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Pietätvoll

Heute Heute Heute Heute Heute Heute Heute? Am heutigen Mittwoch jedenfalls zeigt “Bild” das Foto vom Grab einer 2003 verstorbenen (und von “Bild” pietätvoll als “Gertrud Z.” anonymisierten) Frau, deren Leichnam jetzt offenbar von der Polizei exhumiert und obduziert werden muss, weil “Gertrud Z.” möglicherweise einem Mord zum Opfer fiel. Das “Bild”-Foto von Grab und Grabstein sieht so aus:

Ach ja: Der schwarze Balken überm Familiennamen von “Gertrud Z.” stammt nicht von “Bild”, sondern wurde von uns nachträglich hinzugefügt.

Mit Dank an Marian S. für Hinweis und Scan.

Nachtrag, 25.9.2005:
Den Ort, an dem sich das Grab befindet, haben wir nachträglich ebenfalls mit einem schwarzen Balken unkenntlich gemacht.

Behelfsmäßig

Gestern wurde in Stuttgart ein Kriminalbeamter wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt.

Um aber heute in keiner Weise an der schäbigen “Schämt Euch!”-Kampagne teilzuhaben, anlässlich derer die “Bild”-Zeitung zwölf der bundesweit über 5000 Staatsanwälte, 20.000 Richter und 270.000 Polizeibeamten mit (behelfsmäßig mit schwarzen Balken versehenen) Fotos abbildet, weil sie laut “Bild” gegen Gesetze verstoßen haben, klicken Sie bitte weder hier noch hier noch hier!

Schließlich würfe [quasi als Nachtrag, 15:20] die “Bild”-Berichterstattung hinter den Links viel mehr Fragen auf als sie Reflexe befriedigt. Zum Beispiel diese: Sind die von “Bild” zusammengetragenen zwölf “Fälle – also umgerechnet 0,004 Prozent – eigentlich viel? Handelt es sich bei jedem der von “Bild” zusammengetragenen zwölf Fälle um einen Einzelfall? Oder ist es, wie “Bild” schreibt, “kein Einzelfall”? Werden es gar, wie “Bild” einfach so behauptet, tatsächlich “immer mehr”? Und wem ist damit gedient, wenn “Bild” die zwölf “schlimmsten Beispiele” mit so einem behelfsmäßig anonymisierten Foto illustriert?

Wer darauf keine Antwort weiß, schaue sich doch stattdessen lieber ein (behelfsmäßig mit schwarzem Balken versehenes) Foto von Chefredakteur Kai D. (40) an. Auch einfach so.
 
 
 
 

English For Runaways

Es ist schon ein Fluch. Dieses ganze Internet steckt voll aufregender Geschichten, mit denen man ohne eigene Recherche sein Online-Angebot füllen kann, aber so viele davon sind in einer fremden Sprache geschrieben. Diese hier zum Beispiel:

Janet Jackson reportedly wears a penis around her neck.

The diamond-encrusted black “family jewel” – which, when pulled, is said to ‘get excited’ is said to be the singer’s favourite piece of jewellery.

Gut, das meiste an diesen zwei Sätzen sind verschiedene Arten, in der fremden Sprache “angeblich” oder “laut anonymen Quellen” zu sagen, aber dazwischen stehen spannende Wörter: “Janet Jackson”, “penis”, “jewellery” und “get exited”. Wenn man sich ein bisschen Zeit und ein Wörterbuch nimmt, müsste man daraus eine ganz schöne Bild.de-Meldung für die Rubrik “Internetklatsch” zusammenpuzzlen können.

Gesagt, getan:

Einige tragen ein silbernes oder goldenes Kreuz, andere einen Edelstein – aber einen Penis am Halskettchen?! Michael Jacksons (46) kleines Schwesterchen Janet (38) findet ihr außergewöhnliches Schmückstück total chic! (…) Das Teil soll laut Hersteller weit mehr als nur ein Hingucker sein. Angeblich läßt er die Trägerin gaaanz fürchterlich erregt werden.

Wieder reingefallen. Blöde fremde Sprache. “Erregt” wird gar nicht die Trägerin, sondern das Schmuckstück. Wenn man daran zieht. Keine Ahnung, wie man sich das vorzustellen hat, vielleicht wird es länger oder größer oder härter. Wen interessiert’s? Bild.de ja auch nicht.

(ix ist der Sache weiter nachgegangen.)

Schall & Rauch

Der bild.de-Artikel, um den es hier geht, trägt die Autorenzeile “Von THOMAS KRALICEK und VIM VOMLAND”, aber so richtig wundern würde es uns nicht, wenn sich herausstellte, dass er eigentlich von Günther Kralitscheck und Wim Womland geschrieben wurde.

Es geht darin um Reiner Calmund, der aufregende neue Fernsehpläne haben soll. Es wäre allerdings erstaunlich, wenn die Angaben des Artikels über die angebliche neue Show stimmen würden, denn im übrigen stimmt ungefähr nichts in dem Stück.

Mal abgesehen davon, dass die Casting-Show “Big Boss” mit Calmund alles andere als ein Erfolg ist (kein Wort davon bei “Bild”). Und dass das Zitat eines anonymen Pro-Sieben-Menschen, man sehe in ihm “einen Erfolgstypus”, weil der Dicke Volksnähe ausstrahle, doch nicht ganz nach einem konkreten Job-Angebot klingt. Und dass das gleiche für das Zitat des RTL-Unterhaltungschefs gilt, der gesagt haben soll: “Wir können uns mit Herrn Calmund sehr gut eine weitere Zusammenarbeit vorstellen.”

Also mal abgesehen davon, heißt der RTL-Unterhaltungschef Tom Sänger und nicht “Senger”, wie bild.de schreibt. Und der Deutschland-Chef von Endemol heißt Borris Brandt und nicht “Boris Brandt”, wie bild.de schreibt. Und die Produktionsfirma der ARD-Talkshow “Sabine Christiansen” heißt TV21 und nicht “Sabine Christiansen Production”.

Und jetzt sind wir sehr gespannt, wann der Selbstverständliche-Standards-Beauftragte bei bild.de seinen Dienst antritt und die schlimmsten Fehler korrigiert. (Ach so, und ob es die beschriebene neue Show mit “Calli” je geben wird, natürlich.)

Update, 11.25 Uhr: Sämtliche Fehler stehen auch in der gedruckten “Bild”. Und immer noch online.

Update, 14.35 Uhr: Der Selbstverständliche-Standards-Beauftragte von bild.de hat offenbar immer noch nicht seinen Dienst angetreten. Womöglich ist er mit Burn-Out-Syndrom krank geschrieben. Allerdings verbreitet inzwischen die Nachrichtenagentur ddp die “Bild” Meldung mitsamt der darin enthaltenen Fehler weiter. Das muss Chefredakteur Kai Diekmann meinen, wenn er “Bild” als “DAS LEITMEDIUM” bezeichnet: “Bild” schreibt die Fehler auf, und alle anderen schreiben sie ab.

Update, 20.10 Uhr: Ts. Alle Fehler wie gehabt. Schrecklicher Verdacht: Es gibt gar keinen Selbstverständliche-Standards-Beauftragten bei “Bild”.

Update, 9. Dezember, 0.00 Uhr: Was etwas beunruhigend ist: Der eine Autor des Fehler-Textes, Thomas Kralicek, 38, ist nicht irgendein unterbezahlter bild.de-Hilfsarbeiter, sondern neuer “Ressortleiter Show” bei “Bild”. Vorher war er bei RTL Newmedia für die People-Berichterstattung veranwortlich. RTL Newmedia ist eine Tochter von RTL. RTL ist der Laden, bei dem Tom Sänger (nicht “Senger”) Unterhaltungschef ist. Und der andere Autor des Fehler-Textes, Vim Vomland, ist auch nicht irgendein unterbezahlter bild.de-Hilfsarbeiter, sondern — laut “Bild”-Schwesterblatt “Welt” — eine “Bild”-Reporter-Legende. (Danke an Franz K. für den Hinweis!)

“Bild” klärt auf

Einer der Unterschiede zwischen der Boulevardzeitung “Bild” und der Wochenzeitung “Die Zeit” besteht darin, dass sich die “Zeit” offenbar verpflichtet fühlt, ihren Leser in der aktuellen Ausgabe mitzuteilen, dass sie in der vergangenen Woche einen Artikel über illegale Einwanderinnen mit einem nachgestellten “Symbolfoto” bebildert hatte (O-Ton “Die Zeit”: “Um ihre Anonymität zu schützen, haben wir für die Illustration (…) Fotomodels engagiert”), und darüber hinaus ankündigt, “künftig Illustrationen dieser Art präzise kennzeichnen” zu wollen, wohingegen “Bild” die “Zeit” ob dieser Ankündigung – und mit dem wohlmeinenden Hinweis “Zeitig aufklären!” – kurzerhand zum “Verlierer” des Tages macht.

Mehr zu Thema? Klicken Sie hier. Oder schauen Sie sich doch zum Beispiel bloß mal die barbusige, blonde Frau an, die auf der “Bild”-Titelseite (siehe Ausriss) quasi direkt neben der “Verlierer”-Meldung abgebildet ist und laut “Bild” behauptet, sie heiße “Eurynome”.

Was die PDS mit der HJ zu tun hat

Der heutige “Bild”-Leitartikel trägt die Überschrift:

Die PDS marschiert.

Marschiert die PDS? Sie demonstriert in vielen Städten gegen “Hartz IV” und “Sozialabbau”. Im Fernsehen sehen die Kundgebungen nicht nach “Marschieren”, geschlossenen Reihen und schweren Stiefeln aus. Warum schreibt “Bild” dann “Die PDS marschiert”? Es gibt einen bekannten Schlachtruf mit “…marschiert”. Im Horst-Wessel-Lied der Nationalsozialisten kommt die Zeile vor: “SA marschiert”. Daran erinnert die Überschrift des Kommentars von Dr. Herbert Kremp. Soll sie daran erinnern?

Er schreibt weiter:

Was für ein schräges Bild, was für eine Blamage vor aller Welt: Die PDS mit an der Spitze der Sozialangst-Demonstrationen in Berlin und Ostdeutschland. “Unsere Fahne flattert uns voran.”

Das Zitat ist keines der PDS und keines von den “Sozialangst-Demonstrationen”. Es ist aus dem Fahnenlied der Hitlerjugend:

Unsre Fahne flattert uns voran.
In die Zukunft ziehen wir Mann für Mann.
Wir marschieren für Hitler durch Nacht und Not
Mit der Fahne der Jugend für Freiheit und Brot.

Für Kremps Formulierung gibt es nur eine Interpretation: Er sieht eine Parallele zwischen der friedlich demonstrierenden PDS einerseits und den Schlägertruppen der SA und Hitlers gleichgeschalteter Jugendorganisation andererseits. Wow.

Die “Nachfolger der SED” sollen aufhören, “Sozialangst” zu schüren und sich als “die größten Anwalte des Volkes” aufzuspielen, fordert der Kommentator. Das kann man verstehen. Auf beides hätte “Bild” natürlich gerne ein Monopol.

Was Herr Kremp uns mit der Nazi-Anspielung eigentlich sagen will, ist vermutlich dies: Wenn möglicherweise nicht zuletzt wegen einer massiven “Bild”-Kampagne gegen “Hartz IV” die Menschen in Scharen der PDS zulaufen, dann ist das nicht die Schuld von “Bild”, sondern der PDS.

Mit Dank an anonym für den Hinweis!

Dirrty

“Bild” berichtet von einem “Latschenkrieg”: Britney Spears habe einen Werbevertrag mit der Schuhmarke Skechers an Christina Aguilera verloren. Die Bosse fänden, sie sei “zu sauber, zu langweilig”. Und sie habe zu viele “Skandale und Schmuddelgeschichten”. Nun gut, dass man ihr beides gleichzeitig vorwirft, ist ein bisschen unplausibel, aber der Rest der “Bild”-Meldung wird schon stimmen. Oder?

Warum [sie rausgeworfen wurde], erklärte ein Firmen-Sprecher so: „Britneys Marktwerkt sinkt – besonders nach ihren letzten Skandalen und Schmuddelgeschichten.

Das Zitat von “Bild” stammt aus dem britischen “Daily Mirror” vom Donnerstag. Dort ist die Quelle allerdings kein offizieller “Sprecher”, sondern ein anonymer “Insider”, dessen Vorwurf an Britney sich auf englisch weniger hart liest: bedraggled outings kann man auch als “verwahrloste Auftritte” übersetzen.

Aber überhaupt ist der “Mirror” vielleicht nicht die verlässlichste Quelle. Aguilera ist schon seit über einem Jahr bei Skechers als Werbemodel unter Vertrag. Neu ist nur der Start einer internationaler Kampagne unter dem Motto “Naughty and Nice”. Wobei, was heißt “neu”? Selbst diese Nachricht ist fast drei Wochen alt.

Die Geschichte vom Latschenkrieg dagegen konnte man schon im August 2003 zum Beispiel hier nachlesen. Darin steht auch, warum sich Britney und Skechers wirklich getrennt haben: Wegen eines millionenschweren Rechtsstreits.

So, und jetzt fassen wir noch einmal zusammen, was an der “Bild”-“Nachricht” stimmte.

Geisterfahrer

Womöglich hat auch ein junger Geisterfahrer, der anscheinend den Tod von drei Menschen verursacht hat, das Recht, anonym zu bleiben. Deshalb hat “Bild” in seinem Bericht auch den Nachnamen abgekürzt und einen schwarzen Balken über seine Augen gelegt.

Womöglich muss man es mit der Anonymität aber auch nicht übertreiben. Wir wissen dank “Bild” über den Mann: seinen Vornamen, den Anfangsbuchstaben seines Nachnamens, sein Alter, seinen Beruf, den Beruf seines Vaters, und wie er aussieht – der schwarze Balken reicht nicht einmal bis zu den Ohren. Was würde einem noch zur Identifizierung fehlen?

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