Jetzt müssen wir doch tatsächlich abermals auf diese “Bild”-Geschichte zurückkommen, wonach ein Erfinder angeblich “aus Katzen Benzin” machen könne, obwohl seine Erfindung doch eigentlich aus Müll Diesel macht. Denn wie das NDR-Medienmagazin “Zapp” gestern berichtete, hatte “Bild” sich die Grusel-Story nicht etwa erst am 13. und 14. September für ihre Bundesausgabe ausgedacht, sondern bereits fünf Tage früher für die Leipziger Regionalausgabe. Und nicht nur das.
Der Artikel in “Bild”-Leipzig widerlegt nämlich die Behauptung eines “Bild”-Sprechers, die Berichterstattung habe doch nur zeigen sollen, dass Katzen-Kadaver “theoretisch” zur Treibstoffgewinnung benutzt werden könnten. Denn unter der Überschrift “Aus toten Katzen mache ich Benzin”(siehe Screenshot) hieß es dort ausdrücklich:
“Tüftler-Sachse kocht Kadaver aus, um dann mit dem Gebräu zu fahren.”
Und weiter im Text:
“In einem Kuhstall in Kleinhartmannsdorf kocht er tote Katzen aus.”
Wie “Bild” auf solche Behauptungen kommt, ist unklar. “Zapp” wurde offenbar jedes Interview verweigert, doch der Erfinder sagte dem Magazin:
“Der Redakteur war nie auf unserem Hof. Ich weiß nur von einem ganz kurzen Telefongespräch.”
Wirklich verwunderlich aber wird die ganze Angelegenheit dadurch, dass es “Bild” selbst bewiesenermaßen besser weiß. Schließlich hatte einer der beiden “Bild”-Autoren, die sich die Sache mit der “Katzen-Kraft” zusammenfantasierten, in der Chemnitz-Ausgabe schon früher einmal über den Erfinder berichtet — und zwar so:
Eine Wiederholung von “Zapp” läuft am 23.9. um 15 Uhr auf 3sat.
Nachtrag, 28.9.2005:
Dem “Bild”-Ableger “Auto-Bild” gelingt es in seiner aktuellen Ausgabe übrigens, die Diesel-aus-Müll-Erfindung auf einer Doppelseite und auf dem Cover korrekt (und ganz ohne Katzen) wiederzugeben.
Die “Süddeutsche Zeitung” berichtet heute von einem angeblichen Plan der SPD, die Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU im Bundestag zu untersagen. Dann würde die SPD die größte Fraktion stellen. Und könnte daraus, unter anderem, das Recht ableiten, den nächsten Bundestagspräsidenten zu bestimmen…
…keineswegs aber den Bundespräsidenten, wie “Bild” heute unter Bezug auf die “Süddeutsche” schreibt.
Danke an Stephan L., Tommy S. und Jan I. für die Hinweise!
Nachtrag, 21 Uhr: Irgendwann im Laufe des Nachmittags hat der Demokratie-Beauftragte von Bild.de seinen Dienst angetreten und die Meldung korrigiert.
Um mal etwas Positives zu sagen: Diese Geschichte auf der heutigen Seite 1 von “Bild” ist nicht ganz so unsinnig, wie man denken könnte. Natürlich müsste man den Ausruf “Forscher sicher!” ersetzen durch: “Einzelne Forscher vermuten!”, und natürlich sind die Thesen des Princetoner Professors mit dem schönen Namen Richard Gott bestenfalls faszinierende Gedankenspiele und nicht konkrete Erwartungen. Aber richtig ist, dass der Forscher glaubt, es sei theoretisch möglich, Zeitreisen zu unternehmen, und Wurmlöcher könnten dabei als eine Art Abkürzung zwischen zeitlich oder räumlich weit entfernten Punkten dienen.
“Bild” hat offenbar diesen Artikel in “National Geographic” gelesen, daraus gleich ein Zitat von Professor Gott abgeschrieben und die Illustration übernommen (natürlich ohne den ursprünglichen Hinweis, dass es sich nicht um ein “Foto” handelt, sondern um die Fantasie eines Künstlers).
Alles wäre nur ein bisschen übertrieben und abwegig und ungenau gewesen — wenn man sich bei “Bild” nicht dazu entschieden hätte, die theoretischen Gedankenspiele mit ein bisschen Anschauung aufzupeppen. Und so beginnt der Artikel mit der Frage:
Können wir doch eines Tages in die Vergangenheit blicken und beobachten, wie vor 65 Millionen Jahren die Dinos ausstarben?
Und er endet mit der Antwort:
Wir bräuchten vielleicht nur Minuten, um 65 Millionen Lichtjahre im Wurmloch zurückzureisen und das Ende der Dinosaurier zu erleben.
Mal abgesehen davon, dass es nicht einen Moment gab, in dem es Poff machte und die Dinosaurier plötzlich alle tot waren. Und mal abgesehen davon, dass “Bild” am Ende Lichtjahre (eine Entfernungseinheit) mit Jahren (einer Zeiteinheit) verwechselt. Wenn, sagen wir, in 100 Jahren eine Maschine erfunden würde, mit der die Menschen in die Vergangenheit reisen können, warum wimmelt es dann bei uns nicht von Menschen, die diese 100 Jahre zurück gereist sind? Weil sie alle unsere Gegenwart so langweilig fanden und stattdessen gerade schlangestehen vor den Dinosaurieren?
Richard Gott (der ohnehin Reisen in die Vergangenheit für weit unwahrscheinlicher hält als solche in die Zukunft) hat auf diese Frage eine Antwort:
Man kann nicht in eine Zeit reisen, in der noch keine Zeitmaschinen gebaut worden waren. Man kann keine Zeitmaschine benutzen, bevor sie existiert.
Und deshalb ist die ganze Dinosauriergeschichte in “Bild” leider doch endgültig: Unsinn.
Mit der korrekten Zuordnung von Automodellen tut man sich bei Bild.de bekanntlich etwas schwer. Das entschuldigt zwar nicht die Schlampigkeit, mit der dort Fotos betextet werden, überrascht ist man aber auch nicht, wenn in einer Fotogalerie zur IAA ein Fenomenon Stratos fälschlich als Lamborghini bezeichnet wird.
Bei einem etwas genaueren Blick auf das zu betextende Foto (s. Ausriss) hätte allerdings auch einem absoluten Auto-Laien auffallen müssen, dass es sich bei dem abgebildeten Fahrzeug keinesfalls um eines “in Polizei-Optik”, wie Bild.de schreibt, handeln kann. Oder wer hätte schon jemals davon gehört, dass Polizei-Fahrzeuge von der Fluglinie Alitaliagesponsert werden?
Hunde sind etwas ganz Wunderbares: Sie kotzen auf den Teppich, müssen ständig raus, haaren das Auto voll, verkratzen das Parkett, knabbern am Sofa, neigen zum Sabbern oder haben Herzfehler – und wenn sie eines Tages sterben, ist das sehr, sehr traurig. Außerdem kosten sie Geld: Futter, Hundehaftpflicht, Tollwutimpfung, Bahn- und U-Bahn-Karten, Quietschetierchen, Leckerli… Glücklich ist, wer einen Hund im bayerischen Windorf hat, denn offenbar gibt’s da wenigstens keine Hundesteuer. Im 180 Kilometer entfernten München hingegen sind’s jährlich 76,80 Euro, 100 Kilometer weiter, in Klais, angeblich sogar 1.200 Euro usw.
Gut 500 Kilometer von der Hundesteueroase Windorf liegt Löbau, wo der Stadtrat am 12. Mai 2005 eine neue Hundesteuersatzung beschlossen hat, wonach ein Hund nun beispielsweise 18 Euro weniger als in Berlin, 54 Euro weniger als in Köln kostet (ja, selbst bei mehreren Hunden mindestens 54 Euro weniger als z.B. in Villingen-Schwenningen). Und am 19. September 2005 fand sich deshalb in “Bild” folgende, mit “vier süßen Welpen” illustrierte, Geschichte:
Mit anderen Worten: “Bild” wollte sich offenbar über die Hundesteuererhöung in Löbau echauffieren und hatte zur Veranschaulichung den Löbauer Bernd Engelmann aufgetan, dessen Riesenschnauzerhündin Maxi im Juli eben jene “vier süßen Welpen” (siehe Ausriss) bekommen hatte, woraufhin “Bild” textete:
“Die Welpen sind erst neun Wochen alt. Aber ihr Besitzer muß sie wohl einschläfern, weil er die teure Hundesteuer nicht bezahlen kann.”
Wiederholt taucht das “einschläfern müssen” in der kurzen “Bild”-Meldung auf. Und das ist nicht nur falsch (weil Engelmanns “süße Welpen” noch gar nicht hundesteuerpflichtig sind und gemäß Hundesteuersatzung erst ab November angemeldet werden müssten), sondern auch grob irreführend: Denn von “einschläfern müssen” kann keine Rede sein – im Gegenteil: Laut Tierschutzgesetz ist das Töten von Wirbeltieren “ohne vernünftigen Grund” verboten und wird mit Freiheits- oder Geldstrafe bestraft. Eine vielleicht nicht unwesentliche Information, die “Bild” jedoch ebenso verschweigt wie die weitaus naheliegendere Möglichkeit, die Welpen einfach zu verkaufen oder zu verschenken.
Mit Dank an Kinga K. und Jana für den Hinweis, danke auch an Ella und Nappo für die Inspiration.
Danke an Neil G. für den sachdienlichen Hinweis und die Links!
Nachtrag, 16. September, 18 Uhr: Der Wal-Beauftragte von Bild.de hat inzwischen den Buckel des Wals entfernt.
Nachtrag, 16. September, 20 Uhr: Auf den Wal-Beauftragten von Bild.de ist auch kein Verlass. In der Fotogalerie ist der Südkaper immer noch ein Buckelwal.
Danke auch an Ötzgür D. und Bernhard G. für die Nachverfolgung!
Am Samstag gegen Eintracht Frankfurt hat sich der Hannover-96-Spieler Chavdar Yankov eine Verletzung zugezogen, die die Fantasie der “Bild”-Zeitung anregt wie selten eine Verletzung bevor: Die Haut an seinem Penis war eingerissen und musste mit mehreren Stichen genäht werden.
Seitdem beschäftigt sich “Bild” fast täglich mit dem “blutigen Penis-Drama”, der “wirklich üblen Verletzung”, sorgt sich um nächtliche Erektionen, fragt den Mannschaftsarzt, ob das Glied während der Behandlung steif war und ob Beeinträchtigungen beim Sex zu erwarten sind, berichtet von einem viertägigen Sex-Verbot und einer längeren Kondompflicht, zeigt auf einem Foto, wie Yankov beim ersten Training “ab und zu überprüfte, ob sein kleiner Freund das gut überstanden hat”, berichtet vom Entfernen des Pflasters und witzelt: “Er steht wieder seinen Mann”…
…und vergisst in all dem Eifer nur ein kleines Detail nachzurecherchieren: Wer der “Penis-Treter” (“Bild”) war, der all das ausgelöst hat. “Bild” behauptet: Benjamin Köhler — und präsentierte am Dienstag auch eine Entschuldigung (“auch bei seiner Freundin”) des vermeintlichen Täters. Nur war der es offenbar gar nicht. Der “Kicker” berichtet heute (in seiner gedruckten Ausgabe), dass die Fernsehbilder eindeutig zeigten, dass die Verletzung bei einem Zweikampf von Yankov mit Christoph Spycher entstanden sei. Der Teamarzt bestätige dies. Und der angeblich geständige Köhler sagt im “Kicker”:
Ich habe von Anfang an gesagt, dass ich mich nicht erinnern kann und lediglich hinzugefügt: Falls ich es war, tut es mir Leid.
Danke an Frank P. und Schaumburger für die Hinweise!
Die sinnentstellende “Bild”-Geschichte über den Erfinder Christian Koch, der (wie “Bild” an zwei aufeinanderfolgenden Tagen berichtete)“aus Katzen Benzin machen” könne, eigentlich aber aus Müll Bio-Diesel herstellen kann, beschäftigt mittlerweile auch die internationale Presse.
CNN beispielsweise (ähnlich wie u.a. auch die indische “Hindustan Times”) verbreitete unter Bezug auf den “Bild”-Bericht unsinnigerweise, ein deutscher Erfinder habe Tierschützer verärgert, indem er mit toten Katzen gegen die steigenden Treibstoffpreise ankämpfe (siehe rechts). Weiter heißt es bei CNN.com – wie schon in der zu Grunde liegenden Reuters-Meldung – nicht minder falsch, Koch habe “Bild” gesagt, er könne durch die Zugabe von zirka 20 überfahrenen Katzen in seinen Müll-Mix genug Treibstoff für eine 50-Liter-Tankfüllung produzieren…
Aber was kann “Bild” dafür? — Viel!
Denn in einer ausführlicheren Reuters-Meldung steht auch noch etwas ganz anderes – ein O-Ton des Erfinders Koch nämlich, der sagt:
“Es ist völliger Unsinn, dabei an tote Katzen zu denken. Ich habe noch nie Katzen verwendet und denke auch gar nicht daran.”
Und nicht nur das: Reuters zitiert auch “einen ‘Bild’-Sprecher”, der sagt, die “Bild”-Story habe zeigen sollen, dass Katzen-Kadaver “theoretisch” zur Treibstoffgewinnung benutzt werden könnten.
Und Reuters hat sogar mit einem der “Bild”-Autoren gesprochen, der angibt, Koch habe ihm gegenüber nie behauptet, er würde, wie es der Artikel nahelegt, tote Katzen benutzen.
Mit Dank an die vielen Hinweisgeber und Monie S. für die Übersetzungshilfe.
Diekmann: Viele Gegendarstellungen sind heute ein Mittel darbender Juristen, finanziell über die Runden zu kommen. (…) Und ich drucke sie sogar gerne, weil sie zeigen, wie hier das Recht der Gegendarstellung im Kern mißbraucht wird.