer Kraft gesetzt sei. Der “Tagesspiegel” hat dazu einige Stimmen zusammengestellt, darunter auch die des “6-vor-9”-Kurators.

6. Der Beitragsservice und ich
(taz.de, Bert Schulz)
Bert Schulz, Leiter des Berliner “taz”-Büros, erhält eine E-Mail aus der Buchhaltung: Es sei ein Pfändungsbescheid eingegangen, im Auftrag des Rundfunks Berlin-Brandenburg. Es gehe um 888 Euro angeblich nicht bezahlter Rundfunkgebühren. Mit großem Einsatz gelingt es Schulz, die Sache klarzustellen, da flattert eine Nachforderung ins Haus. Nun soll er mehr als 1.200 Euro nachzahlen: “Mein Fall mag ein unglücklicher Einzelfall sein. Eine Häufung dummer Zufälle, die ausgerechnet mich erwischt hat. Auch der Beitragsservice teilt mir mit, man könne sich selbst nicht erklären, wie die falschen Daten übermittelt wurden – und warum keiner der Briefe zurückkam. Dennoch ist mir das alles an die Substanz gegangen, hat mich verwirrt, geärgert, verunsichert. Und ich habe mich mehrmals gefragt: Hätte ich zum Beispiel als 80-Jähriger Kraft und Nerven gehabt, den Irrtum aufzuklären?”

Das Mimimi der “Bild am Sonntag”, Edits aus dem Bundestag, Lanz-Precht

1. Mit freundlichen Edits aus dem Bundestag
(netzpolitik.org, Anna Biselli)
Beim Online-Nachschlagewerk Wikipedia können bekanntermaßen alle mitmachen, und doch stammen viele Artikel zu deutschen Bundestagsabgeordneten von einzelnen Nutzern. Das zeigen Recherchen von netzpolitik.org und Jan Böhmermanns “ZDF Magazin Royale”. Bei manchen Wikipedia-Beiträgen würden die Politiker und Politikerinnen selbst mitschreiben. Die beiden Redaktionen haben die Wikipedia-Artikel der 709 Mitglieder des Bundestags der aktuellen Wahlperiode ausgewertet. Welche Nutzer haben besonders viele Artikel von Politikern und Politikerinnen bearbeitet? Und welche Artikel wurden zu einem Großteil von einem einzigen Nutzer geschrieben? Die dazugehörige Böhmermann-Folge gibt es hier.

2. »Bild am Sonntag« druckt weiße Seite statt Baerbock-Interview
(spiegel.de)
Die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock hat eine Interviewanfrage der “Bild am Sonntag” abgelehnt. Die Wochenzeitung aus dem Hause Springer antwortete gestern mit einer fast leeren Seite und einer Fußnote voller Mimimi.

3. Eva Schulz: “Wir saßen hier auf heißen Kohlen”
(dwdl.de, Senta Krasser)
Für das Format “Nahaufnahme” hat sich Senta Krasser mit der Politikjournalistin Eva Schulz getroffen, dem “Postergirl des Digitaljournalismus”, wie Schulz unlängst in einer Talkshow angekündigt wurde. Eva Schulz betreibt bei funk den Kanal “Deutschland3000 – ‘ne gute Stunde mit Eva Schulz”. Im ARD-Format “Der Raum mit Eva Schulz” sperrt sie vier Menschen mit verschiedenen Meinungen in einen Raum und lässt sie nur wieder raus, wenn sie zusammen spielen, statt gegeneinander zu kämpfen. Was macht ihren Erfolg aus? Und warum geht Armin Laschet zu ihr und nicht zu Rezo?

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4. Red-Bull-Boss Mateschitz startet Medienprojekt “Der Pragmaticus”
(meedia.de)
Der österreichische Milliardär und Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz hatte bereits vor Jahren ein (mittlerweile abgewickeltes) Medienprojekt namens “Addendum” gestartet. Nun unternimmt Mateschitz, dem von vielen Seiten Nähe zum Rechtspopulismus vorgeworfen wird, einen neuen Anlauf. Die Online-Plattform “Der Pragmaticus” wolle ab sofort Expertinnen und Experten Raum geben, abseits von tagespolitischen Debatten in einem großzügigen Umfang ihre Inhalte “unverfälscht” zu publizieren. Das dazugehörige monatliche Printmedium soll eine Auflage von 200.000 Exemplaren haben.

5. Späti statt Regierungsviertel
(taz.de, Emeli Glaser)
Anlässlich der Bundestagswahl gibt es jetzt zwei politische Interview-Formate, die speziell junge Menschen ansprechen sollen: “Ich würde nie …” von Deutschlandfunk Nova und “Kreuzverhör – deine Wahl? von funk. Emeli Glaser hat aufgeschrieben, was ihr an den Formaten gefällt, aber auch was ihr missfällt: “Ähnlich wie bei anderen Politiker:innen-Talks bleibt leider auch bei den jungen Formaten das Gefühl, nicht schlauer herauszugehen, als man gekommen ist – abgesehen von randomisierten Fakten aus dem Privatleben des Gastes. Aber vielleicht liegt das ja am Ende gar nicht nur an den Talks. Sondern auch an den Politiker:innen.”

6. Stimmt’s oder hab ich recht?
(sueddeutsche.de, Corlenius Pollmer)
Wenn sich zwei äußerst erfolgreiche Medien-Promis wie Markus Lanz und Richard David Precht für einen Podcast zusammentun, sind die Erwartungen hoch. Cornelius Pollmer war nach dem Anhören der ersten Folge eher ernüchtert: “Ist alles nicht falsch, was Lanz und Precht sagen, aber es gibt Mitfahrgelegenheiten, da wird man ähnlich gut unterhalten.”

KW 35: Hör- und Gucktipps zum Wochenende

Hurra, endlich Wochenende – und damit mehr Zeit zum Hören und Sehen! In unserer Samstagsausgabe präsentieren wir Euch eine Auswahl empfehlenswerter Filme und Podcasts mit Medienbezug. Viel Spaß bei Erkenntnisgewinn und Unterhaltung!

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1. Wie krass manipuliert die ARD?
(uebermedien.de, Holger Klein, Audio: 36:00 Minuten)
Die Öffentlich-Rechtlichen haben kurz hintereinander für zwei Aufreger gesorgt: Das WDR-Wissensmagazin “Quarks” hat in einem zweifelhaften Parteien-Ranking die FDP zunächst als Top-Klimaretter eingestuft, dann aber mehr oder weniger willkürlich herabgestuft. In einem Nachrichtenbeitrag des MDR-“Sachsenspiegel” wurde das “Bild”-Logo von einem Mikrofon retuschiert. Holger Klein hat sich mit dem Medienkritiker Stefan Niggemeier über die beiden Vorgänge unterhalten, die wahrlich keine Glanzleistungen der öffentlich-rechtlichen Sender waren und sogar gefährliche Folgen haben könnten.

2. Noise, Folge 1: Bild im Bild – Wenn Boulevard Politik macht
(noise-podcast.podigee.io, Audio: 32:50 Minuten)
Von den Machern und Macherinnen der erfolgreichen Podcast-Produktion über Ken Jebsen (“Cui Bono – WTF happened to Ken Jebsen“) gibt es einen neuen Mehrteiler, von dem die erste Folge nun online ist: Bei “Noise” geht es im Wortsinn um Lärm. Um medialen Lärm, der oft aus Falschinformationen, Irreführungen, Desinformation und “Fake News” besteht. In der ersten Episode geht es um den schädlichen Einfluss der “Bild”-Medien auf die Gesellschaft. Als Experten kommen der ehemalige und der jetzige BILDblog-Leiter zu Wort.

3. Kunstfreiheit! Müssen wir die Kunst von den Kunstschaffenden trennen?
(zdf.de, Salwa Houmsi & Stefan Münker, Video: 37:32 Minuten)
Bei dem TV-Format “13 Fragen” wird eine Diskussion über ein strittiges Thema auf ein Spielfeld verlagert: Auf aufgemalten Feldern stehen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gegenüber, können sich aber während der Debatte noch stärker voneinander weg- oder aufeinander zu bewegen. In der aktuellen Folge geht es um die schwierige Frage, ob wir Kunst von Künstlerinnen und Künstlern, die sich etwas zu Schulden haben kommen lassen, unsere Aufmerksamkeit entziehen sollten, oder ob man Kunst und die Person dahinter trennen sollte.

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4. Made to Measure: Eine digitale Spurensuche
(ardmediathek.de, Moritz Riesewieck & Hans Block & Cosima Terrasse, Video: 44:18 Minuten)
Vorbemerkung: Der verlinkte Film enthält laut Warnhinweis “Szenen, die für Zuschauer:innen, die an Depressionen oder an einer Essstörung leiden sowie für Menschen in labilen Zuständen möglicherweise belastend sein können”.
Ist es möglich, alleine anhand der persönlichen Google-Daten einer Person ihre Doppelgängerin zu erschaffen? Ihre Persönlichkeit, Verhaltensmuster und verborgenen Wünsche zu rekonstruieren? Zusammen mit einem ehemaligen Youtube-Entwickler, einem Google-Marketer, einer Expertin für personalisierte Werbung sowie mehreren Datenschützerinnen und -schützern geht “Made to Measure” der Frage nach, welche Potenziale und Risiken in der algorithmischen Persönlichkeitsermittlung und Verhaltensvorhersage stecken.

5. Bilanz: Falsche Prophezeiungen zu Corona
(ardaudiothek.de, Tagesschau Faktenfinder, Michail Paweletz & Carla Reveland, Audio: 32:02 Minuten)
Im “Faktenfinder”-Podcast der “Tagesschau” geht es um die falschen Prophezeiungen aus dem Umfeld der Corona-Leugner, “Querdenker” und Verschwörungsideologen: Was davon ist nach anderthalb Jahren übrig geblieben? Wie konnte es passieren, dass sich Leute wie Attila Hildmann immer mehr radikalisierten? Unter anderem darüber sprechen Moderator Michail Paweletz, Faktenfinderin Carla Reveland und “Tagesspiegel”-Redakteur Sebastian Leber.

6. Warum Disney es keinem recht machen kann
(youtube.com, Philipp Walulis, Video: 12:19 Minuten)
Der Disney-Konzern will für familientaugliche und harmlose Unterhaltung stehen, in den alten Filmen stecken jedoch einige rassistische Karikaturen und überkommene Klischees. Der Konzern ist sich dessen auch bewusst und verspricht Aufklärung und Verbesserung. Das Walulis-Team hat sich angeschaut, was davon zu halten ist: “Wird Micky Maus jetzt zum Social Justice Warrior, oder ist das nur woke PR-Propaganda? Wir haben genauer hingesehen, warum der Wandel schleppend läuft.”

Zurückgelassen in Kabul, Kein Sack Reis, Deutscher Klimajournalismus

1. Zurückgelassen in Kabul
(reporter-ohne-grenzen.de)
Gestern hat die US-Armee ihre letzten Einsatzkräfte aus Afghanistan abgezogen. Nun wird die Bedrohungslage für Journalistinnen und Journalisten vor Ort immer größer, so Reporter ohne Grenzen. Die Organisation fordert die Bundesregierung auf, eine Grundsatzentscheidung für Visa für in Drittstaaten gestrandete, bedrohte Medienschaffende zu treffen, anstatt weiterhin nach Einzelfällen zu entscheiden.
Weiterer Lesehinweis: “Nach dem Abzug der letzten US-Soldaten mussten auch zahlreiche Journalistinnen und Journalisten in Afghanistan zurückbleiben. Er wisse von Fällen, die nun ‘von Haus zu Haus fliehen’, sagt der Journalist und Afghanistan-Kenner Marc Thörner im Deutschlandfunk. Diejenigen, die noch arbeiten, würden versuchen, “tastend weiterzumachen”.

2. “Es wird erst dann interessant, wenn man Widersprüche akzeptiert”
(journalist.de, Thilo Komma-Pöllath)
Die freie Journalistin und Umweltaktivistin Leonie Sontheimer und der journalistisch ausgebildete Sprecher des Lobbyverbands der deutschen Gaswirtschaft, Charlie Grüneberg, diskutieren über das Selbstverständnis im deutschen Klima­journalismus. In dem Interview steckt mehr drin als der Streit um Wahrheit und Deutungshoheit. Es liefert Stoff für eine gesellschaftliche Debatte, der man sich in den nächsten Jahren kaum entziehen können wird.

3. Kein Sack Reis in China umgefallen
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Stefan Niggemeier schreibt in einer Glosse über ein merkwürdiges Genre im Politikjournalismus: Die Berichte darüber, “dass wichtige Parteimenschen exakt das sagen, was von ihnen in dieser Situation erwartet wird”.

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4. Wenn Influencerinnen Politik machen
(deutschlandfunk.de, Michael Meyer, Audio: 5:25 Minuten)
In Sachen Politik halten sich Influencerinnen und Influencer in Deutschland in der Regel eher zurück. Es gibt jedoch auch Instagram- und Youtube-Größen, die sich im weitesten Sinn politisch betätigen, darunter Louisa Dellert und Marvin Neumann. Der Politberater Martin Fuchs unterstreicht und relativiert den Einfluss dieser Personen: “Das heißt also, diese Multiplikator*innen sind schon nicht uninteressant für Parteien. Man muss aber das Big Picture sehen: Und da sind die jungen Wähler*innen eine vernachlässigbare kleine Gruppe, die nicht ganz entscheidend im Fokus der Parteien steht.”
Weiterer Lesehinweis: Ab heute gibt es beim Deutschlandfunk in einem Live-Blog Neues zur Bundestagswahl in leichter Sprache.

5. Der “80 Prozent-Corona-Tote”-Fake: Häussler distanziert sich von “falscher” Welt-Schlagzeile
(volksverpetzer.de, Thomas Laschyk)
Die “Welt” titelte online, dass 80 Prozent der Covid-Toten wohl nicht an Corona gestorben seien. Auf Anfrage distanzierte sich ihre Quelle von der Aussage: Diese Überschrift sei “in ihrer Allgemeinheit falsch und würde von uns niemals so vertreten werden.” Thomas Laschyk hat am Ende seiner Ausführungen einen Tipp für alle Experten und Expertinnen, die ähnliche Anfragen von der “Welt” bekommen: “Das sollte eine Lehre für alle Wissenschaftler:innen sein, sich nicht von der WELT für deren skrupellose Profitmache einspannen zu lassen, die gerade jetzt vor einem Delta-Winter mit weiterhin vielen Ungeimpften für viele ihrer neuen (und alten) Leser:innen tödlich enden kann.”

6. Ist das so okay für dich?
(taz.de, Emeli Glaser)
“In­ti­mi­täts­ko­or­di­na­to­r:in­nen sorgen dafür, dass der Dreh respektvoll und einvernehmlich verläuft, wenn sich Schau­spie­le­r:in­nen vor der Kamera körperlich nahekommen müssen. Denn bei schlechter Kommunikation oder unsensiblem Verhalten können Traumata entstehen. Und das passiert beim Dreh häufiger, als man vielleicht vermuten würde.” Emeli Glaser berichtet über einen Berufsstand, der sich mit dem wachsenden Bewusstsein für die Problematik auch in Deutschland allmählich etabliert.

“Bild” entdeckt plötzlich Laschets “Wahlkampf-Turbo”

Vergangene Woche hat die “Bild”-Redaktion entdeckt, dass der Twitter-Kanal “WDR aktuell” eine Aussage Armin Laschets zumindest verzerrt wiedergegeben (und später “klargestellt”) hat, dass die WDR-Sendung “Monitor” einen Beitrag gebracht hat, in dem sie zeigt, dass Laschet als Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen “beim Klimaschutz eher auf der Bremse steht”, und dass der ARD-“Faktenfinder” eine Aussage des Union-Kanzlerkandidaten (“Wir dürfen die Fehler von 2015 nicht wiederholen”) kritisch auf deren Inhalt überprüft hat. Und schon witterte “Bild” eine große ARD-übergreifende Verhinderungskampagne:

Ausriss Bild-Zeitung - Mit Falsch-Behauptung und Negativ-Berichten - Wollen ARD-Sender Laschet als Kanzler verhindern?

Mit den Aussagen “Wahlkampf ist Sache der Parteien, nicht des öffentlichen Rundfunks” und “Der WDR entwickelt sich vom Rot-Funk zum Grün-TV” konnte die “Bild”-Redaktion sogar Unterstützung aus der Politik für die eigene These zur Anti-Laschet-ARD einsammeln (mehr Politiker kamen im “Bild”-Artikel nicht zu Wort). Das eine Zitat stammt von einer CDU-Politikerin, der die Kritik an ihrem Spitzenkandidaten offenbar nicht schmeckt, das andere von einem CSU-Politiker, dem die Kritik an seinem Spitzenkandidaten offenbar nicht schmeckt. Überraschung.

Aber wie sieht’s denn bei der “Bild”-Berichterstattung über Armin Laschet aus?

Da gab es am Samstag einen interessanten Vorgang. Kurz nach Ende des Wahlkampfauftakts von CDU und CSU in Berlin, erschien auf der Bild.de-Startseite dieser Artikel:

Screenshot Bild.de - Wahlkampfauftakt der Union! Laschet-Rede sollte den Turbo zünden - Er hat's versucht ... - Er gibt Flut und Corona die Schuld für miese Umfrage-Werte

Laut “Gnutiez”, einer Seite, die Änderungen von Überschriften verschiedener Medien trackt, soll die Schlagzeile zuvor noch schärfer gewesen sein:

LASCHET-REDE SOLLTE TURBO ZÜNDEN
Netter Versuch

Dazu hieß es im Artikel:

Schafft CDU-Chef Armin Laschet (60) noch die Wende? Auch nach seiner Rede bleiben Zweifel.

Der gesamte Beitrag verschwand dann plötzlich und ohne irgendeinen Hinweis von Bild.de. Wer die URL heute aufruft, sieht keinerlei Inhalt. Stattdessen erschien auf der Bild.de-Startseite ein neuer Artikel. Und auf einmal konnte Armin Laschet laut “Bild”-Redaktion doch den “Wahlkampf-Turbo” zünden:

Screenshot Bild.de - Laschet zündet mit Merkel und Söder den Wahlkampf-Turbo - Kanzlerkandidat fordert Anti-Links-Schwur von SPD

Noch einmal etwas später übernahm dann “Bild”-Parlamentsbüroleiter Ralf Schuler die Deutungshoheit zum Laschet-Auftritt:

Screenshot Bild.de - Wahlkampf-Auftakt der Union - Markus Söder hat keinen Bock auf Opposition Armin Lascher Ich werde kämpfen - Zwei Fäuste und kein Halleluja

Und weil das vielleicht doch etwas zu kryptisch war (zumindest wir rätseln noch immer, ob ein ausbleibendes “Halleluja” nun was Positives oder Negatives ist), schob die Redaktion auch hier noch mal eine Überarbeitung nach:

Screenshot Bild.de - Wahlkampf-Auftakt der Union - Armin Laschet - Ich werde kämpfen

Und so wurde innerhalb kürzester Zeit auf der Bild.de-Startseite aus dem “netten Versuch” Laschets, der angeblich Flut und Corona als Ausreden nutzte, ein kämpferischer Union-Spitzenkandidat mit “Wahlkampf-Turbo”. Wir haben beim “Bild”-Sprecher nachgefragt, warum der Laschet-kritische Artikel gelöscht wurde, haben bisher aber keine Antwort erhalten.

Eine besondere Nähe zwischen Armin Laschet und dessen Wahlkampfteam auf der einen Seite und der “Bild”-Redaktion auf der anderen konnte man übrigens sechs Tage zuvor beobachten. Der stellvertretende “Bild”-Chefredakteur Paul Ronzheimer schrieb bei Bild.de über “Laschets Plan für Afghanistan”, veröffentlicht um 18:42 Uhr. Erst 43 Minuten später, um 19:25 Uhr, veröffentlichte auch Laschet diesen Plan bei Twitter – interessanterweise mit demselben Rechtschreibfehler wie im Ronzheimer-Artikel. Man fühlte sich beim Lesen an die verräterischen Fehler beim Abschreiben in der Schule erinnert. Oder anders gesagt: Das Laschet-Team muss den Afghanistan-Plan vorab an die “Bild”-Redaktion gegeben haben. Nur zur Erinnerung: Seit Juni dieses Jahres gehört Tanit Koch, Ex-“Bild”-Chefredakteurin, zu Armin Laschets Beraterteam.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

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“#DankeBild ihr werdet immer besser”

Nach einem Telefonat mit einem ranghohen AfD-Politiker twitterte Martin Schmidt, Korrespondent im ARD-Hauptstadtstudio, vor zwei Wochen:

Screenshot eines Tweets von Martin Schmidt - Sie sagen, sie wollen mit uns nichts zu tun haben, sind aber unsere besten Wahlkämpfer, kostenfrei. Ob Corona, Migration, Klima: bei jedem Thema! Läuft für uns! Sagt mir eines der ranghöchsten Mitglieder der AfD kürzlich am Telefon über die Bild-Zeitung.

Eine solche Geschichte kann der “Bild”-Redaktion und vor allem “Bild”-Chefredakteur Julian Reichelt nicht gefallen. Immer wieder betont Reichelt, wie “schrecklich” er die AfD finde. Zum Vorwurf, “Bild” sei der verlängerte Arm der AfD, sagt er, dass dies “eine Unverschämtheit” sei: “Man kann das nur dann behaupten, wenn man bereit ist, Fakten schlichtweg zu ignorieren.” Und jetzt erzählt die AfD, wie toll und hilfreich sie die Berichterstattung von Reichelt und dessen Team findet?

“Bild”-Meinungschef Filipp Piatov versuchte dann auch gleich, Martin Schmidts Geschichte zu diskreditieren. Bei Twitter schrieb Piatov:

Screenshot eines Tweets von Filipp Piatov - Der ÖR entfernt sich politisch immer weiter von der Bevölkerung und diffamiert jeden, der das kritisiert, als rechtsextrem. Davon profitiert nur die AfD. Ein 3-jähriger Junge neulich im Zug, Applaus im Abteil

Piatovs offensichtlich ausgedachte Erzählung soll wohl zeigen, dass er auch Schmidts Tweet für erfunden hält. In Sozialen Medien liest man häufiger den Vorwurf, das sei jetzt aber eine “Geschichte aus dem Paulanergarten”, also unwahr. “Bild”-Chef Reichelt retweetete Piatovs Tweet.

Nur drei Tage später zeigte sich allerdings, dass die AfD von der “Bild”-Berichterstattung tatsächlich begeistert ist. Als die Redaktion auf ihrer Titelseite von Angela Merkel forderte: “KANZLERIN, wir wollen EINIGKEIT und RECHT und FREIHEIT”, gab es zahlreiche Danksagungen von AfD-Mitgliedern und -Verbänden. Die Bundestagsabgeordnete Joana Cotar schrieb beispielsweise:

Screenshot eines Tweets von Joana Cotar - Wenn es angebracht ist, muss man auch mal Danke sagen. DankeBild

Ihr Kollege im AfD-Bundesvorstand Stephan Protschka konnte es selbst kaum glauben:

Screenshot eines Tweets von Stephan Protschka - Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass ich die Bildzeitung nochmal lesen werde. DankeBild ihr werdet immer besser. Freiheit für Deutschland. Aber normal. Wird es nur mit der AfD geben. 26. September ist Zahltag!

Guido Reil, für die AfD im Europäischen Parlament, dankte ebenfalls:

“#DankeBild” gilt immerhin bezogen auf aufrüttelnde Berichte gegen Gruppenvergewaltigungen und Mädchenmorde

Auch von der Berliner AfD kam ein Dankeschön an die “Bild”-Redaktion:

Besser spät als nie. #DankeBild für die Übernahme sämtlicher AfD-Positionen.

Und der AfD-Kommunalpolitiker Christian Breu twitterte:

#BILD hilft allen Menschen, die Opfer der skrupellosen Drangsalierungs- und #Lügenpolitiker geworden sind.
#DankeBILD

Neu ist die AfD-Begeisterung für “Bild” nicht. Bereits 2017, vor der vergangenen Bundestagswahl und nachdem die Redaktion ihr eigenes “BILD-Wahlprogramm” veröffentlicht hatte, jubelte Uwe Junge, damals Landes- und Fraktionsvorsitzender der AfD in Rheinland-Pfalz: “Endlich! Die BILD als Wahlkampfblatt für die AfD! Unser Programm in BILD veröffentlicht!” Und auch die Bundespartei stellte zum “Bild”-Wahlprogramm fest: “Hallo @BILD, nahezu ALLES hier findet sich im #AfD-Wahlprogramm!”

Mit ihrer aktuellen Berichterstattung findet die “Bild”-Redaktion übrigens nicht nur Anschluss bei der AfD. Auch in den Telegram-Kanälen vieler Verschwörungserzähler wird sie gelobt. “Spioniker” schreibt zum Beispiel: “Hammer, was die BILD jetzt raushaut! Ich glaube, der kritische Punkt ist erreicht!” und konstruiert aus der gelben Hintergrundfarbe eines Artikelbanners bei Bild.de mit Hilfe des des Flaggenalphabets, wo die Farbe Gelb für das Q steht, eine Verbindung zu QAnon. Michael Wendler sieht “Bild” als einen möglichen “Gamechanger”. Und Eva Herman empfiehlt ein Video von “Bild TV” (“Der Staat hat kein Recht mehr, zu regulieren, wie wir leben”). Die Protagonisten darin: Julian Reichelt und Filipp Piatov.

Mehr über das Verhältnis von “Bild” und AfD schreiben wir übrigens in unserem Buch “Ohne Rücksicht auf Verluste”, vor allem im Kapitel “‘Das wird man ja wohl noch sagen dürfen’ – ‘Bild’ und Rechtspopulisten”. Alle Infos dazu hier.

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Apples umstrittene Überwachung, Medien in Russland, Hessenaufteilung

1. Darum kritisieren Journalistenverbände Apple
(deutschlandfunk.de, Jan Rähm, Audio: 6:13 Minuten)
Apple plant im Rahmen der “Child-Safety”-Initiative die Überwachung von iPhones und iPads, um Abbildungen von sexualisierter Gewalt gegen Kinder zu entdecken. Wie genau funktioniert das? Und was ist technisch das Problem, an dem sich jetzt die Kritik entzündet? Wie lautet die konkrete Kritik, unter anderem von Journalistenverbänden? Und ist die Kritik berechtigt?

2. Parlamentswahl ohne Pressefreiheit
(reporter-ohne-grenzen.de)
Vor dem geplanten Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin kritisiert Reporter ohne Grenzen die massiven Einschränkungen für unabhängige Journalistinnen und Journalisten in Russland: “Die Staatsmacht in Russland geht zielgerichtet und drakonisch gegen alle vor, die Kritik üben oder einfach nur unabhängig berichten; immer mehr Kolleginnen und Kollegen müssen ihre Arbeit aufgeben oder sogar das Land verlassen. Die de-facto-Ausweisung einer angesehenen Auslandskorrespondentin ist ein alarmierendes Zeichen und zeigt vor allem eins: Bei der Parlamentswahl am 19. September haben die Menschen in Putins Russland keine freie Wahl. Bundeskanzlerin Merkel muss dafür bei ihrem Treffen mit Präsident Putin deutliche Worte finden.”

3. Nein, aus Afghanistan werden nicht nur Männer, sondern auch Frauen und Kinder evakuiert
(correctiv.org, Uschi Jonas)
Zurzeit zirkulieren Fotos, die den Eindruck erwecken sollen, es würden nur Männer aus Afghanistan evakuiert. Der “Correctiv”-Faktencheck stellt die Sache richtig: “Auf einem aktuellen Foto aus dem Inneren eines Flugzeugs der US-Luftwaffe, das Afghanen nach Kuwait evakuierte, sind Männer, Frauen und Kinder zu sehen. Es wurde manipulativ zugeschnitten. Ein anderes Foto ist bereits mehrere Jahre alt.”

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4. Zeitungsmarkt in Hessen neu aufgeteilt
(verdi.de)
Die beiden in Hessen dominierenden Zeitungsgruppen schichten ihre Tageszeitungen und Anzeigenblätter um. Die Gewerkschaft Verdi spricht von einem beispiellosen “Tauschgeschäft zur Aufteilung des Zeitungsmarktes in Hessen”. Der Medienkonzern VRM plane, den “Gießener Anzeiger”, den “Usinger Anzeiger” sowie weitere Blätter in der Region Wetterau/Vogelsberg an die Ippen-Gruppe zu verkaufen. Im Gegenzug wolle VRM von der Ippen-Gruppe das “Rüsselsheimer Echo” sowie die “Nassauische Neue Presse” in Limburg übernehmen.

5. Cytotec-Recherche gewinnt Georg-Schreiber Medienpreis und DRK-Medienpreis
(buzzfeed.de, Katrin Langhans)
Eine gemeinsame Recherche von “BuzzFeed News”, dem Bayerischen Rundfunk, “Report München” und der “Süddeutschen Zeitung” über die riskante Anwendung des Medikamentes Cytotec hat zwei Medienpreise erhalten: “Die Reporterinnen deckten auf, dass im Zusammenhang mit der Tablette in seltenen Fällen schwere Komplikationen aufgetreten waren; im Zusammenhang mit Cytotec waren Kinder unter extrem starken Wehen unter Sauerstoffmangel zur Welt gekommen, in seltenen Fällen war die Gebärmutter gerissen und es war vereinzelt zu Todesfällen gekommen. Das ging aus Gutachten, Fallstudien und Gerichtsurteilen hervor.”

6. Komprimiertes Charisma
(zeit.de, Jonas Gerding)
Wissenschaftler haben sich unter anderem mit der Frage beschäftigt, wie unsere Stimmen in Videokonferenzen wirken. Bei der elektronischen Signalverarbeitung und bei schlechtem Netz komme es zu einem Effekt, der die Stimmen von Frauen weniger charismatisch wirken lasse. Ein Problem, das sich beheben ließe, für das sich jedoch niemand verantwortlich fühle, wie Jonas Gerding erklärt.

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