Wir haben unsereClickbait-TaskforcewiederfürSieklickenlassen, um herauszufinden, was sich hinter den vielversprechenden Überschriften und Teasern tatsächlich verbirgt. Dadurch können Sie Lebenszeit und Gehirnzellen sparen.
Sie musste ins Krankenhaus und die Kartoffel entfernen lassen.
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Ungeduldig sein.
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Es sind sogar fünf “krasse Geheimnisse”:
1. Im ersten “High School Musical”-Film singt Zac Efron nicht selber.
2. Die “East High School” gibt es tatsächlich.
3. “Disney” hatte geplant, einen vierten “High School Musical”-Film zu drehen.
4. Ashley Tisdale hat einige ihrer Film-Outfits selbst kreiert.
5. Für Zac Efron hatte “High School Musical” das beste Drehbuch überhaupt.
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Nein.
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Weil die Hälfte Deiner Freunde Dich eigentlich gar nicht mag.
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Beim Waffelverkauf des Schulbasars rastete sie aus und warf mit Teiglöffel und Kochmütze um sich und schrie den ersten Kunden an, der ausgerechnet der Vater ihres “EX-FREUNDES” war.
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Sie ist bereit für eine neue Beziehung.
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1. Sich verstellen
2. Den Anderen ändern wollen
3. Den Anderen für selbstverständlich nehmen
4. Seine Freunde vernachlässigen
5. Sich selbst vernachlässigen
6. Die Sache zu schnell angehen
7. Auf jeden Ratschlag hören
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Die richtige Liebeserklärung von der falschen Person.
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Killer: die plötzlich auftretende “Touch Disease” — dann funktioniert der Touchscreen nicht mehr.
Dagegen tun: hoffen, dass die “Touch Disease” nicht auftritt.
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Penisschaft mit leichtem Druck etwa in der Mitte umfassen, die Hand vorsichtig rauf und runter bewegen.
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Die “2-2-2-Regel”: Alle zwei Wochen einen romantischen Abend miteinander verbringen, alle zwei Monate einen Wochenendtrip machen, mindestens alle zwei Jahre zusammen in den Urlaub fahren.
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Sie waren nämlich kein Liebespaar, sondern beste Freunde.
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Sie hat die vielleicht längste Zunge der Welt, mit der sie womöglich bis zu ihren Augen kommt.
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Abzock-Masche: falsche Gutscheine.
Schützen: nicht anklicken.
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1. Zweisamkeit
2. Vertrautheit
3. Geheimnisse anvertrauen können
4. Stolz aufeinander sein können
5. Gefühle
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Den BH zu oft waschen.
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Umarmen.
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Kniebeugen.
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Kakerlaken.
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Nein.
Bitte. Keine Ursache.
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Übrigens: Wenn es Sie interessiert, wie erfolgreich das Clickbait der “Bravo” ist, können Sie das in manchen Fällen nachprüfen. Einfach die Short-URL nehmen, die die Redaktion hin und wieder als Link in den Facebook-Posts verwendet — zum Beispiel http://goo.gl/jWe9vN — und ein .info dranhängen. Also so: http://goo.gl/jWe9vN.info.
1. Lokaljournalismus: Es bleibt, wie es ist (blog-cj.de, Christian Jakubetz)
Christian Jakubetz kann auf eine mittlerweile drei Jahrzehnte andauernde Tätigkeit als Journalist zurückblicken. Angefangen hat alles mit einem Volontariat bei einer kleinen Tageszeitung in Niederbayern. Schon damals habe man vom Niedergang des Lokaljournalismus geunkt, doch seit 1986 habe sich nicht viel Grundlegendes geändert. Dies widerspreche ungefähr allem, was man in Seminaren und auf Panels und Blogs erfahre. Jakubetz erklärt unter Hinzuziehung von statistischen Auswertungen das Phänomen, das auch psychologischen Faktoren geschuldet sei: “Lokalzeitungs-Leser sind enorm geduldige, man könnte auch sagen: träge Kunden. Bis jemand seine Lokalzeitung abbestellt oder zur Konkurrenz wechselt, muss schon viel passieren. Mit der trägen Treue von Lesern der Lokalblätter können bestenfalls noch Banken konkurrieren… “).
2. Das ARD-Hauptstadtstudio bloggt jetzt – wir wünschen mehr Mut (netzpolitik.org, Markus Beckedahl )
Das ARD-Hauptstadtstudio hat ein Blog gestartet, um sich weiter dem Netz zu öffnen und jüngere Menschen für Politik zu interessieren. Bisher wirke das aber noch altbacken nach Fernsehen, meint Markus Beckedahl auf “Netzpolitik.org” und wünscht sich mehr Mut zum Experiment.
3. Verquere Logik der EU-Kommission beim Verleger-Leistungsschutzrecht (mobilegeeks.de, Carsten Dobschat)
Ein neuer Leak von EU-Kommissionsdokumenten (“Netzpolitik.org” berichtete) offenbart, dass die Kommission im EU-Urheberrecht weiterhin das sogenannte Leistungsschutzrecht für Verleger vorsieht. Carsten Dobschat kommentiert den Vorgang: “Jetzt könnte man natürlich sagen, dass es vielleicht helfen würde, wenn man dieses LSR handwerklich besser umsetzt, so dass zumindest der Punkt Rechtsunsicherheit nicht mehr gegeben wäre. Dann hätten wir immer noch eine dumme Idee, aber immerhin wüsste dann jeder, wie mit dieser dummen Idee umzugehen sei. Aber darauf deutet nichts hin, schließlich will die EU-Kommission die gleichen Widersprüche einbauen, unter denen schon andere Umsetzungen zu leiden haben: Denn selbstverständlich sollen Linkfreiheit und Zitatrecht unberührt bleiben. Den offensichtlichen Widerspruch dabei will man offensichtlich nicht wahrnehmen. Es bleibt dann am Ende wieder den Gerichten überlassen zu entscheiden, ob ein Zitat nun ein Zitat oder ein lizenzpflichtiger Textausschnitt oder beides gleichzeitig ist.”
4. Ex-Politiker Wolfgang Clement: „Große Verlage müssten den Ehrgeiz haben, eine wirkliche europäische Zeitung herauszubringen“ (meedia.de, Marvin Schade)
Der mittlerweile 76-jährige Wolfgang Clement war NRW-Ministerpräsident und Wirtschaftsminister und, was viele nicht wissen, in den achtziger Jahren Chefredakteur der Hamburger Morgenpost. Im Interview mit “Meedia” erklärt Clement u.a. wie Europa dem aufkommenden Nationalismus etwas entgegensetzen könne: “Wieso schaffen öffentlich-rechtliche Anstalten den europaweiten Zusammenschluss, um einen Gesangswettbewerb auf die Beine zu stellen, nicht aber eine grenzüberschreitende Kooperation, um ein oder zwei wirkliche europäische Vollprogramme über die Rampe zu bringen? Das ist in Wahrheit eine Aufgabe ersten Ranges – eine europäische Öffentlichkeit wäre die beste Antwort auf einen wieder aufkeimenden Nationalismus.”
5. Aber sie nennen sich Journalisten (taz.de, Bernhard Clasen & Anne Fromm)
Hinter manchen Journalisten verbergen sich Aktivisten, die weniger auf die Tugenden des Journalismus wie Zwei-Quellen-Prinzip und Ausgewogenheit als auf Propaganda setzen. Die “taz” berichtet über zwei prominente Beispiele: die umstrittenen Aktivisten Lejeune und Phillips, die dank scheinbar einfacher Wahrheiten bei ihren Fans gut ankommen würden.
6. Das Leben nach GNTM (sz-magazin.sueddeutsche.de, Anja Rützel)
Heidi Klum bereitet eine neue Staffel “Germany’s next Topmodel” vor. Das “SZ-Magazin” hat sich gefragt, was wohl die Teilnehmerinnen aus den vergangenen Jahren machen und “Germany´s next Toptrashkolumnistin” Anja Rützel mit der Instagram-Fahndung und rützeltypischen Betextung ihrer Fahndungsergebnisse beauftragt.
“‘Bild’ ist ein Gesamtkunstwerk”, sagte der Medienwissenschaftler Norbert Bolz vor Jahren. Doch während “Bild”-Texte und -Überschriften schon einige literarkritische Behandlung erfahren haben, steckt die kunstwissenschaftliche Würdigung der “Bild”-Bilder noch in den Kinderschuhen. Die Kolumne “Bildbetrachtung” soll hier nachbessern.
Katastrophen sind nicht schön. Die “Bild”-Berichterstattung darüber auch nicht. Viele ethische Grundsätze müssen im Kopfe von “Bild-plus”-Chef Julian Reichelt hin- und hergerollt werden: Wie leuchtet man eine Leiche richtig aus? Wo kriegen wir am schnellsten Klassenfotos der toten Kinder her? Wo wohnen die Eltern, haben wir exklusive Heulbilder?
Leo Fischer hat mit seinen 35 Jahren bereits alles erreicht: Als Chefredakteur der “Titanic” wurde er vom Papst verklagt, ein CSUler wollte ihm “die Lizenz zum Schreiben” entziehen, als Politiker holt er regelmäßig unter 0,1 Prozent der Stimmen. Aktuell schreibt Fischer für die “Titanic”, die “Jungle World”, “Neues Deutschland” und die “taz”. Fürs BILDblog untersucht er die Bildsprache der “Bild”-Zeitung.
(Foto: Tom Hintner)
Angesichts dieser komplizierten Ethik-Lage überrascht es nicht, daß “Bild” im Fall des kaputtgerummsten Städtchens Amortadella schnell handeln mußte — und statt toter Kinder ausnahmsweise eine quietschfidele Nonne vor die Kamera gebracht hat: “Ich war mir sicher, dass ich sterben würde”, sagt Schwester Mariana zu “Bild”. “Aber in dem Moment, als eigentlich schon alles vorbei war, kam eine Stimme und rief meinen Namen. Da war ich mir sicher: Gott ist da.”
Wer mag dieser Gott sein, wer hat Mariana erhört? Eventuell hält Bild.de sich selber dafür. Gottgleiche Ausmaße hat jedenfalls der angenehm fleischige Mikrofon-Dödel, der sich da von linksunten ins Nonnen-Face schraubt. Mikro-Glieder gehören bekanntlich zur Grundausstattung von “Bild”-Mitarbeitern, bei “Bild plus” dürfen es dann gerne ein paar Zentimeter mehr sein. Eine notdürftig abgeklebte Kopfwunde weckt Assoziationen an die Stigmata des Heilands bzw. eine kurz zuvor erfolgte persönlichkeitsoptimierende Schläfenlappen-Op (Lobotomie).
Im Hauptbild hingegen sehen wir die geschwätzige Gottesdienerin attraktiv auf eine Leiter hindrapiert — als wäre sie gerade frisch vom Kreuz herabgestiegen. Den Blick hochkonzentriert aufs Handy gerichtet, den Podex auf einem Stück Sackleinen kühlend, bringt das nackte Füßlein sogar etwas zarte Erotik in dieses pietà-hafte Tableau. Auf welcher App ihre glaubensstarken Augen wohl ruhen? Auf Twitter, Snapchat oder Xhamster? Oder nicht doch besser auf der “Bild”-App? Schauen, welche Mitschwestern es zwischenzeitlich zerbrezelt hat?
Das BILDblog begrüßt jedenfalls den Trend, nur mehr leichtverletzte Opfer von Katastrophen zu zeigen und die wirklich guten Splatter-Effekte schön hinter der Paywall zu verstecken. Dann wird uns beim Besuch von Bild.de auch nicht mehr ganz so schlecht.
1. Britische Medien in der winzigen Blase von Westminster (Peter Stäuber, medienwoche.ch)
Der in London arbeitende Korrespondent Peter Stäuber über den Einfluss der britischen Medien auf Politik und einzelne Politiker: “Journalisten in England treten im Umgang mit Labour-Chef Jeremy Corbyn nicht als Wachhunde der Demokratie auf, sondern als Kampfhunde. Selbst der als links geltende «Guardian» übt sich nicht eben in fairer Kritik am polarisierenden Parteichef.”
2. Ausbildung statt Ausbeutung (buchreport.de)
Kurzes Interview mit der Vorsitzenden des Vereins “Junge Verlagsmenschen” Lena Augustin, in dem es vor allem um die Rechte und die Entlohnung von Volontären in Verlagen geht: “Der Mindestlohn ist, wie es der Name schon sagt, das Mindeste. Verlage, die darunter bleiben, rechtfertigen sich mit dem Argument, Volontariate seien Ausbildungsverhältnisse. Nach unserer Ansicht ist das Volontariat aber eine Einstiegsstelle, weil wir wissen, dass viele Volontäre schon sehr schnell dieselbe Arbeit wie festangestellte Kollegen verrichten. Unser Vorschlag: Verlage könnten mit einem Gütesiegel zeigen, dass sie fair ausbilden. Das Volontariat dauert nicht länger als 2 Jahre, es gibt klar definierte Ziele und feste Ansprechpartner im Verlag – das wären zentrale Kriterien für ein solches Siegel.”
3. Verwirrung um Sky-News-Bericht über Waffenschmuggel (derwesten.de, Christine Holthoff)
Wer sagt die Wahrheit: Der britische Sender “Sky News” mit seiner Behauptung, Mafiagangs in Rumänien würden für 1.700 Euro Sturmgewehre an jedermann verkaufen? Oder die rumänische Anti-Korruptions-Behörde “Diicot”, die von einer gefakten Inszenierung spricht? Christine Holthoff berichtet über das rumänische Waffen-Verwirrspiel.
4. Aus dem Alltag eines Zeitungshändlers (rnd-news.de, Ulrike Simon)
Immer weniger Menschen kaufen gedruckte Zeitungen. Das hat meist etwas mit Medienwandel, manchmal aber auch mit Schludrigkeit und kaufmännischem Unvermögen zu tun. Auf diesen Gedanken kann man jedenfalls kommen, wenn man Ulrike Simons Kolumne liest. Der Kioskhändler ihres Vertrauens hat ihr die Misere anhand seiner Kassenzettel erläutert. Daraufhin hat sich Simon ans Telefon gehängt und den zuständigen Geschäftsführer des Pressevertriebs ins Gebet genommen.
5. Slightly More Than 100 Exceptional Works of Journalism (theatlantic.com, Conor Friedersdorf)
Conor Friedersdorf kuratiert den wöchentlich erscheinenden Newsletter “The Best of Journalism”. Für “The Atlantic” hat er die, seiner Ansicht nach, lesenswertesten 100 Stücke Journalismus zusammengestellt. Eine sensationelle (wenn auch englischsprachige) Fundgrube, die über verregnete Sommer hinweghelfen kann. Mehrere…
6. Liebe @krone_at , eure Grafik war ein wenig abgeschnitten, ich hab sie mal korrigiert (twitter.com, @sonstwer)
Die österreichische “Kronenzeitung” hat ein Diagramm der “Mindestsicherungsbezieher in Wien nach Land” veröffentlicht, das grob verfälschend ist. @sonstwer hat die Verhältnisse auf Twitter optisch geradegerückt. (zum Vergrößern auf die Vorschaubilder klicken, die von der mittigen dünnen weißen Linie getrennt werden)
1. Eines Nachts, unvermutet (faz.net, Bülent Mumay)
“Vergangene Woche wurde ich in Istanbul verhaftet. Man warf mir vor, die Putschisten zu unterstützen. Jetzt bin ich wieder auf freiem Fuß – und noch entsetzter über mein Land als zuvor.” So beginnt der erschütternde Bericht des türkischen Journalisten Bülent Mumay, der letzten Dienstag mit drei anderen Verhafteten in eine sechs Quadratmeter große Zelle gesperrt wurde. Nach drei Tagen bei Mangelernährung, Dauerlicht und ohne Bett wurde er wieder freigesetzt; der Staatsanwalt konnte trotz angestrengten Googelns und dem Besuch von Mumays LinkedIn-Profils nichts Vorwerfbares finden.
2. Die Alte Tante und ihre neuen deutschen Freunde (medienwoche.ch, Nick Lüthi)
Noch vor sechs Jahren wurde der Bedeutungsverlust der “NZZ” als Weltblatt beklagt, doch heute steht das Schweizer Blatt so stark wie noch nie da, vor allem in Deutschland. Nick Lüthi in seiner ausführlichen Analyse: “Mit seiner Refokussierung auf einen Liberalismus ohne erklärende Etiketten trifft NZZ-Chefredaktor Eric Gujer in Deutschland offenbar den rechten Zeitgeist. Auch wenn beileibe nicht alle deutschen Leserinnen und Leser die politische Haltung der Merkel-, Islam- und einwanderungskritischen NZZ-Gastautoren teilen, so gibt es unter ihnen eine mitteilungsfreudige Minderheit, welche die Essays und Kommentare als Bestätigungsprosa liest.”
3. Plattformen rücken der Podcast-Community auf die Pelle (netzpolitik.org, Markus Reuter)
Die Podcast-Szene zeichnet sich durch viele Enthusiasten aus, die mit viel Liebe und meist ohne große kommerzielle Erwartungen ihre Hörangebote ins Netz speisen. Doch nun entdecken Streaming-Plattformen wie Soundcloud, Spotify oder Audible den wachsenden Markt für sich. Markus Reuter hat die Entwicklung zusammengefasst und sich umgehört, was die Podcaster dazu sagen.
4. Merkels Presseamt beobachtet Putin-Sender “RT Deutsch” (stern.de, Hans-Martin Tillack)
Das vom russischen Staat finanzierte Webangebot “RT Deutsch” (Russia Today) konnte sich seit dem Start Ende 2014 trotz (oder wegen) oft umstrittener Beiträge eine Fangemeinde aufbauen. Zu den regelmäßigen Lesern gehört auch das Bundespresseamt, welches nach Recherchen des “Stern” fast seit Beginn mitliest, mitschaut und ggf. mitprotokolliert. Letzteres durchaus kritisch, wie die Notizen aus den Protokollen belegen.
5. Böse, verrückt oder ein Würstchen? (zeit.de, Thomas Fischer)
Der von vielen kultisch verehrte, in letzter Zeit aber auch kritisierte BGH-Richter und “Zeit”-Kolumnist Thomas Fischer (“Fischer im Recht”) antwortet auf einen Artikel in der FAZ. Wie immer im kraftvollen und metaphernreichen Fischer-Style, der dem Leser einiges an Orientierungs-, Durchhalte- und Abstraktionsvermögen abverlangt.
6. Kneipenwirte sind auch keine besseren Verleger (rnd-news.de, Ulrike Simon)
Was Ulrike Simon in ihrer Kolumne erzählt, hätte man sich als filmische Umsetzung von Helmut Dietl gewünscht: Als eine Art “Monaco Franze vom Wendland”. Eine Story um einen umtriebigen und lang gedienten Reporter, der mit einem Kneipenwirt bei Bier und Schnaps ein Magazin in hochwertiger Ausstattung erfindet (“Landluft”) und für die Beiträge einige berühmte Namen engagiert. Und sich jetzt mit seinem “Kneipenwirtverleger” auseinanderdividiert hat, um mit seinen 74 Lenzen zu neuen Ufern aufzubrechen.
In Kurzform geht das Szenario so: Keine Visafreiheit für die Türken. Die Türkei stellt “ihre Maßnahmen zur Eindämmung der Migration” ein und löst Flüchtlingslager im Süden des Landes auf. Bus-Konvois machen sich auf zum Drei-Länder-Eck Bulgarien-Griechenland-Türkei. Bulgarien lässt die Geflüchteten durch. Serbien lässt die Geflüchteten durch. Kroatien lässt die Geflüchteten durch. Slowenien lässt die Geflüchteten durch. Österreich lässt die Geflüchteten durch. Tausende Geflüchtete stehen vor der deutschen Grenze. Und dazu noch all die anderen Punkte von oben.
Kurz gesagt: Sodom und Gomorra in Europa.
Es gab mal eine Zeit, da haben sich Julian Reichelt und Kai Diekmann und einige andere “Bild”-Mitarbeitern — zumindest theoretisch — bei den vielen Flüchtlingshelfern in diesem Land untergehakt und “refugees welcome” und “Wir helfen” geschrien. Diese Zeit ist offensichtlich vorbei. Inzwischen schüren die “Bild”-Medien wiederdie Angstvor Zuwanderern.
Nun also das bedrohliche Szenario, “WENN DER FLÜCHTLINGSDEAL PLATZT”. Und diese Panikmache in einer Zeit, in der eine Versachlichung dieser komplexen weltpolitischen Lage eine der größten Leistungen von Journalisten sein dürfte.
In der Einleitung zum “BILDplus-Szenario” schreibt Bild.de übrigens:
Was wirklich passiert, wenn die Türkei ihre Drohung wahrmacht, kann niemand präzise vorhersagen. Das Szenario, das BILD hier beschreibt, ist nur eine Option unter vielen.
Die Redaktion hat sich für eine der Optionen mit den dramatischsten Auswirkungen entschieden.
Vergangenen Freitag war letzter Schultag in Bayern, und damit sind aktuell alle 16 Bundesländer in den Schulferien (wenn auch manche nur noch bis morgen). Also: Koffer packen, rein ins Auto und ab Richtung Süden brettern.
Auslöser für die Artikel ist das oben zu sehende Schild an der Autobahn 8 bei Leonberg, auf Höhe einer Wanderbaustelle: ein rot durchgestrichener Schriftzug “Navigation” und darunter die Aufforderung, für die Weiterfahrt Richtung München und Stuttgart der normalen Verkehrsbeschilderung zu folgen.
Aufgestellt hat es das Regierungspräsidium Stuttgart. Denn es zeigte sich, dass Navigationsgeräte die Auto- und LKW-Fahrer am Autobahndreieck Leonberg fälschlicherweise immer wieder auffordern, auf die linke Spur zu wechseln, wenn sie nach München weiter wollen — obwohl alle drei Spuren nach München führen. Die Folge: einige riskante Manöver über eine durchgezogene Linie, die zum Teil zu Unfällen führten.
Die “Bild”-Medien schreiben dazu:
Blindes Vertrauen aufs Navi hat auf der A8 bei Leonberg schon mehrere Verkehrsunfälle verursacht. Jetzt hat das Regierungspräsidium die Nase voll. Die Behörde hat ein Navi-Verbot verhängt!
Doch bevor jetzt die deutsche Autofahrerlobby Schaum vor dem Mund bekommt (“Jetzt wollen die da oben auch noch bestimmen, ob ich mein Navi benutzen darf oder nicht?!”): Das mit dem “Navi-Verbot” stimmt gar nicht. Der Hinweis an der A8 ist lediglich ein Vorschlag.
“Das neue Schild ist kein offizielles Verkehrszeichen und auch kein Verbotsschild, es ist ein Hinweisschild, das die Autofahrer sensibiliseren soll”, sagte gestern Matthias Kreuzinger, vom Stuttgarter Regierungspräsidium.
“’Bild’ ist ein Gesamtkunstwerk”, sagte der Medienwissenschaftler Norbert Bolz vor Jahren. Doch während “Bild”-Texte und -Überschriften schon einige literarkritische Behandlung erfahren haben, steckt die kunstwissenschaftliche Würdigung der “Bild”-Bilder noch in den Kinderschuhen. Die Kolumne “Bildbetrachtung” soll hier nachbessern.
Die Renaissance war eine Zeit der Entdeckungen, auch auf dem Gebiet der Kunst. Zentralperspektive, Fluchtpunkte, echtes 3-D ohne Brille — all diese Techniken revolutionierten das uralte Handwerk der Bildermalerei. In Florenz entdeckten Forscher den Humanismus, in Mailand die Homosexualität.
All diese Traditionen aufgreifend, jedoch durch die postmoderne Technik der bricolage ins Postmoderne transzendierend, steht die Foto-Collage “Abonnier’ mir” (unbekannter Photoshop-Meister, ca. 2015), veröffentlicht von dem Auktionshaus Bild.de. Das Gemälde ist derzeit noch ohne “Bild-plus”-Zugang erreichbar.
Leo Fischer hat mit seinen 34 Jahren bereits alles erreicht: Als Chefredakteur der “Titanic” wurde er vom Papst verklagt, ein CSUler wollte ihm “die Lizenz zum Schreiben” entziehen, als Politiker holt er regelmäßig unter 0,1 Prozent der Stimmen. Aktuell schreibt Fischer für die “Titanic”, die “Jungle World”, “Neues Deutschland” und die “taz”. Fürs BILDblog untersucht er die Bildsprache der “Bild”-Zeitung.
(Foto: Tom Hintner)
Im Vordergrund steht ein Porträt, Fachleute sprechen hier von einem “Freisteller”, der sogenannten “Fresse”. Dezent vor ein impressionistisches Wischiwaschi gesetzt, blickt uns der Bild.de-Chef interessiert und leicht erschöpft, ja gewissermaßen schon erledigt aus dem rechten Auge an, während das linke, odinsgleich geblendet oder schon von grünem Star gezeichnet, seltsam leblos nach innen sieht. Um den harten Mund des Jünglings steht eine zarte orangene Linie, evtl. von einer übereilt verzehrten Tomatensuppe herrührend. Das Dekolleté zeigt ins Ungewisse und bildet mit der rechten Geheimratsecke ein Parallelogramm; die linke Schulter ist leicht verschmiert.
Gibt schon dieses Porträtwerk Rätsel auf, irritiert seine Wiederverwendung im Bild umso mehr. Wie in einer Matroschka-Puppe steckt in dem Julian immer schon ein kleinerer Julian, der mit Piepsstimme die Abonnier-Bettelei seines großen Bruders wiederholt, und in diesem Piepmatz wiederum ein noch kleinerer Nano-Juli, und immer so weiter. Diese mise-en-abîme, “Sturz in den Abgrund”, genannte Technik war in früheren Epochen geeignet, die Omnipräsenz Gottes im Großen wie im Kleinen zu visualisieren — in einem gottlosen Universum finden wir jedoch überall nur Herrn Reichelt und seine Brustbehaarung. Wie in der Pop-Art werden auch hier Textfragmente durch Wiederholung ihrer Bedeutung beraubt; die Begriffe “Reichelt”, “Newsletter” und “Top 7” werden dem Betrachter so renitent ins Hirn gerammt, daß sich jeder Sinn, ja das Vertrauen in Sprache selbst verflüchtigt.
Was aber will der Künstler uns damit sagen? Man könnte meinen, hier habe ein Grafiker das überbordende Ego seines evtl. sogar jüngeren Chefs subtil in Frage zu stellen gesucht. Aber jenseits einer solch platt politischen Deutung erzeugt die schneckenhausartige Konstruktion des Bildes ein Gefühl tiefer seelischer Verkommen- und Verlorenheit, die über seinen tagesaktuellen Gehalt hinausreicht, und verweist auf ein allgemein-menschliches, in der Tradition antiker Herrschaftskritik stehendes memento mori, welches das leicht verzweifelte Antlitz des Burschen in die Tradition der großen Existenzialisten stellt.
Und wirklich: Konnte man dem lebensfrohen Kai Diekmann wenigstens noch abnehmen, an seinen Leichen- und Tittenfotos höchstpersönliche Befriedigung zu finden, also wenigstens ästhetisch hinter seinem Treiben zu stehen bzw. stehen zu haben, konfrontiert uns dieses “Bild”-Bild mit einem blutleeren Vertreter einer “lost generation” — ein postmoderner Anti-Held mit dem Charme eines Sparkassenazubis nach der zweiten Überstunde; ein Gott der kleinen Dinge, überfordert schon von der Frage, ob er Bild.de nun eher pro oder kontra Ausländerklatschen ausrichten soll. Wir alle finden uns in diesem Bild wieder, wir alle haben an Reichelts leicht gelüpftem Busen Platz. Vielleicht finden wir an ihm sogar Trost.
Peter Harzheim, der Präsident des “Bundesverbands Deutscher Schwimmmeister” (BDS) hat in der “Rheinischen Post” neulich folgenden Vorschlag gemacht: Man könnte doch eine gewisse Zahl Geflüchteter zu Bademeistern ausbilden.
“Uns fehlen Fachkräfte. Darum wäre es fahrlässig, diese Ressourcen nicht zu nutzen”, betonte der BDS-Chef. Außerdem könnten zum Schwimmmeister ausgebildete Flüchtlinge dazu beitragen, dass es in den Bädern seltener zu interkulturellen Konflikten kommt.
Klingt nach einer Idee, die zumindest nichts schlimmer machen würde und vielleicht ein paar Probleme im Schwimm- und Freibadalltag lösen könnte. Sprachschwierigkeiten von ausländischen Badegästen zum Beispiel.
Joachim Nikolaus Steinhöfel, unter anderem Anwalt von Akif Pirinçci und Matthias Matussek, scheint kein Unterstützer von Harzheims Einfall zu sein. Er schreibt bei “The European”:
Full disclosure: Ich bin jetzt nicht mehr dazu gekommen, abschließend zu recherchieren, ab welcher Überdosis Chlorwasser mit nachhaltigen Schädigungen des Denkvermögen zu rechnen ist. Oder beim Springen vom Beckenrand, wenn das Wasser vorher abgelassen wurde.
Aber eigentlich geht es Steinhöfel auch gar nicht um die Sache mit den möglichen neuen Bademeistern. Er will viel lieber über ein anderes Thema sprechen. Das macht er schon im Teaser des Artikels klar, direkt unter der “Mohammad”-Überschrift:
Im Text führt er weiter aus:
Was gibt es bei diesen Temperaturen schöneres, als eine sachkundig ausgeführte Arschbombe in einem öffentlichen Schwimmbad. Sie muss ja nicht unbedingt vom sympathischen Peter Altmaier demonstriert werden, dem 16-Tonner unter den Bundespolitikern. Nur muss ich da gleich etwas Wasser in den Wein kippen. Denn die Meldungen über einem enormen Anstieg sexueller Übergriffe in Schwimmbädern häufen sich. Laut Auskunft der Kriminalpolizei insbesondere Vergewaltigung und sexueller Mißbrauch von Kindern. Die Täter seien in erster Linie “Zuwanderer”, zitiert die “Bild” aus einem internen Polizeidokument.
Folgendes Problem: Es ist längst bekannt, dass der “Bild”-Artikel, auf den Steinhöfel sich bezieht, und der damit verbundene “Sex-Mob-Alarm” völliger Unsinn sind.
Dass Joachim Nikolaus Steinhöfel die “Bild”-Geschichte dennoch vor wenigen Tagen aufgreift, obwohl sie schon längst entkräftet ist, verdeutlicht das Folgeproblem an unsauberer Berichterstattung über Geflüchtete und Zuwanderer: Einmal veröffentlicht, werden die Artikel von Leuten herangezogen, die populistische Thesen in die Welt jagen wollen und die sich nicht sonderlich dafür interessieren, ob eine Meldung stimmt oder nicht, solange sie eine Quelle haben, die zur eigenen Position passt. Da kann man noch so viel richtigstellen. Mit Dank an @Sancho_P für den Hinweis!
Nachtrag, 27. Juli: Joachim Nikolaus Steinhöfel hat sich zu diesem Beitrag geäußert und führt fünf Punkte an, warum doch alles in Ordnung ist mit seinem Text:
1. Fehler in der Berichterstattung unterlaufen jedem Medium. Sogar der „Süddeutschen“, „Neues Deutschland“ und der „Frankfurter Rundschau“. Ob man das „bildblog“ hier ausnehmen muss, kann ich nicht sagen, da ich ihn in der Regel nicht lese. Es genügt in jedem Falle journalistischen Standards auch der MSM, wenn man sich zum Beleg für eine Behauptung auf andere seriöse journalistische Quellen bezieht. Diese Arbeitsweise genügt auch den rechtlichen Anforderungen an Berichterstattung im Bereich des Persönlichkeits- und Presserechts. Wenn dieselbe Tatsache in der „Bild“ und im übrigen auch in der „Welt“ veröffentlicht wird, besteht kein Anlaß, sie ohne begründete Zweifel nochmals zu überprüfen. „bildblog“ gehört nicht zur notwendigen Lektüre eines Journalisten. Ob dort tatsächlich etwas entkräftet wurde, kann man durch Zufall erfahren. Eine Recherchepflicht auf gerade diesem Medium existiert nicht. Die erkennbare ideologische Schlagseite des Blogs macht es auch in der Regel verzichtbar.
2. Die Quellen hatten den Zweck, die Zunahme an Delikten, insb. Sexualdelikten durch „Flüchtlinge“, insb. in Schwimmbädern zu belegen. Hierbei ist der Tatort Schwimmbad nachrangig, da massenhafte Sexualdelikte durch „Flüchtlinge“, egal wo verübt, grundsätzlich kein Qualifikationskriterium für die Bademeisterschaft zu sein scheinen.
3. Wenn diese Masse an Sexualdelikten von „Flüchtlingen“ aber gegeben ist, ist es für die Zielrichtung des Artikel nachrangig, ob die Quelle stimmt. Stimmt die Behauptung trotzdem, wäre eine falsche Quelle unerfreulich, aber sekundär. Denn die aufgestellte Behauptung ist wahr.
4. Öffentlich zugänglichen Quellen wie Presseberichten und Angaben der Polizei sind mindestens 747 sexuelle Übergriffe, 107 (auch versuchte) Vergewaltigungen und 600, auch sexuelle Übergriffe auf Kinder und Jugendliche durch „Flüchtlinge“ zu entnehmen.
5. Vor dem geschilderten Tatsachenhintergrund den von mir verfassten Artikel zu kritisieren, ist tatsächlich „unsaubere Berichterstattung“. Oder, um in der Terminologie des Autoren des „bildblog“ zu bleiben: Linke Hetze.
Zur Berichterstattung über das Attentat in München am vergangenen Freitag und all ihren Schwächen starteten noch am selben Abend viele Diskussionen. Sie drehten sich um grundsätzliche Fragen: Sollten Redaktionen besser erstmal abwarten, wie sich das Geschehen entwickelt, oder direkt live auf Sendung gehen? Tragen TV-Sender durch die Verbreitung von Gerüchten zu sehr zur Panik bei? Ist ein öffentlich-rechtlicher Newskanal nötig, der rund um die Uhr Nachrichten sendet und in Ausnahmesituationen schneller reagieren kann (übrigens eine Diskussion, die es schon länger gibt)?
In diesem Blogpost soll es um verschiedene Beobachtungen und ganz konkrete Beispiele gehen, in denen sich Medien unserer Meinung nach problematisch verhalten haben oder gar falsch berichtet wurde.
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Am vergangenen Freitag um 18:24 Uhr, also noch elf Minuten, bevor die Polizei München bei Twitter zum ersten Mal vor der Situation am Olympia-Einkaufszentrum warnte und darum bat, den Bereich ums OEZ zu meiden, twitterte “BR24”, das Online- und App-Team des “Bayerischen Rundfunks”:
(Den Tweet hat die Redaktion recht schnell wieder gelöscht.)
Wie hätten die nächsten Anfragen ausgehen, wenn sich jemand bei “B24” gemeldet hätte? Vielleicht: “Könntest Du mal im Einkaufszentrum nachschauen, wie es da so aussieht und für uns mit dem Handy draufhalten?”?
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Als dann die ersten Kamera-Teams und Live-Reporter am Einkaufszentrum angekommen waren, standen sie teilweise gefährlich nah am Tatort und/oder den Truppen der Polizei im Weg:
Bei RTL konnte man sogar live mitverfolgen, wie Fotografen von den Beamten weggeschickt werden mussten:
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Positiv aufgefallen ist uns am Freitagabend, dass viele Medien ohne das Zeigen von verletzten oder getöteten Menschen auskamen. Möglicherweise lag die Zurückhaltung schlicht daran, dass den Redaktionen nicht viele Fotos oder Videoaufnahmen von Opfern zur Verfügung standen. Aber es gab sie. Und Bild.de wollte nicht auf das Zeigen von Blutlachen und Toten verzichten:
(Zusätzliche Unkenntlichmachungen durch uns.)
Die Redaktion fand das Foto so zeigenswert, dass sie es in den folgenden Stunden und Tagen gleich mehrfach verwendete:
Und auch “Bild” druckte den Mann ab, der durch einen Kopfschuss getötet wurde:
Immerhin: Bild.de und “Bild” haben mindestens das Gesicht, teilweise auch den kompletten Oberkörper des Mannes verpixelt. Und dennoch ist das Zeigen dieses Fotos, ob verpixelt oder nicht, problematisch — allein schon wegen der Uhrzeit der Veröffentlichung.
Erstmals ist uns das Foto um 20:42 Uhr bei Bild.de begegnet, ganz oben auf der Seite. Gut möglich, dass es da schon einige Minuten online war. Es handelt sich also um einen Zeitpunkt, zu dem die Identifizierung des Opfers aller Wahrscheinlichkeit nach noch nicht abgeschlossen war, und somit auch die Angehörigen noch nicht informiert gewesen sein dürften. Sollten diese (wohl wissend, dass ihr Vater/Sohn/Ehemann rund ums Olympia-Einkaufszentrum unterwegs war) auf der Suche nach Informationen zum Attentat auch bei Bild.de vorbeigeschaut haben, könnten sie beim Aufrufen der Website zumindest stark verunsichert worden sein. Denn das auffällige rote Oberteil des Mannes dürften sie wiedererkannt haben.
Dass dieses Szenario nicht gänzlich unwahrscheinlich ist, zeigt diese Passage aus einem “Focus Online”-Text zum Attentat in München:
Zu Hause wartete schon ihre kleine Schwester. “Sie lag weinend auf dem Sofa.” Jetzt wird Cahuans H. klar: Nicht alle Bekannten sind in Sicherheit. Sie erfährt: Der Bruder einer Freundin wurde erschossen. Auf einigen Fotos von Augenzeugen sieht man den Jungen, er trägt einen roten Pullover. Cahuans H. berichtet von Handyanrufen, in denen die Schwester des Erschossenen ins Telefon schreit. “Er ist tot, ich habe sein Handy, er ist tot!”
Und auch der Vater des Täters hat seinen Sohn kurz nach den ersten Schüssen anhand eines wackeligen Handyvideos, das im Internet kursierte, erkannt und sich bei der Polizei gemeldet.
Völlig allein waren “Bild” und Bild.de übrigens nicht — bei “N24” sollen ebenfalls Opfer zu sehen gewesen sein:
***
Neben all diesen hässlichen Vorgängen gab es am Freitagabend und in den vergangenen Tagen auch großes Lob: für das Social-Media-Team der Polizei München. Die Beamten twitterten in der Nacht von Freitag auf Samstag sachlich, aber sehr bestimmt, sie warnten in verschiedenen Sprachen, baten um Mithilfe bei der Aufklärung der Tat und um Zurückhaltung beim Streuen von Gerüchten.
Julian Röpcke, “Political editor” von “Bild” und Bild.de, gefiel das, was die Polizei München bei Twitter veranstaltete, hingegen gar nicht:
Röpckes Kritik bezog sich auf diesen Tweet der Polizei:
Wenn also eine offizielle Stelle in einer unübersichtlichen Situation darum bittet, vorsichtig zu sein, auch wenn noch nicht ganz klar ist, ob “in der City” Gefahr besteht, macht das Julian Röpcke “*sprachlos*”.
Sein “Bild”-Kollege Björn Stritzel, mit dem Röpcke am Freitagabend zusammen an einem Text zum Attentat arbeitete, verbreitete hingegen wirklich gefährliche Gerüchte:
Gerade einmal 70 Minuten später wurde aus dem möglichen “rightwing extremist” ein möglicher Islamist:
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Das Gerücht, dass es sich bei dem Attentat um einen islamistischen Terroranschlag handeln könnte, schaffte es auch auf die Website der “Hessischen Niedersächsischen Allgemeinen”. In einem Kommentar schrieb “HNA”-Redakteur Jörg-Stephan Carl um 21:17 Uhr — als also noch nicht wahnsinnig viel über die Tat und ihre Hintergründe bekannt war:
Die Islamisten haben der ganzen Welt den Krieg erklärt. Der Fanatismus, der religiös angestachelte Allmachtswahn, die Mordlust der Dschihadisten machen vor niemandem halt. Deutschland hatte bisher weitgehend Glück, der große Anschlag war ausgeblieben. Das Glück ist aufgebraucht.
Es deutet alles darauf hin: Der islamistische Terror ist in Deutschlands Großstädten angekommen. […]
Sich gegen Terror wehren, bedeutet immer auch, ihn aushalten zu müssen. Bei allem Entsetzen, bei aller Wut auf die Täter, bei aller Trauer über die Opfer — es klingt schal nach den Ereignissen in München: Aber das normale — das freie — Leben muss weitergehen, der Islamismus darf nicht triumphieren.
Am Samstag, als klar war, dass die Tat keinen islamistischen Hintergrund hatte, veröffentlichte die “HNA” den Kommentar um 8:42 Uhr noch einmal. Die Redaktion hatte den Text umgestellt und Textteile zum Islamismus gestrichen. Unter anderem findet man im Kommentar nun diese Passage:
Nach all dem durchlittenen Terror in den Metropolen Europas beschleicht einen sofort die bange Angst: Ist der islamistische Terror auch in einer deutschen Großstadt angekommen? Am Freitagabend wusste das noch niemand. Inzwischen geht die Polizei von einem jugendlichen Einzeltäter aus.
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Am Samstag und Sonntag wurde die Berichterstattung, mit mehr Zeit für die Recherche, nicht zwingend besser. Die Redaktionen von Bild.de und “Bild am Sonntag” haben sie zum Beispiel dafür genutzt, sich Fotos der Opfer zu besorgen:
(Diese und alle weiteren Unkenntlichmachungen durch uns.)
(“Bild am Sonntag” hat die Fotos auf der Titelseite und noch ein weiteres Mal im Innern der Zeitung komplett ohne Verpixelung veröffentlicht, Bild.de mit einem sehr schmalen Balken über den Augen; inzwischen hat Bild.de die Gesichter einiger Opfer stärker verpixelt, andere zeigt die Seite wiederum ohne jegliche Verpixelung.)
Als Quelle gibt Bild.de bei den meisten Fotos “privat” an. Was in der Regel so viel heißt wie: in den Sozialen Medien zusammengeklaubt. Persönlichkeitsrechte und der Respekt vor der Trauer der Angehörigen spielen bei der Jagd nach Fotos offenbar keine Rolle.
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Bei “Focus Online” hat die Redaktion die Zeit ebenfalls genutzt und ziemlich genau recherchiert, wo die Familie des Attentäters wohnt. In einem Artikel beschreibt das Portal seinen Lesern die Lage der Wohnung in München sehr detailliert — den Straßennamen, ein Foto des Hauses, das Stockwerk, in dem sich die Wohnung befinden soll, dazu Informationen aus dem Leben der Eltern, den Beruf des Vaters. Wer die Familie irgendwann mal aufsuchen will, muss sich nur den “Focus Online”-Text schnappen (auf einen Link oder einen Screenshot der Überschrift verzichten wir bewusst).
Hoffmann: Durch sehr vorsichtige Berichterstattung. Wir raten in solchen Fällen immer: Zeigt nicht das Gesicht des Täters, nennt nicht den Namen. Er soll nicht zur “Berühmtheit” werden, sondern dem Vergessen anheimfallen. Das kann Nachahmer abschrecken. Ich fand es eine sehr gute Entscheidung, das Gesicht des Täters in dem Video zu verpixeln, das ihn beim Schießen zeigt.
Dennoch zeigen viele Onlineportale, viele Zeitungen, viele TV-Sender Fotos des Attentäters. Ein Großteil kürzt seinen Namen ab, aber nicht alle. Die massive Berichterstattung über seine Person macht ihn jedenfalls zum Star. Er bekommt für seiner Tat Aufmerksamkeit und Reichweite.
Besondere hilfreich sind dabei die “Bild”-Medien:
Bild.de veröffentlicht sogar Artikel, die sich wie Manuskripte von Actionfilmen lesen:
Er rennt durch die Nacht. In Panik. Überall Polizei. Es ist erst wenige Stunden her, da erschoss A[.] kaltblütig neun Menschen. In einer Seitenstraße bleibt er stehen. Und richtet die Waffe auf seinen Kopf…
Der Text geht in diesem Ton weiter. Viel stärker kann man eine schreckliche Tat nicht auf ein Podest heben.
Aber auch andere Blätter machen mit und packen das Foto des Täters auf ihre Titelseiten (immerhin beide mit einem schmalen Balken über den Augen):
Dass es auch anders geht, selbst im Boulevard, hat am Sonntag die “B.Z.” gezeigt: