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Ruhe im BILDblog

Liebe Leserinnen und Leser,
liebe BILDblog-Unterstützerinnen und -Unterstützer,

obwohl “Bild”-Chef Julian Reichelt mit dem Versuch, den Virologen Christian Drosten fertig zu machen, seinen Laden momentan kräftig an die Wand fährt, ist es hier auf der Seite merkwürdig ruhig.

Das liegt nicht daran, dass unser gesamtes Team beim Höhlentauchen verschollen ist oder dass uns allen die Internetverbindung gekappt wurde und wir nichts mitbekommen haben. Der Grund ist viel erfreulicher: Vor gut anderthalb Wochen habe ich Nachwuchs bekommen. Ich kümmere mich derzeit also weiterhin intensiv um Mist — allerdings um den in vollen Windeln und nicht um den in der “Bild”-Zeitung.

Zugegeben, mir ist es etwas peinlich, dass vom BILDblog aktuell so wenig kommt, gerade in diesen Tagen. Aber so ein Kind, puh, das beansprucht ganz schön Zeit. Und bei dem ziemlich kleinen Team, das hinterm BILDblog steht, kommt es schnell zum Stillstand, wenn einer komplett ausfällt.

Ich sehe zu, dass sich die Abläufe hier zu Hause bald besser eingespielt haben. Und dann auch im BILDblog wieder mehr los ist. Mal sehen, ob Julian Reichelt dann noch “Bild”-Chefredakteur ist.

Liebe Grüße und vielen Dank für die Treue
Moritz Tschermak

PS: Völlig unbeeindruckt von diesen privaten Entwicklungen, ist unser “6 vor 9”-Kurator Lorenz Meyer weiterhin fleißig und liefert montags bis freitags immer um 8:54 Uhr sechs lesenswerte Links aus der Medienwelt.

“Bild” und die Drosten-Studie, Kuckuckszitate, Steingart-Experiment

1. Wie berechtigt ist die Kritik an der “Drosten-Studie”?
(spiegel.de, Julia Köppe)
“Bild” missbrauchte wissenschaftliches Feedback zu Teilaspekten einer Studie im Pre-Print-Stadium, an der der Virologe Christian Drosten mitgearbeitet hat, um diese in ihrer Gesamtheit zu diskreditieren. Julia Köppe erklärt die Hinweise von Statistikern und kommentiert: “Unter Forschern ist es üblich, einen eigenen Beitrag zu verfassen, wenn es Anlass zur Kritik gibt und in sachlicher Sprache darzulegen, wo der Fehler liegt. Das kann auf Laien schon mal harsch wirken. Die aktuelle ‘Bild’-Berichterstattung skandalisiert einen in der Wissenschaft völlig üblichen Vorgang.”
Weitere Hörempfehlungen: Der aktuelle “FAZ”-Podcast: “Wir haben allerbeste Chancen” – Virologe Drosten über Corona und die “Bild” (Audio, 26:46 Minuten) mit einem Gesprächsangebot von Christian Drosten an “Bild” in den letzten Minuten.
Und die aktuelle Folge des “Coronavirus-Updates” (NDR), in der Christian Drosten ebenfalls Stellung zu den Vorwürfen der “Bild”-Zeitung nimmt (Audio, 52:30 Minuten).

2. Meine (fast) sechs Monate mit Gabor Steingart
(indiskretionehrensache.de, Thomas Knüwer)
Thomas Knüwer hatte Großes vor: “Ein halbes Jahr lang Gabor Steingarts ‘Morning Briefing’ auf den Prüfstand stellen, um zu sehen, wie nah er an seinem Markenversprechen ‘100% Journalismus. Keine Märchen’ liegt.” Knüwer hat das Experiment nicht durchgehalten, aber die immerhin vier Monate haben gereicht, um die Methode Steingart zu dechiffrieren: “1. Nur Fakten einblenden, die eine These stützen. 2. Behauptungsjournalismus galore. 3. Niemals an das Gute im Menschen glauben. 4. Hasse die Medien – aber bediene Dich ihrer. 5. Erschwere die Recherche. 6. Korrigiere Dich niemals. 7. Habe keine Meinung – tu nur so.”
Weiterer Lesehinweis aus dem Archiv: Die Weihnachtsgeschichte im Gabor-Steingart-Style aus der Feder des “6 vor 9”-Kurators: Steingarts “Morning Briefing” über Marias neues Religions-Startup (uebermedien.de, Lorenz Meyer).

3. “Das Wort Idiot hätte Loriot nie verwendet”
(sueddeutsche.de, Mareen Linnartz)
Die “Süddeutsche Zeitung” hat sich mit Gerald Krieghofer unterhalten, einem Experten für sogenannte Kuckuckszitate. Dabei handelt es sich um Falschzitate, die allerlei Berühmtheiten untergeschoben werden. In seinem Blog führt Krieghofer 493 dieser vermeintlichen Zitate auf, von Adorno bis Zola. Anlass für das Gespräch ist ein erfundenes Loriot-Zitat, das gerade in den Sozialen Medien die Runde macht.

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4. Ärger um einen Hörfunkklassiker: Darum steigt der NDR beim “Zeitzeichen” aus
(rnd.de, Imre Grimm)
Der NDR will in den kommenden Jahren 300 Millionen Euro einsparen und sich dabei auch von Sendungen trennen. Der Hörfunkklassiker “Zeitzeichen” soll zum Beispiel komplett ins Netz verlegt werden. Imre Grimm kommentiert: “Ist das zeitgemäß? Gewiss. Ist das sinnvoll? Gewiss nicht. Das ‘Zeitzeichen’ gehört zu den profiliertesten Radiomarken des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Es passt blendend ins Profil. Der Verweis auf die Audiothek schließt Hunderttausende aus, die dem Tagestakt des Radios noch immer massenhaft bereitwillig folgen und den Podcast-Kosmos kaum je für sich entdecken werden.”

5. Der Rassismus einiger Medien
(deutschlandfunk.de, Mirjam Kid, Audio: 6:18 Minuten)
Thuy-Tien Nguyen vom post-migrantischen, asiatisch-deutschen Netzwerk korientation beobachtet die Corona-Berichterstattung und entdeckt dabei immer wieder Formen von anti-asiatischem Rassismus. Auch bei Medien, von denen man dies eigentlich nicht erwarte würde: “Die Bildzeitung und das Cicero-Magazin sind natürlich mit dabei. Aber auch ganz vorne ist der Spiegel, die Frankfurter Allgemeine, die Tagesschau — da ist auch mal ein Fall passiert — Hamburger Morgenpost, Mitteldeutsche Zeitung, die Abendzeitung München.”

6. Twitter zerpflückt Trump-Tweet in erstem Faktencheck
(spiegel.de)
US-Präsident Donald Trump nutzt Twitter gern als sein tägliches Verlautbarungsorgan für Lügen, Stuss und Hetze, und Twitter ließ ihn dabei stets gewähren. Dies scheint sich zu ändern. Erstmals hat Twitter einen Trump-Tweet auf Richtigkeit überprüft und den Tweet des Präsidenten mit einem Link zur Richtigstellung versehen. Die Reaktion des US-Präsidenten ließ nicht lange auf sich warten: “Twitter unterdrückt das Recht auf freie Meinungsäußerung, und ich, als Präsident, werde das nicht zulassen!”
Weiterer Lesehinweis: Das Interview von “Zeit Online” mit dem US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz: “Das Bewusstsein wächst, dass Trump nicht der Richtige ist” (zeit.de, Marcus Gatzke).

VWs Werbeclip, Symbolbild-Idylle, Intimitätskoordinatorin

1. VW entschuldigt sich für rassistischen Werbeclip: “Falsch und geschmacklos”
(rnd.de)
Volkswagen veröffentlichte auf seinem Instagram-Kanal einen rassistischen Werbeclip und reagierte auf die aufbrandende Kritik zunächst uneinsichtig und latent patzig (“Wie ihr euch vorstellen könnt, sind wir überrascht und schockiert, dass unsere Instagram Story derart missverstanden werden kann”). Nach etwas Nachdenken wurde dem Unternehmen anscheinend die Dimension und Brisanz des Falls klar, und man schickte eine Entschuldigung hinterher, die sich ganz anders las: “Es [das Video] beleidigt alle Errungenschaften der Bürgerrechtsbewegung. Es beleidigt jeden anständigen Menschen. Wir schämen uns dafür und können es heute auch nicht erklären. Umso mehr werden wir dafür sorgen, dass wir diesen Vorgang aufklären.”

2. Behind the Scenes II – Talk mit dem Podcast-Team
(ndr.de, Korinna Hennig, Audio: 28 Minuten)
Zum zweiten Mal hat sich das Podcast-Team vom “Coronavirus-Update” (NDR) zum Backstage-Talk getroffen. Wie bereitet sich die Moderatorin auf die Gespräche mit dem Chefvirologen der Berliner Charité Christian Drosten vor? Unter welchen technischen Umständen wird produziert? Warum lässt man Drosten zur Verbesserung der Soundqualität nicht einfach seine eigene Tonspur aufnehmen, wie in der Podcast-Szene oft gefordert? Und was gibt es zu den Abrufzahlen des erfolgreichen Podcast-Formats zu sagen?

3. “Mut und viel Durchhaltevermögen gehören dazu”
(fachjournalist.de, Ulrike Bremm)
Der “Fachjournalist” hat mit Lara Gonschorowski, Chefredakteurin der “Cosmopolitan”, über Modejournalismus gesprochen: Was empfiehlt Gonschorowski Einsteigerinnen und Einsteigern? Welche Qualifikationen sollte man mitbringen? Wie sieht der Alltag in einer Moderedaktion aus? Und wie bespielt man erfolgreich so unterschiedliche Kanäle wie Heft, Online, Podcast und Social Media?

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4. Filmlöwinnen – Alles außer Cat Content
(podplayer.net, Audio, 1:09:11 Stunden)
Beim “Filmlöwinnen”-Podcast ist die Schauspielerin und Intimitätskoordinatorin Julia Effertz zu Gast. In dem Gespräch geht es um “Sex vor der Kamera” und die Frage, wie dabei verantwortungsvoll Grenzen gezogen und gewahrt werden können. Triggerwarnung: Ein Thema, das angesprochen wird, ist sexualisierte Gewalt. Das betrifft sexuelle Übergriffe am Set wie auch die filmische Darstellung von Vergewaltigung.

5. Offenbar nichts gelernt
(deutschlandfunk.de, Matthias Dell)
Matthias Dell fühlt sich beim medialen Umgang mit Teilen der Corona-Maßnahmen-Kritiker an die Zeit der “Pegida”-Proteste erinnert. Medien würden Gefahr laufen, in dieselbe Falle zu tappen: “Wieso können Medien nicht begreifen, dass nicht jeder, der sich auf Meinungsfreiheit beruft, auch an einem Austausch von Meinungen interessiert ist? Dass das Mit-dem-Grundgesetz-Rumfuchteln noch nicht bedeutet, an einer Diskussion von Standpunkten teilnehmen zu wollen? Sondern dass solche Gesten nur dazu dienen, sich in die öffentliche Debatte zu bomben, um dort kindisch die kritiklose Durchsetzung der eigenen Weltsicht zu fordern. Und zwar sofort.”
Weiterer Lesetipp: Hasnain Kazim fragt und antwortet in der “Zeit”: “Ist die Kritik an Corona-Maßnahmen falsch, nur weil Wirrköpfe und Neonazis auf den Demos mitlaufen? Nein. Aber wer sich von ihnen nicht abgrenzt, wird auch nicht gehört.”

6. Sind so brave Kinder
(sueddeutsche.de, Barbara Vorsamer)
Die dpa hat ein Foto veröffentlicht, das Redaktionen bereits hunderte Male als Symbolbild für das Thema Home-Office verwendeten. Es zeichnet ein geradezu idyllisches und friedvolles Bild: “Die Mutter des sechsjährigen Jakob und des vierjährigen Valentin arbeitet Zuhause an einem Laptop, während ihre Kinder neben ihr malen und ein Buch ansehen.” In ihrer Kolumne stellt Barbara Vorsamer die Symbolbild-Idylle infrage: “Echtes Familienleben passt nicht auf ein Symbolfoto, dafür bräuchte es eher ein Wimmelbild. In der Bildunterschrift würde dann stehen: ‘Links im Bild liegen Legosteine im Flur, in der Mitte stolpert jemand übers Ladekabel. Der kleine Junge in der Ecke (rechts) muss ganz dringend aufs Klo, aber Papa hat grad Telko und die Noise Canceller auf, deswegen hört er ihn nicht und muss nachher den See wegwischen.”

BND-Klatsche, Kritik rund um “Männerwelten”, Deutschrap

1. Grundrechte gelten für alle
(netzpolitik.org, Markus Beckedahl)
Markus Beckedahl kommentiert das gestrige Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum BND-Gesetz, das in weiten Teilen für rechtswidrig erklärt wurde: “Es ist gut, dass das Bundesverfassungsgericht geurteilt hat, dass unsere Geheimdienste einfach nicht alles machen dürfen, was sie wollen und was die Bundesregierung gerne hätte. Weil man eben auch auf unser Grundgesetz vereidigt wurde und dessen Werte selbstverständlich verteidigen sollte.” Das Urteil sei vor allem der Verdienst der Gesellschaft für Freiheitsrechte und Reporter ohne Grenzen, die sich zur Klärung dieser Frage verbündet hätten.

2. Maskuliner Trotz
(philomag.de, Philipp Hübl)
In vielen Medien seien es vor allem Männer, die eine Lockerung des “Lockdowns” fordern. Das sei kein Zufall, wie Philipp Hübl im “Philosophie Magazin” meint. Mit dafür ursächlich sei der unterschiedlich ausgelegte Freiheitsbegriff: “Liberale und Wähler rechts der Mitte (deutlich mehr Männer) fassen Freiheit eher im negativen Sinn auf, als ‘Freiheit von Zwang’: von einem zu großen Einfluss des Staates auf das Individuum und die Wirtschaft. Die Progressiven links der Mitte (deutlich mehr Frauen) sehen Freiheit eher positiv als ‘Autonomie’: Sie wollen, dass der Staat eingreift, um die freie Entfaltung besonders der Schwachen zu schützen.”

3. Zeigt her eure Wunden
(spiegel.de, Margarete Stokowski)
Die Fernsehunterhalter Joko und Klaas haben für ihren Beitrag über Gewalt gegen Frauen (“Männerwelten”) viel Applaus bekommen. Margarete Stokowski lenkt den Blick auf einige aus ihrer Sicht zu kurz gekommene Aspekte und spricht dabei auch das Verhalten von Joko und Klaas in der Vergangenheit an. Diese hatten “zum Spaß” eine Frau sexuell belästigt und waren in überaus hässlicher Weise über sie hergezogen: “Natürlich muss man nicht jeder öffentlichen Person jeden Fehler jahrelang hinterhertragen, aber wenn jemand gerade dabei ist, Ruhm und Dankbarkeit einzusammeln, wenn er mit einer Sendung genau das kritisiert, was er vor Kurzem noch selbst getan hat, dann kann man schon mal dran erinnern, dass es ein perfekter Moment gewesen wäre, zu sagen: Guckt mal, ich war auch mal so, und heute weiß ich es besser. (Wenn es denn so ist).”
Weiterer Gucktipp: Auf dem Instagram-Kanal der “taz” liest Friedrich Küppersbusch sowohl dem Sender ProSieben als auch den beiden TV-Entertainern Joko und Klaas die Leviten. Statt Selbstkritik, auch wegen der eigenen Senderformate, gab es laut Küppersbusch “politisch korrektes Schwanzträger-Bashing mit festem Blick auf Gratis-Applaus und einer tüchtigen Tünche moralischer Erhabenheit für ProSieben” (Video, 1:50 Minuten).

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4. Warum der Deutschrap so verstrahlt ist
(tagesspiegel.de, Sebastian Leber)
Sebastian Leber kritisiert die Sorte von Deutschrappern, die ihre jungen Fans mit toxischen Verschwörungsmythen indoktriniert: “Statt sich etwa um soziale Ungerechtigkeit, Diskriminierungen aller Art, um Klimakatastrophe, Nord-Süd-Gefälle, ertrinkende Flüchtlinge, Korruption, sexuellen Missbrauch, Altersarmut, reflektierte Kapitalismuskritik, die Ausbeutung prekär Beschäftigter, organisierte Kriminalität, Polizeigewalt, Waffenexporte oder wenigstens um die miese Netzabdeckung zu kümmern, begnügen sich die Deutschrapper mit Hokuspokus. Weil sie dies so laut und reißerisch tun, überdecken sie auch jene seltenen Stimmen, die sich um echte Gesellschaftskritik bemühen. Sie wirken wie die Schafe in Orwells ‘Farm der Tiere’, die mit penetrantem Geblöke jede nötige Kritik an den Herrschenden verhindern.”

5. “Seid ihr noch unabhängig?”
(taz.de, Gaby Sohl)
Die “taz” hat nach eigenen Angaben viel Kritik für ihre Berichterstattung während der Corona-Krise bekommen (einige der kritischen Stimmen sind im Beitrag angeführt). Etliche Leserinnen und Leser, Genossinnen und Genossen hätten sogar ihr Abo oder ihren Genossenschaftsanteil gekündigt. Als Reaktion habe man einen “taz”-Schwerpunkt ins Leben gerufen.

6. Das Telegram-Prinzip
(sueddeutsche.de, Jannis Brühl)
Beim Messengerdienst Telegram können, ähnlich wie bei WhatsApp, Gruppen eingerichtet werden. Während jedoch die Gruppengröße bei WhatsApp ein Limit von 256 Mitgliedern hat, können Telegram-Gruppen bis zu 200.000 Mitglieder umfassen. Das macht den Dienst anfällig für Corona-Verschwörungsgläubige, die dort ihre grenzwertigen Botschaften ungefiltert und unkommentiert verbreiten können. Einige prominente Beispiele: der Sänger Xavier Naidoo, der Koch Attila Hildmann und die ehemalige “Tagesschau”-Sprecherin Eva Herman.

“Hygiene-Demos”, Steingarts Pathos, Sch­lech­ter­dings Juris­ten­deutsch

1. “Das erinnert mich an die Anfänge von Pegida”
(deutschlandfunkkultur.de, Katja Bigalke & Martin Böttcher, Audio: 17:11 Minuten)
Derzeit wird an vielen Orten gegen die Corona-Maßnahmen demonstriert. Die Teilnehmenden sind äußerst heterogen und schwer einzuordnen, die sogenannten “Hygiene-Demos” ein Magnet für Rechtsextreme, Linksextreme, Verschwörungserzähler und Esoteriker. Die Berichterstattung darüber sei ebenso “verständlich wie problematisch”, so Simone Rafael von der Amadeu Antonio Stiftung. Es fehle an kritischer Einordnung. Außerdem müsse man nicht “jedem Zweiten das Mikro unter die Nase” halten.

2. 25 Jahre WELT im Internet. Eine Zeitreise
(welt.de, Oliver Michalsky)
Vor 25 Jahren wagte die “Welt” den Sprung ins Internet und setzte ihre erste Webseite auf. Digital-Chef Oliver Michalsky lässt das vergangene Vierteljahrhundert Revue passieren. Alleine die nostalgisch anmutenden Screenshots von damals lohnen einen Blick auf den Beitrag.

3. Chebli wehrt sich erfolgreich gegen kommerzielle Nutzung ihres Namens
(tagesspiegel.de)
Die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli (SPD) sieht sich auf Twitter immer wieder Beleidigungen und Drohungen ausgesetzt. Ganz übel mitgespielt hatte ihr ein Ex-Polizist und Youtuber aus dem rechten Spektrum, der von einem Gericht jedoch freigesprochen worden war. Eben diese Person hat nun Gegenstände mit Cheblis Konterfei verkauft. Dagegen wehrte sich Chebli erfolgreich via Unterlassungserklärung.

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4. Herr Steingart, das Pathos ist schon wieder leer!
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
“Man kann es sich nicht vorstellen, wenn man es nicht gesehen hat. Man kann es sich nicht einmal vorstellen, wenn man es gesehen hat.” Die Rede ist von Gabor Steingarts neuem Imagefilmchen zum Launch von “The Pioneer”, einer Mischung aus verschiedenen Polit-Newslettern und Podcasts. Stefan Niggemeier mit einem Erklärungsversuch des Medien-Phänomens Steingart: “Ich male mir das so aus, dass Gabor Steingart irgendwann zu Springer-Chef Mathias Döpfner gegangen ist und ihn überzeugt hat, Millionen in das neue Unternehmen zu stecken statt in sowas wie, sagen wir, die ‘Welt’, indem er es nicht als Schnäppchen, sondern absurd teure Sache verkauft hat. Je mehr es kostete, je absurder es wurde (und dann lassen wir ein eigenes Schiff bauen und fahren damit auf der Spree zwischen Friedrichstraße und Hauptbahnhof hin und her!), desto attraktiver schien die Investition.”

5. Das Bild des Politclowns bleibt
(taz.de, Ralf Leonhard)
Als vor einem Jahr das sogenannte “Ibiza-Video” auftauchte, gingen viele davon aus, dass es mit der politischen Karriere von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache endgültig vorbei ist. Doch weit gefehlt: Der Politiker schart schon wieder Anhänger und Anhängerinnen um sich und bastelt an einer zweiten Karriere. Sein größter Verbündeter: die österreichische Boulevardpresse.

6. Sch­lech­ter­dings Juris­ten­deutsch
(lto.de, Hendrik Wieduwilt)
Die sperrige Formulierung “Schlechterdings nicht nachvollziehbar” ist für Hendrik Wieduwilt willkommener Anlass, über das aufgeblähte Juristendeutsch nachzudenken. Sein (etwas ironisches) Fazit: “Wer beim Schreiben wirklich an die Leser und die Rechtsunterworfenen denkt, greift nicht zu Passiv-Konstruktionen, doppelten Verneinungen und Ausdrücken aus dem vorigen Jahrhundert. Wer es aber dennoch tut, denkt womöglich nicht so sehr an den Leser, sondern schlechterdings einfach an sich selbst.”

Gates noch, Ken?, RKI beendet Pressekonferenzen, Overblocking

1. Das ist dran an Ken Jebsens großer Gates-Verschwörung
(t-online.de, Jonas Mueller-Töwe)
Ken Jebsen hat auf seinem Youtube-Kanal “KenFM” einen halbstündigen Monolog veröffentlicht, der innerhalb von wenigen Tagen rund drei Millionen Mal angeklickt wurde. Das Opus heißt “Gates kapert Deutschland” und gibt damit bereits die Marschrichtung vor. Jonas Mueller-Töwe hat sich die Mühe gemacht, das Video einem Faktencheck zu unterziehen. Sein Fazit, nachdem er viele der im Video erhobenen Behauptungen als falsch entlarvt hat: “Jebsen ist — anders als er behauptet — kein Journalist. Er ist ein politischer Aktivist mit einer radikalen Agenda, die Links- und Rechtsradikale vereinen soll.”

2. Gegen das Virus der Falschinformation
(tagesschau.de, Marcel Kolvenbach)
Internationale Ärzte, Virologen und Wissenschaftlerinnen wehren sich mit einem Offenen Brief gegen “das Virus der Falschinformation”. Das Thema sei auch in Deutschland evident: Dem SWR liege eine “NewsGuard”-Studie vor, die sich mit den “Superspreadern” in Deutschland beschäftige. Dort habe man elf Facebook-Seiten identifiziert, die Falschinformationen zur Corona-Pandemie an eine besonders große Gefolgschaft verbreiten würden. Konkret erwähnt: RT Deutsch, “Der Wächter”, “Frieden Rockt”, Dr. Ruediger Dahlke, “Compact”, “Anonymous Deutschland”, “Augen Auf”, “Freidenkerkollektiv”, “Medizin Heute”, “Anonymous Offiziell” und “Russische Nachrichten”.

3. Brief des ARD-Freienrats wegen der Corona-Krise
(ard-freie.de, Christoph Reinhard)
Der sogenannte ARD-Freienrat versteht sich als Interessenvertretung für freie Journalistinnen und Journalisten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Er mache sich derzeit große Sorgen um die nach seinen Angaben rund 18.000 Freien, denen aufgrund der Corona-Krise die Einnahmen wegbrächen. Nun hat sich die Organisation mit einem Offenen Brief an die Verantwortlichen gewandt: “Wenn sich die Situation nicht bald ändert, gehören auch wir als Journalist*innen zu den Verlierern in der Corona-Krise. Das Programm in Hörfunk und Fernsehen sowie online und auf Social Media-Kanälen wird weitgehend von Freien gestemmt. Indirekt laufen die Sender damit also auch Gefahr, ihrem Informations- und Bildungsauftrag nicht mehr gerecht werden zu können.”

4. Overblocking: YouTube muss entsperren
(kanzleikompa.de, Markus Kompa)
Medienanwalt Markus Kompa berichtet von Löschvorgängen bei Youtube im Zusammenhang mit der Corona-Krise. Davon betroffen sei auch ein Video eines seiner Mandanten gewesen, das eine Aufforderung zum Widerstand enthalten habe. Dagegen habe sich dieser erfolgreich juristisch zur Wehr gesetzt: “Zwar hat ein privater Konzern grundsätzlich Hausrecht und kann sich aussuchen, wen er reinlässt. Nun ist YouTube/Google aber marktbeherrschend. Daher strahlen die Grundrechte auch auf einen Konzern aus, sogenannte mittelbare Drittwirkung. Ein Eingriff in die Meinungsfreiheit ist daher nur gerechtfertigt, wenn dieser nicht willkürlich geschieht. Sofern die Hausregeln und die Gesetze beachtet wurden, muss YouTube daher den Nutzer gewähren lassen.”

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5. Links zugespitzt
(sueddeutsche.de, Tobias Obermeier)
In den USA sei das Magazin “Jacobin” eines der einflussreichsten Meinungsmedien der demokratischen Sozialisten. Nun erscheint es auch in deutscher Sprache. Tobias Obermeier über die erste Ausgabe: “Die Texte scheuen sich nicht vor Zuspitzungen. Besonders schön sind Illustrationen und grafische Aufarbeitungen wie zu den ‘sozialdemokratischen Verbrechen’ oder eine Übersicht deutscher Milliardäre, die zusammen locker ein Klimaschutzprogramm der Vereinten Nationen finanzieren könnten und immer noch Milliardäre wären.”

6. Ein völlig verkehrtes Signal
(taz.de, Malte Kreutzfeldt)
Als “völlig verkehrtes Signal” bezeichnet Malte Kreutzfeldt die Entscheidung des Robert-Koch-Instituts, seine regelmäßigen Pressekonferenzen bis auf Weiteres einzustellen: “Das Robert-Koch-Institut sollte seine Entscheidung (…) schnell revidieren. Gerade jetzt, wo die Beschränkungen weiter gelockert werden und der Bund die Verantwortung weitgehend an die Länder überträgt, ist eine qualifizierte Bewertung des aktuellen Geschehens besonders wichtig.”

Pochers Attacken, Mausgezeichnete Einschaltquoten, Lisa Eckhart

1. Täter hatten vor Übergriff wohl Streit mit “heute-show”-Team
(tagesspiegel.de, Alexander Fröhlich)
Der genaue Hintergrund des Angriffs auf ein Team der “heute-show” (ZDF) ist nach wie vor unklar. Laut “Tagesspiegel”-Informationen soll es jedoch vor der Attacke Streit zwischen dem TV-Team und den Angreifern gegeben haben. Für die Staatsanwaltschaft seien alle Verdächtigen “dem linken Spektrum zuzurechnen”.
Weiterer Gucktipp: Im ZDF-Interview (Video, 13:31 Minuten) schildert der Satiriker Abdelkarim, wie er den Angriff erlebt hat: “Das war auch keine Schlägerei, das war ein Einschlagen auf eine völlig wehrlose Gruppe, von der null Gefahr ausging. Viel feiger kann ein Angriff gar nicht sein.”

2. Niveaulos und frauenverachtend: Wer stoppt Oliver Pocher?
(rnd.de, Matthias Schwarzer)
Der Comedian Oliver Pocher hat offenbar eine neue Möglichkeit gefunden, Aufmerksamkeit zu generieren: Er drischt öffentlich auf Influencerinnen ein. In einem aktuellen Fall legte er die Pornovergangenheit eines seiner Opfer offen. “Sollte Pocher mit seinem pseudointellektuellen Moralgeplänkel tatsächlich so etwas wie journalistischen Anspruch gehabt haben, so ist er damit krachend gegen die Wand gefahren”, kommentiert Matthias Schwarzer. Sein Fazit: “Je mehr grölendes Publikum Pocher bekommt, desto mehr pöbelt sich der Comedian in Rage. Dass hinter jedem Influencer auch ein Mensch steht, wird da zweitrangig. Da wird jeder Fehltritt ausgeschlachtet, jedes Nacktvideo, jede Dominavergangenheit zum Auslachexzess. Die Grenze ist hier bereits lange überschritten.”

3. Klassiker räumt ab: “Sendung mit der Maus” im Höhenflug
(dwdl.de, Alexander Krei)
Trotz ihres mittlerweile stolzen Alters von 50 Jahren ist “Die Sendung mit der Maus” so erfolgreich wie lange nicht. Bei den 14- bis 49-Jährigen habe die Kindersendung einen Marktanteil von fast 17 Prozent erzielt. Ein außergewöhnlich guter Wert für den Klassiker, der sich auch bei den Erwachsenen großer Beliebtheit erfreue.

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4. Renan Demirkan protestiert gegen “Eliminierung” älterer Schauspieler aus Drehbüchern und Besetzungslisten
(presseportal.de)
Die Autorin und Schauspielerin Renan Demirkan warnt vor einer existenziellen Bedrohung älterer Künstlerinnen und Künstler durch die Corona-Krise. In einem Offenen Brief (nur mit Abo lesbar) an NRW-Ministerpräsident Armin Laschet schreibt die 64 Jahre alte Demirkan: “Ich bin mir nicht sicher, ob sich Nichtkünstler ein Künstlerleben wirklich vorstellen können. Ob auf der Bühne oder auf der Leinwand; ob in Büchern oder Bildern; ob als Musiker oder Komponisten: Das, was wir tun, das sind wir — uneingeschränkt und ohne Altersgrenze!”

5. Pulitzer-Preis für die “New York Times”
(sueddeutsche.de)
Der Pulitzer-Preis geht dieses Jahr unter anderem an die “New York Times”. Der Jury habe die Russland-Berichterstattung gefallen, mit der die Zeitung das aggressive Vorgehen des russischen Präsidenten Wladimir Putin enthüllt habe. Weitere Auszeichnungen gingen unter anderem an die in Alaska ansässige “Anchorage Daily News”, die Recherche-Plattform “ProPublica”, das “Courier-Journal” und die “Baltimore Sun”.

6. Sie ist von Kopf bis Fuß aufs Böse eingestellt
(faz.net, Andrea Diener)
Wer gelegentlich die Satiresendung “Nuhr im Ersten” schaut, ist dort eventuell schon einmal der österreichischen Kabarettistin Lisa Eckhart begegnet, die bevorzugt gegen die “politische Korrektheit” anredet. Derzeit wird ein bereits älterer Ausschnitt der Kabarettsendung “Mitternachtsspitzen” diskutiert, in der Eckhart jahrhundertealte Vorurteile gegen Juden reproduziert. Anlass für Andrea Diener, einen genaueren Blick auf die Künstlerin und ihr Programm zu werfen: “Zusammenfassen lässt sich ein Großteil ihres Programms mit ‘stellt euch mal nicht so an’. Gemobbte Schulkinder, Magersüchtige, rassistisch angegangene Corona-Chinesen: alle mal die Fresse halten, früher ging es den Leuten noch viel schlechter. Früher wurde nicht ‘gemobbt’, früher wurde noch zünftig geprügelt und es hat keinen gestört, weil die Gesellschaft noch nicht so verweichlicht und dekadent war. Zack, über alle Zwischentöne drübergebügelt. Es gibt Pilsstuben, in denen hat man das schon differenzierter gehört.”
Nachtrag: Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser “6 vor 9”-Ausgabe war der Artikel noch frei abrufbar. Inzwischen hat die “FAZ”-Redaktion ihn hinter die Paywall gestellt.

Bild.de beerdigt filmreif BMW und Hummer

Schon dem Grab des altägyptischen Pharaos Tutanchamun wurde, neben vielen anderen Schätzen, ein goldener Streitwagen beigelegt. Und ein bisschen so, angepasst an den Puls der Zeit freilich, klingt auch die Meldung aus Südafrika, wo ein Mann in seinem alten Mercedes beerdigt wurde.

So eine Skurrilität ist natürlich auch für die “Bild”-Redaktion ein Thema. Bei Bild.de berichtet sie über das ungewöhnliche Begräbnis:

Screenshot Bild.de - Seine Hände waren mit Kabelbinder am Lenkrad befestigt - Politiker nimmt Mercedes mit ins Grab

Am Ende des Beitrags steht in einer Bildunterschrift der Hinweis:

In Afrika wurde nicht zum ersten Mal ein Mensch in einem Auto beerdigt.

Autobestattungen seien zwar extrem selten, schreibt Bild.de, doch:

Doch in Afrika ist diese bizarre Form der Beisetzung nicht zum ersten Mal passiert

Jaja, “in Afrika”. Für die Behauptung liefert die “Bild”-Redaktion zwei Belege:

Vor zwei Jahren beerdigte ein Nigerianer seinen Vater in einem brandneuen BMW X5. 2015 brachte ein Geschäftsmann (ebenfalls aus Nigeria) seine Mutter in einem Hummer unter die Erde.

Allerdings hat weder die eine noch die andere Beerdigung in Wirklichkeit je stattgefunden. Beide gab es nur in Filmen aus Nollywood.

An der Stelle mit dem BMW-X5-Begräbnis — tatsächlich geht es um einen BMW X6, aber das nur am Rande — verlinkt Bild.de einen eigenen älteren Artikel, in dem über diese vermeintliche Trauerfeier berichtet wird:

Screenshot Bild.de - Nigeria - Sohn begräbt Vater in Luxusauto

Dieser Luxusschlitten geht aus der Fabrik direkt unter die Erde …

In Nigeria hat ein Mann seinem Vater eine besondere letzte Ruhestätte ermöglicht: Er ließ ihn statt in einem Sarg in einem brandneuen Luxusauto beerdigen.

In dem Artikel von 2018 verlinkt die Redaktion wiederum die britische “Daily Mail”, sozusagen als Beleg. Problem: Selbst die sonst “Bild”-haft krawallige “Daily Mail” hatte nach der Veröffentlichung darauf hingewiesen, dass die Meldung falsch war:

Screenshot dailymail.co.uk - Social media claims that son buried his father in a 66000 Pounds BMW in Nigeria are shown to be false as it is revealed the image is actually from a Nigerian film

Die Agentur AFP hatte bei einem Faktencheck herausgefunden, dass die Aufnahmen aus dem nigerianischen Film “Social Club” stammen:

Screenshot aus dem Film Social Club, auf dem die BMW-Beerdigung zu sehen ist

Und auch das Hummer-Begräbnis, das die “Bild”-Redaktion erwähnt, gab es nur im Film.

In dem bereits erwähnten fehlerhaften “Daily Mail”-Artikel ist die Rede von einem Milliardär aus der nigerianischen Stadt Enugu, der 2015 seine Mutter in einem “brand new Hummer” beerdigt haben soll — also ziemlich genau das, was auch Bild.de behauptet.

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Sucht man nach “enugu billionaire burial mother hummer”, findet man tatsächlich Bilder eines Hummers, der in ein Grab rollt. Diese Aufnahmen stammen allerdings nicht von einem echten Begräbnis, sondern aus dem dritten Teil der nigerianischen Filmreihe “Get Rich & Die Young”:

Screenshot aus dem Film Get rich and die young, auf dem die Hummer-Beerdigung zu sehen ist

Mit Dank an Peter S. für den Hinweis!

Zu Besuch bei Gujer, Zukunft von “Buzzfeed”, Fragerecht per Los

1. Wie war ich?
(republik.ch, Daniel Ryser)
Daniel Ryser hat ein überaus lesenswertes Porträt des “NZZ”-Chefredakteurs Eric Gujer verfasst. Er hat ihn im Schweizer Stammhaus besucht und ist nicht davor zurückgeschreckt, Gujer auch mit unangenehmen Fragen zur wirtschaftlichen Entwicklung zu konfrontieren: “Gujer lächelt das mit einem Kopf­schütteln weg, und natürlich kann man durchaus sagen, dass es völlig unwesentlich ist, dass in meinen komplett vernachlässigbaren, in Bubbles erstickenden linken Zecken­kreisen niemand mehr die NZZ liest, weil man es zum Beispiel in einer Welt der Trumps, Erdoğans, Putins, Orbáns, Bolsonaros und Johnsons irgendwann als intellektuelle Beleidigung empfand, wöchentlich erzählt zu bekommen, dass wir offenbar — zumindest in der Wahrnehmung an der Falkenstrasse — kurz vor einer totalitären Diktatur eines queer­feministischen Regen­bogens stehen. Aber 30’000 verloren gegangene Print-Jahres­abos lassen sich womöglich doch nicht so einfach mit Bubble und ‘lesen einfach keine Zeitung mehr’ schönreden.”

2. Was wird aus der deutschen Redaktion?
(deutschlandfunk.de, Daniel Bouhs, Audio: 4:51 Minuten)
Vergangenes Jahr wurde “Buzzfeed News”-Chef Daniel Drepper noch als “Chefredakteur des Jahres” ausgezeichnet. Heute bangen er und seine Redaktion um die berufliche Existenz. Die “Buzzfeed”-Zentrale will seinen mit Lob und Preisen ausgezeichneten deutschen Ableger abstoßen. Man möchte meinen, dass sich deutsche Medienhäuser um das tüchtige Team reißen, doch die derzeitigen Aussichten seien ungewiss.

3. Rechtsextreme podcasten ungestört bei Spotify
(rnd.de, Matthias Schwarzer)
Rechtsextreme haben das Medium Podcast für sich entdeckt — um in der Corona-Krise die Deutungshoheit zu erlangen und um ihre Ideen unters Volk zu bringen. Matthias Schwarzer hat sich angeschaut beziehungsweise angehört, wie die Gruppierung “Ein Prozent” bei ihren Audio-Produktionen vorgeht und welche Köpfe hinter dem Netzwerk stecken.

4. Lotterie: Gewinner dürfen Fragen stellen
(verdi.de, Reiner Wandler)
Pressekonferenzen der spanischen Regierung finden derzeit online und vor leeren Stuhlreihen statt. Journalistinnen und Journalisten, die eine Frage stellen wollen, müssen auf eine Art Gewinnspiel hoffen: Nur wer ausgelost werde, könne per Videoschalte auf der Pressekonferenz zu Wort kommen. Dagegen richte sich nun der Widerstand zahlreicher Medienschaffender: Mittlerweile hätten über 400 von ihnen ein Manifest mit dem Titel “Die Freiheit zu fragen” unterzeichnet.

5. Podcasts zwischen Corona-Hype und Spotify-Monopol
(medienwoche.ch, Nick Lüthi)
Corona-Podcasts haben viel für die Akzeptanz des Mediums Podcast getan. Gleichzeitig versuche Spotify, eine marktbeherrschende Stellung zu erreichen, so Nick Lüthi in der Schweizer “Medienwoche”: “Befürchtungen gehen dahin, dass sich Spotify zu einem Gatekeeper entwickelt, vergleichbar mit der Rolle von Google oder Facebook im Netz. Noch ist es nicht so weit, aber Spotify geht den Weg in diese Richtung ziemlich zielstrebig. Dabei profitiert das Unternehmen auch von jenen Produzenten, die ihre Podcasts dort zum Abruf einstellen. Und das sind so ziemlich alle.”

6. “Misstrauen Sie dieser Video-Kolumne!”
(uebermedien.de, Boris Rosenkranz, Video: 1:19 Minuten)
“Focus”-Kolumnist Jan Fleischhauer kommentiert die Video-Kolumne von Jan Fleischhauer. Boris Rosenkranz hat eine Video-Collage mit Fleischhauer-Sprech-Schnipseln arrangiert und lässt ihn unter anderem sagen: “Misstrauen Sie dieser Video-Kolumne! Bis irgendwann die Polizei kommt.”

Atemschutzmasken-Wucherpreise im “Deal des Tages”

Unsere Redaktion durchforstet jeden Tag für Sie das Internet auf der Suche nach den besten Angeboten und präsentiert Ihnen an dieser Stelle den “Deal des Tages”. Egal, ob Sie ein echter Sparfuchs oder nur ein Hobby-Schnäppchenjäger sind, hier werden Sie jeden Tag auf das beste Angebot aufmerksam gemacht, das man zur Zeit im Internet finden kann.

Das ist doch mal ein toller Service, den die Redaktion der “Hamburger Morgenpost” bietet. Und was hat die “Mopo” heute für uns Hobby-Schnäppchenjäger und Sparfüchse?

Screenshot Mopo.de - Shoppingwelt - Mopo-Deal des Tages - FFP-2-Atemschutzmasken aus deutscher Online-Apotheke

Im Artikel steht dazu:

Atemschutzmasken sind in Zeiten von Corona zu einer echten Mangelware verkommen. Sie sind stets ausverkauft oder haben lange Lieferzeiten oder astronomische Preise.

Als Beleg für solch “astronomische Preise” bietet auch der “Mopo”-“Deal des Tages” einen: eine Maske soll 14,95 Euro kosten. Der Link, der zu der “deutschen Online-Apotheke” führt, ist ein Affiliate-Link. Das heißt: Die “Hamburger Morgenpost” dürfte an dem Wucher mitverdienen.

14,95 Euro ist noch einmal ein gutes Stück mehr als der Preis, den ein Team von WDR, NDR und “Süddeutscher Zeitung” genannt hat (13,52 Euro), um zu zeigen, dass FFP2-Atemschutzmasken sich in den vergangenen Wochen um circa 3000 Prozent verteuert haben. Eine Maske sei bis Mitte Februar für 45 Cent zu haben gewesen.

Die “Mopo”-Redaktion schreibt zu ihrem “Deal”:

Ein Deal im Sinne von einem echten Schnäppchen sind die Atemschutzmasken damit freilich nicht, aber in diesem Fall ist die Verfügbarkeit des Produkts schon eine Info wert.

Die Frage der Verfügbarkeit ist ja der nächste Punkt: In einer Zeit, in der deutschlandweit Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen verzweifelt auch nach solchen FFP2-Masken suchen, um ihr Personal bei der Arbeit schützen zu können, sollte eine Redaktion vielleicht nicht den privaten Kauf derartiger Masken promoten und dabei selbst noch ein bisschen abkassieren.

Bei Mopo.de kann man die teuren Atemschutzmasken immer noch finden, inzwischen allerdings nicht mehr als “Deal des Tages”. Die “Mopo”-Redaktion ist mit dem Angebot übrigens nicht allein: Auch beim Kölner “Express” und bei der “Kölnischen Rundschau” ist es online zu finden.

Mit Dank an Eric P. und @dan_hh für die Hinweise!

Nachtrag, 20:08 Uhr: Die “Mopo”-Redaktion hat bei Twitter mit mehreren Tweets auf unsere Kritik reagiert:

Screenshot eines Tweets der Mopo-Redaktion - Die Mopo-Redaktion findet diesen Deal genauso geschmacklos wie ihr, deshalb haben wir heute Nachmittag direkt interveniert, als uns der Artikel dazu von unserem Vermarktungspartner eingespielt wurde.
Screenshot eines Tweets der Mopo-Redaktion - Wir haben das Teaser-Element, das auf dieses mehr als zweifelhafte Angebot verweist, heute Nachmittag sofort von mopo.de entfernt. Der Artikel als solcher ist nach wie vor auch unter unserer Domain zu finden, weil er bei anderen Portalen nach wie vor online ist. Das ist technisch bedingt und ärgert uns wohl am meisten. Wir werden alles daran setzen, dass es in Zukunft zu so etwas nicht mehr kommt

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