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Ohne Hinweis auf Alter des Textes und Leichte Sprache

“Bild” hat es heute mal wieder hinbekommen, der eigenen Leserschaft neues Futter für die Wut auf die Grünen und deren Gefährdung “unserer Kinder” zu liefern. Die Redaktion ist damit lediglich ein paar Jahre zu spät und liegt bei der Partei daneben.

Heute groß im Blatt auf Seite 2:

Ausriss Bild-Zeitung - Ohne Hinweis auf Risiken und Folgen - Familienministerium rät Kindern zu Pubertäts-Blockern

Albert Link, Nikolaus Harbusch und Marta Ways schreiben:

Kopfschütteln über Familien- und Jugendministerin Lisa Paus (54, Grüne).

Mit offiziellem Logo und aus Steuergeldern finanziert wendet sich ihr Ministerium im Internet an Kinder, die “merken: Ich bin gar kein Mädchen. Oder: Ich bin gar kein Junge”.

► Wörtlich heißt es auf dem “Regenbogenportal” – laut Ministerium gedacht als “Informationsplattform für die LSBTIQ*-Community”: “Bist du noch sehr jung? Und bist du noch nicht in der Pubertät? Dann kannst du Pubertäts-Blocker nehmen (…) So hast du mehr Zeit zum Nachdenken. Und du kannst in Ruhe überlegen: Welcher Körper passt zu mir?”

Und dies OHNE Hinweis auf die erheblichen Risiken, Nebenwirkungen und Folgen, vor denen Mediziner warnen.

Im dazugehörigen Kommentar schreibt “Bild”-Parlamentsbüro-Leiter Ralf Schuler:

Diese Ministerin gefährdet die Gesundheit unserer Kinder!

Gemeint ist auch hier Familienministerin Lisa Paus, seit April 2022 im Amt.

Es stimmt, dass das “Regenbogenportal” ein Projekt des von Paus geführten Familienministeriums ist. Laut Impressum wird es “herausgegeben von der Internetredaktion des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend”. Es war allerdings nicht Lisa Paus, die es ins Leben gerufen hat. Das Portal ging im Mai 2019 online, initiiert von der damals amtierenden Familienministerin und SPD-Politikerin Franziska Giffey. Paus hat es sozusagen geerbt. Auch der Text über die Pubertätsblocker, den “Bild” zitiert, ist nicht in Paus’ Amtszeit entstanden. Er ist mindestens seit August 2020 auf der Seite zu finden. Auch damals war Giffey Familienministerin, die Regierung stellte die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD. Die Grünen und Lisa Paus hatten damit nichts zu tun.

Wenn man also der Meinung sein sollte, dass der Pubertätsblocker-Text problematisch ist, dann wäre der einzige Vorwurf, den man Paus machen kann, dass sie nicht dafür gesorgt hat, ihn zu löschen oder zu ändern. Im Laufe des gestrigen Tages, wohl nach einer Anfrage der “Bild”-Redaktion, wurde das “Regenbogenprotal” überarbeitet. Der Satz “Dann kannst du Pubertäts-Blocker nehmen” wurde gestrichen, dafür ein Hinweis auf eine ärztliche Beratung hinzugefügt:

Pubertäts-Blocker nehmen
Bist du noch sehr jung?
Und bist du noch nicht in der Pubertät?
So kannst du deinen Arzt / deine Ärztin fragen,
ob dir Pubertätsblocker vielleicht helfen könnten.

Pubertäts-Blocker sind besondere Medikamente.
Das Wort Blocker heißt: etwas stoppen.
Diese Medikamente sorgen dafür,
dass du nicht in die Pubertät kommst.
Das heißt: Dein Körper entwickelt sich erst mal nicht weiter.
Weder in Richtung Frau.
Noch in Richtung Mann.
So hast du mehr Zeit zum Nachdenken.
Und du kannst in Ruhe überlegen:
Welcher Körper passt zu mir?

Die Aussage zu den “besonderen Medikamenten” und die Erklärung, was Pubertätsblocker mit dem Körper machen, fanden sich auch in der alten Version des Textes. Im “Bild”-Artikel wurde die Passage aber per Auslassungszeichen weggelassen.

Was die “Bild”-Redaktion ebenfalls an keiner Stelle erwähnt: Es handelt sich sowohl bei der alten Version als auch bei der neuen um einen Text in Leichter Sprache. Daher ist schon qua Definition die Komplexität niedriger. Vermutlich wäre auch in Leichter Sprache ein deutlicherer Hinweis auf die weitreichenden Folgen einer Behandlung mit Pubertätsblockern möglich. Aber es bleibt dabei: Die inhaltlichen und sprachlichen Vorwürfe von “Bild” richten sich gegen einen Text in Leichter Sprache.

Und dann ist da noch die Frage, ob das Familienministerium Kindern wirklich zu Pubertätsblockern “rät”, wie “Bild” titelt. Immerhin steht am Anfang des Textes im “Regenbogenportal”:

Manche Kinder oder Jugendliche merken:
Ich bin gar kein Mädchen.
Oder: Ich bin gar kein Junge.
Auch wenn die anderen mich so sehen.
Wir haben Tipps für euch.

Aber handelt es sich bei diesen “Tipps” nicht eher um Aufklärung und Informationen über mögliche Behandlungsformen? Schließlich erhält man die entsprechenden Medikamente nicht einfach nach Lektüre des “Regenbogenportals” rezeptfrei in der Apotheke. Es sind Arztbesuche, bei denen sicher auch Risiken, Nebenwirkungen und Folgen angesprochen werden, und eine Diagnose nötig. So schreibt auch “Bild” in einem zusätzlichen Infotext:

Das Medikament Leuprorelin wird nur nach genauer medizinischer Indikation durch den Arzt als Pubertätsblocker gespritzt

Am Ende des “Bild”-Artikels können Albert Link, Nikolaus Harbusch und Marta Ways noch eine Politikerin präsentieren, die sich über die ganze Geschichte mächtig aufregt:

Empört auf die Kinder-“Tipps” reagierte Ex-CDU-Ministerin und Bundesvorstand Julia Klöckner (49). Klöckner zu BILD: “Pubertätsblocker sind ein großer und schwerwiegender Eingriff in die Entwicklung der Kinder. Es kann nicht sein, dass die Bundesregierung diese Medikamente empfiehlt wie Hustenbonbons!”

Hätte das “Bild”-Trio gewollt, dann hätte es auf Klöckner antworten können, dass es sich bei der Bundesregierung, die den Text zu den Pubertätsblockern ins Internet gestellt hat, um jene handelt, von der Klöckner selbst Teil war.

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Herbeigeböhmermannter Skandal, Meta auf der Terrorliste, Fußball

1. Der herbeigeböhmermannte Skandal
(spiegel.de, Sascha Lobo)
Sascha Lobo beschäftigt sich in seiner “Spiegel”-Kolumne kritisch mit den jüngsten Böhmermann-Enthüllungen über den Präsidenten des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik: “Die Schönbohm-Story ist in Wahrheit eine Böhmermann-Story. Sie handelt davon, dass eine zweifellos ungünstige, aber in erster Linie komplexe Situation zum Skandal vor allem einer einzelnen Person herbeigeböhmermannt wurde. Mit der möglichen Folge, dass durch das nach bisherigen Erkenntnissen stark übertriebene Skandalgebaren des ‘ZDF Magazin Royale’ früher oder später ein Überwachungsfreund an die Spitze des BSI gesetzt werden dürfte. Danke, Böhmi.”

2. Vor der Anhörung zum Hinweisgeberschutzgesetz
(whistleblower-net, Kosmas Zittel)
In mehreren Podcast-Interviews des Whistleblower-Netzwerks erläutern zwei Fachjuristen und ein Betroffener, warum sie beim Entwurf des neuen Hinweisgeberschutzgesetzes deutlichen Nachbesserungsbedarf sehen. Die Gesellschaft müsse Whistleblowern durch entsprechende rechtliche und institutionelle Rahmenbedingungen signalisieren, dass ihr Wirken erwünscht sei, so das Whistleblower-Netzwerk. Der vorgelegte Regierungsentwurf müsse dringend nachgebessert werden.

3. Krisen-Fest
(kontextwochenzeitung.de, Anna Hunger)
Der Kopp Verlag gilt als der größte rechte Verlag in Deutschland, auch wenn einem im Onlineshop allerlei Unverfängliches über “Die Geheimnisvolle Zirbeldrüse” oder “Die Heilkraft des Sellerie-Safts” begegne. Ein paar Klicks weiter stecke man jedoch mitten im Sumpf von Verschwörungserzählungen, Hetzschriften und rechtem Gedankengut. Anna Hunger berichtet über einen Verlag, dessen Lebenselixier Angst und Unsicherheit seien.

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4. Beruf: Reporter
(jungewelt.de, Felix Bartels)
Felix Bartels hat sich Michael Herbigs Verfilmung des Relotius-Skandals (“Tausend Zeilen”) im Kino angeschaut. Bartels hat einige Kritikpunkte an dem Film, darunter auch einen gesellschaftspolitischen: Ihm fehlt der Aspekt, “dass auch der Fall Relotius nur möglich wurde, weil ein linksliberales Publikum vorhanden war, das genau diese Sorte Geschichten lesen wollte. Denn es gehört zum Glauben dieses Milieus, dass Fake News und Parallelwelten ausschließlich an den Rändern des politischen Spektrums entstehen.”

5. Meta auf der Terrorliste
(taz.de, Barbara Oertel)
Seit März dieses Jahres sind Facebook und Instagram in Russland verboten. Nun habe Moskau den übergeordneten Konzern Meta, zu dem auch der Messengerdienst WhatsApp gehört, als “terroristische Organisation” eingestuft. Ob die Nutzung der entsprechenden Sozialen Netzwerke in Russland gefährlich ist, werde von russischen Juristen unterschiedlich beurteilt.

6. Neue Heimat für die Fußball-Bundesliga der Frauen
(tagesspiegel.de)
Der Deutsche Fußball-Bund hat die Medienrechte für verschiedene Ligen neu verkauft. Einschränkungen gebe es ab 2023 für Fans der 3. Liga der Männer, während das Fernsehangebot zur Frauen-Bundesliga größer werde. Und auch das Nationalteam der Frauen kann weiter an prominenter Stelle im TV verfolgt werden: “Freunde der Frauen-Nationalmannschaft müssen sich nicht umstellen. ARD und ZDF werden auch zukünftig die DFB-Auswahl zeigen, die ihnen zuverlässig gute Quoten bringt und bei der EM Rekorde aufgestellt hatte. Die öffentlich-rechtlichen Sender sicherten sich ein neues Rechtepaket bis 2026/27.”

Nichts begriffen, Amigo-Kultur?, “Stinkefinger an die Leserschaft”

1. “Die hat noch immer nicht begriffen, worum es wirklich geht”
(journalist.de, Jan Freitag)
Beim “journalist” sprechen Kayhan Özgenç und Jakob Wais von “Business Insider” über ihre Recherchen zum Fall der ehemaligen RBB-Intendantin Patricia Schlesinger, der sie wenig Einsicht attestieren: “Es mangelt ihr offenbar bis heute an Verständnis, Selbstkritik, Demut – von Reue gar nicht zu sprechen – darüber, dass sie womöglich übers Maß ihrer Privilegien hinausgeschossen ist. Und das, während kaum jemand im Sender sagt, wie schade es sei, dass Patricia Schlesinger gehen musste. Diese Stimmung überhaupt nicht wahrzunehmen, ist besonders für eine Journalistin, die ja davon lebt, Stimmungen zu erspüren, schon überraschend.”
Weitere Lesehinweise: In der Affäre um den RBB habe die Generalstaatsanwaltschaft Berlin die Ermittlungen auf den Verwaltungsdirektor und ehemaligen stellvertretenden Intendanten sowie die Juristische Direktorin ausgeweitet (sueddeutsche.de).
Außerdem hat die “Business-Insider”-Redaktion mit ihren Recherchen zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk nachgelegt: Amigo-Kultur? Wie der Nachbar und Mieter der stellvertretenden NDR-Intendantin vom öffentlich-rechtlichen Sender profitiert (Philip Kaleta).

2. Leuchtturm 2022 für Arndt Ginzel
(netzwerkrecherche.org)
Das Netzwerk Recherche (nr) hat auf seiner Jahreskonferenz den Journalisten Arndt Ginzel mit dem “Leuchtturm für besondere publizistische Leistungen 2022” ausgezeichnet: “Arndt Ginzel ist mit seinen Recherchen wie kaum jemand sonst vor Ort russischen Kriegsverbrechen nachgegangen und hat damit dem deutschen Publikum auf herausragende Weise die Schrecken dieses Krieges Nahe gebracht. Wir freuen uns sehr, ihn mit dem diesjährigen Leuchtturm des Netzwerk Recherche auszuzeichnen”, so der nr-Vorsitzende Daniel Drepper. Die Laudatio hielt “Spiegel”-Reporter Christoph Reuter (youtube.com, 14:30 Minuten).

3. Der Nestbeschmutzer zu NR22 zum Nachlesen
(netzwerkrecherche.org)
Anlässlich der Jahreskonferenz von Netzwerk Recherche haben Studierende der Journalistik und Kommunikationswissenschaft an der Uni Hamburg erneut eine Zeitung produziert. Der kostenlos als PDF verfügbare “Nestbeschmutzer” widmet sich unter anderem dem Klima- und Lokaljournalismus, den Schwierigkeiten der Kriegsberichterstattung und der mangelnden Diversität in Redaktionen.

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4. Warum SZ-Journalismus visueller wird
(sueddeutsche.de, Wolfgang Jaschensky & Astrid Müller & Christian Tönsmann)
Die “Süddeutsche Zeitung” will online visueller werden und setzt dabei auf ein Programm, das eine visuell ansprechendere Einbettung von interaktiven Grafiken, großen Bildern und Videos und damit ein ästhetischeres Layout ermögliche: “Die Software war ein Experiment, das bei seiner ersten Anwendung funktionieren musste: Es gab keine Erfahrung, geschweige denn Routine mit der Veröffentlichung, es gab nicht einmal einen Knopf, auf dem ‘veröffentlichen’ stand.” Ein lohnenswerter Blick in die Werkstatt.

5. Musk will Twitter jetzt doch kaufen
(tagesschau.de)
Nach einem schier endlosen Hin und Her will Tech-Milliardär Elon Musk den Onlinedienst Twitter nun wohl doch kaufen. Eigentlich sollte diesen Monat der Prozess über den möglichen Rücktritt vom Vertrag beginnen. Das kann allerdings vermieden werden, sollten sich beide Parteien auf die ursprünglichen Bedingungen verständigen.

6. Das Medium als Insel, die niemand verlassen darf
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Markus Reuter ärgert sich über etwas, über das wir uns alle schon geärgert haben: Die Unsitte großer Medienplayer, keine Links auf externe Webseiten zu setzen (und wenn sie Links setzen, dann oft nur zu irgendwelchen Seiten des eigenen Angebots). Reuter fasst zusammen: “Wer Links vermeidet, hat nicht genug Arsch in der Hose, um an die eigenen Inhalte und an die eigenen Leser:innen zu glauben. Es ist ein Stinkefinger an die Leserschaft. Und ein journalistisches Armutszeugnis.”

Twitters Probleme, Scheitern an Google, Ohne Rückendeckung

1. Werbekunden fordern von Twitter Maßnahmen gegen Kindesmissbrauch
(spiegel.de, Torsten Kleinz)
Auf Twitter sollen mehr als 500 Accounts Werbung für Kindesmissbrauchsmaterial gemacht haben. Die Tweets hätten der Kontaktanbahnung gedient und seien mit Codewörtern oder einschlägigen Hashtags versehen worden. Als Reaktion darauf hätten einige Großkunden ihre Anzeigenkampagnen gestoppt. Twitters Nachlässigkeit in dem Bereich könnte also noch teure Folgen haben.
Weiterer Lesetipp: Porno-Riesen schränken Suchfunktion ein – teilweise: “Die drei weltgrößten Pornoseiten reagieren auf Fälle sexualisierter Gewalt. Sie schließen problematische Begriffe aus der Suche aus, Pornhub verlinkt gar auf Hilfsangebote. Im direkten Vergleich sticht eine Seite jedoch heraus.” (netzpolitik.org, Sebastian Meineck)

2. Buchtipp: Neuauflage “Der Aufmacher”
(verdi.de, Tilmann P. Gangloff)
Zum achtzigsten Geburtstag von Günter Wallraff veröffentlicht der Verlag Kiepenheuer & Witsch eine Neuauflage des “Bild”-kritischen Klassikers “Der Aufmacher”. Das Buch entpuppe sich als überraschend aktuell, wie Tilmann P. Gangloff findet. Die Mechanismen des Marktes seien die gleichen geblieben: “Die Digitalisierung hat diese Art von ‘Journalismus’ nicht verändert, er ist bloß noch überdrehter geworden.”
Weiterer Hinweis: Natürlich muss in diesem Zusammenhang auf das Buch meiner BILDblog-Kollegen Moritz Tschermak und Mats Schönauer verwiesen werden: Ohne Rücksicht auf Verluste – Wie BILD mit Angst und Hass die Gesellschaft spaltet (kiwi-verlag.de).

3. Hätten Precht und Welzer doch einfach mal jemanden gefragt!
(uebermedien.de, Nils Minkmar)
Vor wenigen Tagen haben der Philosoph Richard David Precht und der Soziologe Harald Welzer ihr neues medienkritisches Buch vorgestellt (“Die vierte Gewalt – Wie Mehrheitsmeinung gemacht wird, auch wenn sie keine ist”). Nach Harald Staun (siehe die “6 vor 9” vom 27. September) beschäftigt sich nun auch Nils Minkmar mit dem Werk. Sein Eindruck: “Was die beiden eigentlich mit diversen Gedankengängen und nur halb tauglichen Beispielen beklagen, ist ihre Minderheitenposition in der Ukrainefrage, denn beide verhalten sich abwartend bis neutral, was die Hilfe für Kiew angeht.”

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4. Was bekommen junge Erwachsene für ihren Rundfunkbeitrag?
(deutschlandfunk.de, Annika Schneider, 37:11 Minuten)
Jutta Harrer-Amersdorffer, Professorin für soziale Arbeit, will wissen, warum es für junge Erwachsene nicht mehr Angebote bei ARD und ZDF gibt. Darüber diskutiert sie mit HR-Intendant Florian Hager, bis vor Kurzem für die Entwicklung der ARD-Mediathek verantwortlich, und Annika Schneider aus der Deutschlandfunk-Medienredaktion.

5. Freie Krisen- und Kriegsreporter – Im Einsatz ohne Rückendeckung
(message-online.com)
Laurent Schons Film “Im Einsatz ohne Rückendeckung” (youtube.com, 12:11 Minuten) beschäftigt sich mit dem Thema Kriegsberichterstattung und lässt einige erfahrene Reporterinnen und Reporter zu Wort kommen: “Jörg Armbruster und Alex Chan Tsz Yuk – beide gerieten im Einsatz unter Beschuss. ‘Netzwerk Recherche’-Vorstandsmitglied Pascale Müller und Auslandskorrespondent Marc Engelhardt geben Einblicke in die Branche und ‘Reporter ohne Grenzen’-Sprecher Christopher Resch zeigt Wege aus der Krise auf.”

6. Deutsche Verlage scheitern an Google
(netzpolitik.org, Ingo Dachwitz & Alexander Fanta)
“Eigentlich sollten Google und weitere Tech-Konzerne den Medien in Europa Geld für die Nutzung ihrer Inhalte zahlen. Doch während die Presse anderswo Millionen an Lizenzgebühren kassiert, kommt hierzulande wenig an. Das Nachsehen haben insbesondere Journalist:innen.” Ingo Dachwitz und Alexander Fanta erklären, warum die deutschen Verlage nicht weiterkommen im Kampf um die Digitalgelder der Plattform-Giganten.

Hamburg (PR) Journal, Karlsruhes teure Anwälte, Pirinçci gepfändet

1. ZAPP Spezial: Vorwürfe gegen den NDR Hamburg: PR im Programm?
(ndr.de, Jochen Becker & Nicola von Hollander & Iris Ockenfels, Video: 25:51 Minuten)
Es besteht der Verdacht, dass Sabine Rossbach, Direktorin des NDR-Landesfunkhauses Hamburg, dazu beigetragen hat, dass Beiträge über Kunden der PR-Agentur ihrer Tochter ausgestrahlt wurden. Das NDR-Medienmagazin “Zapp” ist der Frage nachgegangen, wie im “Hamburg Journal” der Anschein einer möglichen Bevorzugung von Familienangehörigen entstehen konnte, und erklärt, warum bereits dieser Anschein problematisch ist. Vorwürfe, die dem öffentlich-rechtlichen Sender zudem bereits seit 2017 bekannt gewesen seien.

2. Karlsruhes Anwälte kommen Steuerzahler teuer zu stehen
(faz.net, Jochen Zenthöfer)
Das Bundesverfassungsgericht wollte einer “Bild”-Reporterin nicht verraten, wie ein Gespräch der Richter mit der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel und einigen Ministern ablief. Als die Journalistin klagte, setzte das Gericht nicht etwa auf die juristische Expertise im eigenen Haus, sondern engagierte eine externe Kanzlei. Jochen Zenthöfer sieht darin ein bedenkliches Vorgehen: “Journalisten, die zu Recht und mit Recht gegen das Verfassungsgericht klagen, sehen sich einem Gegner gegenüber, der für seine Vertretung auf immense Steuermittel für teure Rechtsanwälte zurückgreifen kann. Kaum eine Behörde hat dieses Privileg. Waffengleichheit sieht anders aus.”

3. Protestgruppen suchen neues Wut-Thema
(netzpolitik.org, Sebastian Meineck)
Für viele Rechtsextreme und Verschwörungsgläubige ist der Messenger Telegram die bevorzugte digitale Heimat. Wer bei anderen Sozialen Medien längst gesperrt wurde, kann sich hier oft noch weiter austoben. Werden die abebbenden “Querdenken”-Proteste daran etwas ändern? Und welche Themen werden das Milieu auf Telegram in den nächsten Monaten beschäftigen? Darüber gibt der Political Data Scientist Josef Holnburger im Interview Auskunft.

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4. Beleidigung von Luisa Neubauer: Konto von Autor Akif Pirinçci gepfändet
(berliner-zeitung.de)
Der rechtspopulistische Autor Akif Pirinçci wurde zu einer Entschädigungszahlung verurteilt, weil er die Klimaschutzaktivistin Luisa Neubauer beleidigt hatte. Nachdem Pirinçci anscheinend nichts unternahm, um seiner Zahlungsverpflichtung nachzukommen, ließen Neubauers Anwälte sein Konto pfänden. Eine Zahlung von 6.000 Euro solle der Beratungsstelle für Betroffene digitaler Gewalt “HateAid” zugutekommen.

5. Mehr nach rechts?
(sueddeutsche.de, Fabian Fellmann)
Der US-amerikanische Fernsehsender CNN galt lange Zeit als eher links, zumindest für einheimische Verhältnisse. Inzwischen scheint sich das zu ändern, was auch an dem neuen Chef und dessen Personalentscheidungen liege. Auslandskorrespondent Fabian Fellmann hat sich angeschaut, was gerade bei dem berühmten Nachrichtensender in Sachen Neuausrichtung passiert.

6. Hitzerekord
(journalist.de, Sebastian Pertsch & Udo Stiehl)
Sebastian Pertsch und Udo Stiehl werfen im Rahmen ihres Projekts “Floskelwolke” einen sprach- und medienkritischen Blick auf vielbenutzte Formulierungen. Nach “Wetter spielt verrückt” nehmen sie sich eine weitere Wetterfloskel vor: den “Hitzerekord”.

Kein “tödlicher Maskenstreit”, Meta ohne Zukunft?, Artiger Applaus

1. Es war Mord – und kein “tödlicher Maskenstreit”
(uebermedien.de, Frederik von Castell)
Manchmal werden verkürzte Überschriften dem Sachverhalt, den sie beschreiben sollen, überhaupt nicht gerecht. So geschehen bei der ursprünglichen dpa-Meldung von der “lebenslangen Haft wegen Mordes nach Maskenstreit”, die – teilweise noch stärker verkürzt – von anderen Medien übernommen wurde. Frederik von Castell ist dem Fall nachgegangen und hat immerhin erreicht, dass die Nachrichtenagentur ihre Überschrift in “Lebenslange Haft wegen Mordes für rechtsradikalen Maskenverweigerer” geändert hat.

2. Meta: keine Vision, keine Kontrolle, keine Verantwortung – keine Zukunft?
(socialmediawatchblog.de, Simon Hurtz & Martin Fehrensen)
Das aktuelle Briefing des “Social Media Watchblogs” erscheint ausnahmsweise ohne Paywall. Schwerpunkt der Ausgabe ist die Zukunft von Meta, dem Mutterkonzern von Facebook und Instagram. Für das Unternehmen werde es immer ungemütlicher: “Mit der Discovery Engine will Meta seine Empfehlungslogik neu erfinden, Influencerïnnen verlangen das gute, alte Instagram zurück, die TikTokisierung fruchtet (noch?) nicht, und der Umsatz sinkt.”

3. @KuehniKev ist ausgestiegen
(faz.net, Claudius Seidl)
Der meinungsstarke Generalsekretär der SPD Kevin Kühnert hat sich bei Twitter abgemeldet. Die Diskussionskultur dort führe zu “Fehlschlüssen und Irrtümern”, sagte Kühnert gegenüber dem “RedaktionsNetzwerk Deutschland”. In der “FAZ” kommentiert Claudius Seidl die Entscheidung Kühnerts und fragt: “Ja, es stimmt, wenn man seine eigenen Posts offen hält, steht in den Kommentaren auch dummes Zeug von Leuten, die sich nicht benehmen können. Und die man trotzdem, da hat Kühnert recht, nicht mit der Stimme des Volks verwechseln darf. Auch wenn die selbst das so sehen. Aber wer von diesem Strukturwandel der Öffentlichkeit überfordert ist, sollte nicht unbedingt in der Politik etwas werden wollen.”
Anmerkung des “6-vor-9”-Kurators: Seidl schreibt an einer Stelle: “Die Blase, die Kühnert beklagt, hat er selbst geschaffen. Die miese Diskussionskultur hat er sich selbst ins Haus geholt. Wem nämlich einer folgt, wessen Posts für ihn also sichtbar werden, entscheidet ja jeder für sich.” Das mag stimmen für die Accounts, denen man selbst folgt. Das Argument verkennt aber, dass Kühnerts eigene Tweets (wie die Tweets von allen anderen Twitter-Nutzern und -Nutzerinnen) von jedem retweetet, zitiert, kommentiert, verlinkt oder als Screenshot verbreitet werden können, sofern man nicht massenweise Accounts blockt. Das eigene Folgen ist also gar nicht notwendig, um wahrgenommen und diskutiert zu werden.

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4. Bestenfalls artiger Applaus
(taz.de, Steffen Grimberg)
Der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger organisiert seine Spitze neu: Der bisherige Präsident des Verbandes Mathias Döpfner gibt sein Amt ab. Das bisherige Präsidialsystem soll durch einen Vorstand aus hauptberuflichen und ehrenamtlichen Mitgliedern ersetzt werden. Für Döpfners Schlussrede und als Dank für seine sechs Präsidentenjahre habe es “bestenfalls artigen Applaus” gegeben, schreibt Steffen Grimberg.

5. Aussage des Twitter-Hinweisgebers kaum hilfreich für Musk
(br.de, Marcus Schuler)
Ex-Twitter-Sicherheitschef Peiter Zatko hat vor dem Justizausschuss des US-Kongresses ausgesagt und habe dabei kein gutes Haar an seinem ehemaligen Arbeitgeber gelassen, berichtet Marcus Schuler: “Die Führungskräfte bei Twitter hätten den Profit über Sicherheitsbedenken gestellt. So hätten sie die Infiltration des Unternehmens durch ausländische Geheimdienste ignoriert und die Aufsichtsbehörden über die Datenschutzpraktiken in die Irre geführt.” Außerdem habe das Unternehmen keinen Überblick darüber gehabt, welche Mitarbeitenden zu welchen Zeitpunkten auf Nutzer- oder Unternehmensdaten zugegriffen haben.

6. Vorab­in­for­ma­tionen gibt es nur für Jour­na­listen, nicht für die AfD
(lto.de)
Das Bundesverfassungsgericht macht bestimmten Journalistinnen und Journalisten bereits am Abend vor einer Entscheidung die entsprechende Pressemitteilung zugänglich. Dagegen wandte sich die AfD und verlangte in einem Hilfsantrag, ebenfalls vorab informiert zu werden. Die Partei blieb damit jedoch erfolglos und scheiterte schon an der Klagezulässigkeit.

“Bild” spielt arm gegen ganz arm aus

Das geplante Bürgergeld, das am morgigen Mittwoch vom Kabinett beschlossen und kommendes Jahr das bisherige Arbeitslosengeld II (auch Hartz IV genannt) ablösen soll, sei eine Demotivation für Geringverdiener, findet der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks. Unter anderem die Erhöhung von 53 Euro pro Monat beim Bürgergeld im Vergleich zum Hartz-IV-Satz mache es für Personen mit niedrigem Einkommen unattraktiver, weiterhin arbeiten zu gehen.

Die “Bild”-Redaktion sieht es ganz ähnlich wie der Handwerks-Präsident:

Screenshot Bild.de - Hartz-Irrsinn - Wer arbeitet, ist künftig der Dumme

“Bild”-Reporter Albert Link hat dafür auch eine passende Rechnung parat:

Rechenbeispiel: Beziehen in einer Familie (zwei Kinder zwischen 6 und 13) beide Partner Bürgergeld, dann summieren sich die Leistungen auf 902 Euro (zwei Erwachsene) plus 696 Euro für die Kinder – also 1598 Euro. Einem verheirateten Maler (gesetzlich versichert, kein Kirchen-Mitglied) mit zwei Kindern bleiben z. B. in Berlin von 2500 Euro Monatslohn im besten Fall 1967,12 Euro netto (Alleinverdiener, Berechnung: gehalt.de).

Doch weil er davon – anders als Bürgergeld-Bezieher – Miete und Heizkosten tragen muss, lohnt sich das Aufstehen für ihn NICHT mehr.

Bei der “Bild”-Rechnung fehlt allerdings was. Die Familie des Malers bekommt für jedes der zwei Kinder Kindergeld. Das sind aktuell 219 Euro pro Kind, zusammen also 438 Euro pro Monat. Diese Summe fehlt in Links Rechnung gänzlich. Die Familie mit dem Bürgergeld bekommt die 438 Euro theoretisch zwar auch, sie werden allerdings praktisch komplett als Einkommen bei den Leistungen für die Kinder angerechnet. Oder anders gesagt: Bei der Familie mit Bürgergeld gibt es das Kindergeld nicht obendrauf.

Allerdings fehlen in der “Bild”-Rechnung auch auf der Seite der Bürgergeld-Empfänger verschiedene Posten. So werden zumindest aktuell bei Hartz-IV-Berechtigten unter anderem die Kosten für die Kranken- und Pflegeversicherung übernommen (beim Maler sind die in der “Bild”-Rechnung mit drin), und es fällt der Rundfunkbeitrag weg. Dass bei Leistungsempfängern die Heizkosten immer in Gänze übernommen weden, ist wiederum nicht so eindeutig, wie “Bild” es wirken lässt. Es müsse sich dafür um einen “angemessenen” Verbauch handeln, so die Vorschrift.

Der Vergleich zwischen Bürgergeld-Beziehern und Familien mit geringem Einkommen ist also deutlich komplexer als von “Bild” dargestellt. Und sowieso pickt sich Albert Link einen speziellen Fall heraus: zwei Erwachsene, zwei Kinder, beim Bürgergeld beide Erwachsene als Bezieher, der Beispiel-Maler ist Alleinverdiener. Die zumindest theoretisch vorhandene Möglichkeit, dass auch die Ehefrau oder der Ehemann etwas dazuverdienen kann, kommt in der “Bild”-Rechnung nicht vor. Und auch gerade die zwei Kinder machen in dem Beispiel einen großen Unterschied. Für sie gibt es beim Bürgergeld zusätzliches Geld, bei Arbeitnehmern (neben dem Kindergeld, das “Bild” ja aber weglässt) hingegen nicht. Die Auswirkung wird deutlich, wenn man die Kinder sukzessive aus der Rechnung nimmt: Hätten die zwei Vergleichsfamilien jeweiles nur ein Kind, dann wäre der Unterschied nicht 1.598 Euro (Bürgergeld) zu 1.967 Euro (Maler), sondern 1.250 Euro zu 1.967 Euro. Wären die Erwachsenen kinderlos, läge der Unterschied bei 902 Euro zu 1.958 Euro (Veränderung durch den etwas höheren Beitrag für die Pflegeversicherung). Und würde es sich beim Bürgergeld-Bezieher und beim Maler um Singles handeln, betrüge der Unerschied 502 Euro zu 1.737 Euro (Veränderung durch die geänderte Lohnsteuerklasse).

Die “Bild”-Redaktion präsentiert ihrer Leserschaft aber nur das Beispiel der vierköpfigen Familie, erklärt das alles zum “HARTZ-IRRSINN” und stellt das geplante Bürgergeld zumindest implizit als zu hoch dar. Sie spielt einmal mehr arm gegen ganz arm aus. Dass es aber auch andersrum sein könnte, dass also nicht das Bürgergeld zu hoch ist, sondern viele Löhne viel zu niedrig sind, darauf wollen sie bei “Bild” offenbar nicht kommen.

Mit Dank an Michel T. für den Hinweis!

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Kurz korrigiert (538)

In ihrer Berichterstattung über das Attentat auf den Autor Salman Rushdie versucht die “Bild”-Redaktion, ihrer Leserschaft auch zu erklären, was eine Fatwa ist. In der gedruckten “Bild” erschien gestern extra ein Infokasten zum Thema:

Ausriss Bild-Zeitung - Fatwas auch gegen Frauen

Bei Bild.de ist dieselbe Erklärung im Artikel eingebaut. Im Print wie online steht unter anderem:

“Fatwas” sind zwingende Rechtsverordnungen, die in islamischen Ländern wie Gesetze gelten.

Der Journalist Yassin Musharbash bezeichnet diese Aussage bei Twitter als “eindeutig zu grobkörnig”, und wir würden ergänzen: Sie ist in ihrer versuchten Allgemeingültigkeit schlicht falsch.

Die Konrad-Adenauer-Stiftung etwa schreibt zu Fatwas:

Eine fatwa ist ein Rechtsgutachten eines islamischen Rechtsgelehrten, das in Bezug auf ein bestimmtes Problem ein nicht bindendes Gutachten auf Grundlage der Quellen der Scharia darstellt.

Und auch die Bundeszentrale für politische Bildung schreibt in ihrem “Kleinen Islam-Lexikon”:

Fatwa, arabisch für Rechtsgutachten, in dem der Mufti ein bestimmtes Problem unter Berücksichtigung des islamischen Rechts beantwortet. Das Gewicht eines derartigen Gutachtens beruht grundsätzlich auf der persönlichen Autorität seines Ausstellers. Die vertretene Rechtsauffassung ist deshalb im Unterschied zu einem Gerichtsurteil nur für denjenigen bindend, der diese Autorität anerkennt.

Im sunnitischen Islam ist es beispielsweise möglich, dass jemand eine Fatwa einholt und, sollte er damit nicht zufrieden sein, den nächsten Mufti konsultiert. Die Unterscheidung zwischen der Bedeutung von Fatwas im sunnitischem beziehungsweise im schiitischem Islam fehlt bei “Bild” gänzlich. Sie ist auch keine Marginalie. Es gibt mehrere Länder, in denen der sunnitische Islam Staatsreligion ist; außerdem gehören die in Deutschland lebenden Muslime mehrheitlich dem sunnitischen Islam an.

Es gibt Fatwas zum Thema Beten, Fatwas zum Fasten, Fatwas zum Rauchen, Fatwas zu ganz alltäglichen Fragestellungen, aber eben auch Tötungsaufrufe wie im Fall von Salman Rushdie. Dazu schreibt die Bundeszentrale für politische Bildung:

Der Tötungsaufruf gegen den Schriftsteller Salman Rushdie wurde vom damaligen Ayatollah Khomeini in Form einer Fatwa erlassen. Die große Beachtung, die dieser Aufruf fand, rührte daher, dass Khomeini zu Lebzeiten eine hohe Stellung im schiitischen Islam einnahm.

Das kommt durch die Autorität Khomeinis im Iran sicherlich schon an eine gesetzesähnliche Bedeutung heran. Aber das gilt eben nicht, wie “Bild” es darstellt, für alle Fatwas überall. So kann es verschiedene Fatwas zur selben Frage geben, die sich inhaltlich widersprechen. Wären diese dann “zwingende Rechtsverordnungen, die in islamischen Ländern wie Gesetze gelten”, wäre das bei der praktischen Umsetzung ausgesprochen schwierig.

Gesehen bei @abususu.

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Schlesinger-Affäre und kein Ende, Problem TikTok, Fußball-Euphorie

1. Beispielhafte Aufarbeitung
(taz.de, Erik Peter)
Erik Peter lobt die Arbeit der rbb-“Abendschau”, die den Themenkomplex rund um die Causa Schlesinger beispielhaft aufarbeite und dabei nicht davor zurückschrecke, den eigenen Programmdirektor oder Mitglieder des Aufsichtsrats zu “grillen”. Tragisch sei, dass ausgerechnet diese rbb-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter die Folgen des Skandals spüren würden: “Sie werden angefeindet, verächtlich gemacht und immer öfter auch körperlich angegriffen. Dabei machen sie nur ihren Job. Zurzeit einen exzellenten.”
Weitere Lesetipps: Beim “Spiegel” spricht “Abendschau”-Moderatorin Sarah Oswald über die Rolle der Autorinnen und Autoren im Rechercheprozess sowie ihre eigene Herangehensweise beim Interview mit dem Programmdirektor: “Mir war aber klar, dass ich mit der gleichen Haltung rangehen muss wie bei einem Politiker.” Beim “Tagesspiegel” berichtet Markus Ehrenberg, was die Personalvertretungen des rbb fordern.” Bei “Kress” kann man von einer Personalversammlung lesen, bei der es anscheinend hoch her ging. Dagmar Bednarek vom ver.di-Senderverband wird dort mit den Worten zitiert: “Ich habe selten ein Forum erlebt, das so wütend, erschüttert, bestürzt, sauer, fassungslos war wie heute” (kress.de, Marc Bartl).
Derweil tauchen neue Vorwürfe gegen die ehemalige rbb-Intendantin Patricia Schlesinger auf. Der “Spiegel” fragt: “Welchen dienstlichen Anlass hatte eine dreitägige Reise zu einem glamourösen britischen Charity-Event?” Währenddessen werde im Hintergrund darüber gestritten, ob Schlesinger die von ihr ins Spiel gebrachte Abfindung zustehe.

2. Warum TikTok so interessant ist – und trotzdem ein Problem
(spiegel.de, Sascha Lobo)
“Zwischen spektakulärer, generationenprägender Qualität der Inhalte und radikal-dystopischem, weltweitem Überwachungsinstrument – in keiner digitalen Anwendung lagen gleißendes Licht und gefährlicher Schatten bisher so nah beieinander wie bei TikTok”, schreibt Sascha Lobo in seiner jüngsten “Spiegel”-Kolumne. Deshalb wünsche er sich Konkurrenz für TikTok, womöglich von einem der bisherigen Social-Media-Anbieter: “Denn bei allen Schwierigkeiten von Facebook, Instagram, YouTube, LinkedIn, Snapchat und den sozialen Medien insgesamt, sie scheinen in liberalen Demokratien mittelfristig bewältigbar.”
Weiterer Lesehinweis: TikTok-Moderator:innen sollen mit Aufnahmen sexualisierter Gewalt geschult worden sein: “Content-Moderator:innen prüfen im Auftrag von TikTok verbotene Uploads. Wie ein US-Magazin berichtet, sollten sie dafür ein Dokument mit Hunderten Aufnahmen sexualisierter Gewalt gegen Kinder zurate ziehen. Die betroffenen Unternehmen bestreiten das.” (netzpolitik.org, Thomas Seifert)

3. UN in “ernster Sorge”
(faz.net, Elena Witzeck)
Wie Elena Witzeck berichtet, leiden persische BBC-Mitarbeiter im Iran unter diversen Schikanen, Anfeindungen und Attacken. Der Sender habe sich daraufhin mit einem dringenden Ge­such an die Vereinten Nationen ge­wendet und um Hilfe gebeten. In einer Reaktion des Irans werden die Vorwürfe abgestritten und Gegenvorwürfe erhoben. Die BBC-Journalisten würden angeblich auf den Umsturz des Staates hinwirken: “BBC Persian habe Irans nationale Sicherheit zu seiner Zielscheibe gemacht, einen Me­dienkrieg entfacht und vielfach Meinungen beeinflusst, etwa mit der Unterstellung, die Regierung sei un­fähig, die Probleme der Menschen zu lösen. Diese bereits mehr als ein Jahrzehnt andauernde ‘feindliche Ak­tivität’ verunglimpfe die Obrigkeit und sei darauf angelegt, den geistigen Frieden der Gesellschaft zu stören.”

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4. Frauenfußball-Euphorie: Ist das der Durchbruch im Fernsehen?
(dwdl.de, Alexander Krei)
Alexander Krei fragt sich, ob die vergangene Fußball-Europameisterschaft der Frauen und die damit verbundene mediale Aufmerksamkeit für den endgültigen medialen Durchbruch gesorgt haben. Das Finale zwischen England und Deutschland sei zwar in der Spitze von mehr als 20 Millionen Menschen in Deutschland gesehen worden, Krei bleibt dennoch skeptisch: “Allerdings steht die berechtigte Frage im Raum, ob der Erfolg auch nachhaltig sein wird, schließlich hat es auch in der Vergangenheit immer mal wieder einen Hype um Frauenfußball gegeben.”
Weitere Lesehinweise: Im Deutschlandfunk beschäftigt sich Kolumnist Matthias Dell mit der “Onkeligkeit in der Sportberichterstattung” (Audio: 3:48 Minuten), und bei der “FAZ” ist man “irritiert” über Fredi Bobic, Geschäftsführer bei Hertha BSC. Bobic rate zu stärkeren Investitionen in den Fußball der Frauen durch ARD und ZDF und bezeichne die Sender als “teilweise Zwangs-Pay-TV”.

5. Podcasts, die (Abteilungs-)Grenzen durchbrechen – mit David Krause, Head of Podcast der dpa
(omrmedia.podigee.io, Vincent Kittmann, Audio: 28:34 Minuten)
David Krause ist “Head of Podcast” bei der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Im “OMR”-Media-Podcast geht es um Krauses Anfänge in der Audiowelt, seine Zeit beim Radio und seine aktuelle Rolle als Podcast-Stratege der dpa. Außerdem spricht er darüber, welches Wunschformat er gerne mal umsetzen würde, und wie es mit der Podcast-Branche generell weitergehen werde.

6. Zusammenlegen zum Geburtstag
(netzpolitik.org)
netzpolitik.org wird 18 Jahre alt, und das ist natürlich – auch für uns! – ein Grund, recht herzlich zu gratulieren. Doch die Freude bei den mittlerweile 18 festangestellten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ist getrübt: Die Leserschaft wachse zwar unaufhaltsam, aber wegen Pandemie, Inflation und Energiekrise würden viele Unterstützerinnen und Unterstützer ihre Spenden reduzieren oder gar einstellen. Für dieses Jahr würden noch etwa 700.000 Euro für das anvisierte Ziel fehlen.

Untauglicher Schutz, Weg von Sendeplätzen, Verkaufte Globes

1. Untaugliche Pläne für Whistleblower-Schutz
(verdi.de, Daniel Moßbrucker)
Daniel Moßbrucker erläutert kenntnis- und detailreich, warum der neue Gesetzentwurf zum Umgang mit Whistleblowern aus seiner Sicht enttäuschend ist. Sein bitteres Fazit: “Die letzten Hoffnungen, doch noch eine bessere gesetzliche Regelung für Whistleblower zu schaffen, ruht nun auf den Bundestagsfraktionen, die den Beschluss der Bundesregierung hoffentlich ausgiebig diskutieren werden.”
Weitere Lesehinweise: Der bereits gestern in den “6 vor 9” verlinkte Beitrag “Entwurf lässt Hinweisgebende im Stich” (netzpolitik.org, Tomas Rudl) sowie die Stellungnahme des Deutschen Journalisten-Verbands.

2. “Wir müssen weg von Sendeplätzen denken”
(journalist.de, Catalina Schröder)
Florian Hager ist seit Anfang März Intendant des Hessischen Rundfunks. Im “journalist”-Interview erläutert Hager, der zuvor das öffentlich-rechtliche Jugendangebot “Funk” mitaufgebaut hat, seine Pläne für die Umstrukturierung des Senders. Das betrifft immerhin etwa 1.700 Festangestellte und mehr als 900 freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zum Schluss geht es noch um die Frage, was Hager aus seinem früheren Job als Kneipenwirt in Portugal für seine heutige Position mitnehmen konnte.

3. “The Atlantic” wird 165
(deutschlandfunk.de, Brigitte Baetz, Audio: 6:11 Minuten)
Brigitte Baetz blickt im Deutschlandfunk auf die 165-jährige Geschichte des Magazins “The Atlantic” zurück, eine der wichtigsten Publikationen in den USA. Die Existenz des Magazins sei in den vergangenen Jahren immer wieder gefährdet gewesen. Als rettend hätte sich das sogenannten metered model erwiesen, bei dem die Nutzerinnen und Nutzer kostenlosen Zugriff auf eine bestimmte Anzahl eigentlich kostenpflichtiger Inhalte haben, aber auch die verstärkte Aufmerksamkeit während der Trump-Jahre.

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4. Neue Galgenfrist für den Werbe-Cookie
(spiegel.de)
Im Markt für Onlinewerbung gibt es heftiges Gerangel um die Existenz der Werbe-Cookies. Verschiedene Player mit unterschiedlichen Interessen versuchen, alternative Modelle durchzusetzen. Das gestalte sich jedoch auch für einen Internet-Giganten wie Google schwierig. Dort habe man den geplanten Umbau der Onlinewerbung von 2023 auf das Jahr 2024 verschoben.

5. “Es lohnt sich, in Geschichten zu investieren”
(blog.medientage.de, Cathrin Hegner)
Als Betreiberin eines Marktforschungsunternehmens beschäftigt sich Ines Imdahl unter anderem mit den Motiven für die Mediennutzung und mit Werbewahrnehmung. Im Interview mit dem Blog der Medientage München wird klar, wie schnell im Videozeitlalter eine “emotionale Reaktion” hergestellt werden müsse: “Ein Tutorial auf YouTube anzuschauen, kann heute schon als intensive Auseinandersetzung mit einem Thema gelten. Die Onlinevideos werden immer kürzer. Bei Instagram findet man noch einminütige Reels, bei TikTok sind die Top-viralen Videos gerade mal sieben Sekunden lang.” Was davon beim jungen Zielpublikum hängen bleibt, scheint jedoch eine andere Frage zu sein: “Wenn wir heute Probanden eine halbe Stunde TikTok oder Instagram gucken lassen, können sie sich hinterher an kaum etwas erinnern, unabhängig davon, ob es um Werbung oder andere Inhalte geht.”

6. Gehalt statt Geschenke
(sueddeutsche.de, Jürgen Schmieder)
Die Hollywood Foreign Press Association (HFPA) verkauft die Rechte an den Golden Globes an einen Milliardär. Jürgen Schmieder erklärt, mit wem man es auf Seiten des Verkäufers zu tun hat: “Die HFPA, die seit 1944 die Golden Globes vergibt und damit ihre Relevanz festigt, ist eine Vereinigung, deren Mitglieder sich bis an die Grenze der Bestechlichkeit (vielleicht auch darüber hinaus) einladen und beschenken lassen, journalistische Standards für eher nervig halten und offenbar kein Problem damit haben, dass keines der damals 87 Mitglieder schwarz ist.”

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