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Springer übernimmt ProSiebenSat.1

Axel Springer (“Bild”, “Die Welt”, “Hörzu” …) übernimmt ProSiebenSat.1 (Pro Sieben, Sat.1, Kabel 1, N24, Neun Live …). Bis zum Herbst will Springer 100 Prozent der Fernsehfamilie besitzen und mittelfristig beide Unternehmen miteinander verschmelzen. Was das für die “Bild”-Zeitung und ihre “unabhängige” Berichterstattung bedeutet, kann man erahnen. Und natürlich demnächst hier nachlesen.

Mehr in der “Financial Times” und bei “Spiegel Online”, erste Reaktionen bei tagesschau.de.

Nachtrag, 12.47 Uhr: Auf einer Pressekonferenz sagte ProSiebenSat.1-Chef Guillaume de Posch zu Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner, er werde in Zukunft nicht nur “Bild” und “Welt” lesen, sondern auch die Fernsehprogramme sehen müssen. Und wörtlich: “Ich kann dir versichern, die Frauen sehen auf unseren Sendern genau so gut aus wie in der ‘Bild’-Zeitung.”

Nachtrag, 18.45 Uhr: Die “Süddeutsche Zeitung” kommentiert die Fusion so:

Harmlos, unpolitisch ist [Springer] freilich nicht — und will es auch nicht sein. Man hat gern Einfluss, man hat auch gern Medienmacht, um Dinge zu bewegen. (…) Hier wächst zusammen, was nicht zusammengehört, wenn die Meinungsvielfalt erhalten bleiben soll.

Völlig bekloppt

Schuld ist eigentlich Carola Frentzen. Die Rom-Korrespondentin der Deutschen Presseagentur (dpa) hatte nämlich zum 24. Juli eine launige Sommerloch-Meldung über “Gutes Benehmen in Badehose und Bikini” an Italiens Stränden geschrieben: Frentzen hatte “eine Art ‘Knigge’ für die Badegäste” aufgetan, in dem von der italienischen Badeanstaltenvereinigung S.I.B. “zehn Strandgebote” oder “Verhaltensregeln” bzw. “Regeln des Anstands” formliert worden waren. Die dpa-Frau hatte außerdem noch mit einem Benimm-Experten gesprochen. Und sie hatte nicht mit “Bild” gerechnet.

Denn in “Bild” sah die Sache drei Tage später so aus:

Von einem “Busen-Verbot”, einem “Bier-Verbot” und einem “Bolz-Verbot” war da plötzlich die Rede und anderen Sachen, die angeblich “verboten” oder “nicht erlaubt” seien.

Gestimmt hat das alles nicht. Zum einen handelt es sich bei dem Regelkatalog der S.I.B. um simple “suggerimenti” (Vorschläge), wie auch der S.I.B.-Präsident Riccardo Borgo in einer unmittelbaren Reaktion auf die “Bild”-Veröffentlichung mitteilte (und auch die italienische Zeitung “Corriere della Sera” berichtet). “Wir haben niemandem etwas verboten”, sagte Borgo hier wie dort. Außerdem sei “von keiner Seite her das Verbot ergangen, Bier zu trinken oder sich oben ohne aufzuhalten.”

Statt jedoch die eigene Falschmeldung zu korrigieren, entschied man sich bei “Bild” für einen anderen Weg: “Bild” ignorierte die (durch sie selbst notwendig gewordene) Richtigstellung, ließ lieber ihren Vatikan-Experten Andreas Englisch aus Rimini nochmals und nochmals über die “lange Verbotsliste” schreiben — und nutzte die Gelegenheit, schnell noch die eine oder andere barbusige Frau zu zeigen…

Mit großem Dank an Salvatore B. sowie Patrick K., Robert G., Johannes H. und Roberto C. für den Hinweis und die spontanen Übersetzungshilfen!

Scheiß Details!

Als die “Bild”-Klatschkolumnistin Christiane Hoffmann letzten Samstag für ihre “Ich weiß es!”-Kolumne mal wieder ein paar Paparazzi-Fotos betexten musste, war die Sache klar. Hoffmann schrieb:

“Wir sehen unseren Tennis-Helden Boris Becker (37) privat im Mallorca-Urlaub.”

Und auf die Frage, “wer (…) denn diese junge Frau an seiner Seite” sei, hatte Hoffmann sogar lauter Antworten parat, wusste nicht nur, dass “das Mallorca-Mädchen” eine “grazile Schönheit” sei, sondern auch, wo sie geboren wurde, welche vier Sprachen sie spricht und wie oder wann sie mit was für einem Autotyp welcher Farbe mit Becker auf Malle rumfuhr. Und dann wusste es Hoffmann noch genauer:

“Sie heißt Elena, kommt aus Berlin und ist gerade mal 17 Jahre jung.”

Das war, wie gesagt, am letzten Samstag. Am Montag hatte “Bild” die Berliner Wohnung der “hübschen Mallorca-Bekanntschaft” ausfindig gemacht und ihr Klingelschild fotografiert. Außerdem hieß es:

“Das Mädchen ist süße 17.”

Und am gestrigen Dienstag hatte “Bild” dann zwar nichts Neues zu berichten, berichtete aber trotzdem über “Elena L. (17)”.

Und heute? Heute, nachdem die Zeitschrift “Gala” exklusiv und gut informiert Beckers Trennung vermelden konnte, ist “die schöne Elena” auf der “Bild”-Titelseite plötzlich:

“(23)”

“Bild” entdeckt den idealen Urlaubsort

Astronomen der Nasa haben in knapp 150 Lichtjahren Entfernung erstaunlicherweise einen Planeten in einem System aus drei Sonnen entdeckt, aber eines der größten Rätsel des Universums ist immer noch ungelöst: Warum es der größten deutschen Tageszeitung nicht gelingen will, Artikel über astronomische Themen zu veröffentlichen, die auch nur grob annähernd den Tatsachen entsprechen.

Es wäre eigentlich nicht so schwer. Denn eigentlich sagt die Nasa zu dem Bild aus dem Sonnensystem “HD 188753”, das sie verbreitet, alles, was man wissen muss: Dass es sich um die Illustration eines Künstlers handelt, zum Beispiel. Und dass die Landschaft, die das Bild zeigt, die eines hypothetischen Mondes ist, der um den neu entdeckten Planeten kreist. Der Planet selbst ist die rosafarbene Kugel links oben, es handelt sich um einen Gasriesen.

So schön strahlt der 3-Sonnen-PlanetMan hätte das alles nur lesen und abschreiben müssen. “Bild” aber nennt die Illustration ein “Foto”. “Bild” verwechselt den hypothetischen Mond mit dem Gasriesen selbst und tut so, als sei dessen Felswüste die attraktive Oberfläche des Planeten. “Bild” verwechselt den Namen des Planeten mit dem des Sonnensystems. (Und am Zeitdruck kann es nicht gelegen haben: Die Nachrichtenagentur dpa berichtete — schön auf deutsch — schon am 13. Juli; bei Spiegel Online steht die Geschichte auch schon seit zehn Tagen.)

Und dann strickt “Bild”-Redakteur Attila Albert noch eine lange, fantastische Geschichte darüber, wie es wäre, auf diesem Planeten zu leben:

Es wäre der ideale Urlaubsort. (…)

Am Strand müßte sich keiner ärgern, daß eine Seite verbrannt und die andere blaß ist. Die drei Sonnen bräunen Sie ganz gleichmäßig, besser als im Solarium. (…)

Wer Blumen züchtet, müßte sich nicht mehr über krumme Stiele ärgern. (…)

Nie schlechtes Wetter! Bei drei Sonnen ist es auf dem neuentdeckten Planeten jeden Tag hell und warm.

“Warm” ist ein interessanter Begriff in diesem Zusammenhang. Die Temperaturen auf dem Planeten werden auf rund 1000 Grad Celsius geschätzt.

“Bild” streut Aids-Gerüchte

Wir schreiben das Jahr 2005. Vor 22 Jahren wurde das menschliche Immunschwäche-Virus (HIV) entdeckt. Und Deutschlands größte Tageszeitung hat immer noch nicht verstanden, dass es einen Unterschied zwischen HIV und Aids gibt.

Vor einem guten halben Jahr schaffte Bild.de es, aus einem Statement von Erasure-Sänger Andy Bell, HIV-infiziert zu sein, aber nicht Aids zu haben, die Überschrift zu machen: “Andy Bell: Ich habe AIDS”.

Und natürlich hat “Bild” aus diesem Fehler nicht gelernt. Heute lautet eine Überschrift:

Angelina Jolie — Aids-Gerüchte um ihr Baby

Tatsächlich kann es sich bei dem “Gerücht”, das das Blatt unbekümmert kolportiert, nur um die Vermutung handeln, das Kind sei HIV-positiv. So steht es dann auch im Artikel.

Als Quelle für das angebliche Gerücht gibt “Bild” die britische Boulevardzeitung “Daily Mirror” an, die laut “Bild” berichtet haben soll: “Sie hat AIDS”. In einem Artikel vom Montag dieser Woche findet sich tatsächlich diese Behauptung, allerdings verdächtig beiläufig:

It emerged that Ethiopian-born Zahara, who has Aids, spent a week in a New York hospital.

Der “Mirror”-Artikel enthält also nicht einmal die Andeutung einer Quelle für seine weitreichende Behauptung. Es spricht einiges dafür, dass sie nicht stimmt, sondern auf einer Verwechslung beruht: Die Eltern des Kindes sollen an Aids gestorben sein. Mit Datum von heute findet sich ein Artikel auf der Internetseite des “Mirror”, in dem von einer Aids-Erkrankung oder HIV-Infektion des Kindes nicht mehr die Rede ist. Darin wird das Mädchen zwar als “Aids tot” (Aids-Kleinkind) und “Aids orphan” (Aids-Waise) bezeichnet. Gemeint ist damit allerdings, dass es sich um ein Kind von Eltern handelt, die an Aids gestorben sind.

Danke an René H. Außerdem an Andreas W. und Stefan B. für den Original-Artikel, auf dem die “Bild”-Berichterstattung offensichtlich beruht, und der in der ersten Version dieses Eintrages fehlte.

Woran Harald Schmidt nicht dachte

In der vergangenen Woche erschien in der “Weltwoche” ein Interview mit Harald Schmidt. Darin finden sich u.a. folgende Passagen:

Wenn Sie Hemingway kopieren, müssen Sie sich auch umbringen.
Alles klar. Aber das kommt für mich nicht in Frage. Ich will niemandem zu nahe treten, der sich umgebracht hat. Aber Selbstmord finde ich uncool. (…)

Hatten Sie noch nie Selbstmordgedanken?
Doch, natürlich habe auch ich schon an Selbstmord gedacht.

In jüngeren Jahren?
Immer mal wieder, so nach dem Motto von Nestroy: Wenn alle Stricke reissen, häng ich mich auf. Aber an die praktische Umsetzung habe ich nie gedacht. Ehrlich gesagt, käme ich mir dabei auch etwas lächerlich vor.

In einer “Bild”-Meldung liest sich das heute so:

Harald Schmidt dachte an Selbstmord

(…) In dem Interview bekannte er auch, schon an Selbstmord gedacht zu haben. Schmidt: “Wenn alle Stricke reißen, hänge ich mich auf.”

Mehr steht dazu nicht in “Bild”.

Danke an Felix F. für den Hinweis!

Nachverurteilung

Vor einigen Monaten starb ein vierjähriges Mädchen an einer Überdosis Kochsalz. Anschließend wurde gegen die Stiefmutter des Mädchens ermittelt.

Und dass Bild.de bei der Überdosis Kochsalz von einer Natriumvergiftung” spricht, obwohl es doch eine Natriumchloridvergiftung gewesen sein dürfte*, kann man Bild.de nicht unbedingt anlasten. Das schreiben unter Berufung auf die Nachrichtenagentur AP leider auch Stern.de und Spiegel Online.

Und wie Stern.de und Spiegel Online berichtet auch Bild.de über das heute verkündete Urteil. Bei Stern.de etwa heißt es:

“Das Schwurgericht des Landgerichts Frankenthal schloss in der Urteilsbegründung einen Mord aus und verurteilte die junge Frau lediglich wegen vorsätzlicher Körperverletzung.”

Spiegel Online schreibt:

“In der Urteilsbegründung schloss die Schwurkammer einen Mord aus und verurteilte die junge Frau lediglich wegen vorsätzlicher Körperverletzung.”

Und auch Bild.de formuliert sachgemäß:

“Das Landgericht Frankenthal schloß einen Mord aus, verurteilte die Stiefmutter lediglich wegen vorsätzlicher Körperverletzung.”

Hat sie Angelina umgebracht, weil sie nicht ihr Kind war?Mit anderen Worten: Bei “Bild” hatte man bereits im Vorfeld mit vorverurteilenden Formulierungen und Spekulationen (siehe Ausriss) nicht gegeizt: “Unfaßbar, trotz der Ermittlungen sind Angelinas Vater und die Stiefmutter zehn Monate nach dem Tod der Tochter noch immer auf freiem Fuß!” hieß es da u.a.

Laut Stern.de und Spiegel Online allerdings hatten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die leiblichen Eltern (als Nebenkläger) die Mordanklage fallenlassen. Stern.de und Spiegel Online zitieren zudem aus der Urteilsbegründung, in der es u.a. hieß, “die Angeklagte sei nicht die ‘böse Stiefmutter’ gewesen. Sie habe sich um die Tochter ihres 31-jährigen Lebensgefährten gekümmert und das Mädchen geliebt. Für einen Mord gebe es kein Motiv: (…) sowohl ein Totschlag als auch eine Körperverletzung mit Todesfolge kämen juristisch nicht in Betracht”.

Und Bild.de?

Bild.de nennt die wegen vorsätzlicher Körperverletzung verurteilte Stiefmutter in der zur Meldung gehörigen URL ungerührt:

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