Wehler: Ich hielt schon die Triumph-Zeile der “Bild”-Zeitung “Wir sind Papst” für billigen Nationalismus. Ich will es den deutschen Katholiken nicht absprechen, dass sie sich darüber freuen und ein bisschen stolz sind, aber Ratzinger ist aus allen möglichen Gründen gewählt worden, aber nicht wegen der Tatsache, dass er Deutscher ist. Die englische Reaktion der “yellow press” ist Ausdruck der Kontinuität dessen, was man im Jargon “German bashing” nennt, der Antipathie gegen die Deutschen, die vor allem in den Unter- und Mittelschichten herrscht und die von diesen Zeitungen bedient wird.
Wehler: Sie bedient einen deutschen Gegen-Nationalismus. Es ist nicht der richtige Zeitpunkt und nicht der richtige Ort, um nach der Diskussion über Vertreibungen und über Luftangriffe auf deutsche Städte, nun darüber zu diskutieren, welche Rolle die HJ für Millionen von Deutschen gespielt hat. Das muss man in einem ganz anderen, abwägenden Ton tun. Hängt man das Ganze auf an der punktuellen Vergangenheit des neuen Papstes, dann kann das nur indieIrre führen.
(Verlinkung von uns.)
Grad jüngst zum Beispiel sah’s so aus, als illustriere “Bild” ihre Berichterstattung über den “Grüne Jugend”-Sprecher und Graffiti-Befürworter Stephan Schilling mit einem großen Foto, das ihn vor einer fies beschmierten Häuserwand zeigt.
Nur gibt es dieses Foto gar nicht.
Zwar hatte sich Schilling tatsächlich für “Bild” vor einer Graffiti-Wand fotografieren lassen, wie er sagt, wenn man ihn fragt. Doch habe man sich ausdrücklich darauf verständigt, dass ihn die Fotos “nicht vor irgendwelchen Schmierereien” zeigen. Das Foto, so Schilling, sei dauraufhin auf einem alten Fabrikgelände vor einer Wand bei einem Jugendfreizeitklub entstanden – und sieht deshalb ursprünglich genau so aus wie das bei Bild.de(siehe Ausriss links).
Für die gedruckte “Bild” hingegen (siehe Ausriss rechts) wurde das Originalfoto manipuliert: Die farbenfrohe Graffiti-Wand im Bildhintergrund wurde gegen eine weitaus tristere, mehrere Kilometer entfernt und ohne Schilling entstandene Aufnahme ausgetauscht. Und selbst die dazugehörige “Bild”-Formulierung über Schilling (“Findet Graffiti (wie auf dem Foto im Hintergrund) in Ordnung”) wirkt derart suggestiv montiert, als wolle sie in die Irre führen und die Wirklichkeit bewusst verschleiern.
Aber wie gesagt: Dass (und wie) sich “Bild” gern kritisch mit Politikern der Grünen auseinandersetzt, ist ja nichtneu.
Die “Bild”-Zeitung hat viel mit der katholischen Kirche gemein. Beide haben einige Leichen im Keller. Bei beiden schrumpft hierzulande die Zahl der Anhänger. Beide teilen die Welt in Gut und Böse. Beide lieben das Okkulte und stehen der Aufklärung skeptisch gegenüber. Und beide pflegen eine Kultur des Gehorsams, nicht der Diskussion.
Am Montag hatte “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann in einem Kommentar auf Seite 1 über Johannes Paul II. geschrieben:
Ein Papst dieser Art darf, ja muß umstritten sein.
Er meinte damit natürlich nicht, dass über den Papst und seine Entscheidungen gestritten werden darf. Entscheidungen des Papstes sind nicht dazu da, Diskussionen anzuregen, sondern befolgt zu werden. Das weiß auch die “Bild”-Zeitung.
Anfang dieses Jahres hatte der Vatikan noch einmal unmissverständlich deutlich gemacht, dass die katholische Kirche Kondome als Mittel ablehnt, die Aids-Epidemie einzudämmen, an der im vergangenen Jahr weltweit über 3 Millionen Menschen starben:
“Wir akzeptieren den Gebrauch von Präservativen nicht, nicht einmal zur Lösung des Aidsproblems.”
Wer eine andere Meinung hat, ist ein Ketzer und wird von “Bild” mit unnachgiebiger Härte verfolgt. Am 22. Februar 2005 wagte es der Entertainer Jürgen von der Lippe, in einem Interview mit der Münchner “Abendzeitung” Folgendes zu sagen:
(…) was der Papst von sich gibt, streift meiner Ansicht nach den Rand der Schwerkriminalität. Ich finde es einfach schlimm, wenn man zum Beispiel Kondome sogar zur Aids-Prävention oder gar HIV-Kranken verbietet.
Am Tag darauf machte “Bild” ihn deshalb zum “Verlierer des Tages”.
Was ist denn in den gefahren? Jürgen von der Lippe (56), heute als katholischer Priester im TV („Der Heiland auf dem Eiland“), beleidigt den Heiligen Vater, der sich gegen Verhütung ausspricht. (…)
BILD meint: Wohl von Sinnen, von der Lippe!
Von der Lippes Begründung für seine Aussage nannte “Bild” nicht.
Am vergangenen Sonntag wagten es mehrere Menschen in der Talkshow “Sabine Christiansen”, Kritik an der konservativen Linie des verstorbenen Papstes zu üben. “Bild”-Kolumnist Franz-Josef Wagner nennt diese Sendung heute deshalb eine “Schande-Talkshow” und die Papst-Kritiker “böse, rechthaberische Männer”.
Da hackten die Leichenfledderer Heiner Geißler und Hans Küng, linker Theologe, dem der Papst die Lehrerlaubnis entzogen hat, auf den Toten ein.
Zölibat, Kondome, Aids. Frau Christiansen, die Karriere-Frau ohne Kinder, stellte die Frage nach der Rolle der Frau. (…)
Ihre Talkshow, Frau Christiansen, war das Dümmste, was ich jemals sah. Sie verkürzen die Frage des Glaubens nach Karriere und Spaß im Bett. Gott verzeiht, ich nicht.
Eine andere Frage ist es, warum die ARD Ihnen erlaubt hat, auf den Papst zu spucken. Wann waren Sie das letzte Mal in der Kirche, Frau Christiansen?
Natürlich ist der Papst nicht die einzige Autorität, an der sich Kritik grundsätzlich verbietet. Da ist auch noch “Bild”-Kolumnist Franz Beckenbauer, den das Blatt im Jahr 2000, nachdem er die WM nach Deutschlang holte, fast ganzseitig als Denkmal zeigte, mit der Inschrift:
“Dem deutschen Fußballkaiser Franz Beckenbauer zu Dank und ewiger Erinnerung.”
Am vergangenen Wochenende wagte es der Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit, sich gegen Franz Beckenbauer als Uefa-Präsidenten äußern. Entsprechend diskussionslos ist Cohn-Bendit heute “Verlierer des Tages” in “Bild”.
(Alle Hervorhebungen von uns.)
Nachtrag, 20.45 Uhr. … und der evangelische Bischof Wolfgang Huber ist für “Bild” “Gewinner des Tages”, weil er bei “Christiansen” die “plumpe Papst-Kritik” der anderen Talkshow-Teilnehmer angriff.
Gibt es wirklich so viel Neues zu berichten, seit der Papst im Sterben lag und starb, um damit Tag um Tag mehrere “Bild”-Seiten zu füllen? Aber ja – zum Beispiel dies:
“Ich war die Jugendfreundin von Karol Wojtyla”
Jedenfalls steht das heuteso in “Bild” (online zunächst mit dem Zusatz: “Helena Kwiatkowska lüftet ihr Geheimnis in einem Buch”). Und weiter heißt’s in “Bild” dann noch:
“Über ihre Begegnungen mit Karol alias Johannes Paul II. schrieb Halina Kwiatkowska jetzt ein Buch. Titel: ‘Der große Freund’.”
(Hervorhebung von uns.)
Aber naja: Bekannt geworden waren die harmlosen Erinnerungen Halina Kwiatkowskas (spätestens) im Jahr 2002 anlässlich eines Klassentreffens mit dem Papst am Ende seiner achten Polenreise, über das damals u.a. auch “Bild”-Vatikanreporter Andreas Englisch fürs “Hamburger Abendblatt” berichtete, und standen zum Teil auch recht ausführlich (siehe z.B. hier) in Kwiatkowskas Memoiren “Porachunki z pamięcią” (dt.: “Abrechnungen mit der Erinnerung”), erschienen im Frühjahr 2002.
Und das andere Buch? Das Buch, das die “wichtigste Jugendfreundin des Papstes” und “erste Liebe von Johannes Paul” laut “Bild” ja “jetzt”, äh, “schrieb”? Das hat 160 Seiten, trägt den Titel “Wielki kolega” (dt.: “Großer Freund”) und ist im Jahr 2003 erschienen.
Arsenal London, dessen Torwart Jens Lehmann ist, flog bekanntlich gegen Bayern München, dessen Torwart Oliver Kahn ist, aus der Champions-League. Und Kahn und Lehmann sind bekanntlich beide in der Deutschen Nationalmannschaft, wo sie um den Posten des Stamm–Torhüterskonkurrieren. Soweit so gut. Morgen nun steht Bayern gegen Chelsea London im Viertelfinale. Und jetzt dies:
Lehmann plötzlich Kahn-Fan
So steht es heute in “Bild”, weil Lehmann über Kahn sagt, “Ich wünsche ihm den Sieg”. “Bild” illustriert die Geschichte u.a. mit diesem Foto:
Und in der Bildunterzeile steht:
Fair: Nach dem Champions-League-Aus von Arsenal gratuliert Londons Jens Lehmann (l.) Oliver Kahn zum Viertelfinal-Einzug
Das gleiche steht auch in der Online-Ausgabe unter einem anderen Foto, nämlich diesem hier:
Sehen wir mal davon ab, dass Bild.de hier also das falsche Foto eingebaut hat, weshalb die Unterzeile nicht mehr stimmt (Kahn, nicht Lehmann, steht links). Viel interessanter ist nämlich, dass das Tätschelfoto schon einmal in “Bild” abgedruckt wurde. Und schon damals konnte man dort quasi nachlesen, dass es nur einen Wimpernschlag nach dem Händedruckfoto entstand (“Ein Händedruck unter Männern”). – Trotzdem wurde es in einen völlig anderen Zusammenhang gestellt:
Ja was denn nun? “Demütigt” Kahn hier tatsächlich Lehmann, wie “Bild” am 24. Februar auf der Titelseite schrieb? Gratuliert Lehmann hier Kahn, wie heute bei Bild.de steht? Stammen die Fotos aus dem Achtelfinal-Hinspiel oder doch eher aus dem Rückspiel? Sucht man sich bei “Bild” etwa völlig Ereignis unabhängig Fotos zusammen, um dann irgendwelchen Quatsch drunter zuschreiben, der zwar mit der Wahrheit nichts zu tun hat, dafür aber zur Geschichte passt? Und was sagt das eigentlich über den Wahrheitsgehalt der Geschichten selbst aus?
Zumindest eine Frage lässt sich definitiv beantworten: Die Fotos wurden im Achtelfinal-Hinspiel aufgenommen und nicht, wie “Bild” behauptet, “nach dem Champions-League-Aus von Arsenal”. Bei der Beantwortung der anderen Fragen kann man sich nicht hundertprozentig sicher sein.
Mit Dank für den sachdienlichen Hinweis an Markus.
Nachtrag, 18.35 Uhr:
Das Tätschelfoto auf Bild.de wurde inzwischen durch das Händedruckfoto ersetzt. Da man aber bei Bild.de offenbar Fehler von “Bild” nicht einfach so verbessern darf, steht die falsche Behauptung, der Händedruck habe “nach dem Champions-League-Aus von Arsenal” stattgefunden, immer noch da.
Es gibt Themen, bei denen man nun wirklich denken sollte, dass “Bild” sich auskennt. Die ZDF-Sendung “Wetten, dass” zum Beispiel ist exklusiver Partner der Internet-Schwester von “Bild”, die für die Show einen eigenen “Channel” eingerichtet hat (siehe Ausriss rechts). Beste Voraussetzung dafür, gut informiert zu sein. Theoretisch.
Am vergangenen Sonntag berichteten “Bild am Sonntag” und Bild.de, dass “Europas erfolgreichste Unterhaltungssendung” im Mai “erstmals nicht an einem Samstag ausgestrahlt werde”:
Das gab es noch nie in der 24jährigen Geschichte von “Wetten, dass . .?”.
staunte “Bild” und spekulierte ausführlich über die Konkurrenz zwischen ARD-Volksmusik-Moderator Florian Silbereisen und ZDF-Mann Thomas Gottschalk. Was auch immer hinter der Entscheidung des ZDF für den Sonntags-Termin steckt: Eine Premiere ist es nicht. “Wetten, dass” lief schon drei Mal an einem Sonntag: am 20. Dezember 1987, am 3. April 1988 und am 2. Dezember 1996.
Der Bild.de-Teaser (Ausriss links) ist sogar gleich doppelt falsch, weil die Sendung aus der Türkei, um die es geht, keineswegs das “nächste Mal” ist. Das nächste “Wetten, dass” kommt aus Berlin — klassisch am Samstag.
Danke an Richard J. für den sachdienlichen Hinweis.
Nachtrag, 21.50 Uhr: Anstatt die Fehler zu korrigieren, hat Bild.de den Artikel heute Abend kurzerhand ganz entfernt.
In der vergangenen Woche zeigten ARD und ZDF probeweise Fußballspiele im 16:9-Format, weswegen bei vielen TV-Geräten, die ein Bild im Verhältnis 4:3 zeigen, am oberen und unteren Bildschirmrand schwarze Balken zu sehen waren.
“So ein Nerv-Bild droht uns auch bei der WM 2006!”
Fakt ist: Die Fifa hat vor, die WM 2006 im Format 16:9 zu produzieren. Die Sender aber, darauf weist auch “Bild” hin, dürfen selbst entscheiden, ob sie das Format übernehmen.
Nach der Probe-Ausstrahlung waren die Zuschauerreaktionen eher negativ. Die Nachrichtenagentur ddp zitiert etwa die ARD-Zuschauerredaktion damit, dass das Format “beim größten Teil der Bevölkerung (…) nicht besonders gut angekommen” sei.
Auch “Bild” berichtet von “überwiegend negativen Reaktionen”, kann sich allerdings nicht so recht darüber freuen, dass das (anderswo empfohlene) “Quetsch-TV” bzw. die “geplante 16:9-Ausstrahlung der Spiele (…) angesichts der überwiegend negativen Zuschauerreaktionen nicht wahrscheinlicher geworden” ist, wie ddp vermutet. Denn:
“Entscheiden sich die Sender bei der WM für das alte 4:3-Format, ärgern sich die Besitzer der 16:9-Fernseher. Die haben dann rechts und links schwarze Balken. Wie gesagt – der Fan ist immer der Dumme…“
Mit anderen Worten: Für welches Format auch immer sich die Sender entscheiden, sie entscheiden sich – zumindest wenn man der merkwürdigen Argumentation von “Bild” folgt – falsch. Und sind damit immer die Dummen.
Wenn Sie sich jetzt bitte anschnallen, die Rücklehnen senkrecht stellen und die Tische nach vorne klappen — die “Bild”-Zeitung ist in die Luft gegangen und wir erwarten Turbulenzen. Bitte lassen Sie sich auch von der Überschrift nicht in die Irre führen:
Wie sicher ist meine Fluggesellschaft?
steht zwar über dem betreffenden Artikel bei Bild.de, aber er richtet sich auch an Menschen, die sich nicht extra eine Fluggesellschaft kaufen, um bequem eine Fernreise antreten zu können.
Die Zeitschrift “Aero International” hat, wie jedes Jahr, die Unfallstatistiken der 50 größten Fluggesellschaften ausgewertet. Grundlage ist das “Jet Airliner Crash Data Evaluation Centre”. Bild.de bezieht sich in seinem Artikel auf “Aero”, verblüffenderweise unterscheidet sich das Bild.de-Ranking jedoch in wesentlichen Punkten von dem “Aero”-Ranking.
Auf Platz 4 steht bei Bild.de “El Al”:
Die Fluggesellschaft aus Israel fliegt seit dem Berechnungszeitraum von 1973 ebenfalls absolut unfallfrei.
Der Satz ist nicht nur grammatisch falsch: Am 4. Oktober 1992 stürzte eine 747-200 von El Al in Amsterdam in ein Wohnhaus; 3 Besatzungsmitglieder, ein Passagier und 43 Menschen am Boden kamen ums Leben. Aber “El Al” ist im “Aero”-Ranking 2004 ohnehin gar nicht vertreten, weil sie nicht mehr zu den 50 größten Fluggesellschaften gehört.
Platz 6 bei Bild.de: “Austrian Airlines”:
Die österreichische Fluggesellschaft, Gründungsjahr 1957, fliegt auch seit 1973 absolut unfallfrei.
Sicherheitsrate 0,00
Bei “Aero” liegen die “Austrian Airlines” nur auf Platz 16, und das aus gutem Grund: Am 4. Januar 2004 musste eine Fokker 70 dieser Gesellschaft nach einem Triebwerksschaden bei München notlanden. Die “Sicherheitsrate” liegt in Wahrheit nur bei 0,07.
Es gibt noch viel mehr Ungereimtheiten, und am Ende eine schlichte Erklärung für alle. Bild.de berichtete vor einem Jahr bereits über das damalige “Aero”-Ranking. Die Überschrift 2004 lautete:
Zum Vergleich die Überschrift von 2005:
Der Texte darunter wurde zwar leicht verändert, aber irgendwer hatte dann offensichtlich keine Lust mehr, auch noch mühsam die neuen Ergebnisse einzutragen, und kopierte stattdessen die Daten von 2004 einfach nach 2005. Und um das Chaos komplett zu machen, führen die Links im aktuellen Artikel zu zwei verschiedenen Adressen: Die Worte “Top-10-Airlines” führen zum Pop-up von 2004, die Worte “die zehn sichersten Airlines der Welt” zum Pop-up von 2005, dessen Daten allerdings bei Bild.de ja ohnehin fälschlicherweise mit denen von 2004 identisch sind.
Verwirrt? Ja, wir auch. Sagen wir es so: Wenn Bild.de eine Fluggesellschaft wäre, würden wir vor der Buchung dringend zu einem Sicherheitscheck raten.
Vielen Dank an Christoph W.!
Nachtrag, 25.02.: Bild.de hat den neuen Artikel mit den falschen Daten anscheinend als Totalschaden klassifiziert und nun komplett aus dem Verkehr gezogen.
“Wortmonster”. So nennt die “Bild”-Zeitung Wörter, die ihr in neuer Rechtschreibung nicht gefallen. “Brennnessel” gehört dazu, vermutlich wegen der drei gleichen Konsonanten hintereinander. Warum “Sauerstoffflasche”, das sowohl nach alter wie nach neuer Rechtschreibung drei gleiche Konsonanten in der Mitte hat, kein “Wortmonster” ist, bleibt das Geheimnis von “Bild”. Aber das ist noch die harmloseste Ungereimtheit im neuen, ungefähr 197. Kapitel des Kampfes von “Bild” gegen die “Schlechtschreibreform”.
42 “Wortmonster”, die in den “Müll” gehören, hat “Bild” auf eine Tafel geschrieben. Links die alte, rechts die neue Rechtschreibung. Die gröbste Verfälschung dabei ist die, dass “Bild” in vielen Fällen so tut, als sei die neue Schreibweise Pflicht, wo sie nur ein Vorschlag ist. Wem “Jogurt” nicht gefällt, der darf auch nach neuer Rechtschreibung “Joghurt” schreiben. Das gilt auch für “Delphin”/”Delfin”, “Thunfisch”/”Tunfisch”, “Mayonnaise”/”Majonäse”, “Portemonnaie”/”Portmonee”, “Chicorée”/”Schikoree”, “Ketchup”/”Ketschup”, “Panther”/”Panter”, “Waggon”/”Wagon”, “Exposé”/”Exposee”, “Facette”/”Fassette”, “Graphit”/”Grafit”. In 12 Fällen sind also die “klassischen” Schreibweisen auch in neuer Rechtschreibung korrekt. Bleiben noch 30 “Wortmonster”.
Eines davon ist das “Blässhuhn”. Das durfte auch früher schon wahlweise “Bleßhuhn” oder “Bläßhuhn” geschrieben werden — hier hat sich nur das “ß” in ein “ss” verwandelt, das ist eigentlich der am wenigsten umstrittene Teil der Reform. Bleiben noch 29 “Wortmonster”.
Aus “hierzulande” wird laut “Bild” “hier zu Lande”, aber das ist ebenfalls eine Kann-Bestimmung. Ebenso verhält es sich mit “selbständig”, das auch weiterhin richtig ist, “selbstständig” kommt nur als Möglichkeit hinzu. Bleiben noch 27 “Wortmonster”.
Aus “bittersüß” soll laut “Bild” “bitter-süß” werden, aber das ist Humbug. Bleiben noch 26 “Wortmonster”.
Darunter sind die beiden merkwürdigen “Bewässrung” und “Erdrosslung”. “Bild” behauptet, das sei neu. Völliger Quatsch: “Bewässerung” und “Erdrosselung” sind wie eh und je richtig, und die Variante ohne “e” steht als selten, aber auch richtig im “Duden”. Bleiben noch 24 “Wortmonster”.
Von denen sind 6 Beispiele dafür, dass kein Konsonant wegfällt, wenn drei gleiche aufeinander treffen. Das war auch bislang schon so, wenn ein weiterer Konsonant folgte (“Sauerstoffflasche”, “Wetttrinken” etc.), aber da hat es “Bild” nie gestört. Lustig ist, dass Bild ausgerechnet das Beispiel “Bettuch”/”Betttuch” auflistet, dabei ist hier die alte Rechtschreibung viel unklarer: Handelt es sich um ein Tuch fürs Bett oder um eines zum Beten? Zieht man auch diese Fälle ab, die man nicht mögen muss, die aber zweifellos eine Vereinfachung der Rechtschreibung darstellen, bleiben noch 18 “Wortmonster”.
Und davon sind noch 5 Fälle, in denen nach neuer Rechtschreibung drei gleiche Konsonanten deshalb aufeinander treffen, weil aus einem “ß” ein “ss” wird, darunter ein Wort wie “Gussstahl”, das ohnehin viel zu selten gebraucht wird.
Und der Rest? Über den darf man natürlich streiten. Aus “fritieren” wird tatsächlich “frittieren”, und “fönen” tut man sich inzwischen wirklich mit “h”. Schlimm.
Noch schlimmer ist höchstens, wenn eine Zeitung sich bei einem Thema, zu dem sie eine so ausgeprägte Meinung hat, so wenig auskennt. (Oder auskennen will.)
Nur dass es da jetzt nicht zu blöden Missverständnissen kommt:
Die “geschmacklose Werbung”, die den “toten Modezar” “gar keine Ruhe” finden und seinen Anwalt angeblich an Schmerzensgeld denken lässt, das ist die im kleinen Foto rechts.
Das im kleinen Foto links ist der “Gummi-Mosi”, eine Karikatur von Moshammer als Puppe, die ihn zwar “wie eine Witzfigur” aussehen lässt, aber dem “toten Mosi” beim Schlager-Grand-Prix einen “letzten glamourösen Auftritt” verschafft hätte, aus der jedoch, weil die ARD abgewunken hat, “die Luft raus” ist, weshalb “Bild” den “schrägen Gummi-Mosi” nun in einer lustigen Aktion an den “besten Mosi-Doppelgänger” verschenkt.