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Schmerzensgeld für “Puff-Politiker”

Die “Bild”-Zeitung muss dem Bundestagsabgeordneten Gert Winkelmeier Schmerzensgeld zahlen. Dazu verurteilte das Berliner Landgericht die Axel Springer AG in der vergangenen Woche. Die genaue Summe möchte Winkelmeier nicht nennen, es handele sich aber um einen “gehobenen Betrag”, sagte uns sein Anwalt Jony Eisenberg.

Im vergangenen Februar hatte die “Bild”-Zeitung den Politiker der Linkspartei drei Tage in Folge in großen Überschriften als “Puff-Politiker” bezeichnet — weil in einem Haus, dessen Miteigentümer er war, auch Prostituierte arbeiteten.

Das Gericht sah in der “Bild”-Berichterstattung nach den Worten Eisenbergs eine “schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung” und eine “Schmähung”. Verschärfend habe es in seinem Urteil gewertet, dass “Bild” “kampagnenartig” berichtet und Winkelmeier keine Chance gehabt habe, sich zu wehren.

“Bild” macht mit Korrekturspalte auf

Hey, gleich zwei Richtigstellungen heute in “Bild”. Die eine Sache korrigiert “Bild” freiwillig, das steht klein auf Seite 2: Ein von Mäusen befallener Supermarkt liegt nicht in dem Ort Westerwald in Niedersachsen, sondern im Westerwald in Rheinland-Pfalz.

Die andere Sache korrigiert die “Bild”-Zeitung nicht freiwillig, sondern weil sie muss. Dafür steht die Richtigstellung nicht klein auf Seite 2, sondern groß auf Seite 1.

Und zwar so:

Gegendarstellung. Zu der Überschrift in Bild vom 2. 5. 2006 "Heide Simonis jetzt ins Dschungel TV?" stelle ich fest: Ich habe stets erklärt, daß ich zur Teilnahme an einer solchen TV-Show nicht zur Vergügung stehe. 2. Mai 2006 RA Johannes Eisenberg für Heide Simonis. Anmerkung der Redaktion: Frau Simonis hat stets erklärt, daß sie zur Teilnahme an einer solchen TV-Show nicht zur Verfügung stehe.

Gegendarstellung
Zu der Überschrift in Bild vom 2. 5. 2006 “Heide Simonis jetzt ins Dschungel TV?” stelle ich fest: Ich habe stets erklärt, daß ich zur Teilnahme an einer solchen TV-Show nicht zur Verfügung stehe.
2. Mai 2006 RA Johannes Eisenberg für Heide Simonis

Darunter steht folgende “Anmerkung der Redaktion”:

Frau Simonis hat stets erklärt, daß sie zur Teilnahme an einer solchen TV-Show nicht zur Verfügung stehe.

Mit anderen Worten: “Bild” muss einräumen, dass die Antwort auf die von ihr gestellte Frage “Heide Simonis jetzt ins Dschungel-TV?” bereits vorher feststand. Sie lautete: Nein.

Die Gegendarstellung ist deshalb so groß, weil auch die Überschrift, auf die sie sich unmittelbar bezieht, so groß war:

Der Artikel war Teil einer längeren Kampagne von “Bild” gegen Simonis. Bereits zwei Tage nach der Veröffentlichung hatte Simonis vor dem Landgericht Berlin eine (vorläufige) einstweilige Verfügung erwirkt, wonach “Bild” diese Gegendarstellung auf der Titelseite drucken muss. Offenbar hat “Bild” sich seitdem juristisch gegen den Beschluss gewehrt.

(“Bild” veröffentlicht solche und ähnliche Gegendarstellungen traditionell meistens samstags, weil dann die Auflage ohnehin niedriger ist als an Werktagen.)

“Bild” verleumdet Sozialarbeiterin (2)

“Im Fall der Kreuzberger Sozialarbeiterin Fatma Celik, die laut Bild-Zeitung eine von einem Schüler geschlagene Lehrerin in der taz ‘verhöhnt’ haben soll, hat das Berliner Landgericht dem Axel Springer Verlag untersagt, diese Behauptung weiter zu verbreiten. Zudem muss die Zeitung eine Gegendarstellung veröffentlichen, wie Celiks Anwalt Johannes Eisenberg gestern mitteilte.”

(Zitiert aus der “taz” vom 16.6.2006, Link von uns.)

Aus für “Puff-Politiker”

Die “Bild”-Zeitung wird den rheinland-pfälzischen Bundestagsabgeordneten Gert Winkelmeier nicht mehr “Puff-Politiker” nennen. Sie gab am vergangenen Freitag eine entsprechende Unterlassungserklärung ab. Alle Artikel über Winkelmeier sind inzwischen aus dem Angebot von Bild.de entfernt worden.

Winkelmeier wurde vor rund zehn Jahren Miteigentümer eines Hauses in Neuwied. Zu den Mietern gehörten unter anderem auch Prostituierte, die dort ihrer Arbeit nachgingen. Nachdem die Rhein-Zeitung darüber berichtet hatte, griff “Bild” den Fall groß auf. Drei Tage in Folge berichtete das Blatt — an jedem Tag stand das Wort “Puff-Politiker” in der Überschrift, meist noch mehrere Male im Artikel selbst.

Dass das unzulässig ist, stehe außer Frage, sagt uns Winkelmeiers Anwalt Jony Eisenberg. Nicht nur, weil dem Politiker keineswegs vorgeworfen werde, selbst als Zuhälter gearbeitet oder das Bordell betrieben zu haben. Sondern auch, weil es sich um eine unzulässige “Schmähung” handele, mit dem Ziel, den Mann verächtlich zu machen. Offensichtlich sei das auch “Bild” bewusst gewesen – das Blatt habe nach einer Abmahnung die Unterlassungserklärung abgegeben, ohne dass ein Gerichtsurteil nötig gewesen sei.

Die “Bild”-Zeitung darf Winkelmeier, der inzwischen die Fraktion der Linkspartei verlassen hat, also nicht mehr “Puff-Politiker” nennen. Aber sie war ja ohnehin mit ihm fertig.

Schwups III

Die “Bild”-Zeitung wird wohl auch in den nächsten Tagen ihre Seiten mit Gegendarstellungen von Menschen füllen müssen, über die das Blatt falsch oder irreführend berichtet hat. Am eindrucksvollsten dürfte eine Gegendarstellung von Umweltminister Jürgen Trittin ausfallen, die “Bild” in Schlagzeilengröße auf Seite 1 bringen muss. Eine weitere Gegendarstellung Trittins soll auf Seite 2 erscheinen.

Das Landgericht Berlin hat am Freitag nämlich den Einspruch der Axel Springer AG gegen zwei einstweilige Verfügungen zurückgewiesen. Es geht dabei (wie berichtet) um die “Benzin-Wut”-Kampagne von “Bild” gegen Trittin. “Bild” hatte die Empfehlungen des Umweltministers gegen die hohen Spritpreise (u.a.: zu sparsameren Autos wechseln, spritsparender fahren, Kraftstoffe wie Biodiesel einsetzen, ab und zu Bus und Bahn statt des Autos benutzen) auf die einzige Forderung verkürzt: “ab und zu das Auto stehen lassen”.

Das Landgericht Berlin sieht in dieser Verkürzung des Zitates eine Verletzung des Persönlichkeitsrechtes von Trittin.

An die Wiedergabe wörtlicher Zitate sind grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen. (…)

Dass der Antragsteller den Rat, ab und zu das Auto stehen zu lassen, für den Fall gegeben hat, dass Bus oder Bahn genutzt werden könne, wird dem Leser ebenso verschwiegen wie die Tatsache, dass er weitere Vorschläge unterbreitet hat, die den Antragsteller nicht mehr in einem so arroganten Licht dastehen lassen wie es nach dem Ausgangsartikel der Fall ist, in dem der Antragsteller als jemand dargestellt wird, dem die Belange der Autofahrer völlig egal sind.

Bemerkenswert ist, wie die Axel-Springer-AG in dem Prozess laut Urteilsbegründung die Verkürzung von Trittins Aussagen verteidigt hat: Aus dem Interview habe die “Bild”-Zeitung “den einzig realistischen und praktikablen Vorschlag” Trittins herausgegriffen. Sie habe Trittin durch die Verkürzung sogar “vor noch heftigerer Kritik bewahrt, weil durch die hohen Benzinpreise in finanzielle Bedrängnis geratene Autofahrer es als Hohn empfinden müssten, dass sie sich ein neues Biodiesel-Auto kaufen sollten.

Im Klartext: “Bild” hat Trittin mit dieser sinnentstellenden Berichterstattung letztlich vor sich selbst geschützt:

Wut auf Trittin / "Der soll mal SEINEN Dienstwagen stehen lassen"

Und er ist nicht einmal dankbar.

Verfolgt von “Bild”

Heide Simonis ist als Ministerpräsidentin abgewählt, hat alle politischen Ämter abgegeben, und “Bild” stellt Reporter dafür ab, zu gucken, was sie jetzt privat so macht. Ein Fotograf verfolgt sie in ein Einkaufszentrum, zur Salattheke und zum Klamotten-Anprobieren bis fast in die Umkleidekabine , wartet abends vor der Privatwohnung eines befreundeten Ehepaares und morgens mit einem Kollegen vor ihrer Wohnung und lässt auch auf ausdrücklichen Wunsch nicht von ihr ab, bis Simonis eine einstweilige Verfügung gegen “Bild” erwirkt.

“taz”-Anwalt Johannes Eisenberg über eine “Bild”-Verfolgung.

Nachtrag, 16.25 Uhr: Die “Bild”-Zeitung will nach Angaben ihres Sprechers “natürlich” Rechtsmittel gegen die einstweilige Verfügung einlegen.

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