Mehrheit der Deutschen für die Ausrottung des Eichhörnchens!
In einer von BILDblog in Auftrag gegebenen, nicht-repräsentativen Meinungsumfrage sprach sich die Mehrheit der Befragten dafür aus, den Eichhörnchenbestand in Deutschland drastisch zu reduzieren, wenn von den possierlichen Tierchen eine Gefahr ausgehen sollte, die das Leben unzähliger Menschen gefährden würde.
Und laut “Bild am Sonntag” ist die Mehrheit der Deutschen für Atomkraft. Zumindest stand das gestern so in einer “BamS”-Überschrift (siehe Ausriss):
“61 Prozent der Deutschen sagen: Es ist nicht vertretbar, aus der Atomenergie auszusteigen, bevor alternative Energien wie Sonnen- oder Windkraft in einem vergleichbaren Umfang zur Verfügung stehen!” (Hervorhebung von uns.)
Und zweitens:
“31 Prozent der Befragten sprechen sich für längere (…) Kraftwerk-Laufzeiten aus; 17 Prozent sagen sogar, dass der Atomausstieg komplett rückgängig gemacht werden müsste. 47 Prozent meinen, dass die Kernkraftwerke wie beschlossen abgeschaltet werden sollten.” (Hervorhebung von uns.)
Wenn wir das richtig verstehen, sind laut “BamS” also 78 Prozent für einen Atomausstieg bzw. gegen Atomkraft, was wiederum die politische Website NachDenkSeiten.de dazu veranlasst hat, der “BamS” folglich “Propaganda” vorzuwerfen und “einen Manipulationsversuch” zu unterstellen.
Im vergangenen Frühjahr berichtete “Bild”, die Zahl der rechtsextremen Straftaten sei 2005 “offenbar zurückgegangen”. “Bild” nannte sogar konkrete Zahlen, die das deutlich belegten, insbesondere für Gewaltverbrechen.
Die Meldung war bekanntlich falsch. Sowohl die Zahl der Gewalttaten als auch die der Straftaten insgesamt hat 2005 zugenommen, um jeweils rund ein Viertel. “Bild” hatte vorläufige Zahlen von 2005 mit endgültigen von 2004 verglichen – eine unzulässige Rechnung, vor der zum Beispiel die Bundesregierung zuvor und regelmäßig ausdrücklich gewarnt hatte (siehe Kasten links). “Bild” rechnete falsch — und die falsche Rechnung wurde von mehreren Agenturen verbreitet.
Wir hielten das Vorgehen von “Bild” für grob fahrlässig und forderten den Presserat auf, “Bild” zu rügen. Der Presserat sieht dazu aber keinen Anlass. Einstimmig urteilte er, dass die Zeitung die vorläufigen Zahlen als korrekt ansehen durfte. Und:
Dass es sich dabei nicht um die endgültigen Zahlen handelt, hat BILD mit der Formulierung im ersten Satz “offenbar zurückgegangen” deutlich gemacht.
PS: Wir wissen nicht, wie sehr sich der Beschwerdeausschuss in seinem Urteil von der mit Unwahrheiten gespickten Stellungnahme der “Bild”-Chefredaktion hat beeindrucken lassen. Nach Angaben des Presserates gab “Bild” u.a. zu Protokoll, “dass die Zahl der Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund und fremdenfeindlicher Tendenz laut Verfassungsschutzbericht zurückgegangen sei” (was nachweisbar falsch ist), dass BILDblog “mit einem niedersächsischen Bericht aus dem Vorjahr verwirre” (was nachweisbar falsch ist) und dass sich “erst im Nachhinein herausgestellt habe”, dass das Zahlenmaterial noch einmal verändern würde (was nachweisbar falsch ist).
Nachdem sich vor drei Wochen ein Polizeidirektor gemeinsam mit seiner Frau das Leben nehmen wollte, berichtete gestern “Bild” darüber in ihrer Bremer Ausgabe (siehe Ausriss). Die “Bild”-Zeitung meint, sie kenne den Grund für diesen Selbstmordversuch:
Polizeidirektor Franz A. ging immer mit gutem Beispiel voran, bis er betrunken einen Unfall baute. Da wollte er sich umbringen …
Der Bericht war offenbar im Kern und im Detail so falsch, dass sich die Polizeidirektion Oldenburg nach dessen Erscheinen genötigt sah, eine Pressekonferenzzu veranstalten und eine Meldung herauszugeben, in der es u.a. heißt:
Polizeipräsident Hans-Jürgen Thurau zeigte sich tief betroffen, dass die Bild-Zeitung mit ihrem Artikel in der heutigen Ausgabe die Persönlichkeitsrechte von A. und seiner Ehefrau auf so massive Weise verletzt hat. Der in der Bild-Zeitung dargestellte Sachverhalt ist in wesentlichen Passagen sachlich falsch. (…) Zunächst sah alles danach aus, dass er bei der Verfolgung eines Verkehrsrowdys verunglückt ist. Von sich aus klärte A. den Sachverhalt dahingehend auf, dass er sich mit dem Unfall das Leben nehmen wollte. (…) Der in der Bild-Zeitung erhobene Vorwurf, A. sei “betrunken” gewesen, entbehrt jeglicher Grundlage. Es liegen keinerlei Anhaltspunkte dahingehend vor, dass er unter dem Einfluss alkoholischer Getränke gestanden hat. (…) Die Motivlage [für den Selbstmordversuch] liegt im privaten Bereich und hat keinen dienstlichen Bezug. Link und Anonymisierung von uns.
Wie “Bild” auf ihre Version der Geschichte gekommen ist, wissen wir nicht. Es drängt sich aber der Eindruck auf, dass sie sich aus ihren paar dürren (Falsch-)Informationen irgendwas zusammengereimt hat.
Mit Dank an Philipp W. für den sachdienlichen Hinweis.
Nachtrag, 16.51 Uhr: Die “Wilhelmshavener Zeitung” schreibt heute zu dem Fall:
Die WZ und andere regionale Medien hatten bisher trotz vorliegender Informationen aus Rücksicht auf die Betroffenen und im Sinne des Presse-Ehrenkodexes nicht über die Selbsttötungsversuche berichtet.
Lawrence Lessig über die Medienwelt als Buchgeschäft
(elektrischer-reporter.de, Video)
Im zweiten Teil unseres Gesprächs wirft Lawrence Lessig einen Blick auf die Zukunft der Medien am Beispiel der guten(?) alten(!) Flimmerkiste: ?Der Charakter des Fernsehens wird sich radikal ändern.? Eine Entwicklung, die nicht alle Zeitgenossen begrüßen: ?Viele machen sich Sorgen, dass gemeinsame Bezugspunkte unserer Kultur verschwinden werden.?
?Die haben uns vom Stuhl gehauen?
(onlinejournalismus.de, Fiete Stegers)
Einschätzungen für 2007 – diesmal von Mathias Müller von Blumencron, seit sechs Jahren und ein paar Tagen Chef von Spiegel Online. Das Interview wurde im Rahmen einer Recherche für einen Artikel im Medienmagazin Insight geführt.
Der Spiegel feiert seinen 60. Geburtstag
(drs.ch, Dossier)
Am 4. Januar 1947 erschien die erste Ausgabe des Nachrichten-Magazins «Der Spiegel». Gründer und Herausgeber des Magazins war der damals 23-jährige Rudolf Augstein (1923-2002). Seine Devise lautete: «Ohne Rücksicht auf Verluste aufklären.»
“Der Spiegel” wird 60 Jahre alt
(sf.tv, Video, 2:15 Minuten)
Vor 60 Jahren ist die erste Ausgabe des Nachrichtenmagazins “Der Spiegel” erschienen.
Von Pilgern und Pionieren
(merkur.de, Ralf Siepmann)
Zusatzgeschäfte zum redaktionellen Inhalt werden in einer digitalisierten Welt immer wichtiger. Ob Telefon, Briefversand oder Konzertkarten: Mit günstigen Angeboten werben lokale Blätter um die Leser.
“Spiegel Online” hat gestern in einem Artikel versucht, die letzten Minuten im Leben von Saddam Hussein zu dokumentieren. Als Grundlage dient das inzwischen berüchtigte Video von seiner Hinrichtung, das offenbar mit einem Mobiltelefon aufgenommen wurde und nach übereinstimmenden Berichten gut zweieinhalb Minuten lang ist. Allerdings fügt der Autor hinzu:
Die “Bild”-Zeitung berichtete, es gebe auch ein zehn Minuten langes Video.
Liegen der “Bild”-Zeitung also weitgehend unbekannte, viel längere Aufnahmen von der Hinrichtung Saddam Husseins vor? Immerhin hatte sie ihren Aufmacher über das “neue Schock-Video” am Dienstag auf Seite 1 mit folgenden Worten begonnen:
ES IST BARBARISCH! Saddams (+ 69) Tod am Galgen — einer der Henker hat ihn heimlich mit dem Handy gefilmt! Grauenvolle 10 Minuten! Das Video zeigt, wie ihn seine Henker beschimpfen, wie Saddam zurückpöbelt und am Strick stirbt.
Der Inhalt des Zehn-Minuten-Videos, wie ihn die “Bild”-Zeitung wiedergibt, scheint jedoch nicht wesentlich über das hinauszugehen, was auch auf dem Zweieinhalb-Minuten-Video zu sehen ist. Vielleicht gibt es also gar keine längere Version. Vielleicht hat “Spiegel Online” den Fehler gemacht, “Bild” beim Wort zu nehmen. Vielleicht hat sich “Bild” einfach vertan.
Das ließe sich natürlich leicht aufklären. Und deshalb haben wir bei “Bild” nachgefragt, ob der Zeitung “exklusiv eine andere Fassung des Videos vorliegt”, es also “weitere, bisher nicht bekannte Szenen von der Hinrichtung Saddam Husseins” gibt.
Ein “Bild”-Sprecher teilte uns daraufhin mit, dass “das Handyvideo, auf dem die Hinrichtung vollständig zu sehen ist, auf Bild.-T.Online definitiv weder gezeigt noch verlinkt” werden wird — eine Information, nach der wir gar nicht gefragt hatten. Er fügte hinzu:
“Darüber hinaus gibt es von unserer Seite aus dazu nichts Weiteres zu sagen.”
Erst vergangene Woche deckte “Bild” den Fall einer “unheimlichen Keksdose” aus dem Jahr 1999 auf, die neben dem World Trade Center (WTC) ein Flugzeug zeigt — was “Bild” vermuten ließ, dass sich die Terroristen des 11. September 2001 auf diesem Weg “geheime Botschaften” mitteilten (wir berichteten).
Nun ist “schon wieder so ein unheimlicher Fund” aufgetaucht — und diesmal ist es keine Keksdose, sondern ein Anhänger für den Christbaum! Eine “Bild”-Leser-Reporterin hat ihn 2000 “ausgerechnet auf der Aussichtsplattform des WTC” gekauft! Und er zeigt: “Ein Flugzeug, das über den Türmen des World Trade Centers kreist”! Angeboten als Weihnachtsbaum-Schmuck! “Bild” zahlt ihr dankbar 500 Euro und fragt:
Dann wäre das Ding allerdings eine Sensation. Wir lesen aus der Darstellung (Ausriss links) nämlich die versteckte Terroristen-Botschaft: Vergesst den Keksdosen-Plan, wir greifen die Freiheitsstatue an!
Saddam und die alten Medien
(blog.handelsblatt.de, Thomas Knüwer)
Vielleicht sollte ich die “Tagesthemen” nicht mehr schauen. Wäre besser für meinen Blutdruck. Denn egal ob Anne Will, Tom Buhrow oder gestern WDR-Kommentarsprecher Birand Bingül – sie alle demonstrieren ihre Überforderung mit der medialen Welt.
Dürfen Medien Saddams Todesvideo zeigen?
(fudder.de)
Ein Handy-Video schockiert die Welt. Es zeigt in voller Länge, wie Saddam Hussein hingerichtet worden ist. Das Video ist inzwischen auf vielen Seiten im Netz zu finden. Wie sollen Journalisten mit solchen Inhalten umgehen? fudder hat sieben deutsche Medienmacher gefragt: Dürfen Online-Medien das vollständige Exekutionsvideo zeigen und verlinken?
Web-2.0-Bubble jetzt auch in Deutsch: Holtzbrinck kauft StudiVZ
(konvergenz.kaywa.com, Andreas Göldi)
Das war ja eigentlich nur eine Frage der Zeit: Die umstrittene deutschsprachige Facebook-Kopie StudiVZ ging heute über den Ladentisch. Der glückliche (?) Käufer ist die Verlagsgruppe Holtzbrinck, die für die Website mit einer Million registrierten Usern 85 Millionen Euro hinblättert (davon 50 Mio. gleich bar auf die Hand).
Rückkehr der rasenden Reporter
(spiegel.de, Frank Patalong)
Die Zukunft der Zeitung liegt im Netz – das ist inzwischen allen großen Verlagen klar. Die “Washington Post” wagt jetzt zaghafte Schritte, Print und Online näher zueinander zu bringen. Andere Medienhäuser sind ihr da Längen voraus.
Montags wird nicht mehr gebibbert
(fr-aktuell.de, Roderich Reifenrath)
Eine in die Jahre gekommene Institution des deutschen Journalismus feiert Geburtstag: Der “Spiegel” wird 60.
Bild.de berichtete jüngst wieder über Britney Spears und behauptete:
Klickt man jedoch auf den “(wir berichteten)”-Link, gelangt man zwar zu einem anderen Bild.de-Artikel. Darin ist allerdings nirgends die Rede davon, dass die sturzbetrunkene Spears aus einer Bar in Los Angeles geflogen sei. Vielmehr ist (auch anderen Medienberichten zufolge) in der Bar etwas aus Spears geflogen… Aber bevor wir hier ins Detail gehen (“Ekel-Alarm!!!”), halten wir lieber fest, dass offenbar nicht einmal Bild.de-Mitarbeiter Bild.de-Meldungen lesen. Immerhin.
Verstummende Wachhunde
(nzz.ch, Stephan A. Weichert)
Medienkritische Selbstbeobachtung interessiere nicht nur die Brancheninsider, schreibt der Autor des folgenden Beitrags. Er kritisiert, dass viele Verlage den Medienjournalismus weggespart hätten.
“ZiB 1” wurde 2006 noch männlicher
(standard.at)
Der Frauenanteil der ORF-Nachrichten sank im letzten Jahr der ersten Generalin – Die “ZiB” blieb schwarz, Wolfgang Schüssel meist am Wort – Jahresbilanz als Download (pdf, 151 kb).
Tyler Brûlé ist der Mann, der seinen Markt erfindet
(welt.de, Joachim Bessing)
Vor zehn Jahren hat der Designer Tyler Brûlé mit der Zeitschrift “Wallpaper” ein neuartiges Lifestyle-Magazin kreiert. Dann wurde es stiller um ihn. Jetzt will Brûlé den Erfolg mit “Monocle” wiederholen.
Unkontrolliertes Sprudeln
(zeit.de, Eberhard Spohd)
Ulf Geyersbach hat ein Buch über die Sprache des Fußballs geschrieben. Auf humorvolle Art analysiert er die Neuschöpfungen und Entgleisungen, die Begriffe und Dummheiten der Menschen, die sich mit dem Sport beschäftigen und wie sie sich über die Jahrzehnte verändert haben.
“Väter weg von Puff und Kneipe”
(taz.de, Jan Feddersen und Susanne Lang)
Parteien? Nur noch Dienstleister auf dem politischen Illusionenmarkt. Die Linke? Nur noch entwaffnet und ratlos. Die Grünen? Nur noch Gierpartei und Teil der totalen Mitte. Warum Peter Sloterdijk dann doch ganz optimistisch ist.
Was machen Prominente mit den Medien? Was machen die Medien mit den Prominenten? In dem Buch “Medienmenschen — Wie man Wirklichkeit inszeniert” haben Studentinnen und Studenten des Instituts für Journalistik der Hamburger Universität darüber mit 30 Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens gesprochen. Und natürlich spielt die “Bild”-Zeitung darin eine erhebliche Rolle. Aus dem Buch, das im Januar erscheint*, veröffentlichen wir mit freundlicher Genehmigung der Herausgeber vorab einige Zitate zum Thema.
Mathieu Carrière, Schauspieler
Im August 2002 ließen Sie die Bildzeitung einen verzweifelten Brief an Ihre Ex-Freundin abdrucken: “Auf den Knien meines Herzens flehe ich dich an: Hab Erbarmen. Geh nicht mit ihr (Tochter Elena) nach Italien! Bitte, bitte, lass dich erweichen! Ich zahl dir jeden Preis.” Geben Sie nicht zu viel Privates preis?
Carrière: Ich gebe nichts Privates preis. Alles, was Sie in der Zeitung lesen oder im Fernsehen sehen, ist ein Produkt. Dieses Produkt gestalte ich mit. Diesen “Brief” habe ich zu einem Zeitpunkt an die Bildzeitung gegeben, als die Gegenseite versucht hat, mich als geisteskrank darzustellen. Mit Hilfe der Medien konnte ich gegensteuern. Mein “Privatleben” ist eine Inszenierung. Das, was ich davon an die Medien gebe, ist inszeniert. Es gibt keine Authentizität in den Medien. Sie glauben doch nicht, dass irgendeine Homestory authentisch ist.
Andre Heller, Künstler
Warum will “Bild” Sie unbedingt interviewen?
Heller: Wir kommen im Großen und Ganzen ohne einander aus. Was mich vorrangig beschäftigt, sind doch auch keine für Bild interessanten Themen. In das Blatt kommt man, wenn etwas aufgewühlt wird, was für die Massenleser nach Meinung der Chefredaktion relevant ist. Ein winziges Beispiel: Rudi Carell hat in seinen Memoiren angeblich geschrieben, dass eine seiner Frauen mich eine Zeit lang geliebt habe. Nach seinem Tod wollte Bild, dass ich dazu Stellung nehme. Aber welchen Grund gäbe es für einen erwachsenen Herrn mit ausgeprägter Selbstachtung, sich selbst mit einem Kommentar zu Tratschereien zu beschmutzen?
Hans-Olaf Henkel, Lobbyist und “Bild”-Autor
Wie funktioniert das, [einzelne Politiker mit Hilfe der Medien unter Druck zu setzen]?
Ich habe der Bundeskanzlerin Angela Merkel vor einiger Zeit (…) einen Brief geschrieben. Das Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba hatte sie zu diesem Zeitpunkt bereits zur Sprache gebracht, wofür ich sie in meinem Brief lobte. Ich forderte sie gleichzeitig auf, bei ihrer ebenfalls anstehenden Reise zum (…) russischen Präsidenten Wladimir Putin deutlich die Menschenrechtslage in seinem Land zu kritisieren. Und ich habe ihr geraten, das Waffenembargo gegen China nicht aufheben zu lassen, wie von Schröder früher gefordert. All dies hat Frau Merkel getan. Zuvor hatte ich mir allerdings überlegt, wie ich meinen Worten Nachdruck verleihen könnte. Die Lösung war ein Kommentar in der Bildzeitung, zweite Seite links oben. Dort habe ich geschrieben, wie mutig sie wäre, wenn sie alle diese Dinge ansprechen würde.
Den Bild-Kommentar haben Sie geschrieben, nachdem Sie Angela Merkel den Brief geschickt hatten?
Ja, den Artikel habe ich anschließend hinterhergeschickt. (…) Das heißt, sie hatte mit dem Kommentar auch eine Drohung auf dem Tisch: Ich hatte das Thema öffentlich gemacht. (…)
Besteht nicht die Gefahr, dass ein Medienmensch wie Sie selbst immer mediengängiger, immer schriller und aufgeregter formuliert?
Was ist das Problem? Immer nur in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung aufzutauchen, erscheint mir witzlos, denn deren Leser sind ohnehin meist von dem überzeugt, was ich sage. Man muss in die Bildzeitung, weil die gesamte Politik diese Zeitung besonders ernst nimmt und daneben nur vor einer einzigen Zeitschrift großen Respekt hat, dem Spiegel. Gerhard Schröder hat dies mir gegenüber übrigens offen zugegeben.
Martin Sonneborn, Satiriker, ehemaliger “Titanic”-Chef
Ihre Lieblingsgegner sind die Bildzeitung und das Magazin Focus. Was stört Sie an diesen Blättern?
Sonneborn: Diese beiden Blätter machen uns nach wie vor Konkurrenz, das stört mich natürlich. Wenn die Bildzeitung vorne zeigt, wie Kai Diekmann dem Papst eine “Volksbibel” übergibt, während ein paar Seiten weiter eine “schluckgeile Oma” ihre Dienste inseriert, ist das schwer zu übertreffen: Wenn wir das offizielle Bild nehmen und als “Foto des Monats” so uminterpretieren, dass Diekmann dem erfreuten Papst stolz eine schweinslederne Sammlung der schärftsten Fickanzeigen übergibt, bleibt das hinter der Wirklichkeit zurück.
*) Jens Bergmann, Bernhard Pörksen (Herausgeber): “Medienmenschen —
Wie man Wirklichkeit inszeniert”,
Solibro-Verlag, 19,80 Euro.