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Schröder vs. “Bild”, Feuersteins Nachruf auf sich, Pressefreiheit

1. Gerhard Schröder will juristisch gegen “Bild” vorgehen
(dwdl.de, Timo Niemeier)
Die “Bild”-Zeitung hat ein Interview mit dem vergifteten Kreml-Kritiker Alexej Nawalny veröffentlicht, in dem dieser schwere Vorwürfe gegen Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder erhebt. Schröder sei “ein Laufbursche Putins” und habe verdeckte Zahlungen kassiert. Bei Linkedin kündigt der Alt-Kanzler nun juristische Schritte gegen “Bild” an: “Ich habe Verständnis für die schwierige persönliche Situation, in der sich Herr Nawalny befindet. Seine Interview-Aussagen in der #BILD-Zeitung und bei bild.de über angebliche ‘verdeckte Zahlungen’ sind jedoch falsch. Er selbst sagt, dass er für seine Unterstellungen keine Belege habe. Gleichwohl haben BILD-Zeitung und bild.de diese Aussagen, ohne mich um eine Stellungnahme zu bitten, verbreitet. Daher sehe ich mich gezwungen, gegen den Verlag, der meine #Persönlichkeitsrechte auf das Schwerste verletzt hat, juristisch vorzugehen.”

2. Beleidigungen, Bedrohungen, Hetze und Gewalt
(journalist.de, Michael Kraske)
Der Journalist und Autor Michael Kraske macht sich Sorgen um die Pressefreiheit in Deutschland. Angriffe auf der Straße und Hetze im Internet seien zu einer ernsthaften Gefahr für die freie Berichterstattung geworden. Bedrohungen seien mittlerweile im Arbeitsalltag kritischer und investigativer Journalistinnen und Journalisten allgegenwärtig. Zeit für ein schonungsloses Lagebild – und für ein Umdenken bei Polizei und Politik, wie Kraske findet.

3. Wir veröffentlichen den Entwurf für die deutsche Urheberrechtsreform
(netzpolitik.org, Arne Semsrott)
netzpolitik.org veröffentlicht den Entwurf für die deutsche Urheberrechtsreform, die zugunsten der Presseverlage ausfalle. Arne Semsrott kommentiert: “Die Urheberrechtsreform wird voraussichtlich auch im weiteren Gesetzgebungsverfahren umstritten bleiben. Nach einem bald zu erwartenden Kabinettsbeschluss über den Gesetzentwurf dürfte der Bundestag erbittert über weitere Passagen der Reform ringen – darunter auch Ausnahmen vom Urheberrecht für Karikaturen und Parodien. Derzeit sieht der Gesetzentwurf für ‘Bagatellnutzungen’ Ausnahmen vor. Verlage und die Musikindustrie sprachen sich jedoch deutlich gegen solche Begrenzungen des Urheberrechts zum Schutz der Meinungsfreiheit aus.”

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4. »Die Zeit« gründet Literatur-Community
(buchreport.de)
Anlässlich der bevorstehenden Frankfurter Buchmesse kündigt die “Zeit” eine Literatur-Community an, in deren Zentrum ein wöchentlicher Newsletter mit Buchempfehlungen stehe: “Im neuen Literaturnewsletter der ZEIT sprechen Journalisten, Schauspielerinnen, Politiker und andere Leserinnen und Leser über die Bücher, die sie gerade begeistern. Dabei geht es nicht nur um Neuerscheinungen – alles, was Sie und uns bewegt, ist willkommen: Krimis, Romane, Kochbücher, Raritäten und Graphic Novels.”

5. «Wir wollen nicht den Journalismus retten. Wir wollen einen neuen Journalismus schaffen.»
(medienwoche.ch, Nick Lüthi)
Es gab schon einige Versuche, im Netz einen “neuen Journalismus” zu etablieren. Den meisten Start-ups ging über längere Zeit die Luft aus. Nun unternimmt “tapwriter” einen nächsten Versuch. Nick Lüthi hat sich das Schweizer Projekt angeschaut, das über bessere Startbedingungen verfüge, da der finanzielle Druck von Investoren fehle. Lüthi ist bei aller Aufgeschlossenheit allerdings skeptisch, was die Erfolgsaussichten anbelangt: “Ohne Community, ohne Lesende und Schreibende, bleibt Tapwriter eine nette Gedankenspielerei, wie es schon so manche zuvor gab.”

6. Der Entertainer Herbert Feuerstein ist tot.
(wdr.de, Thomas Köster)
Der WDR erinnert an den Autor, Entertainer und Kabarettisten Herbert Feuerstein, den viele vornehmlich als den kongenialen Partner von Harald Schmidt kennen, der aber doch so viel mehr war: ob klassischer Musiker, Reisejournalist oder Chefredakteur der deutschen Ausgabe des US-Satiremagazins “MAD”.
Weiterer Lese- und Hörhinweis: Kurz vor seinem Rückzug aus der Öffentlichkeit vor fünf Jahren beschloss Feuerstein vorsorglich, seinen eigenen Nachruf zu verfassen (wdr.de, Audio: knapp 2 Stunden).
Weiterer Lesehinweis: Jakob Buhre hat vor 15 Jahren im Auftrag des Magazins “Galore” ein Interview mit Herbert Feuerstein geführt, das jedoch nie erschienen ist. Nun hat Buhre es herausgesucht und auf seiner Interviewseite veröffentlicht. Feuerstein denkt dort schon über Dinge wie Endlichkeit und Vermächtnis nach: “Ich habe kein Bedürfnis, Spuren zu hinterlassen, weil die Spuren letzten Endes auch vollkommen bedeutungslos wären. Das ganze Leben besteht ja nur aus einer Illusion der eigenen Wichtigkeit, wahrscheinlich könnte man sich selbst sonst auch gar nicht ertragen. Alle Leute gehen durch’s Leben und denken, sie müssten beachtet werden. Manche machen darum auch noch großen Wirbel, damit es ein bisschen mehr auffällt. Aber am Ende ist das alles so unglaublich bedeutungslos, weil die Welt einfach aus sozialem Lärm besteht. Wir sind alle unvollkommene Nichtse – und damit müssen wir uns abfinden.”

“FinCEN-Files”, Unbezahlbarer Journalismus, Falsche Shitstorms

1. Wie interessiert man Leute für ein Thema wie die “FinCEN-Files”?
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier, Audio: 52:32 Minuten)
Bei einem Verdacht von Geldwäsche müssen multinationale Großbanken der US-amerikanischen Finanzaufsicht FinCEN eine Meldung zukommen lassen. Dem kämen die Banken auch in erschütternd hoher Anzahl nach, doch fast immer ohne Folgen. Ein Teil dieser Informationen wurde “Buzzfeed News” zugespielt. Die Redaktion teilte den Datenschatz mit über 100 Redaktionen in 88 Ländern. Marcus Engert hat als investigativer Reporter von “Buzzfeed News Deutschland” an dem Projekt mitgewirkt. Im Gespräch mit Stefan Niggemeier schildert er die Schwierigkeit, die komplexe Materie vorstellbar zu machen und journalistisch aufzubereiten.

2. Kriegsreporterin Ramsauer: “Habe mich 20 Jahre in jedes Drecksloch gesetzt”
(derstandard.at, Oliver Mark)
Seit mehr als 20 Jahren berichtet die Journalistin Petra Ramsauer aus Kriegs- und Krisengebieten, doch damit ist nun Schluss. Ihre Arbeit als Kriegsreporterin sei nicht mehr finanzierbar. Für ihre Reportagen brauche sie wegen des erheblichen Aufwands und der Kosten für Fahrer und Fixer (Vororthelfer) zwischen 3.000 und 4.000 Euro pro Einsatz. Angeboten habe man ihr jedoch teilweise nur 150 Euro: “Ich habe abgelehnt. Das geht sich nicht mehr aus.” Ramsauer schule nun um zur Therapeutin mit dem Schwerpunkt Traumaverarbeitung.

3. Strafanzeige zu taz-Kolumne: Innenministerium wollte auch gegen Chefredaktion vorgehen
(fragdenstaat.de, Arne Semsrott)
“FragDenStaat” hat sich unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz die interne Kommunikation des Bundesinnenministeriums zur umstrittenen polizeikritischen “taz”-Kolumne (“All cops are berufsunfähig”) vorlegen lassen. Wider besseres Wissen und gegen den Rat seines Hauses habe Innenminister Horst Seehofer verkündet, die Kolumne habe mehrere Straftatbestände erfüllt. “Angesichts der Prüfung durch das Ministerium steht der Minister, der sich selbst als ‘Erfahrungsjuristen’ bezeichnet, mit dieser Ansicht alleine. Welche Straftatbestände neben Volksverhetzung überhaupt einschlägig sein sollen, ist unklar. Offiziell traf man die Entscheidung gegen eine Anzeige zum Schutze der Pressefreiheit. Viel wahrscheinlicher ist jedoch, dass die fehlenden Erfolgsaussichten den Ausschlag gegeben hatten.”
Weiterer Lesehinweis: Zuvor hatte bereits der “Tagesspiegel” über das missglückte Vorgehen berichtet.

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4. Shitstorm vs. Meinungsfreiheit auf Sozialen Medien
(scilogs.spektrum.de, Markus Pössel)
Laut Duden handelt es sich bei einem “Shitstorm” um einen “Sturm der Entrüstung in einem Kommunikationsmedium des Internets, der zum Teil mit beleidigenden Äußerungen einhergeht”. Doch manchmal werde mit dem Shitstorm-Begriff lediglich legitime Kritik ausgehebelt, so Markus Pössel: “Besonders perfide ist es, Kritik pauschal als ‘Shitstorm’ abzuqualifizieren – mit dem bequemen Nebeneffekt, dass man so auch sachliche Kritik abwatschen kann, ohne dass man sich damit sachlich hätte auseinandersetzen müssen. Für diesen Kunstgriff kann man zudem ausnutzen, dass in einem breiten Spektrum kritischer Anmerkungen ab einer bestimmten Gesamtanzahl mit großer Wahrscheinlichkeit auch Menschen dabei sind, die ausfällig werden.”

5. Vielfalt und Freiheit
(sueddeutsche.de, Meredith Haaf)
Viele Redaktionen setzen gerade verstärkt auf Meinungsjournalismus, die “Zeit” beispielsweise mit ihrem “Streit”-Ressort, die “Tagesthemen” mit ihrem Pro und Contra. Wie ist die Meinung im Journalismus einzuordnen? Und dürfen die traditionellen Medien überhaupt “Meinung machen”, wie ihnen oft vorgeworfen wird? Meredith Haaf ist Redakteurin im Ressort Meinung der “Süddeutschen Zeitung” und weiß, was dieses Thema den Lesern und Leserinnen abverlangt: “Der Wunsch, vor der Meinung der anderen seine Ruhe haben zu wollen, sitzt offenbar tief im Menschen. Die Meinungsfreiheit wiederum beinhaltet die Gesetzmäßigkeit, dass es zu jeder Meinung eine Gegenmeinung gibt. Meinungen zu haben und zu hören ist eine Art Ausdauersport.”

6. Warum Comedy-Helden jetzt gelöscht werden sollen
(ardmediathek.de, Philipp Walulis, Video: 30:30 Minuten)
Das gesellschaftliche Humorverständnis hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt, und damit auch der Blick auf Comedy. In früheren Sketchen haben viele bekannte Comedians Minderheiten klischeehaft bis verletzend bewitzelt. Was tun mit dem belasteten Altmaterial? Aus dem Programm nehmen? In den USA haben sich etliche Programmmacher tatsächlich für diese Maßnahme entschieden und teilweise ganze Folgen gelöscht.

7. “Ein zweites Mal diese Tortur – das würde ich nicht schaffen”
(tagesspiegel.de, Maris Hubschmid)
Als zusätzlicher Link, weil nur eine indirekte Medienmeldung: Joachim Huber, Leiter des “Tagesspiegel”-Medienressorts, spricht über seine Corona-Erkrankung, die mit einer Lungenembolie, totalem Nierenversagen und einen Herzinfarkt einherging. Huber ist zwar mit dem Leben davongekommen, leidet jedoch noch heute unter den Folgen der Erkrankung. Ein eindringlicher Bericht, an den man sich erinnern sollte, wenn man mal wieder genervt von Hygieneregeln, Abstandhalten und Maskenpflicht ist.

Tichys Ausscheiden, Friede Springers Milliardengeschenk, Interviewkritik

1. Tichy gibt Stiftungs-Vorsitz ab und verlässt Journalistenpreis-Jury
(tagesspiegel.de, Julia Bernewasser)
In einem Magazin des Publizisten Roland Tichy wurde eine sexistische Äußerung über die SPD-Politikerin Sawsan Chebli veröffentlicht, was für viel Kritik sorgte. Aus Protest kündigte die CSU-Politikerin Dorothee Bär ihre Mitgliedschaft in der von Tichy geleiteten Ludwig-Erhard-Stiftung. Nun will Tichy sein Amt als Vorsitzender der Stiftung abgeben. Außerdem sei er aus der Jury des Deutschen Journalistenpreises ausgeschieden.
Weiterer Lesehinweis: Im Deutschlandfunk kommentiert Stefan Fries: “Das Problem ist also nicht Roland Tichy als Stiftungsvorsitzender. (…) Das Problem ist Roland Tichy als Publizist, der behauptet, Journalismus zu betreiben, aber oft gegen dessen Grundsätze verstößt.”
Und noch ein Lesehinweis: Für die “Süddeutsche Zeitung” haben Simon Hurtz und Robert Probst aufgeschrieben, wie sich Tichy über die vergangenen 30 Jahre zu dem entwickelt hat, der er jetzt ist.

2. Friede Springer schenkt Döpfner eine Milliarde Euro
(faz.net)
Friede Springer ist Großaktionärin des Springer-Konzerns. Nun überträgt die 78-jährige Erbin 15 Prozent am Unternehmen, die bisher ihr gehören, an den Vorstandsvorsitzenden Mathias Döpfner – als Schenkung. Die “FAZ” hat nachgerechnet, wie viel die kleine Aufmerksamkeit unter Freunden wert ist: “Der Umsatz des Konzerns betrug im vergangenen Jahr 3,11 Milliarden Euro, der bereinigte Konzernüberschuss lag bei 263,7 Millionen Euro. Die Marktkapitalisierung betrug zuletzt knapp 6,8 Milliarden Euro. Eine Schenkung von 15 Prozent hätte demnach einen Wert von einer Milliarde Euro.”

3. Das einstündige Kontraste-Interview mit Michael Ballweg, von dem der RBB 22 Sekunden gesendet hat
(planet-interview.de)
Der Initiator der “Querdenken”-Demos Michael Ballweg hat sich vom RBB-Magazin “Kontraste” etwa eine Stunde interviewen lassen. Bei den später gesendeten insgesamt 33 Sekunden (22 Sekunden O-Ton und 11 Sekunden aus dem Off) sei jedoch nicht korrekt verfahren worden, so Interview-Fachmann Jakob Buhre: “Wenn man einem Interview-Partner nur ein so kleines Sendefenster gibt, ist es dann zu viel verlangt, dass seine Aussage korrekt wiedergegeben und nicht verdreht wird? Wenn Ballweg gut hörbar ins Mikro sagt, er sei nicht angstgetrieben, warum wird er dann von ‘Kontraste’ als angstgetrieben dargestellt?” Um nicht missverstanden zu werden, ergänzt Buhre: “Ich teile Ballwegs Behauptung, dass es in Deutschland ‘massive Zensur’ gibt, ausdrücklich nicht. Ich habe aber gewisse Sorgen, dass ‘Kontraste’ in diesem Fall Ballwegs Vorbehalte gegenüber den Öffentlich-Rechtlichen eher verstärkt als verringert hat.”

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4. Jeff Jarvis: “Die besten Geschichten meines Lebens passieren gerade jetzt”
(meedia.de, Ben Krischke)
Der New Yorker Medienexperte und Journalismus-Professor Jeff Jarvis spricht im Interview über seine Sicht auf die US-amerikanische Medienlandschaft, die Corona-Berichterstattung, den Kampfbegriff der “Cancel Culture” und das Versagen der klassischen Medien angesichts des digitalen Strukturwandels: “Wir haben zum Beispiel Newsrooms verkleinert und damit an der falschen Stelle gespart. Wir haben angefangen, Click-Baiting über Katzen und die Kardashians zu machen, und damit stark an Vertrauen eingebüßt. Verlage geben ja gerne den großen Plattformen die Schuld an ihrer Misere. Dabei sind sie es, die ihre Misere selbst verschuldet haben.”

5. “Liebe Boomer*innen…”: Gegenrede
(wortvogel.de, Torsten Dewi)
Gestern haben wir in den “6 vor 9” eine Art Wutrede von Nicolas Wildschutz verlinkt: Liebe Boomer*innen, wieso seid Ihr eigentlich gegen das Gendern? Torsten Dewi hat den Text genau studiert und beschreibt in einer längeren Analyse, was ihn daran stört: “Es wäre einfach gewesen, diese Kolumne zu ignorieren. Aber sie zeigt sehr schön und exemplarisch, was schief läuft. Es wird als Debattenbeitrag missverstanden, was eigentlich nur eine Ansammlung von ‘Ich habe Recht – wieso seht ihr das nicht ein?’-Phrasen ist. Dann wundert man sich, dass keine echte Diskussion zustande kommt, dass in den Kommentarspalten nur Wut und Beleidigung Ausdruck finden – und nimmt es als weiteren Beleg, dass mit der Gegenseite halt nicht zu reden ist.”

6. Clickbait Suspense: Breaking News
(noemix.wordpress.com, Michael Nöhrig)
Die Boulevardpresse ist hinter ein Geheimnis ungeahnten Ausmaßes gekommen: Sie hat herausgefunden, wie Archie, der einjährige Sohn von Herzogin Meghan und Prinz Harry, seinen Opa nennt. Die Antwort ist schier unglaublich!

Datenleak FinCEN-Files, Thalias Staatspropaganda, “Lawfare”

1. Was sind die FinCEN-Files?
(buzzfeed.com, Marcus Engert)
Nach mehr als einem Jahr Aufarbeitung veröffentlicht “Buzzfeed News” gemeinsam mit dem Internationalen Netzwerk investigativer Journalisten ICIJ und 108 Redaktionen auf der ganzen Welt die sogenannten FinCEN-Files. Dabei handelt es sich um geleaktes Datenmaterial aus dem Besitz der US-Finanzaufsicht, das dokumentiere, wie Großbanken an Oligarchen, Drogendealern und Terroristen verdienen.

2. Thalia bewirbt chinesische Staatspropaganda
(zdf.de, Nils Metzger)
Laut Angaben der Buchhandelskette Thalia teste man an verschiedenen Standorten ein chinesisches Buchsortiment. Dabei handele es sich jedoch um Bücher chinesischer Staatsverlage. Nils Metzger kommentiert: “Es ist nicht unüblich, dass Verlage besondere Werbemaßnahmen in Buchhandlungen mieten – um ihr Programm oder einen Themenschwerpunkt bekannt zu machen. Problematisch ist, dass hier ein im Hintergrund agierender Geschäftspartner politische Werbeinhalte für eine Diktatur anpreisen lässt. Als ‘Thalia-Tipp’, wie es über dem Regal in Berlin heißt.”

3. Lawfare gegen freie Journalisten
(verdi.de, Christian Bunke)
Der englischsprachige Begriff “lawfare” kombiniert die Worte für Recht (law) und Kriegsführung (warfare). Mit der juristischen Kriegsführung sollen missliebige Journalisten und Journalistinnen mundtot gemacht werden. Angriffsziel einer derartigen Attacke sei derzeit der freie Journalist Michael Bonvalot, der bevorzugt über Entwicklungen in der rechtsextremen Szene berichtet. Die juristischen Angriffe können gerade bei freien Medienschaffenden existenzbedrohende Auswirkungen haben: Rechtsschutzversicherungen würden derartige Risiken nicht abdecken.

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4. Neue Chefredakteurin bei “Hinz&Kunzt”
(ndr.de, Stefanie Wittgenstein)
Mehr als ein Vierteljahrhundert wurde Hamburgs bekanntes Straßenmagazin “Hinz&Kunzt” von Birgit Müller geleitet. Nun geht Müller in den Ruhestand. Auf sie folgt Annette Bruhns, die viele Jahre beim “Spiegel” gearbeitet hat und weiß, wie man für eine Sache eintritt: Bruhns ist Mitbegründerin der Initiative “Pro Quote”, die sich für mehr Frauen in Führungspositionen einsetzt.

5. Wie viele Wörter dürfen es denn sein, Frau Justizministerin?
(welt.de, Christian Meier)
Vor über einem Jahr hatte die Europäische Union eine Richtlinie zur Reform des Urheberrechts beschlossen. Nun hat das Bundesjustizministerium einen sogenannten Referentenentwurf angefertigt, der der “Welt” vorliegt. Medienredakteur Christian Meier hat sich den Entwurf angeschaut, der wegen der verschiedenen Interessenlagen noch für Diskussionen sorgen könnte.

6. Trying a horrible experiment …
(twitter.com, Tony Arcieri)
Bei Twitter sprechen derzeit viele über den Algorithmus zur Gesichtserkennung, den der Kurznachrichtendienst einsetzt und der befangen sein soll. Die künstliche Intelligenz soll eigentlich dafür sorgen, dass die Gesichter bei Porträts prominent in den Mittelpunkt der Bildvorschau gerückt werden. Doch für welches Gesicht entscheidet sich der Algorithmus, wenn er mehrere Gesichter zur Auswahl hat? In einem Experiment hat der Twitter-Nutzer Tony Arcieri verschiedene Bilder gepostet, auf denen sowohl der ehemalige US-Präsident Barack Obama als auch der US-Politiker Mitch McConnell abgebildet sind. Auf den bei Twitter erscheinenden Vorschauen taucht jedoch nur McConnell auf. Man könnte annehmen, dass der Twitter-Algorithmus weiße Gesichter bevorzuge, doch so einfach ist es nicht, wie andere Beispiele zeigen. Verstörend bleibt es dennoch.
Mittlerweile hat sich Twitter-Sprecherin Liz Kelley zu der Problematik geäußert: “Vielen Dank an alle, die dies angesprochen haben. Wir haben vor der Auslieferung des Modells auf Verzerrungen getestet und bei unseren Tests keine Hinweise auf rassistische oder geschlechtsspezifische Verzerrungen gefunden, aber es ist klar, dass wir noch mehr Analysen durchführen müssen. Wir werden unsere Arbeit als Open Source veröffentlichen, damit andere sie überprüfen und replizieren können.”

7. Bei #Bild gibt es einen, wie ich finde, gefährlichen Kommentar zu den “Corona-Regeln”.
(twitter.com, Lorenz Meyer)
Als zusätzlicher und siebter Link, weil in eigener Sache: Auf Twitter analysiert der “6 vor 9”-Kurator einen “Bild”-Kommentar. Dabei geht es um Meinungsmanipulation durch Sprache. Aus dem Fazit: “Die Zeitung bereitet damit das Terrain für Corona-Leugner, Verschwörungs- und ‘Querdenker’, Reichsbürger, AfD-ler, Rechtsextreme und all die Unzufriedenen, die sich an den Rand der Gesellschaft gedrängt fühlen. Ein Spiel mit dem Feuer – und mit unserer Gesundheit.”

Toxischer Somuncu, “SZ” will Kündigungen, Sprachbewahrer-Furor

1. rbb entschuldigt sich nach Twitter-Kritik an Serdar Somuncu
(t-online.de)
Bereits die erste Folge des Podcasts von Florian Schroeder und Serdar Somuncu sorgte für viel Empörung in den Sozialen Medien. Somuncu hatte sich auf eine ordinäre und menschenverachtende Weise in einen Rausch von Misogynie, Rassismus und Sexismus geredet. Wer sich die lange Podcast-Ausgabe nicht komplett anhören will oder kann: Auf Twitter hat sich Anna Neumann geopfert und gleich auch noch die Kommentierung übernommen. Der rbb hat mittlerweile eine Stellungnahme veröffentlicht, die nach Entschuldigung klingen soll, jedoch keine ist. Ganz im Gegenteil: Man sieht sich als Opfer eines Shitstorms.

2. Sparen in München
(taz.de, Anne Fromm)
Trotz gewaltiger Abo-Zuwächse will die “Süddeutsche Zeitung” an ihrem “Effizienzprogramm” festhalten, das den Abbau von bis zu 50 Stellen in der Redaktion vorsieht. Damit verlöre rund ein Zehntel der Belegschaft seinen Arbeitsplatz. Ein Ausstiegsprogramm mit Abfindungen soll möglichst viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen dazu bewegen, freiwillig den Verlag zu verlassen. Der Betriebsrat befürchte negative Auswirkungen auf die journalistische Qualität: “‘Der Erfolg der SZ beruhte bislang immer auf der umfangreichen und fundierten Berichterstattung, die durch weniger Personal sicher nicht umfangreicher und fundierter werden kann.'”

3. Die Macht der Zahlen: Wie ein Fehler Nachrichten macht
(ndr.de, Nadja Mitzkat)
Die Meldung ließ einen aufschrecken: Zwischen 2015 und 2019 habe sich die Zahl der Menschen ohne Krankenversicherung von 79.000 auf 143.000 Menschen fast verdoppelt. Eine offizielle Zahl des Statistischen Bundesamts, die von einer Linken-Politikerin aufgegriffen wurde und ihren Weg in die Medien fand. Die Journalistin Nadja Mitzkat fragte sich, wie dieser rasante Anstieg zu erklären sei. Nach einigen Tagen intensiver Recherche habe sich herausgestellt, dass die Zahlen falsch und auf einen methodischen Fehler der Statistiker zurückzuführen sind. Ihr Fazit: “Hier wurde von einer Partei mit einer catchy Zahl Politik gemacht und ‘die Medien’ sind allesamt auf den Zug aufgesprungen. Und so machte eine Nachricht Karriere, die schlichtweg falsch war.” (Anmerkung des Kurators: Wobei man es der Politikerin nicht unbedingt übelnehmen kann, eine offizielle Zahl verwendet zu haben, oder?)

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4. Kritiker versuchen, Rundfunkräte gegen Gender-“Knacklaut” zu mobilisieren
(uebermedien.de, Anne Fromm)
Der Statistikprofessor Walter Krämer ist als Verfechter der deutschen Sprache bekannt, der sich leidenschaftlich gegen Neuerungen stemmt. Als Vorsitzender der Stiftung Deutsche Sprache und des Vereins Deutsche Sprache rennt er mit sprachbewahrerischem Furor gegen Binnen-I und Gender-Sternchen an. Nun hat er Protestbriefe an Mitglieder der ARD-Rundfunkräte, des ZDF-Fernsehrats und des Hörfunkrats des Deutschlandfunks geschrieben. Anne Fromm hat sich für “Übermedien” Krämers Argumentation angesehen und die Sender um eine Stellungnahme gebeten.

5. “Die Gemeinnützigkeit von Journalismus muss endlich anerkannt werden”
(horizont.net, Frederik Fischer)
Anlässlich eines bevorstehenden Medientreffs hat sich Frederik Fischer mit dem netzpolitik.org-Gründer Markus Beckedahl unterhalten. Es geht um den Kampf gegen Hass, Manipulation und Fehlinformation, um Möglichkeiten der Journalismusfinanzierung sowie um die Herausforderungen einer zeitgemäßen Medienpolitik.

6. Als “F.A.Z.-Redakteur” bei Gucci und Macbeth
(faz.net, Jannik Waidner)
Ein “FAZ”-Redakteur ist Opfer einer ganz besonderen Form von Identitätsdiebstahl geworden. Ein 61 Jahre alter Mann soll sich jahrelang in betrügerischer Absicht als eben jener Redakteur ausgegeben und sich so Zugang zu Veranstaltungen erschlichen haben, darunter ein Gucci-Event, eine Berlinale-Sause und die Macbeth-Premiere der Berliner Staatsoper. Nun wird der Fall vor Gericht verhandelt.

(K)ein Böhmermann-Interview, Ein Mann wie ein Schrang, Löwenherz

1. Böhmermann veröffentlicht umstrittenes FAZ-Interview auf Twitter
(welt.de)
Jan Böhmermann hat der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung” ein großes Interview gegeben, das der Herausgeber Jürgen Kaube unmittelbar vor Drucklegung aus dem Blatt gestrichen haben soll. Böhmermann reagierte mit einem offenen Brief bei Twitter (“Sowas habe ich wirklich noch nicht erlebt”). Warum die “FAS” das Interview gestrichen hat, ist derzeit nicht bekannt.
Update: Kurz vor Mitternacht postete Jan Böhmermann das Interview als 73-teiligen Twitter-Thread. Medienrechtler Markus Kompa fragte sogleich keck: “Wird die FAZ nun ihr Urheberrecht an den Interviewfragen einfordern …?”
Weitere Lesehinweise: Besprechungen des gerade erschienenen Böhmermann-Buchs gibt es unter anderem beim “Spiegel” (Der Robert Habeck der linken Twitterblase, Jonas Leppin) und bei der “Süddeutschen Zeitung” (Früher fand ich mich mal gut, Quentin Lichtblau).

2. Liebe Medien, hier sind 199 unserer Klima-Themenideen, die ihr einfach klauen könnt
(krautreporter.de, Rico Grimm & Isolde Ruhdorfer)
Derzeit wird viel über den medialen Umgang mit der Klimakrise diskutiert. Am Montag wiesen wir in den “6 vor 9” auf die Bemühungen der “taz” hin, besser übers Klima zu schreiben, und auf den Kampf des ZDF-Wettermoderators Özden Terli gegen Klimawandel-Leugner. Gestern ging es in den “6 vor 9” um die Forderung einiger Klima-Aktivisten nach einem neuen Format vor der “Tagesschau”: “#Klima vor 8” (deutschlandfunk.de, Annika Schneider).
Nun haben sich die “Krautreporter” des Themas angenommen: “Liebe Medien, hier sind 199 unserer Klima-Themenideen, die ihr einfach klauen könnt. Ernst gemeint. Nehmt sie, und macht was draus.”

3. Bild Boykott: Wie werden wir die Bild-Zeitung los?
(youtube.com, Sarah Bosetti, Video: 5:40 Minuten)
“Nichts hilft gegen die ‘Bild’-Zeitung. Unsere Empörung ist ihr Frühstück. Unsere Sensationslust ist ihr Viagra. Nichts hilft – außer sie zu ächten.” Die Kabarettistin Sarah Bosetti fragt sich: “Wie werden wir die ‘Bild’-Zeitung los, und ist ein ‘Bild’-Boykott der richtige Weg?”
Weiterer Lesehinweis: In seiner “Medienmacher”-Kolumne bei der “Berliner Zeitung” fragt Kai Hinrich-Renner: Wie sehr wackelt der “Bild”-Chefredakteur?

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4. RTL-Chefredakteure räumen ein: “Wir haben Fehler gemacht”
(uebermedien.de, Jürn Kruse & Boris Rosenkranz)
Nicht nur die “Bild”-Redaktion, sondern auch RTL wurde für die unethische Berichterstattung aus Solingen kritisiert, bei der aus privaten Chat-Nachrichten eines Minderjährigen in einer Extremsituation zitiert wurde. Die offiziellen Statements des Senders klingen relativ kühl und uneinsichtig, intern sei der Vorfall jedoch “intensiv diskutiert und analysiert” worden.

5. Nichts zu dumm, aber alles geheim
(mission-lifeline.de, Felix M. Steiner)
Heiko Schrang ist ein Verschwörungsideologe, der auf seinem Youtube-Kanal regelmäßig seine rund 180.000 Abonnenten mit allerlei Abwegigkeiten und rechtem Unsinn versorgt. Wer ist dieser dauergebräunte “bekennende Buddhist”? Und was unterscheidet Schrang vom Standard-Hetzer rechter Couleur? Felix M. Steiner berichtet über die bizarre Figur: “Wenn man nicht sonderlich anfällig für den Quatsch ist, den Schrang erzählt, ist er ein verdammt lustiges Kerlchen. Bei Schrang ist immer alles ‘geheim’, wird immer die wahre Wahrheit verbreitet oder der ‘Wahnsinn’ hinter den Plänen der Eliten offengelegt. Und das alles gemischt mit einem kräftigen Schuss esoterischem Quatsch auf dem Niveau der Kalendersprüche, die ich früher immer in der Küche meiner Großeltern lesen durfte.”

6. Eklat im Traditions-Verlag Kampfsportler als Boss vorgestellt – dann wird’s turbulent
(mopo.de, Thomas Hirschbiegel)
Die Geschichte liest sich wie eine Mischung aus April-Scherz und Seifen-Oper: Die Verlegerin Alexandra Jahr stellt ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den neuen starken Mann im Haus vor: den Kampfsportler Ardalan Sheikholeslami (Spitzname: das “persische Löwenherz”). Was dann passiert, ist verstörend schön, jedenfalls unter Trash-Gesichtspunkten, aber für die Belegschaft ein ziemlicher Graus. Eine unbedingte Leseempfehlung für alle, denen auch Netflix-Serien wie “Tiger King” gefallen haben.

MPs auf Instagram, Bodybuilder-Journalisten, Talkshow-Gesellschaft

1. Tag Zwei des Auslieferungsverfahrens von Wikileaks-Gründer Julian Assange
(twitter.com, Reporter ohne Grenzen, Video: 1:41 Minuten)
Was Christian Mihr, Geschäftsführer bei Reporter ohne Grenzen, von Tag zwei des Auslieferungsverfahrens gegen “Wikileaks”-Gründer Julian Assange berichtet, lässt nichts Gutes zum weiteren Prozessverlauf erahnen. Der Zugang zum Gerichtssaal sei am zweiten Verhandlungstag nur durch eine glückliche Fügung zustande gekommen. Die britische Justiz verweigere internationalen Prozessbeobachtern wie Reporter ohne Grenzen oder Amnesty International sogar den Onlinezugang zur Videoübertragung.

2. Wie Ministerpräsidenten Instagram nutzen
(politik-kommunikation.de, Bendix Hügelmann)
Bendix Hügelmann untersucht im Rahmen seiner Dissertation die Nutzung von Instagram in der politischen Kommunikation. Ihn interessiere, “wie sich Personalisierung und unmittelbare Wähleransprache auf die Herausbildung von Wahlentscheidungen und individuelle Verhaltensweisen auswirken”. In seinem Beitrag für “politik & kommunikation” hat er sich vor allem die Instagram-Profile der Ministerpräsidenten und -präsidentinnen vorgeknöpft. Ein spannendes Thema, das an Wichtigkeit zunehmen wird.

3. Böhmermanns digitale Chronik: Elf Jahre Twitter – Interview mit Jan Böhmermann
(deutschlandfunk.de, Michael Borgers, Audio: 10:37 Minuten)
Der Deutschlandfunk hat sich mit Jan Böhmermann unterhalten. Anlass war das Erscheinen von Böhmermanns Twitter-Chronik als gedrucktes Buch. Twitter sei zwar kein Massenmedium, trotzdem müsse man es ernst nehmen. Die wenigen Leute, die dort seien, seien Menschen, die im echten Leben was zu sagen hätten. In dem Gespräch geht es auch um die sogenannte “Cancel Culture”. Dabei handelt es sich laut Wikipedia um den “systematischen Boykott von Personen oder Organisationen”, “denen beleidigende oder diskriminierende Aussagen bzw. Handlungen vorgeworfen werden.” Das Wort sei für ihn ein politischer Kampfbegriff wie “Gutmenschentum”, “linksgrünversifft” oder “Systemling”, so Böhmermann.

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4. “Spiegel”-Journalistin wird Chefredakteurin von “Hinz & Kunzt”
(meedia.de, Gregory Lipinski)
Das Hamburger Straßenmagazin “Hinz&Kunzt” bekommt eine neue Chefredakteurin. Ab dem 1. Januar 2021 übernimmt Annette Bruhns die Leitung des Blatts. Bruhns kommt vom “Spiegel” und war dort 25 Jahre als Redakteurin tätig. Das hört sich nach einer guten Wahl an für das nach eigenen Angaben größte Beschäftigungsprojekt für obdachlose Menschen in Hamburg.

5. Polit-Talkshows: Studie kritisiert mangelnde Vielfalt
(ndr.de, Sebastian Friedrich)
“Die Talkshow-Gesellschaft” lautet der Titel einer Studie zu “Repräsentation und Pluralismus in öffentlich-rechtlichen Polit-Talkshows” (PDF). Sebastian Friedrich hat das zentrale Ergebnis in einem Satz zusammengefasst: “In den öffentlich-rechtlichen Polit-Talkshows diskutiert meist eine kleine privilegierte Gruppe über Themen, die eigentlich die ganze Gesellschaft betreffen.” Aber natürlich lassen sich aus den Zahlen auch noch weitere Erkenntnisse ableiten, wie Friedrich in seinem Beitrag ausführt.

6. Klaas schickt Bodybuilder-Journalisten auf Anti-Corona-Demo
(youtube.com, Late Night Berlin, Video: 14:11 Minuten)
Journalistinnen und Journalisten haben es auf Corona-Leugner-Demos wahrlich nicht leicht und werden dort teils sogar körperlich angegangen. Late-Night-Talker Klaas Heufer-Umlauf kam auf eine rettende Idee: “Wenn Journalisten nicht stärker werden, muss man eben starke Menschen zu Journalisten machen …” In einem zweistündigen Kurs hat er Bodybuilder zu Journalisten ausgebildet und anschließend zur Demo geschickt.

Facebook versus “Compact”, Tagesthemen XL, Faktencheck Demo

1. Facebook nimmt “Compact” vom Netz
(tagesschau.de, Sebastian Pittelkow & Katja Riedel)
Die in rechten Kreisen gern gelesene Verschwörungspostille “Compact” warb nicht nur im Heft, sondern auch in den Sozialen Medien für die Anti-Coronapolitik-Demo in Berlin. Nun habe Facebook den Facebook- sowie den Instagram-Account des Magazins ohne Ankündigung gelöscht. Die Begründung: “Compact” habe gegen das interne Regelwerk verstoßen. Ein schwerer Schlag für das Magazin, das bereits im März vom Verfassungsschutz als sogenannter Verdachtsfall eingestuft worden war und über seine Social-Media-Seiten auch Verkäufe generierte.
Weiterer Lesehinweis: “Fragen gelten als scharfe Waffe der Aufklärung. Aber Verschwörungserzähler, Rechtspopulisten und Twitter-Wichtigtuer beweisen: Manche dummen Fragen sind sogar gefährlich” – Das wird man ja wohl noch fragen dürfen!?, ein Essay von Maja Beckers (zeit.de).

2. Faktencheck zur Teilnehmerzahl
(spiegel.de, Holger Dambeck)
Anlässlich der Proteste gegen die Corona-Maßnahmen vom Wochenende gibt es erneut Streit um die Teilnehmerzahl. Die Veranstalter würden von Hunderttausenden oder gar von mehr als einer Million Teilnehmenden sprechen, laut Polizei seien knapp 40.000 Demonstrierende zugegen gewesen. Holger Dambeck ist dem Zahlenrätsel auf den Grund gegangen und hat nachgerechnet.

3. ARD-Kamerateam vorübergehend in Minsk festgenommen
(faz.net)
Die Berichterstattung aus Belarus gestaltet sich zunehmend schwieriger. So wurde ein Kamerateam der ARD in der Hauptstadt Minsk vorübergehend festgesetzt, anschließend erfolgte der Entzug der Akkreditierung. Korrespondenten und Korrespondentinnen ausländischer Nachrichtenagenturen ging es ähnlich. Außenminister Heiko Maas, WDR-Programmdirektor Jörg Schönenborn und Deutsche-Welle-Chefredakteurin Manuela Kasper-Claridge verurteilten den Angriff auf die Pressefreiheit.

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4. “Es wird noch härter”
(sueddeutsche.de, Alexander Mühlauer)
In der britischen Printmedien-Landschaft droht ein gewaltiger Kahlschlag. Ein britisches Branchenmagazin führe Buch über die Stellenabbaupläne der Verlagshäuser: Beim linksliberalen “Guardian” würden demnächst 180 Jobs wegfallen, die Gratiszeitung “Evening Standard” wolle 69 redaktionelle Stellen streichen, und bei der größten britischen Zeitungsgruppe Reach (unter anderem “Daily Mirror” und “Daily Express”) sollen 550 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Haus verlassen.

5. Nichtlineare Radiozukunft
(taz.de, René Martens)
Im Podcast “Corona Virus Update” (NDR) kommt zukünftig neben Christian Drosten eine weitere Stimme zu Wort: Sandra Ciesek ist Direktorin des Instituts für Medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt und wird sich mit Drosten wöchentlich abwechseln. Die “taz” hat sich mit der NDR-Hörfunkdirektorin Katja Marx nicht nur über diese Personalie unterhalten, sondern auch über Einsparmaßnahmen und den in wenigen Tagen stattfindenden Deutschen Radiopreis.

6. “Tagesthemen mittendrin”: Expedition ins Unbekannte
(dwdl.de, Peer Schader)
Die “Tagesthemen” (ARD) sind ab heute fünf Minuten länger. In der neuen Regional-Rubrik “mittendrin” wolle man “die gesamte Republik” porträtieren und “Geschichten aufbereiten, die wir alle voneinander wissen sollten, um uns besser kennenzulernen”. Peer Schader hält dies für eine im Kern gute Idee, hat aber angesichts der bislang schon gelaufenen Testbeiträge Sorgen, was die Umsetzung betrifft: “Bei manchen Geschichten hab ich das Gefühl, sie werden nur deshalb erzählt, damit der Reporter im sächsischen Örtchen Amerika, wo die zu selten genutzte ÖPNV-Verbindung in die nächste Stadt gestrichen wird, den zurechtgelegten Satz sagen kann: ‘Heute Nachmittag fuhr der allerletzte Bus nach Amerika.'”

Olaf Scholz und die Pressefreiheit, Holocaust auf TikTok, Corona-Netz

1. Olaf Scholz und die Pressefreiheit
(berliner-zeitung.de, Kai-Hinrich Renner)
Das “Financial Times”-Duo Stefania Palma und Dan McCrum hat zu einem Zeitpunkt über Unregelmäßigkeiten beim Finanzdienstleister Wirecard berichtet, als Politik und Wirtschaftsprüfer noch Loblieder auf das vermeintliche Vorzeige-Unternehmen gesungen haben. Anstatt sich für die journalistische Aufklärungsarbeit der beiden zu bedanken, erstattete die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Strafanzeige gegen sie. Und obwohl Wirecards Luftschlösser mittlerweile eingestürzt und fast zwei Milliarden Euro Bilanzsumme auf wundersame Weise verschwunden sind, ermittelt die Staatsanwaltschaft anscheinend weiter gegen Palma und McCrum. Kai-Hinrich Renner hat dazu beim Bundesfinanzministerium nachgefragt – erfolglos. Sein Fazit: “Eigentlich kann das Rumgeeiere von Scholz und seinem Ministerium der SPD nicht gefallen. Wenn bezweifelt werden müsste, dass ihr Kanzlerkandidat ohne wenn und aber zur Pressefreiheit steht, wäre das für die Partei fatal.”

2. Alles automatisch: über die Tücken eines Journalismus ohne Menschen
(medienwoche.ch, Adrian Lobe)
Die Website msn.com von Microsoft ist eine der meistbesuchten Nachrichtenseiten der Welt. Dort, wo früher Menschen über die Nachrichtenauswahl entschieden haben, tun dies heute Algorithmen: MSN habe unlängst seine Redaktion entlassen und lasse das Newsportal automatisch bespielen. Die Folge könnte eine Prioritätenverschiebung bei der Auswahl der Themen sein, wie Adrian Lobe erläutert: “Wenn es wirklich ein Strukturmerkmal algorithmischer Auswahl ist, eher weiche Themen zu selektieren, könnte es für Medienunternehmen grössere Anreize geben, solche Inhalte zu produzieren, um eine entsprechende Reichweite zu erzielen. Die Algorithmisierung der Nachrichtendistribution könnte also langfristig auch zu einer Boulevardisierung führen.”

3. Im Netz der Corona-Gegner
(correctiv.org, Till Eckert & Matthias Bau & Alice Echtermann)
Das Recherche-Team von “Correctiv” hat sich im Lager der Corona-Maßnahmen-Gegner umgesehen und ist dort auf “ein bundesweites Netzwerk von Wissenschaftlern, Meinungsmachern und Anwälten” gestoßen. Der Verbund wirke inzwischen auch direkt auf die Politik ein. “Correctiv” stellt die wichtigsten Köpfe der Bewegung vor und zeigt, mit welchen Mitteln man dort arbeitet, um den Kampf gegen das Coronavirus zu torpedieren.

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4. Medienhaus Bauer geht an Lensing Media
(verdi.de, Holger Pauler)
Das Medienhaus Bauer (nicht zu verwechseln mit dem Bauer-Verlag in Hamburg – um den geht es im nächsten Link) wechselt aller Voraussicht nach den Eigentümer. Das Dortmunder Medienunternehmen Lensing Media übernehme damit, die Zustimmung der Kartellbehörde vorausgesetzt, sechs Tageszeitungen und 180 Beschäftigte. Was der Besitzerwechsel für die Angestellten konkret bedeutet, sei noch ungewiss. Die Redaktionen sollen fast vollständig übernommen werden, bei den Beschäftigten aus der Verwaltung sei dies jedoch noch unklar.

5. Bauer-Verlag hat in der NS-Zeit von Zwangsarbeitern profitiert
(meedia.de)
In der neuen Hamburg-Ausgabe der “Zeit” soll eine Recherche Klarheit über die Vergangenheit des Bauer-Verlags während des Nationalsozialismus bringen, so eine “Zeit”-Vorabmeldung. In der Bauer-Zentrale sollen während der NS-Zeit mehrere hundert italienische Zwangsarbeiter interniert gewesen sein. Über das dunkle Kapitel der Verlagsgeschichte hatten Anfang des Jahres bereits “Spiegel” (nur mit Abo lesbar) und “Zapp” berichtet.

6. Yad Vashem kritisiert Darstellungen von Holocaust-Opfern auf TikTok
(spiegel.de)
Dass gut gemeint nicht automatisch gut gemacht ist, beweist derzeit die angebliche Holocaust-Challenge auf TikTok. Vornehmlich Jugendliche mimen dort Holocaust-Überlebende. Um Aufmerksamkeit für das Leid von Millionen getöteter Juden und Jüdinnen zu erzeugen oder um vornehmlich Aufmerksamkeit für sich selbst zu schaffen – das ist nicht immer klar. Klar ist hingegen die Reaktion der Gedenkstätte Yad Vashem, die darin eine Trivialisierung des Holocaust sieht.

Studie kritisiert Sondersendungen, Twitternde Abgeordnete, Radiopreis

1. Studie kritisiert Sondersendungen von ARD und ZDF
(deutschlandfunk.de, Annika Schneider, Audio: 5:42 Minuten)
Wissenschaftler der Universität Passau haben über 90 Corona-Nachrichtensondersendungen von ARD und ZDF ausgewertet und in ihrem Fazit die Sender deutlich kritisiert. Hauptkritikpunkte: In der Berichterstattung sei ein permanentes Krisen- und Bedrohungsszenario vermittelt worden, außerdem seien die Regierungsmaßnahmen zu wenig hinterfragt worden. ARD und ZDF weisen die Kritik zurück.
Weiterer Lesehinweis: Haben ARD und ZDF die Corona-Angst geschürt? Sender wehren sich gegen Medienstudie (rnd.de, Imre Grimm).

2. “Für junge Kollegen ist Corona eine Katastrophe”
(fachjournalist.de, Ulrike Bremm)
Der 68-jährige Helge Timmerberg gilt als einer der schillerndsten Reiseschriftsteller Deutschlands. Der Journalist und Autor zahlreicher Bücher ist für seine subjektiven Reisereportagen in Ich-Form bekannt (“Gonzo-Journalismus”). Welche Eigenschaften sollte man als Reisejournalist mitbringen? Was sollte man vermeiden? Wie wirkt sich Corona auf den Reisejournalismus aus? Im Magazin “Fachjournalist” gibt Timmerberg Antworten auf all diese Fragen und beklagt die zunehmende Konkurrenz: “Im Prinzip fühlt sich jeder zum Reisejournalisten berufen, alle möglichen Leute schreiben von unterwegs, jeder kann reisen, Fotos und Texte fabrizieren. Das ist eine Riesen-Konkurrenz für uns ausgebildete Journalisten. Social Media ist ein Grab für den Journalismus.”
Weitere Guckempfehlung: Noch mehr Helge Timmerberg gibt es zum Beispiel in diesem Videointerview von “Weltwach TV” aus dem Jahr 2018 (Erik Lorenz, 1:39 Stunden).

3. Wer wir sind und was wir wollen
(medieninsider.com, Marvin Schade & Matthias Bannert)
Mit “Medieninsider” startet heute ein neues, unabhängiges Informationsangebot für Medienschaffende. Hauptaufmacher (aber hinter der Paywall): ein Bericht über die Dreharbeiten einer Amazon-Doku über “Bild”. Hinter dem “Medieninsider” stehen mit Marvin Schade (früher unter anderem bei “Meedia”) und Matthias Bannert (früher unter anderem bei “Bild”) zwei Kenner der Branche.

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4. Boom für die Gaming-Branche in der Pandemie
(spiegel.de)
Es gibt nicht nur Corona-Verlierer: Die Pandemie hat der Gaming-Branche einen wahren Boom beschert. Immer mehr Deutsche verbrächten seit Beginn der Corona-Krise mehr Zeit mit Videospielen und gäben dafür auch mehr Geld aus. Das habe jedenfalls eine Umfrage des Digital-Branchenverbandes Bitkom ergeben. Demnach hätten mehr als 55 Prozent der Befragten erklärt, mehr zu spielen als zu Vor-Corona-Zeiten. Die deutsche Spielewirtschaft profitiere davon jedoch nur wenig. Lediglich fünf Prozent des Umsatzes stamme von deutschen Spieleherstellern.

5. Erste Nominierungen für den Deutschen Radiopreis stehen fest
(meedia.de)
Am 10. September wird in Hamburg der Deutsche Radiopreis 2020 verliehen. Die Veranstaltung werde von mehr als 50 deutschen Radiosendern übertragen, komme jedoch coronabedingt ohne Gala und ohne Gäste aus. Die unabhängige Jury des Grimme-Instituts hat bereits die ersten Nominierungen bekanntgegeben in den Kategorien “Beste*r Newcomer*in”, “Beste Innovation am Morgen”, “Beste Programmaktion”, “Beste Reportage” sowie “Bestes Nachrichten- und Informationsformat”.

6. Die kleine Welt des Populismus
(de.ejo-online.eu, Gerret von Nordheim)
Gerret von Nordheim und Jonas Rieger haben untersucht, zu welchen Themen Bundestagsabgeordnete auf Twitter Links teilen, und das ist recht spannend, insbesondere, was das Social-Media-Verhalten von AfD-Zugehörigen betrifft. Bei ihnen gehe es vor allem um die vier Kernthemen Migration, Kriminalität, Rechtsextremismus und Minderheiten. Viele andere Themenbereiche wie Daten-, Klima- und Umweltschutz oder Fragen des Mietmarktes spielen in AfD-Tweets, die auf Medieninhalte verweisen, keine Rolle.

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