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Unsinn über irgendeinen Soli (2)

“Bild” ist nicht das einzige Blatt, in dem Solidarpakt und Solidaritätszuschlag (“Soli”) munter durcheinander gewirbelt werden (BILDblog berichtete). Das Nachrichtenmagazin “Stern” etwa zeigt in seiner aktuellen Ausgabe diese Forsa-Umfrage:

Umfrage

Zuschlag vs. Pakt Der Solidaritätszuschlag wurde eingeführt, um zu helfen, die Kosten der Wiedervereinigung zu decken. Allerdings ist er eine Steuer (die übrigens sowohl in West- als auch in Ostdeutschland erhoben wird), die allein dem Bund zusteht und nicht zweckgebunden eingesetzt werden muss. Der Solidarpakt II hingegen ist eine Vereinbarung, nach der der Bund sich verpflichtet, den neuen Bundesländern von 2005 bis 2019 im Zuge des Länderfinanzausgleichs insgesamt 156,5 Milliarden Euro zukommen zu lassen.

Diese Umfrage ist ziemlich sinnlos, denn der Solidaritätszuschlag (=Soli) wird schon lange nicht mehr “ausschließlich für den Aufbau Ost verwendet” und kann somit auch nicht “weiter ausschließlich” dafür verwendet werden. Die Antwortmöglichkeit “…auch ärmeren Städten und Gemeinden im Westen zugute kommen” lässt erahnen, dass sich die Umfrage auf die Klagen mehrerer Bürgermeistern aus dem Ruhrgebiet bezieht. Nur beklagten die sich nicht über den Solidaritätszuschlag, sondern über den Solidarpakt II.

Noch wilder werden der Solidaritätszuschlag und Solidarpakt II in der Vorankündigung von stern.de, die via Pressemitteilung einige Verbreitung erfahren hat, miteinander verrührt:

stern-Umfrage "Soli" auch für arme West-Regionen

Ein Großteil der Deutschen unterstützt die Forderung von verschiedenen Oberbürgermeistern aus dem Ruhrgebiet nach einer Neuordnung des Solidarzuschlags (sic!). In einer Umfrage des stern plädierten 57 Prozent der befragten Bürger dafür, den Solidaritätszuschlag künftig auch ärmeren Städten und Gemeinden im Westen zukommen zu lassen. Nur sechs Prozent fänden gut, wenn der “Soli” wie bislang ausschließlich in den Aufbau Ost gesteckt würde. 35 Prozent waren dafür, den Solidaritätszuschlag ganz abzuschaffen. Zwei Prozent äußerten keine Meinung.

Noch einmal: Der Solidaritätszuschlag ist eine Bundessteuer, die direkt in den Bundeshaushalt fließt, und nichts mit den Klagen der Ruhrgebietsbürgermeister zu tun hat, die sich auf den Solidarpakt II bezogen hatten. Es ist wenig verwunderlich, dass im stern.de-Text sogar der Solidaritätszuschlag-Solidarpakt-Hybridbegriff “Solidarzuschlag” fällt.

Solidarpakt hin, Solidaritätszuschlag her — die Kosten hierfür hätte man sich auf alle Fälle sparen können:

Für diese stern-Umfrage wurden 1001 repräsentativ ausgesuchte Bundesbürger am 22. und 23. März 2012 befragt.

Mit Dank an Philipp.

Kleiner FauXPas

Nehmen wir mal an, 75 Prozent aller Häftlinge in deutschen Gefängnissen wären männlich (in Wirklichkeit sind es weit mehr). Würde das dann bedeuten, dass 75 Prozent aller Männer im Gefängnis säßen?

Nein, natürlich nicht. Ein ähnlicher Denkfehler ist allerdings der Presseabteilung von Microsoft unterlaufen, die ihr eigenes Betriebssystem Windows XP anlässlich seines zehnten Geburtstages schlechter macht, als es eigentlich ist:

(…) laut einer Studie des Antivirus Dienstleisters AVAST sind auf etwa 75 Prozent aller XP Rechner Rootkit-Infizierungen zu finden.

Dabei hat die Studie von Avast lediglich ergeben, dass 74 Prozent aller überprüften Rootkitinfektionen auf XP-Rechnern gefunden wurden:

Die Daten einer sechsmonatigen Studie listeten über 630,000 Muster auf und zeigten, dass 74% Infektionen aus Windows XP Maschinen stammen, verglichen mit 17% aus Vista und nur 12% aus Windows 7 Maschinen.

Das bedeutet im Umkehrschluss eben nicht, dass drei von vier XP-Rechnern infiziert sind, sondern eben nur, dass drei von vier Infektionen auf XP-Rechnern gefunden wurden.

Das hindert die Nachrichtenagentur dapd und Medien wie etwa stern.de, n24.de und n-tv.de nicht daran, den Fehler aus der Pressemitteilung zu reproduzieren; n-tv.de verlinkt dabei sogar auf die Avast-Studie. Geholfen hat’s nichts.

Mit Dank an André und Frank H.

Nachtrag, 26. Oktober: n-tv.de hat den Fehler inzwischen korrigiert.

Schon wieder ein neuer Tiefpunkt

Es läuft nicht gut für die Freie Demokratische Partei Deutschlands (FDP):

Die FDP hat trotz ihrer Personalveränderungen erneut an Wählergunst eingebüßt. Nach dem am Mittwoch veröffentlichten Forsa-Wahltrend des Magazins “Stern” und des Fernsehsenders RTL gab die Partei im Vergleich zur Vorwoche einen Punkt ab und fiel zum vierten Mal in diesem Jahr auf ein Rekordtief von drei Prozent.

So beschreibt die Nachrichtenagentur dapd den neuen “Tiefstwert”, den die Partei erreicht hat.

Und die Deutsche Preseagentur (dpa) erklärt:

Die FDP hat bislang von ihrem Personalaustausch in der Parteispitze und im Bundeskabinett stimmungsmäßig bei den Bürgern nicht profitiert. Im Gegenteil: Im wöchentlichen Wahltrend des Magazins “Stern” und des Senders RTL fielen die Freidemokraten zum vierten Mal in diesem Jahr auf ihr Rekordtief von 3 Prozent.

Der “Stern” selbst verkündet auf seiner Internetseite:

Trotz ihrer Personalveränderungen an Kabinettstisch, Partei- und Fraktionsspitze kommt die FDP nicht aus dem Umfragekeller. Im stern-RTL-Wahltrend gaben die Liberalen im Vergleich zur Vorwoche einen Punkt ab und fallen zum vierten Mal in diesem Jahr auf ihr Rekordtief von 3 Prozent.

“Spiegel Online” schreibt:

Die FDP hat ihr Personal an der Parteispitze und im Kabinett getauscht, aber die Stimmung für die Liberalen bleibt weiter schlecht: Trotz ihrer Personalveränderungen büßten die Liberalen erneut an Wählergunst ein.

Bild.de fasst zusammen:

Die FDP hat trotz ihrer Personalveränderungen erneut an Wählergunst eingebüßt.

Bevor sich die FDP jetzt spontan auflöst, weil nicht mal ein Bundesparteitag mit kämpferischen Reden der jungen Hoffnungsträger den Abwärtstrend stoppen kann, sollte sie allerdings noch einen kurzen Blick auf das Ende der Meldung bei “Spiegel Online” (und nur da) werfen:

Für den Wahltrend wurden 2501 repräsentativ ausgesuchte Bundesbürger vom 9. bis 13. Mai befragt. Der Parteitag der FDP fand vom 13. bis 15. Mai statt.

(Hervorhebung von uns.)

Und trotz des angekündigten schönen Wetters am Mittwoch haben sich die Menschen am Dienstag nicht in die Sonne gelegt!

Mit Dank an Christoph G.

Einnehmen leicht gemacht

Was ein Glück! Kurz nach den Feiertagen fand sich auf der Startseite von stern.de genau das Richtige für Leser, die sich bei all den Plätzchen, Festtagsbraten und mit Plätzchen gefüllten Festtagsbraten nicht zurückhalten konnten:

Kampf den Kilos Nach Weihnachten sollen die Pfunde purzeln. Viele nehmen sich Jahr für Jahr vor, ihre überflüssigen Kilos loszuwerden, aber die wenigsten schaffen es. Der stern-abnehm-Coach zeigt, wie es geht. Von Nicole Simon

Wer dem Link in Richtung “Kampf den Kilos” folgt, landet bei einem stern.de-Artikel:

Der stern-Abnehm-Coach hilft und erklärt, wie man sein Gewicht dauerhaft reduziert.

Wissenshungrige können alle Fakten und Neuigkeiten zum Thema Übergewicht im stern-Abnehm-Coach nachlesen. (…)

Der Coach basiert auf dem aktuellen Stand der Ernährungs- und Sportwissenschaften und orientiert sich an den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). (…)

Per Mausklick zur Wunschfigur

Dass hier neben dem Wunsch nach schlanken Lesern auch kommerzielles Interesse mitschwingt, zeigt sich im letzten Absatz:

Wenn es um gesunde Ernährung und Sport geht, kommt immer wieder die Geldfrage auf. Fitnessstudios sind teuer, gute Ernährungsberater erst recht. Nicht hier: Der stern-Ernährungscoach ist professionell und kostet weniger als 15 Euro im Monat.

>>> Hier geht’s zum stern-Abnehm-Coach

Der Link führt auf die Domain stern-abnehm-coach.de. Die aber gehört nicht, wie man denken könnte, dem “Stern”, stern.de oder dem Verlag Gruner + Jahr. Sie gehört der Berliner Firma xx-well.com AG.

Der “Stern-Abnehm-Coach” ist eine umlackierte Version des “Abnehm-Coaches” der Firma xx-well.com. Wer sich für den “Stern-Abnehm-Coach” anmeldet, bewegt sich dabei zwar die ganze Zeit auf Seiten, die aussehen wie die von stern.de. Er schließt aber einen Vertrag mit der Firma xx-well.com AG.

Man ahnt das nicht, wenn man nicht die Allgemeinen Geschäftsbedingungen liest, denn stern.de schreibt bloß davon, das Angebot werde “in Kooperation mit xx-well.com” gemacht.

Wenn stern.de für den “Stern-Abnehm-Coach” wirbt, wirbt es für das Angebot eines externen Unternehmens. Und stern.de wirbt wie verrückt: In vielen, vielen, vielen, vielen redaktionellen Artikeln.

Auch der gedruckte “Stern” wirbt in seinem vermeintlich redaktionellen Teil immer wieder für das kommerzielle Angebot. Im Mai 2008 hieß es etwa: “Per Mausklick schlanker werden: Der neue Abnehm Coach des stern macht das Leben leichter (…)”. Auch im aktuellen Heft 2/2011 stehen wieder ein paar Zeilen, unter der Überschrift:
“Persönlicher Helfer im Kampf gegen die Weihnachtspfunde”.

Damit verstoßen “Stern” und stern.de klar gegen Ziffer 7 des Pressekodex, wo es heißt:

Verleger und Redakteure (…) achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken. Bei Veröffentlichungen, die ein Eigeninteresse des Verlages betreffen, muss dieses erkennbar sein.

Vermutlich bekommt stern.de Provision von xx-well.com für den stern.de-Leser, der auf diese Weise zum xx-well.com Kunden wird. Die Firma bietet jedem Online-Medium ein entsprechendes “Partnerprogramm” an, das mit Provisionen zwischen 4 und 35 Euro pro vermittelten Kunden lockt — stern.de könnte als spezieller Partner auch eigene Konditionen ausgehandelt haben.

Auch die Diät-Coaches der Zeitschriften “Brigitte”, “Men’s Health”, der Portale web.de und gmx.de und vieler weiterer Medien basieren auf dem Angebot des “Experten für Online-Coaching”.

Es scheint ein gutes Geschäft zu sein — nur nicht unbedingt für die Leser.

Worauf stern.de nämlich nicht hinweist: Wer das “Coaching”-Angebot direkt von xx-well.com abonniert, zahlt deutlich weniger als bei der “Stern”-Variante — und das, obwohl sich die beiden Angebote laut Marketingabteilung von xx-well.com nur in Nuancen (etwa einzelne Rezepte) unterscheiden:

Abnehm Coach Ganz flexibel - Ihr Abonnement

Und dabei hatte stern.de auf der Hauptseite des “Stern-Abnehm-Coaches” neben “weniger Pfunde” und “mehr Aktivität” auch “faire Preise” versprochen:

Programm und Preis Der stern-Abnehm-Coach ist als Abonnement erhältlich. Entscheiden Sie selbst, in welchen Abständen die Zahlungen vorgenommen werden sollen. Je größer Sie das Zahlungsintervall wählen, desto günstiger wird Ihr Coach.

Mit großem Dank an Kevin R.

Nachtrag, 11. Januar: Ein aufmerksamer Leser hat uns darauf hingewiesen, dass das Verlagshaus Gruner + Jahr, zu dessen Publikationen unter anderem “Stern” und “Brigitte” gehören, bereits seit 2007 die Aktienmehrheit von xx-well.com hält und seine Anteile 2010 auf 95 Prozent erhöht hat. Damit geht es beim “Stern-Abnehm-Coach” nicht nur um Provisionen, wie wir zuerst mutmaßten, sondern um ganz konkrete Einnahmen.

Stuttgart 42

Arno Luik ist der “Stuttgart 21"-Beauftragte beim “Stern”. Er hat zahlreiche Dokumente und geheime Akten zu dem umstrittenen Großprojekt öffentlich gemacht und dafür gestern den “Leuchtturm für besondere publizistische Leistungen” des “Netzwerk Recherche” erhalten.

Vor der Preisverleihung hat Luik noch mal einen Artikel rausgehauen, für den er neue Quellen aufgetan hatte: Die “Betriebliche Aufgabenstellung zur Umsetzung der Konzeption Netz 21" (BAST) aus dem Jahr 2002. Darin sind alle geplanten Arbeiten rund um “Stuttgart 21" aufgelistet und mit Schätzwerten versehen. Die Bahn weigert sich, die Zahlen öffentlich zu machen, und nennt dafür einen guten Grund: Unternehmen, die sich im Rahmen einer Ausschreibung um Aufträge bewerben, könnten sich dann daran orientieren.

Arno Luik hat eine andere Erklärung, warum die Bahn das Dokument zurückhält:

Die BAST enthält brisante Zahlen

Warum wurden “BAST”-Zahlen verschwiegen?
Denn in dieser BAST aus dem Jahr 2002 heißt es in der Anlage 15, in der die “Kosten nach Jahresscheiben und Bereichen” aufgelistet sind, Stuttgart 21 werde 4, 203,0 Milliarden Euro kosten.

4,2030 Milliarden Euro. Das ist etwas mehr als die 4,0878 Milliarden Euro, die Bahnchef Grube diesen Juli verkündete. Ist es wahrscheinlich, dass heute S 21 billiger sein soll als vor acht Jahren? Wohl kaum.

Luik beantwortet sich seine Frage selbst — und ist offenbar doch falsch abgebogen: Die Deutsche Bahn veröffentlichte gestern Mittag eine Pressemitteilung, in der sie mit einer erschütternd banalen Erklärung aufwartet:

In der vom “stern” zitierten BAST (Betriebliche Aufgabenstellung) aus dem Jahr 2002 ist in einer Tabelle über die jährlichen Kosten für das Bahnprojekt Stuttgart 21 die Gesamtsumme von 4,2 Milliarden DM fälschlicherweise in “Euro” angegeben worden. Bei der Verwechslung der Währungsangabe handelt es sich um einen redaktionellen Fehler im Zusammenhang mit der Währungsumstellung von DM auf Euro im Jahr 2002.

Die Bahn wirft Luik vor allem vor, er hätte das Missverständnis mit einem einzigen Anruf in ihrer Pressestelle aufklären können. Die “vermeintliche Enthüllung” sei “nicht mehr als die Entdeckung eines Schreibfehlers”.

Als Reaktion auf die Erklärung durch die Bahn zog die Agentur dapd, die zunächst die Vorabmeldung des “stern” blind übernommen hatte, ihre entsprechende Meldung zurück und folgte stattdessen nun der Bahn-Interpretation.

Das wiederum brachte stern.de dazu, in einem weiteren Artikel zu schreiben:

Die Bahn hatte die Deutungshoheit zurück.

stern.de rechnet Euro- und DM-Beträge gegeneinander auf und scheint den Aussagen der Konzern-Pressestelle immer noch gründlich zu misstrauen:

Fehler und Umrechnungsmissverständnisse in Milliardenhöhe, acht Jahre lang unentdeckt im wichtigsten Planungsinstrument des größten Bauprojektes der Bahn AG. Darauf muss man erst mal kommen.

Arno Luik ließ sich von dapd mit den Worten zitieren:

Ich staune, wenn das ein Schreibfehler wäre.

Die Bahn will beim morgigen Schlichtungsgespräch, bei dem es auch um die BAST gehen soll, alle Unklarheiten beseitigen.

Mit Dank an Michael K.

Ahnungslose Sternenkrieger

Bei Christie’s wird morgen eine originale Darth-Vader-Maske versteigert.

Doch wer ist der Mann mit der merkwürdigen Montur? stern.de klärt in einer fünfteiligen Klickstrecke auf:

Von “Darth Vader” stammt auch einer der berühmtesten Sätze der Filmgeschichte: “Luke ich bin dein Vater”, haucht der Schurke, bevor sein Sohn Luke Skywalker ihn mit seinem Laserschwert für immer in die ewige Verdamnis der Galaxie schickt. Wer sich jetzt ärgert, das Ende der Trilogie verraten bekommen zu haben, ist selbst schuld. Wer “Star Wars” noch immer nicht gesehen hat, hat einen Meilenstein der Filmgeschichte verpasst.

Offenbar hat der Texter allerdings selbst einiges verpasst, als er die “Star Wars”-Filme gesehen hat: Das berühmte Zitat stammt aus “Das Imperium schlägt zurück”, dem zweiten Teil der alten “Star Wars”-Trilogie (und fünften Teil der Serie insgesamt), woraufhin sich Luke mit einem gewagten Sprung in die Tiefe rettet.

Im letzten Film, “Die Rückkehr der Jedi-Ritter”, versucht der Imperator, Luke Skywalker zu töten, woraufhin Darth Vader (bürgerlich: Anakin Skywalker) nach langem Zögern seinem Sohn zu Hilfe kommt. Vader wird dabei so schwer verletzt, dass er bald darauf in den Armen seines Sohne stirbt.

Mit Dank an Oliver Sch.

Nachtrag, 15.30 Uhr: Auf Wunsch zahlreicher Leser weisen wir natürlich gerne auch noch darauf hin, dass das berühmte Zitat komplett ohne Anrede auskommt und korrekt “Nein, ich bin Dein Vater!” lautet.

Was nicht passt, wird passend gemacht

Online-Redakteure haben es schwer: Sie müssen sich nicht nur um die Texte kümmern, sondern auch um Bilder. Trotz Fotoagenturen und riesigen Datenbanken ist es nicht ganz einfach, die richtigen Bilder zu finden. Denn sie müssen nicht nur die Geschichte erzählen, sondern auch in das rigide Baukasten-Schema der Redaktionssysteme passen.

So hat zum Beispiel der Online-Auftritt des Hochglanzmagazins “Stern” seit dem Relaunch ganz oben ganz viel Platz freigeräumt für ein starkes Aufmacherbild: nicht zu hoch, dafür aber sehr breit. Doch wie findet man jeden Tag passende Bilder für diesen prominenten Platz?

Am Samstag sah es besonders düster aus. Zwar bot die Geschichte über die baldige Rettung der verschütteten Bergleute in Chile eine ganze Reihe emotionaler Bilder, doch in das Breitwandformat wollte keines so recht passen.

Doch dem Redaktör ist nichts zu schwör und so begrüßte Stern.de seine Leser mit diesem farbintensiven Aufmacher-Foto: ein Clown, ein Reporter und der weite Himmel über Chile.

Screenshot: Stern.de

Irgendwas ist merkwürdig, nicht? Noch merkwürdiger wirkt das Bild, wenn man es ohne die Aufmacherschlagzeilen betrachtet:

Screenshot: Stern.de

Oder einfach nur die rechte Hälfte des Bildes:

Screenshot: Stern.de

Ein Blick auf das Original-Foto zeigt sehr schön, wie das Aufmacherbild zu Stande kam: Ein Redakteur hat den rechten Rand des Bildes abgeschnitten und einen schmalen Streifen Himmel 16 Mal dorthin kopiert.

Mit Dank an Florian H.

Mieser Teaser

Der Vorspann vor einem Zeitungsartikel ist eigentlich dazu da, einen kurzen Überblick über den Inhalt zu geben und dadurch zum Weiterlesen zu animieren. Bei einem aktuellen Artikel von stern.de ist das Weiterlesen allerdings Pflicht, denn im Vorspann wird folgendes behauptet:

Rente mit 67? Von wegen. Jeder fünfte Berufstätige muss aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand, das Durchschnittsalter aller Ruheständler liegt laut Statistischem Bundesamt bei etwa 55 Jahren. Besonders früh müssen Arbeiter aus dem Erwerbsleben ausscheiden.

Würde “das Durchschnittsalter aller Ruheständler” nämlich tatsächlich “bei etwa 55 Jahren” liegen, dann hätten wir in Deutschland die jüngsten Rentner der Welt – immerhin beträgt das Durchschnittsalter der Gesamtbevölkerung bereits 42,1 Jahre. Nur wer weiterliest, erfährt, dass in Wirklichkeit bloß das Durchschnittsalter derjenigen bei 55,1 Jahren lag, die 2008 ihre Erwerbstätigkeit aus gesundheitlichen Gründen aufgeben mussten. Das kann man nicht nur beim Statistischen Bundesamt nachlesen, sondern auch im Artikel von stern.de:

2008 ist mehr als jeder fünfte Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen aus dem Erwerbsleben ausgeschieden. Dabei lag das durchschnittliche Alter beim Ausscheiden aus dem Berufsleben bei gut 55 Jahren – rund 8,5 Jahre niedriger als bei denen, die regulär in den Ruhestand gegangen sind.

Entweder wurde der Vorspann – wie in vielen Redaktionen üblich – von einer anderen Person ohne das nötige Hintergrundwissen nachträglich vor den fertigen Artikel gesetzt oder der Autor hat seinen eigenen Artikel nicht verstanden. Beides spräche nicht gerade für stern.de.

Mit Dank an Claudia.

Ausgebildet und sensibel

Felix Disselhoff ist erschüttert:

Nach dem Amoklauf in Lörrach wettern Deutschlands User auf Twitter gegen die Sinnlosigkeit von Killerspielverboten. Ohne Rücksicht auf die Opfer der Tragödie.

“Zynisch” habe sich “das Web” “gegeben”, “Futter für Häme” habe die Biographie der Amokläuferin “geliefert”, “Häme” habe auch den CDU-Politiker Wolfgang Bosbach “getroffen”, einen “sarkastischen Unterton” glaubt Disselhoff erkannt zu haben.

In welche Kategorie sein eigener Text fällt, lässt der Autor offen:

Das Problem ist wie so oft nicht die Nachricht, sondern wie mit ihr umgegangen wird. Während ausgebildete Journalisten darin geschult sind, sensibel mit Daten von Personen umzugehen und Fakten zu recherchieren, steht hingegen bei Twitter die Meinung schnell fest. Der Pressekodex gilt nun einmal nur für die Presse. Und nicht für ein Medium, welches von vielen fälschlicherweise als die Zukunft des Journalismus betrachtet wird.

Erschienen ist Disselhoffs Text bei stern.de, dem Internetportal jener Zeitschrift, deren ausgebildete Journalisten sich nach dem Amoklauf von Winnenden im vergangenen Jahr geweigert hatten, die Herkunft der von ihnen veröffentlichten Privatfotos der Opfer zu erklären, und die derart sensibel mit Daten von Personen umgegangen waren und Fakten recherchiert hatten, dass sie das Foto eines Unbeteiligten als Porträt des Täters ausgaben.

Mit Dank an Steffen, Tino M. und Merrick.

Die größten Kritiker der Milchmädchen …

Bei stern.de nennen sie Hans Peter Schütz einen “Homo politicus”, der “den manchmal keineswegs politisch korrekten Tratsch hinter den Kulissen des politischen Berlins” in seiner Kolumne “Berlin vertraulich” notiere.

Diese Woche hat sich Schütz Guido Westerwelles Verhältnis zu Zahlen vorgeknöpft, das bekanntlich nicht das Beste ist.

Wenn Guido Westerwelle Kanzlerin spielen darf, wie vergangene Woche, hat er mathematische Probleme. Auf der Pressekonferenz nach der Kabinettssitzung, die er leiten durfte, beantwortete er die Frage von stern.de, wie er denn das Wahlergebnis der Vorsitzenden der FDP-Bundestagsfraktion und baden-württembergischen FDP-Landesvorsitzenden Birgit Homburger bei ihrer Wiederwahl auf dem jüngsten FDP-Landesparteitag bewerte, mit einem kühnen Satz: “Gut! Sie hat doch eine klare Zweidrittelmehrheit bekommen.” Klare Mehrheit? Knapper geht’s kaum. Zwei Drittel von 100 Prozent sind bekanntlich 66,6 Prozent. Geschafft hat Homburger 66,8.

Westerwelles Rhetorik ist natürlich durchschaubar: Bei der letzten Wahl war die Zustimmung für Frau Homburger noch sehr viel höher ausgefallen. Aber dennoch sind 66,8 Prozent natürlich eine ziemlich klare Mehrheit, sogar eine eindeutige (“klare”) Zweidrittelmehrheit. Aber vielleicht braucht es 81 Prozent, um auch Hans Peter Schütz zufrieden zu stellen — natürlich nur als klare Zweidrittelmehrheit, als Vierfüntelmehrheit wäre das ja wieder denkbar knapp.

Aber offenbar legt es Schütz gar nicht groß darauf an, Westerwelle zu verstehen:

Wenn er rechnet betreibt er politische Mathematik. Und die ist – schwer zu verstehen. Sie geht so: In Nordrhein-Westfalen kam die FDP bei der letzten Landtagswahl auf 6,7 Prozent. (…) Und wie rechnet sich Westerwelle das Ergebnis an? “Das war in Nordrhein-Westfalen noch das zweitbeste Ergebnis in den letzten 30 Jahren.” Im Jahr 2000 kam die FDP dort mit Jürgen Möllemann an der Spitze auf 9,8 Prozent. Vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2010 sind es nach Adam Riese zehn Jahre, nach Guido Westerwelle 30.

Zu dem Schluss braucht es schon einiges an bösem Willen, denn Westerwelle hat mit seiner Schönrederei nicht Unrecht: Nach der Landtagswahl 1975 (also genau genommen in den letzten 35 Jahren) hat die FDP nur ein einziges Mal mehr als die jetzt gewonnenen 6,7 Prozent erreicht — eben bei der Wahl vor zehn Jahren.

Mit Dank an Achim Sch.

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