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Sexsüchtig II

In Deutschland finden regelmäßig sogenannte “Gang-Bang-Partys” statt, auf denen einzelne Frauen mit vielen Männern Geschlechtsverkehr haben. Oft werden diese Ereignisse gefilmt oder fotografiert und als Pornos kommerziell verwertet. Bordelle werben mit besonders extremen Veranstaltungen solcher Art für sich. Für sie ist es ein Geschäft wie jedes andere.

Warum die “Bild”-Zeitung in dieser Woche über eine solche Aktion in großer Aufmachung und in einer Form berichtete, die das beteiligte Bordell und die veranstaltende Szene als Werbung für sich verstehen, konnten und können wir nicht beantworten. Immer deutlicher wird aber, dass die “Bild”-Artikel eine Reihe von Ungereimtheiten enthalten. “Bild” erzählt die Geschichte als spontane Wette zweier Freundinnen. In ihrer vorgeblichen Empörung (“Deutschlands perverseste Wette”) verharmlost die Zeitung dadurch den Charakter der Ereignisse.

“Was ist das nur für ein Mädchen, das mit 64 Männern schläft”, fragt “Bild” und vergisst ein paar Details. Zum Beispiel jenes, dass Nathalie (in der Szene auch als “Nathi” bekannt) häufiger zu ähnlichen Parties einlädt, bei denen man für 100 Euro das Recht bekommt, mit ihr Geschlechtsverkehr zu haben. Oder jenes, dass Nathalie auch auf der Seite des Bordells, in dem die angebliche “Sex-Wette” ausgetragen wurde, ihre Dienste anbietet. Alles spricht dafür, dass Nathalie dieses Geschäft quasi-professionell betreibt und in Zukunft von der Aufmerksamkeit, die “Bild” ihr beschert, erheblich profitieren dürfte. Diesen Werbeeffekt allein kann man “Bild” vielleicht nicht vorwerfen, weil er ein möglicher Nebeneffekt jeder journalistischen Arbeit ist. Vorwerfen muss man der “Bild”-Zeitung aber, dass sie den kommerziellen und quasi-professionellen Hintergrund der “Orgie” komplett verschweigt. Stattdessen druckt das Blatt ein Foto von Nathalie “mit ihren Kuscheltieren” und den Satz: “Ein bißchen nachdenklich ist sie schon geworden. Aber die Sexaktion bereut sie nicht”.

“Bild” behauptet, die beiden Frauen hätten 150 Euro gezahlt für die Miete der Zimmer im Bordell. Ein Mitarbeiter erzählt aber, dass sie “natürlich” nichts dafür zahlen mussten (mal abgesehen davon, dass der in “Bild” angegebene Zimmerpreis nicht stimme). Vieles deutet darauf hin, dass das Bordell auch die Kosten für die Sexpartner, die jeweils 50 Euro für ihre Teilnahme erhielten, übernommen hat. Zudem hatte das Bordell die Werbung im Vorfeld und die Organisation der Veranstaltung übernommen. “Bild” behauptet auch, Nathalie gehe aufs “Brüggemann-Berufskolleg” in Dortmund. Ein solches Kolleg gibt es nicht, möglicherweise meint “Bild” ein Kolleg im “Brügmann-Block”. (Eine Anfrage dazu von uns an “Bild” blieb unbeantwortet.)

Und dann ist da noch die Sache mit der Zahl der Geschlechtspartner. Ein Leser, der sich über die unterschiedlichen Angaben in “Bild” und auf Bild.de gewundert hat, schrieb deshalb an “Bild” und erhielt vom “Leserservice” folgende Antwort:

Es handelt sich durchaus nicht um einen Fehler! Während die Ausgabe mit der Angabe “64” bereits gedruckt und ausgeliefert war, hatten wir neue Informationen erhalten und die Zahl entsprechend reagiert [sic]. Womit wir eindrucksvoll bewiésen haben, wie aktuell BILD ist!

Bei dieser Antwort handelt es sich durchaus um einen Fehler! Tatsächlich war die Ausgabe mit der Angabe “100” die erste, die gedruckt wurde. Erst später korrigierte “Bild” die Zahl nach unten. Wenn man sich die Flyer ansieht, mit denen das Bordell für das “fucking race” wirbt, ahnt man, was wirklich dahinterstecken könnte: Der “Wettbewerb” sollte bis 24 Uhr laufen. Die Vermutung liegt nahe, dass “Bild” einfach schon einmal, als die Veranstaltung noch gar nicht beendet war, irgendeine Zahl hingeschrieben hat.

Übrigens: Wie gut die Berichterstattung in “Bild” als kommerzielle Werbung für die “Gang-Bang-Szene” funktioniert, obwohl “Bild” den Namen des Bordells nicht nennt, sieht man auf den “News”-Seiten des künftigen Schwestersenders Sat.1. Dort wird die “Bild”-Geschichte übernommen und mit den nötigen Links zu den Veranstaltern ergänzt.

Danke an alle Hinweisgeber!

Symbolfotos XII – XIV

So richtig nachvollziehbar ist es nicht, warum “Bild” am 3. August einen Bericht über Zerkarien im Kellersee bei Eutin (Kreis Ostholstein) mit einem Foto vom Großen Plöner See in Plön (Kreis Plön) bebilderte.

Dass die “Bild”-Zeitung darüber hinaus am 7. Februar einen Artikel über “Terror-Schüler” an einer Berufsbildenden Schule in Hannover mit einer Fotomontage bebilderte, die gar nicht die Berufsbildende Schule, sondern stattdessen das unbescholtene Bismarck Gymnasium zeigte, wurde jedenfalls jüngst vom Deutschen Presserat missbilligt, weil sowas nämlich gegen Ziffer 2 und Richtlinie 2.2 des Pressekodex verstößt.

Aber das ist noch nichts gegen das, was “Bild” da am 22. Juli in ihrer Stuttgart-Ausgabe angestellt hatte: Unter der Überschrift “Masken-Mann jagt kleine Mädchen” hatte “Bild” nämlich über einen “unheimlichen Masken-Mann” bzw. “Masken-Gangster” berichtet, der in Ditzingen (Kreis Ludwigsburg) sein Unwesen getrieben habe. Illustriert war die Meldung mit folgendem “Foto”*:

Was “Bild” nicht wissen konnte, aber die “Stuttgarter Zeitung” inzwischen zu berichten weiß: Die Geschichte vom “Masken-Mann” war offenbar “frei erfunden”, weshalb es um so merkwürdiger ist, dass “Bild” dennoch ein “Foto” von ihm drucken konnte…

Mit Dank an Philipp G, Sascha V. und Heiner S. sowie die “Stuttgarter Zeitung” (und bildblock.de) für die Mithilfe.


*) Wir bitten die schlechte Qualität des “Fotos” zu entschuldigen. Falls jemand den “Masken-Mann” in besserer Qualität griffbereit haben sollte, würden wir uns freuen.

neu  

Auch bekannt als QUARK

Die so genannte “Vogelgrippe” (aviäre Influenza) ist laut Wikipedia “eine erstmals 1878 in Italien beobachtete, durch Viren hervorgerufene anzeigepflichtige Tierseuche”.

Das so genannte “SARS” (Severe Acute Respiratory Syndrome) ist laut Wikipedia “eine Infektionskrankheit, die erstmals im November 2002 in der chinesischen Provinz Guangdong beobachtet wurde”.

Beide Krankheiten traten in den vergangenen Jahren im asiatischen Raum auf, haben ähnliche Symptome, können für den Menschen tödlich sein und sorgen hierzulande gern für Schlagzeilen. Vogelgrippe und Sars haben aber überhaupt nichts miteinander zu tun – außer vielleicht, dass “Bild” das überhaupt nicht begriffen hat.

Denn in der Leipzig-Ausgabe der “Bild” fand sich gestern der folgende Artikel:

Bebildert ist der “Vogelgrippe”-Text mit einem SARS-Virus (unten) und einem SARS-Arzt (links). Und um die Verwirrung komplett zu machen, ist im Text selbst von der “Lungenkrankheit SARS (Vogelgrippe)” die Rede, was bei einer Zeitung, die eine Aids-Erkrankung und eine HIV-Infektion nicht unterscheiden kann, vielleicht nicht weiter verwundert. Und sagte nicht auch ein Mitbewohner der Verstorbenen “fassungslos” zu “Bild”, “Meike war genau zur SARS-Zeit in China. Hoffentlich war sie nicht an Vogelgrippe erkrankt”?

Zum Glück hat “Bild” aber neben den Text extra noch einen Infokasten mit der Überschrift “Was ist die Vogelgrippe?” gesetzt, in dem “Bild” gleich zu Beginn ausdrücklich behauptet, die Vogelgrippe sei “auch als SARS (…) bekannt”. Doch das ist nicht nur falsch, sondern auch sehr verwunderlich: Der Rest des “Vogelgrippe”-Infokastens nämlich sieht ganz so aus, als wäre er (teilweise sogar wörtlich) aus einem der eingangs zitierten Wikipedia-Einträge abgeschrieben – genauer gesagt, aus dem zu SARS.

Mit Dank an Stefan R. für Hinweis, den selbstlosen Kauf einer “Bild”-Zeitung und den Scan!

Nachtrag, 17:00:
Dass es sich bei der Toten überhaupt um einen Vogelgrippe-Fall handelt, ist laut “Leipziger Volkszeitung” übrigens “momentan eine reine Mutmaßung”.

Sauber getrennt

Das Urteil des Berliner Landgerichtes lässt kaum Fragen offen: Die Praxis von Bild.de, Links zu setzen, die aussehen, als würden sie zu redaktionellen Texten führen, tatsächlich aber auf Werbeangebote verweisen, ist unzulässig:

Ein Hyperlink, der aus einem redaktionellen Zusammenhang auf eine Werbeseite führt, muss so gestaltet sein, dass dem Nutzer irgendwie erkennbar wird, dass auf eine Werbeseite verwiesen wird (…)

Andernfalls verstößt das Angebot gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und das Teledienstgesetz. Auch wenn auf der nächsten Seite, auf die der Nutzer nach dem Klicken kommt, das Wort “Anzeige” auftaucht, ändert das nichts an der Pflicht, den Nutzer schon vorher korrekt über den Werbecharakter eines Teasers zu informieren, denn:

Auch wenn der typische Internetnutzer generell damit rechnet, mit Werbung konfrontiert zu werden, so wird er, wenn er einen Link verwendet, der darauf hindeutet, zu redaktionellen Inhalten zu gelangen, Werbung dennoch nicht erwarten. Die Gefahr, den zweiten Link zu benutzen, ohne den Hinweis auf den werblichen Charakter zu erkennen, ist daher groß.

Das Urteil betrifft unmittelbar nur den konkreten verhandelten Fall. Wenn Bild.de in diesem Fall erneut so werben würde wie geschehen, würde ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro fällig. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen, der das Verfahren angestrengt hat, ist allerdings der Meinung, dass nach diesem Urteil auch andere, ähnliche Verstöße von Bild.de für das Unternehmen sehr teuer werden könnten. “Bild”-Sprecher Tobias Fröhlich sagt, Bild.de werde “weiterhin gemäß der journalistischen Leitlinien von Axel Springer großen Wert darauf legen, daß Werbung auch als solche klar erkennbar ist”.

Na, dann schauen wir uns das doch mal an.

Im Ressort “Auto” stehen diese drei Teaser nebeneinander:

Der linke Teaser ist als Anzeige gekennzeichnet und führt zu einer ebenfalls als “Anzeige” markierten Bild.de-Seite, die zu einem kostenpflichtigen Angebot von “Janolaw” führt. Aber auch der mittlere führt zu einem kostenpflichtigen Angebot von “Janolaw”. Hier enthalten weder der Teaser, noch die Folgeseite das Wort Anzeige. Und auch der rechte Teaser führt nicht zu einem redaktionellen Text, sondern direkt auf Seiten, die von der EurotaxSchwacke GmbH betrieben werden und deren Dienste kostenpflichtig sind.

Das Seitenmenu im Ressort “Reise” sieht bei Bild.de so aus:

Frage: Welcher dieser Menupunkte führt zu redaktionellen und welcher zu werblichen Inhalten? Nein, die Fettung ist kein Hinweis. Nur die Punkte “Reise” und “Reisekasse & Recht” führen zu redaktionellen Angeboten. Alle anderen sind Werbung für Unternehmen wie Tui oder Condor, die — um die Verwirrung komplett zu machen — auf den Folgeseiten teils als “Anzeige” (Ausriss links) gekennzeichnet sind, teils als “powered by” (Ausriss rechts).

Aber auch in der überwiegend redaktionellen Hauptseite “Reise” hat Bild.de einige Überraschungen versteckt. Zum Beispiel hier:

Wer sich auf den Teaser links unten klickt, um sich über die Sparmöglichkeiten bei Tui zu “informieren”, kommt zu einem Artikel, der scheinbar unabhängig und journalistisch, aber erstaunlich detailliert über die Sparmöglichkeiten informiert — ausschließlich bei der Tui, die ein Partner von Bild.de ist. Mitten im vermeintlich redaktionellen Text ist ein Link untergebracht, der direkt zum gemeinsamen Werbeangebot führt:

Im Reiseressort finden sich in der rechten Spalte auch folgende Teaser:

Sie sehen aus, als würden sie auf eine Verbraucherberatung durch die Bild.de-Redaktion hinweisen. Tatsächlich führen sie zu Seiten der Creditplus-Bank, die dort für ihren Online-Kredit wirbt, in einem Fall sogar fast vollständig verkleidet als unabhängige Beratung.

Und im Ressort “Gesund & Fit” sieht das Seitenmenu so aus:

In diesem Fall soll wohl das Deutschlandfähnchen signalisieren: Hier geht es auf eine Werbeseite (für das Maggi-Kochbuch).

Danke auch an Christoph H. für die Recherche!

Nicht mal die Renten-Lügen sind sicher

Dass “Bild” weiß, wie der Duden das Wort “Lüge” definiert, wissen wir ja. Aber noch mal zur Erinnerung:

Lüge: bewusst falsche auf Täuschung angelegte Aussage

Gestern nun, präsentierte “Bild” ihren Lesern dies:

Fangen wir mit der, laut “Bild”, 3. “Lüge” an:

Die Rente bleibt sicher

Wir wissen natürlich nicht, ob die Rente sicher bleibt. Aber “Bild” weiß es auch nicht und versteht noch nicht mal, was es mit dem Beitragsentlastungsgesetz auf sich hat und schreibt über die “Lüge”:

Denn die Wahrheit sieht völlig anders aus:
Es droht sogar die Zitter-Rente! Denn: Ab Januar 2006 müssen die Arbeitgeber die Rentenbeiträge schon zum Ende eines jeden Monats zahlen (bisher: Mitte des Folgemonats). Den Rententrägern bleiben nur noch drei Stunden, um festzustellen, ob das Geld für die am selben Tag fällige Auszahlung der Renten ausreicht.

Hä? Die Arbeitgeber müssen früher zahlen, und den Rententrägern bleibt weniger Zeit? Da haben die vier Autoren ja nun offenbar etwas falsch verstanden. Wir wollen es ihnen gerne erklären: Bislang haben die Träger der Rentenversicherung den Arbeitgebern quasi einen zinslosen Kredit gewährt, da sie die Renten schon am Ende eines jeweiligen Monats auszahlten, die Arbeitgeber aber erst zwei Wochen später die Beiträge überwiesen. Inwiefern also die Neuregelung die Rente unsicherer machen soll als bisher, weiß allein “Bild”.

Zur zweiten “Lüge”:

Die Beiträge sind gut angelegt

Und ehrlich gesagt wissen wir auch hier nicht, wie gut die Rentenbeiträge angelegt sind. “Bild” weiß es auch nicht, tut aber so:

Doch die Wahrheit sieht völlig anders aus!
Die Renditen der gesetzlichen Rente gehen “langfristig gegen null”. Das belegt eine Studie des renommierten Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft (IWG).

Dass die Rentenversicherungsträger und das Bundessozialministerium das bestreiten, überrascht nicht, und Zweifel an derartigen Dementis sind immer berechtigt. Ebenso darf man aber auch an den Ergebnissen vieler Studien zweifeln, insbesondere, wenn die Möglichkeit besteht, dass sie interessengeleitet sein könnten. Und die besteht. Schließlich wurde die Studie in Auftrag gegeben vom Deutschen Institut für Altersvorsorge. Dessen Gesellschafter sind die Deutsche Bank AG, Deutsche Bank Bauspar AG, DWS Investment GmbH und Deutscher Herold AG. Kooperationspartner ist die Deutsche Bank Privat- und Geschäftskunden AG. Und dass diese Gesellschafter ihr Geld auch mit privater Altersvorsorge verdienen, sollte ein kritisches Medium zumindest skeptisch stimmen, und es sollte den Lesern diese Information nicht vorenthalten.

Und nun noch zur ersten “großen Renten-Lüge”:

Die Renten steigen kräftig
(…) Noch im vergangenen Jahr verkündete Sozialministerin Ulla Schmidt: “Wir stellen sicher, daß die nächsten Generationen lebenslang eine Rente erhalten, die jedes Jahr wächst, wenn auch langsamer als heute”

Abgesehen davon, dass man sich fragt, wie “Bild” da die “Lüge” “die Renten steigen kräftig” herausliest, hätte sie vielleicht etwas mehr Augenmerk auf den Teil mit den “nächsten Generationen” lenken sollen, bevor sie folgendes aufschreibt und meint, damit eine große Lüge zu entlarven:

Doch die Wahrheit sieht völlig anders aus: In den letzten Jahren sind die Löhne kaum noch gestiegen – entsprechend fallen die Rentenerhöhungen aus: Nach 2004 und 2005 droht im nächsten Jahr zum dritten Mal in Folge eine Nullrunde. In den kommenden Jahren drohen sogar Renten-Kürzungen!

Sieht man sich nämlich das vollständige Interview an, wird deutlich, dass Schmidt überhaupt nicht bestreitet, dass die heutigen Rentner stärker belastet werden. Sie bestreitet ebenso wenig die “Nullrunden”, die “Bild” anprangert. Schmidts Aussage über eine Rente, “die jedes Jahr wächst, wenn auch langsamer“, bezog sich also wirklich nur auf die “nächsten Generationen”. Die Lüge, die “Bild” da zu “enthüllen” meinte, existiert also gar nicht.

Um das noch mal klar zu stellen: Kaum jemand dürfte Zweifel daran haben, dass es ernsthafte Probleme mit dem deutschen Rentensystem gibt. An der “Bild”-Geschichte mit den “3 großen Renten-Lügen” allerdings, stimmt vor allem eines: Die Wahrheit sieht irgendwie anders aus.

Mit Dank für den sachdienlichen Hinweis an André K.

“Bild” entdeckt den idealen Urlaubsort

Astronomen der Nasa haben in knapp 150 Lichtjahren Entfernung erstaunlicherweise einen Planeten in einem System aus drei Sonnen entdeckt, aber eines der größten Rätsel des Universums ist immer noch ungelöst: Warum es der größten deutschen Tageszeitung nicht gelingen will, Artikel über astronomische Themen zu veröffentlichen, die auch nur grob annähernd den Tatsachen entsprechen.

Es wäre eigentlich nicht so schwer. Denn eigentlich sagt die Nasa zu dem Bild aus dem Sonnensystem “HD 188753”, das sie verbreitet, alles, was man wissen muss: Dass es sich um die Illustration eines Künstlers handelt, zum Beispiel. Und dass die Landschaft, die das Bild zeigt, die eines hypothetischen Mondes ist, der um den neu entdeckten Planeten kreist. Der Planet selbst ist die rosafarbene Kugel links oben, es handelt sich um einen Gasriesen.

So schön strahlt der 3-Sonnen-PlanetMan hätte das alles nur lesen und abschreiben müssen. “Bild” aber nennt die Illustration ein “Foto”. “Bild” verwechselt den hypothetischen Mond mit dem Gasriesen selbst und tut so, als sei dessen Felswüste die attraktive Oberfläche des Planeten. “Bild” verwechselt den Namen des Planeten mit dem des Sonnensystems. (Und am Zeitdruck kann es nicht gelegen haben: Die Nachrichtenagentur dpa berichtete — schön auf deutsch — schon am 13. Juli; bei Spiegel Online steht die Geschichte auch schon seit zehn Tagen.)

Und dann strickt “Bild”-Redakteur Attila Albert noch eine lange, fantastische Geschichte darüber, wie es wäre, auf diesem Planeten zu leben:

Es wäre der ideale Urlaubsort. (…)

Am Strand müßte sich keiner ärgern, daß eine Seite verbrannt und die andere blaß ist. Die drei Sonnen bräunen Sie ganz gleichmäßig, besser als im Solarium. (…)

Wer Blumen züchtet, müßte sich nicht mehr über krumme Stiele ärgern. (…)

Nie schlechtes Wetter! Bei drei Sonnen ist es auf dem neuentdeckten Planeten jeden Tag hell und warm.

“Warm” ist ein interessanter Begriff in diesem Zusammenhang. Die Temperaturen auf dem Planeten werden auf rund 1000 Grad Celsius geschätzt.

Wie “Bild”-Reporter auch mal weghören

Nur zur Erinnerung: Vor zwei Wochen hatte “Bild” mal “Mist ohne Ende” geschrieben. Dort stand (illustriert mit einem Foto von “Lukas Podolski mit BILD-Reporter Jörg Althoff im Münchner Szene-Viertel Schwabing”): Podolski, derzeit Stürmer beim 1. FC Köln, habe auf die Frage, wann er zum FC Bayern München komme, geantwortet: “Nächstes Jahr!” Laut “Bild” eine “Sensations-Antwort”. Desweiteren hatte es dort geheißen: “BILD spürte Lukas Podolski (…) auf”, “spät abends”, “in einer In-Bar”. Und nachdem “Bild” Podolskis “Geheim-Besuch in München enthüllte”, gab’s tags drauf laut “Bild” sogar einen “Riesen-Wirbel um Poldi”, weil er, so “Bild”, “verbotenerweise das Nationaltrikot trug”. Angeblich waren da “alle sauer auf den Fußball-Liebling”.
(Kursiv gesetzte Passagen könnten nicht den Tatsachen entsprechen!)

Wer allerdings genauer wissen will, wie “sinnentfremdend dargestellt” das alles war, oder sich bloß von Podolski selbst allerhand Aufschlussreiches über die Methoden der “Bild”-Zeitung erzählen lassen möchte, klicke jetzt einfach mal hier.

Mit Dank an Klemens J. für den Link.

Nachtrag, 5.8.2005:
Auf Podolskis Homepage ist sein Text leider nicht mehr nachzulesen – dafür aber in voller Länge hier.

Auf Täuschung angelegt

Gestern hat die “Bild”-Zeitung ihren Lesern erklärt, was eine “Lüge” ist.

Lüge: bewußt falsche, auf Täuschung angelegte Aussage
(Definition laut Duden)

Sie hat es aber, natürlich, nicht bei der Theorie belassen, sondern die Technik gleich mal in der Praxis ausprobiert. In einem Artikel über die angeblichen “5 Lügen der Linkspartei” heißt es:

BILD hat nachgerechnet: Die Wahlversprechen [der] Linkspartei kosten unbezahlbare 90 Milliarden Euro!

Das ist eine interessante Neudefinition des Wortes “nachrechnen”. Die drei beteiligten “Bild”-Redakteure haben die Zahlen nämlich einfach aus dem Wahlprogramm der angeblich verlogenen Linkspartei abgeschrieben. “Nachrechnen” heißt nach “Bild”-Definition also soviel wie: “ungeprüft übernehmen”.

BILD enttarnt fünf unbezahlbare Wahl-Lügen von Lafo, Gysi & Co.

“Enttarnen”? Richtig, “enttarnen” heißt bei “Bild”: aufschreiben, was für jeden nachlesbar im Entwurf des Wahlprogramms steht. Denn nicht nur die Forderungen nach höherem Kindergeld, einer Mindestrente, Steuerfreiheit für Renten und niedrigeren Steuern für Geringverdiener stehen sämtlich für jeden nachlesbar im Steuerkonzept der Linkspartei [PDF-Datei]. Dort steht auch, was jede einzelne Maßnahme nach Angaben der Linkspartei (und ungeprüft übernommen nachgerechnet von “Bild”) kosten würde. Und dort steht sogar an exakt derselben Stelle (Seite 13, siehe Ausriss rechts), wie die Linkspartei diese Wahlversprechen gegenfinanzieren will — aber beim Abschreiben der anderen Zahlen müssen die “Bild”-Redakteure ausgerechnet diesen Teil komplett übersehen haben. Sonst könnten sie ja nicht so massiv den Eindruck erwecken, die Linkspartei hätte überhaupt keine Vorschläge zur Finanzierung (über deren Sinnhaftigkeit man natürlich streiten darf).

Bleiben noch zwei “Lügen”. Eine davon ist die Forderung nach einer Erhöhung des Arbeitslosengeldes II (“Hartz IV”), deren Kosten nicht erst “Bild” auf 3 Milliarden Euro geschätzt hat und zu der die konkreten Finanzierungsvorschläge der Linkspartei tatsächlich vage sind. In diesem Zusammenhang bezeichnet “Bild” auch die Forderung nach einer längeren Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I als “Lüge” — dies fordert allerdings auch die Union.

Und schließlich ist da noch die “Investitions”-“Lüge”. “Bild” schreibt:

Die Linkspartei verspricht 30 Mrd. Euro staatliche Investitionen in Bildung, Kultur, Umwelt und öffentlichen Nahverkehr.

Nein, verspricht sie nicht. Im Entwurf für das Wahlprogramm [PDF-Datei] heißt es lediglich:

Würde Deutschland einen solchen Anteil seines Sozialprodukts wie die USA für öffentliche Investitionen aufwenden, wären das 30 Milliarden Euro mehr im Jahr als gegenwärtig.

(Liebe “Bild”-Redakteure, diese fremden Wörter darin, das sind Konjunktive.)

Schließlich fragt “Bild”:

Sind die Deutschen einfach nur leichtgläubig? Laut Emnid kommt die Linkspartei schon auf 11 bis 12 Prozent!

Tja, sind die Deutschen einfach nur leichtgläubig? Laut Media Analyse lesen sogar über 18 Prozent der Bevölkerung “Bild”!

Vielen Dank an André K. für den Hinweis!

Pizzabäcker schlauer als “Bild”

Im Interesse der “Bild”-Redaktion möchten wir die Nachrichtenagentur AP bitten, ihre Meldungen etwas präziser zu formulieren, damit sich künftig seltener solche peinlichen Fehler bei “Bild” einschleichen:

Aus Protest gegen den Bundeswehreinsatz im Irak bediente Pizzabäcker Aage Bjerre (46) aus Kopenhagen (Dänemark) keine deutschen Touristen mehr.

So steht’s heute in einer kleinen Meldung (“Deutschenhaß! Pizzabäcker muß in Haft”) — Und auch wer weltpolitisch nicht besonders bewandert ist, dem wird auffallen, dass hier etwas nicht stimmen kann. Hatte sich der Bundeskanzler nicht explizit gegen den Irak-Krieg und einen Bundeswehreinsatz im Irak ausgesprochen? Doch, hatte er, und die Bundeswehr ist auch nach wie vor nicht im Irak vertreten.

Hat sich also der dänische Pizzabäcker geirrt? Natürlich nicht, “Bild” hat sich geirrt. So lautet die AP-Meldung, die offenbar Vorlage für die “Bild”-Meldung war, im Original:

46-Jähriger verweigerte wegen deutschen und französischen Protests gegen Irak-Krieg Touristen auf Fanö die Bedienung (…)

Aage Bjerre hatte kurz vor Beginn des Irak-Kriegs im Februar 2003 Schlagzeilen mit der Ankündigung gemacht, er werde Touristen aus Deutschland und Frankreich wegen der Irak-Politik ihrer Regierungen keine Pizza mehr verkaufen.

Für “Bild” ist das offenbar nicht eindeutig genug.

Mit Dank für den sachdienlichen Hinweis an Michael und Kai

Nachtrag. Übrigens kommt Aage Bjerre offenbar auch nicht aus Kopenhagen, wie “Bild” schreibt, sondern wohl eher von der Insel Fanö, die bei Esbjerg in der Nordsee, rund 300 Kilometer westlich von Kopenhagen, liegt. Dort befand sich jedenfalls laut AP sein Restaurant. Nachdem Bjerre das schließen musste, war er auf die Faröer ausgewandert. Kopenhagen taucht lediglich als sogenannte “Ortsmarke” in der AP-Meldung auf.

Mit Dank für den sachdienlichen Hinweis an Florian F.

La-la-la-lasst Euch nicht verarschen

Unter der Überschrift “Obst-Wucher!” behauptet “Bild” heute auf Seite 1, dass die rot-grüne Koalition daran schuld ist, dass Äpfel heute doppelt so viel kosten wie Birnen vor sieben Jahren.

Glauben Sie nicht? Stimmt aber. Fast.

Die tatsächliche Überschrift lautet “Benzin-Wucher!” und links daneben steht der Preis von 1998 (1,23 Mark pro Liter) und rechts der von 2005 (1,23 Euro pro Liter).

Erst wenn man den Artikel genau liest, fällt auf, dass die Zahl links keineswegs dasselbe misst wie die Zahl rechts. Die 1,23 Mark sind laut “Bild” der Preis der damals billigsten Tankstellen, die 1,23 Euro der der heute teuersten. Natürlich kann man das miteinander vergleichen, es ist nur komplett sinnlos.

Darüber hinaus darf man bezweifeln, dass ein Preis von 1,23 Mark selbst “an den billigsten Tankstellen” realistisch war. Laut Mineralölwirtschaftsverband betrug der Durchschnittspreis 1998 immerin 1,59 Mark.

“Bild” selbst macht am Ende des Artikels noch eine seriösere Rechnung auf: Der Durchschnittspreis für Super sei in den vergangenen sieben Jahren von 80,8 Cent auf 118,2 Cent gestiegen. Das entspricht nur noch einer Steigerung von 46 Prozent und nicht 100, wie die Überschrift suggeriert.

Geschickt deutet “Bild” einen Zusammenhang zwischen der Preissteigerung und der rot-grünen Regierung an, ohne ihn wirklich zu behaupten. Und zwar so:

… wer ist schuld an den Rekordpreisen? Vor Rot-Grün (regiert seit Oktober 1998) kostete das Benzin an den billigsten Tankstellen nur …

Sowohl aus den Zahlen, die “Bild” im Text nennt, als auch aus denen des Verbandes der Mineralölwirtschaft geht allerdings hervor, dass die Öko-Steuer nur rund zur Hälfte für die Preissteigerung verantwortlich ist. In den letzten Jahren hat sich der Einkaufspreis für Rohöl dramatisch erhöht.

“Bild” verschweigt außerdem, dass der Preis für Benzin im Jahr 1998 außergewöhnlich günstig war. In den Jahren 1994 bis 1997 mussten die Autofahrer teils deutlich mehr zahlen. Wenn man mit vergleichbaren Zahlen arbeitet, hat sich der Benzin-Preis nicht in den letzten sieben Jahren (seit Rot-Grün regiert) verdoppelt , sondern in den letzten 25 Jahren. 1980 kostete der Sprit im Schnitt erstmals rund 1,20 Mark.

Ach, und natürlich könnte die Überschrift dieses Eintrages auch “Wahlkampf” heißen.

Danke an Andreas W. für den Hinweis!

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