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Ein Schlag ins Gesicht

Wenn ein Medium “exklusiv” über ein Thema berichtet, kann das im Wesentlichen zwei Gründe haben: entweder die Redakteure nutzen einen Wissensvorsprung gegenüber der Konkurrenz, oder sie erzählen eine Geschichte, die sich so nie ereignet hat.

Am 5. Dezember 2007 berichtete “Bild” exklusiv und bundesweit, der Eintracht-Frankfurt-Stürmer Ioannis Amanatidis habe eine Frau geohrfeigt, die ihm mit ihrem Auto den Weg versperrt habe — stilecht begleitet von einem Foto der Frau, die sich die “schmerzende Wange” hält. Am nächsten Tag legte “Bild” Frankfurt ausgiebig nach, sprach noch mal mit dem angeblichen Opfer (wieder inklusive Wangen-Foto), ließ einen “1. Zeugen” “sprechen”, der allerdings nichts von einer Ohrfeige berichtete, wies auf Amanatidis’ Position als Botschafter des hessischen Landespräventionsrates hin, ließ aber immerhin auch den Beschuldigten selbst zu Wort kommen:

Amanatidis erhebt schwere Vorwürfe gegen die Frau: “Es haben sich wieder einmal Leute bei mir gemeldet, die mit dieser Frau ähnliche Vorfälle erlebt haben. So etwas hat sie wohl nicht zum ersten Mal abgezogen.” Er fürchtet offenbar, dass er mit Schmerzensgeld abgezockt werden soll.

Amanatidis’ Version

“Kurz bevor später die Polizei kam, trat die Frau nochmals auf mich zu und sagte dann, nachdem sie mich wohl erkannt hatte, dass sie der Polizei sagen werde, dass ich sie eine Hure genannt hätte. Dann schlug sie sich selbst mit der eigenen Hand ins Gesicht und sagte mir, sie werde der Polizei angeben, dass ich sie geschlagen hätte. Ich hatte so etwas bislang nur in einem Film gesehen und war fassungslos.”
“Frankfurter Neue Presse”, 7.12.2007

Als die “Frankfurter Rundschau” (FR) ebenfalls am 6. Dezember über die Anschuldigungen gegen den Fußballer berichtete, tat sie dies unter Berufung auf “Bild” auch mit folgendem Satz:

“Als ich meinen Vater schützen wollte, hat er mir mit der vollen Handfläche auf die linke Gesichtshälfte geschlagen”, berichtete die Frau, die dafür persönlich am Dienstagabend die Frankfurt-Redaktion des Boulevardblattes aufsuchte (und ein Leserhonorar einstrich).

Und in einem Interview zitierte die “FR” den griechischen Nationalspieler so:

Ich bin sauer auf dieses Schmuddelblatt (gemeint ist die Bild-Zeitung, Anm. d. Red.), das diesen Scheißdreck in die Welt setzt.

Gestern nun hat die Frankfurter Amtsanwaltschaft das Verfahren gegen Amanatidis eingestellt und ein neues “wegen des Verdachts der falschen Anschuldigung sowie Beleidigung” gegen das angebliche Opfer und ihre Begleiter eingeleitet.

Und die “FR” fügt hinzu:

Der Fall war seinerzeit von der Bild-Zeitung enorm hochgespielt worden. Gerüchte, dass die Frau für ihre Behauptungen möglicherweise bezahlt wurde, wollte die Amtsanwaltschaft nicht kommentieren.

Die “Bild”-Zeitung selbst berichtet heute online und offenbar in ihrer Frankfurter Ausgabe über die Einstellung des Verfahrens — nicht aber, wie bei der Verbreitung der unbewiesenen Vorwürfe, bundesweit. Und bei der Formulierung für die Gründe gibt es interessante Unterschiede:

“Frankfurter Rundschau” “Bild” Frankfurt
Der 26-jährige Amanatidis hatte den Streit eingeräumt, die Ohrfeige aber bestritten. Diese Aussage wurde auch von sämtlichen befragten Zeugen vor Gericht bestätigt. Daraufhin hatte die Frau Anzeige wegen Körperverletzung und Nötigung erstattet. Doch für den Schlag fanden sich keine Zeugen. Ihre Familienangehörigen, die mit im Auto saßen, waren nicht als Zeugen zugelassen.

Auf die Frage, ob es “klug” sei, sich mit “Bild” anzulegen, sagte Amanatidis im Dezember übrigens zur “FR”:

Das ist mir doch egal. Ich habe keine Angst vor diesen Leuten. Was will man erwarten von einem Blatt, das im Großen und Ganzen nur Dreck schreibt und so einer Person so viel Aufmerksamkeit schenkt.

Mit Dank an Johannes B., Tobias R., Florian Z., Arndt P., Henning K. und Markus für die Hinweise damals und jetzt.

medienlese – der Wochenrückblick

Lieblingsfeind Springer, falsche Lottozahlen, Schweizer Wochen.

Basha Mika, Chefredakteurin der taz, stand in Berlin auf dem Dach eines hohen Hauses und zeigte mit dem Finger auf ein anderes hohes Haus. Sie sagte: “Da zum Beispiel haben wir unseren Lieblingsfeind deutlich zu erkennen und wir haben ihn immer im Blick – Springer”. Sie freute sich über den “Treppenwitz der Geschichte”, dass nach der Umbenennung der Kochstrasse in die Rudi-Dutschke-Strasse die kleine Axel-Springer-Strasse auf die grosse Rudi-Dutschke-Strasse führen wird.

Der Tages-Anzeiger druckte die Lottozahlen von der Vorwoche ab und stürzte damit eine Zürcher Wirtin zuerst ins Glück, dann ins Unglück.

Rainald Goetz verweigerte der langjährigen Freundin der langjährigen Freundin eines langjährigen Freundes von Johnny Häusler ein Pfefferminzbonbon.
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Du sollst nicht langweilen (+)
(espace.ch, Alexander Sury)
Der Chefredaktor des «Blicks» teilt mit Fussballnationaltrainer Köbi Kuhn eine Erfahrung: Alle wissen, wie man seinen Job besser macht. Für die einen ist «Blick» zu rechts, für andere zu links, zu seriös oder dann zu seicht. Am 5. März erscheint ein neuer «Blick» – vielleicht seine letzte Chance.

Internet ist jetzt wichtigstes Nachrichtenmedium für Amerikaner
(medienkonvergenz.com, Andreas Göldi)
Die Verschiebung der Publikumsgunst von den alten zu den neuen Medien scheint sich weiter zu beschleunigen. Eine neue Umfrage der Marktforschungsfirma Zogby International bestätigt einmal mehr, wie wichtig das Internet als Nachrichtenmedium geworden ist.

Wer weiß, vielleicht kommt der Abschied vom System Putin schneller als wir Wodka sagen können
(planet-interview.de, Jakob Buhre)
Horst Kläuser über seine Zeit als Korrespondent in Moskau, Journalismus in Russland, Hofschreiber, die westliche Perpektive und den Kandidanten Dmitri Medwedew.

“Russen fahren total auf Neues ab”
(zoomer.de, Wladimir Kaminer, Video)
Wozu braucht Russland eigentlich einen neuen Präsidenten, wenn es mit dem alten auch nicht schlecht lief? Weil die Russen einfach total auf alles Neue abfahren, sagt Wladimir Kaminer zur Mentalität seiner Landsleute. Aber ist nicht das Bessere der Feind des Guten? Wie dem auch sei: Nicht der nächste, aber der übernächste Präsident wird auf jeden Fall wieder eine Glatze haben.

Matt Drudge: world’s most powerful journalist
(telegraph.co.uk, Toby Harnden)
Ten years ago, he was a reclusive, pasty-faced 31-year-old who, bashing away on his laptop in his grungy Hollywood apartment, shot to prominence when he threatened to bring down Bill Clinton’s presidency by breaking news of the Monica Lewinsky scandal (drudgereport.com).

Schalt mal um
(dasmagazin.ch, Michèle Roten)
Wer damit prahlt, keinen Fernseher zu haben, hat vor allem zu wenig Arroganz.

6 vor 9

«Blick ist die erste visuelle Zeitung» (+)
(werbewoche.ch, René Worni)
Im Gespräch erläutert Daniel Pillard, Leiter von Ringier Schweiz ad interim, was er sich vom neuen Blick erhofft, wie er seine Mannschaft drillen lässt und weshalb eine Formatveränderung das Dessert nach dem Hauptgang wäre.

Der Blogger-Schreck
(sueddeutsche.de, Stephan Weichert, Leif Kramp und Alexander Matschke)
Trotz digitaler Trends hat sich der Herausgeber Tyler Brûlé mit seinem Magazin Monocle durchsetzen können: Im Interview spricht er über seine trickreichen Print-Strategien.

«Ich möchte grosszügiger mit mir werden»
(schweizerfamilie.ch)
Er hat in seiner Karriere erreicht, was andere in fünf Leben nicht schaffen. Roger Schawinski erzählt, was ihn antreibt, wieso ihn Nichtstun tödlich langweilt und welchen Geist er vorleben will – auch mit Radio 1.

Hugo Egon Balder: “Mir fehlen die Spielwiesen”
(derwesten.de, Jürgen Overkott)
Sat.1 hat dem ZDF ein Schnippchen geschlagen. Beide Sender suchen Musicalstars. Und die Berliner starten zuerst – am Freitag, 20.15 Uhr, mit der zehnteiligen Castingshow “Ich Tarzan, Du Jane”. Ein Gespräch mit Sat.-Moderator Hugo Egon Balder.

SPD-Kurswechsel – Das Mediendebakel des Kurt Beck
(ndr.de, Video, 12:23 Minuten)
Sie trafen sich im piekfeinen Restaurant “Parlament” in Hamburg – sechs Tage vor der Wahl: Kurt Beck, Michael Naumann, Günter Grass und sechs Journalisten. In der vertraulichen Runde plauderte Beck auch über die Möglichkeit, Andrea Ypsilanti in Hessen mit den Stimmen der Linken zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen. Ein Journalist der Runde berichtete über das, was eigentlich vertraulich bleiben sollte. Die Hamburger SPD geriet so kurz vor dem Urnengang unter Druck und die Bundes-SPD erlebte ihr mediales Desaster. Zapp über vertrauliche Hintergrundgespräche und die Folgen für die Hamburg-Wahl.

NZZ zieht Artikel über Ospel zurück
(cash.ch)
Die NZZ schrieb kritisch über Ospel. Jetzt wurde der Artikel vom Archiv entfernt.

Sachverstand im Heck

Sonderlich viel hat Bild.de über den neuen Maserati GranTurismo S ja nicht zu berichten:

(…) In die Vollen gegangen ist Maserati beim Motor: Der Achtzylinder im Heck hat nun 4,7 Liter Hubraum und leistet 440 PS (GT: 405 PS).

Neu ist auch das elektrisch geschaltete Getriebe an der Hinterachse.

Die Fahrleistungen des Maserati GT S bleiben bis zum Autosalon (6.-16. März) noch Geheimsache.

Wie geheim die Fahrleistungen waren, als Bild.de sie zur “Geheimsache” machte, zeigt beispielhaft ein Blick auf die italienische Website autoblog.it. Dort ließen sich bereits einen Tag vor Veröffentlichung des Bild.de-Artikels Details zu Bremssystem, Beschleunigung, Höchstgeschwindigkeit nachlesen — und der (verlinkte!) Hinweis, dass all das auch auf der offiziellen Maserati-Website nachgelesen werden könne.

Nirgends außer auf Bild.de findet sich indes die Aussage, dass sich der Achtzylinder beim GT S “im Heck” befinde. Woran das wohl liegt?

Mit Dank an Gerold für den Hinweis.

“Bild” ist unsere Demokratie zu teuer

Die Linkspartei ist nach Auffassung der “Bild”-Zeitung nicht nur gefährlich, sondern auch noch teuer. Jedenfalls in Hamburg, wo die Wähler sich erdreistet entschieden haben, die Linke in die Bürgerschaft zu wählen:

"Fraktion kostet uns fast 50000 Euro/Monat - Keiner will neben den Schmuddelkindern sitzen - Sie sollen im alten Raucherraum tagen"
Die Links-Partei wird für Hamburgs Steuerzahler teuer. Pro Monat kassiert die künftige Acht-Mann-Fraktion in der Bürgerschaft 48 798 Euro aus der Staatskasse, errechnete die Bürgerschaftskanzlei. Die Linken bekommen das Geld für Personal und politische Arbeit der Fraktion.

"Kein linker, linker Platz ist frei!"So steht es in einem Artikel, der gut eine halbe Zeitungsseite in der “Bild”-Hamburg einnimmt (siehe Ausriss).

Die 48.798 Euro seien korrekt, teilt man uns bei der Hamburgischen Bürgerschaftskanzlei mit. Allerdings habe nicht die Bürgerschaftskanzlei die Zahl errechnet, sondern wohl “Bild” selbst. Denn, so ein Sprecher zu uns:

“Das ergibt sich zwangsläufig aus dem Fraktionsgesetz.”

Und tatsächlich: Paragraph 2 Absatz 3 legt fest, dass jede Fraktion monatlich einen Grundbetrag von 36.734 Euro erhält und einen Steigerungsbetrag von 1.133 Euro für jedes Fraktionsmitglied. Jede Fraktion, “die den Senat nicht trägt”, bekommt pro Mitglied noch zusätzlich 375 Euro Oppositionszuschlag.

Was kosten “uns” die Hamburger Fraktionen?
(als Regierung / Opposition)

  • CDU (56 Sitze)
    100.182 € / 121.182 €
  • SPD (45 Sitze)
    87.719 € / 104.594 €
  • Grüne/GAL (12 Sitze)
    50.330 € / 54.830 €
  • Die Linke (8 Sitze)
    45.798 € / 48.798 €

(Monatl. Fraktionskosten in der Hamburger Bürgerschaft berechnet aufgrund des vorl. amtl. Ergebnisses)

Das gilt natürlich für alle Fraktionen in der Hamburger Bürgerschaft. Also auch für diejenigen, deren Kosten in dem “Bild”-Artikel mit keinem Wort erwähnt werden: CDU, SPD und die Grünen. Dabei sind die, weil sie größer sind, allesamt teurer als die Linkspartei.

Allerdings ließen sich die Kosten für die Linkspartei für den Steuerzahler schon noch senken. Zum Beispiel könnte man noch in dieser Legislaturperiode auf einen Schlag 3.000 Euro einsparen, indem man die Linke an der Regierung beteiligt. Da fällt dann nämlich der Oppositionszuschlag weg.

Eine andere Möglichkeit, die sich leider erst bei den nächsten Wahlen umsetzen lässt, wäre es, wenn mehr Leute die Linkspartei wählen. Das erhöht dann zwar die Gesamtkosten für die Linkspartei, aber wegen des gleich bleibenden Grundbetrags, reduzieren sich die Kosten pro Fraktionsmitglied.

Allerdings sind beide Lösungen wohl nicht im Sinne der “Bild”-Zeitung. Deshalb hier noch ein anderer, ähm, etwas radikalerer Vorschlag: das Einparteiensystem. Das spart nicht nur die Oppositionszuschläge, sondern auch noch mindestens drei Grundbeträge. Und die Bürgerschaftswahl selbst würde sicher auch viel billiger.

Mit Dank an Ingo W. H.. Erich D., Heinz-Gerd R. und Peter S. für den sachdienlichen Hinweis sowie Yasemin Y. für den Scan.

Allgemein  

Heute anonym XV

Oder mal anders gefragt: Wie blöd muss man eigentlich sein, einen Artikel über die fünffache Kindstötung von Darry mit einem Foto zu bebildern, bei dem man sich die Mühe gemacht hat, die Eltern und eine weitere Frau unkenntlich zu machen, auf derselben Seite weiter unten aber dasselbe Foto ohne jede Verpixelung zu zeigen, verlinkt mit einem früheren Artikel, auf dem alle Beteiligten natürlich ebenfalls in schöner Klarheit zu erkennen sind?

(Rote Balken von uns.)

Mit Dank an Heitolseth und Daniel E.
 
 
 
 
 
 
 Nachtrag, 27.2.2008: Bild.de hat den “Archiv”-Verweis mit dem unverpixelten Foto am Ende des Artikels entfernt.

medienlese – der Wochenrückblick

Diekmann mit Videoblog, Blogger und Sex, Einkaufsbummel der Publigroupe.

Der Chefredakteur der deutschen Bild-Zeitung, Kai Diekmann, produzierte eine erste Folge eines Videoblogs. Mit einer nicht sehr grossen Handykamera stellte er sich an einem “Media-Get-Together” vor allerlei Leute aus Medien und Politik und überraschte seine Gesprächspartner mit der Aussicht, bald im Internet zu sehen zu sein. Sein gleich am Anfang des Videos verkündetes Motto lautet “Jetzt wird immer zurückgeschossen” und hört sich an wie eine Kampfansage gegen das Bildblog, dem der Springer-Verlag absurderweise verbieten will, Beschwerden beim deutschen Presserat einzureichen (ebenso repressiv die taz: “Nehmt dem Mann die Kamera weg!“). Der “journalistische Anstandswauwau” des Springer-Verlags (Die Presse), nach einer Leserbefragung aus 4/5 Lesern bestehend, die ihre “kritische Haltung gegenüber Bild” (Vorurteile?) gerne untermauert haben möchten, vermeldete Diekmanns neue Tätigkeit (noch) nicht.
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Müller-Vogg verharmlost Steuerhinterziehung

"Gregor Gysi kann sich nicht so gut erinnern"

Unter dieser Überschrift schreibt “Bild”-Kolumnist Hugo Müller-Vogg (der schon gestern fand, “SED/PDS soll vor der eigenen Tür kehren”) darüber, dass die Linke “auf Wolke sieben” schwebe wegen jüngster Umfrageergebnisse. Die “geben ihr bundesweit 12 Prozent”, und in Hamburg, wo am kommenden Sonntag gewählt wird, “winkt der Einzug ins zehnte Landesparlament”.

Grund genug für Müller-Vogg, Gregor Gysi mit Ex-Post-Chef Klaus Zumwinkel zu vergleichen, dem vorgeworfen wird, eine Million Euro an Steuern hinterzogen zu haben, indem er Teile seines Vermögens in eine Stiftung nach Liechtenstein verschob. Und was hat Gysi nun wieder Schlimmes angestellt, werden Sie sich vielleicht fragen? Er “nennt die Entdeckung der Schwarzgeldkonten ‘Offenbarungseid der reichen Eliten'”. Und Müller-Vogg meint dazu:

Seinen eigenen Offenbarungseid hat Gysi freilich 2002 geleistet, als er in der Bonusmeilen-Affäre vom Amt des Berliner Wirtschaftssenators zurücktrat. Gleich neun private Flüge hatte der damalige PDS-Bundestags-Abgeordnete auf Kosten des Steuerzahlers gebucht: (…). Öffentlich räumte Gysi damals seinen Fehler ein. “Sicherlich kein dramatischer Vorgang”, redete er gleichzeitig die Affäre schön. “Sicherlich kein dramatischer Vorgang”, das könnte auch Klaus Zumwinkel gedacht haben, als er einen Teil seines Vermögens nach Liechtenstein verschob.

Gysis Rücktritt
Gregor Gysi gab Ende Juli 2002 zu, in den Jahren 2000 und 2001 Bonusmeilen privat genutzt zu haben, “insbesondere für meine Angehörigen”. Damit habe er einen Fehler begangen, “den ich mir nicht verzeihen will” und der ihm gezeigt habe, “dass ich mich entfernt habe von meinen Wählerinnen und Wählern, dass ich begonnen habe, Privilegien als Selbstverständlichkeit hinzunehmen, (…) dass ich dabei bin, so zu werden, wie ich nicht werden wollte, verbunden mit einem Verlust an Ansehen und Glaubwürdigkeit.” Die Tatsache, dass nicht einmal Vertreter der Berliner Opposition seinen Rücktritt forderten, habe ihm erleichtert, eine “selbstbestimmte Entscheidung” zu treffen.

Nun mag man ja die private Nutzung von dienstlich erworbenen Bonus-Meilen durch Abgeordnete für verwerflich halten. Diesen Vorgang aber mit schwerer Steuerhinterziehung auf eine Stufe zu stellen, ist ähnlich gewagt, wie schweren Diebstahl dem Falschparken gleichzusetzen.

Steuerhinterziehung gilt Müller-Vogg Manchem zwar offenbar als Kavaliersdelikt, tatsächlich handelt es sich aber um eine Straftat, die in besonders schweren Fällen (und um einen solchen würde es sich bei Zumwinkel wohl handeln) mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren bestraft werden kann. Die private Nutzung von dienstlich erworbenen Bonus-Meilen hingegen verstößt (nur) gegen Richtlinien des Bundestages.

Deshalb wurde Gysis Rücktritt im Jahr 2002 auch von vielen Politikern (nicht nur von SPD und Linkspartei) als überzogen beurteilt. Der Berliner FDP-Vorsitzende Günter Rexrodt vermutete damals in der “FAZ”, die Bonusmeilen-Affäre sei nur ein Vorwand für dessen Rücktritt gewesen. Der damalige Kanzlerkandidat der Union, Edmund Stoiber, sagte, Gysis Rücktritt sei zwar ein “konsequenter Schritt”, ob er jedoch angemessen sei, müsse er selbst beurteilen. Nicht mal die Berliner Opposition hatte Gysis Rücktritt gefordert. Der damalige Vorsitzende der Berliner Unions-Fraktion, Frank Steffel sagte, er wolle nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen.

Und wissen gar nicht viel

Wo kommt eigentlich der Halbmond her? Generationen von Kindern haben diese Frage schon gestellt. Jetzt enthüllt ein Leser-Reporter: Er wird einfach durchgeschnitten, in der Mitte und nachts.

Hätte es Bild.de nur dabei belassen. Eine schöne falsche Erklärung, wunderbar bebildert durch ein Leser-Reporter-Video, das zeigt, wie der Mond scheinbar durchgeschnitten wird — durch den Kondensstreifen eines Flugzeugs.

Mehr hätte man gar nicht schreiben müssen. Denn natürlich wissen wir alle, dass das mit dem Durchschneiden nur ein Witz ist. Natürlich kennen wir alle die richtige Erklärung für die Mondphasen. Oder wie Bild.de schreibt und der Sprecher im Video sagt:

"Ein richtiger Halbmond entsteht natürlich dann, wenn der Schatten der Erde eine Hälfte des Mondes bedeckt."

Natürlich? Nicht. Ein “richtiger” Halbmond entsteht dann, wenn nur eine Hälfte der von der Erde sichtbaren Mondseite von der Sonne angestrahlt wird. Wenn der Schatten der Erde einen Teil des Mondes bedeckt, kommt es dagegen zu einer Mondfinsternis.

Generationen von Kindern haben das schon gelernt. Und irgendwann erklärt es sicher auch jemand Bild.de.

Mit Dank an King K., Thorsten F., Björn P., Joachim W. und die vielen anderen!

Nachtrag, 9.45 Uhr: Als wenn nichts gewesen wäre, entsteht ein Halbmond jetzt auf Bild.de “natürlich” dadurch, dass die Sonne den Mond nur von einer Seite anstrahlt. Auch das Video hat einen neuen Text bekommen, ist aber zur Strafe im Artikel nicht mehr verlinkt.

Nachtrag, 14.30 Uhr: Nun steht das korrigierte Video auch wieder im Artikel.

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