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Sterben in “Bild”

Am gestrigen Mittwoch ist ein Serienkiller im Iran öffentlich ausgepeitscht und dann aufgehängt worden. Es war ein grausames Ritual; die Behörden hatten eigens mit Lautsprecherdurchsagen dafür gesorgt, dass sich viele Schaulustige am Platz der Hinrichtung versammeln.

Die “Bild”-Zeitung illustriert heute mit mehreren großen Fotos den Tod des Mörders. (Bei Bild.de sind teils andere Bilder und Bildtexte.) Ihr Artikel beginnt mit dem Autorennamen und der Ortsmarke “Teheran”, doch der Autor des Textes war vermutlich nicht in Teheran und ganz sicher nicht Augenzeuge der Hinrichtung. Denn seine Beschreibung ist in einigen wesentlichen Punkten falsch.

“Bild” zeigt ein Foto, auf dem der an einen Pranger gefesselte Mörder zu sehen ist. Hinter ihm steht ein Mann im weißen Hemd und schwarzen Jackett. Laut “Bild” zeigt das Foto folgendes:

…dann rammt ihm der Bruder eines Mordopfers ein Messer in den Rücken…

Dies gehöre zu einer “Hinrichtung nach iranischer Tradition”, behauptet “Bild”. Tatsächlich handelt es sich, wie FAZ.net erklärt, bei dem Mann im weißen Hemd nicht um den Bruder eines Mordopfers, sondern allem Anschein nach um einen Beamten. Er rammt ihm auch kein Messer in den Rücken, sondern beaufsichtigt die Schaulustigen. Zwar hat wirklich ein Mann den Mörder am Pranger mit einem Messer angegriffen. Aber es war weder der Mann, den “Bild” zeigt, noch gehörte die Attacke zur rituellen Handlung, wie “Bild” behauptet: Laut Nachrichtenagentur AP und BBC News hat ein Angreifer die Sicherheitsabsperrung durchbrochen und wurde schnell weggeführt.

Auch der von “Bild” erweckte Eindruck, solche grausamen öffentlichen Hinrichtungen seien Alltag im Iran, ist falsch. Der Korrespondent der australischen Zeitung “The Age” schreibt, öffentliche Hinrichtungen seien “relativ selten” im Iran; AP berichtet, solche Hinrichtungen seien auch im Iran umstritten, weil sie dem Bild des Landes im Ausland schadeten.

Anscheinend reichte es der “Bild”-Zeitung nicht, die entsetzlichen Bilder zu drucken, die die grausamen letzten Minuten im Leben eines Menschen zeigen. Sie wollte auch noch ein Foto zeigen vom Gesicht des Mannes in dem Augenblick, in dem ihm jemand ein Messer in den Rücken stößt. Dass es dieses Foto nicht gibt, ist für “Bild” — wie man sieht — kein Hindernis.

(“Focus Online”, das häufig Artikel aus “Bild” und Bild.de ungeprüft abschreibt, hat übrigens auch in diesem Fall den Fehler von “Bild” übernommen und das Foto vom angeblichen Angreifer falsch beschriftet.)

Nachtrag, 21.03.: “Focus Online” hat den Beitrag inzwischen aus seinem Angebot entfernt.

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Wortmonster

“Wortmonster”. So nennt die “Bild”-Zeitung Wörter, die ihr in neuer Rechtschreibung nicht gefallen. “Brennnessel” gehört dazu, vermutlich wegen der drei gleichen Konsonanten hintereinander. Warum “Sauerstoffflasche”, das sowohl nach alter wie nach neuer Rechtschreibung drei gleiche Konsonanten in der Mitte hat, kein “Wortmonster” ist, bleibt das Geheimnis von “Bild”. Aber das ist noch die harmloseste Ungereimtheit im neuen, ungefähr 197. Kapitel des Kampfes von “Bild” gegen die “Schlechtschreibreform”.

42 “Wortmonster”, die in den “Müll” gehören, hat “Bild” auf eine Tafel geschrieben. Links die alte, rechts die neue Rechtschreibung. Die gröbste Verfälschung dabei ist die, dass “Bild” in vielen Fällen so tut, als sei die neue Schreibweise Pflicht, wo sie nur ein Vorschlag ist. Wem “Jogurt” nicht gefällt, der darf auch nach neuer Rechtschreibung “Joghurt” schreiben. Das gilt auch für “Delphin”/”Delfin”, “Thunfisch”/”Tunfisch”, “Mayonnaise”/”Majonäse”, “Portemonnaie”/”Portmonee”, “Chicorée”/”Schikoree”, “Ketchup”/”Ketschup”, “Panther”/”Panter”, “Waggon”/”Wagon”, “Exposé”/”Exposee”, “Facette”/”Fassette”, “Graphit”/”Grafit”. In 12 Fällen sind also die “klassischen” Schreibweisen auch in neuer Rechtschreibung korrekt. Bleiben noch 30 “Wortmonster”.

Eines davon ist das “Blässhuhn”. Das durfte auch früher schon wahlweise “Bleßhuhn” oder “Bläßhuhn” geschrieben werden — hier hat sich nur das “ß” in ein “ss” verwandelt, das ist eigentlich der am wenigsten umstrittene Teil der Reform. Bleiben noch 29 “Wortmonster”.

Aus “hierzulande” wird laut “Bild” “hier zu Lande”, aber das ist ebenfalls eine Kann-Bestimmung. Ebenso verhält es sich mit “selbständig”, das auch weiterhin richtig ist, “selbstständig” kommt nur als Möglichkeit hinzu. Bleiben noch 27 “Wortmonster”.

Aus “bittersüß” soll laut “Bild” “bitter-süß” werden, aber das ist Humbug. Bleiben noch 26 “Wortmonster”.

Darunter sind die beiden merkwürdigen “Bewässrung” und “Erdrosslung”. “Bild” behauptet, das sei neu. Völliger Quatsch: “Bewässerung” und “Erdrosselung” sind wie eh und je richtig, und die Variante ohne “e” steht als selten, aber auch richtig im “Duden”. Bleiben noch 24 “Wortmonster”.

Von denen sind 6 Beispiele dafür, dass kein Konsonant wegfällt, wenn drei gleiche aufeinander treffen. Das war auch bislang schon so, wenn ein weiterer Konsonant folgte (“Sauerstoffflasche”, “Wetttrinken” etc.), aber da hat es “Bild” nie gestört. Lustig ist, dass Bild ausgerechnet das Beispiel “Bettuch”/”Betttuch” auflistet, dabei ist hier die alte Rechtschreibung viel unklarer: Handelt es sich um ein Tuch fürs Bett oder um eines zum Beten? Zieht man auch diese Fälle ab, die man nicht mögen muss, die aber zweifellos eine Vereinfachung der Rechtschreibung darstellen, bleiben noch 18 “Wortmonster”.

Und davon sind noch 5 Fälle, in denen nach neuer Rechtschreibung drei gleiche Konsonanten deshalb aufeinander treffen, weil aus einem “ß” ein “ss” wird, darunter ein Wort wie “Gussstahl”, das ohnehin viel zu selten gebraucht wird.

Und der Rest? Über den darf man natürlich streiten. Aus “fritieren” wird tatsächlich “frittieren”, und “fönen” tut man sich inzwischen wirklich mit “h”. Schlimm.

Noch schlimmer ist höchstens, wenn eine Zeitung sich bei einem Thema, zu dem sie eine so ausgeprägte Meinung hat, so wenig auskennt. (Oder auskennen will.)

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Einsam, abenteuerlichst, unbewiesen

Heute steht einer der lustigsten Texte seit langem in “Bild”.

Mit einer Grundhaltung, die man fast journalistisch nennen möchte, nehmen zwei “Bild”-Autoren ein angekündigtes Buch auseinander, das “schockierende Enthüllungen im Fall Moshammer” verspricht. Wer sich die Homepage zum Buch ansieht, käme kaum auf den Gedanken, dass irgendetwas an dieser “Biographie” ernst zu nehmen wäre, vermutlich ist das meist nicht einmal ernst gemeint. Und auch “Bild” schreibt gleich vorweg, dass die Theorien “abenteuerlichst” und unbewiesen sind — um sie dann in großer, großer Ausführlichkeit zu zitieren. Fazit von “Bild”: Das Buch ist “eine Aneinanderreihung von einsamen Behauptungen”.

Entweder haben sie bei “Bild” Tränen gelacht, als das hingeschrieben haben, in diesem Tonfall ernster Entrüstung. Oder sie haben sich ernsthaft Sorgen gemacht, dass ihnen jemand Konkurrenz machen könnte, mit dem Aufstellen einsamer, unbewiesener, abenteuerlichster Behauptungen. Fassen wir kurz zusammen, was “Bild” seit dem Tod Moshammers einsam, unbewiesen, abenteuerlichst behauptet hat:

  • Der Chauffeur habe Hund Daisy nach Österreich “verschleppt” und plane mit ihr eine quasi lebensgefährliche Gletschertour. (Von einem “Verschleppen” konnte nie die Rede sein; kurz darauf tauchte der Chauffeur wieder auf; die lebensgefährliche Gletschertour blieb anschließend verdächtig unerwähnt.)
  • Der Hund gehe “nicht gern auf Reisen”; seit dem Tod der Mutter sei “Mosi mit Daisy nicht mehr verreist”. (Beide flogen, wie “Bild” inzwischen fröhlich berichtet, andauernd durch die Welt.)
  • Es gebe einen “Riesenwirbel” um Mosis Vermächtnis. (Wirbel machte nur “Bild”.)
  • Daisy werde mit dem Chauffeur in Moshammers Villa einziehen. (Kurz darauf empörte sich “Bild”, dass der Chauffeur nicht in Moshammers Villa einziehen werde.)
  • Der Chauffeur habe den Mörder gekannt. (Beweise dafür ist “Bild” bis heute schuldig.)
  • Moshammer sei mit einem Telefonkabel erwürgt worden. (Als sich herausstellte, dass es ein Stromkabel war, machte Bild.de klammheimlich aus fast jedem “Telefonkabel” rückwirkend ein “Kabel”.)
  • Der “wichtigste Erbe” sei der Chauffeur. (Drei Tage später wusste “Bild”: ein Teilhaber des Geschäftes sei “Alleinerbe”)
  • Hund Daisy sei 11 Jahre alt. (Tja, wer weiß? “Bild” nicht. Eine Woche vorher war sie schon 12.)

Fast möchte man sagen, dass die “Bild”-Berichterstattung frei erfunden oder halb erlogen ist. Aber vielleicht ist das zu hart. Sagen wir es lieber so: Was “Bild” über Moshammer und seinen Tod geschrieben hat, war im Wesentlichen eine Aneinanderreihung von einsamen Behauptungen und abenteuerlichsten Theorien. Manche davon waren sogar nicht nur unbewiesen, sondern im Gegenteil: nachweislich falsch.

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“Bild” verletzt Menschenwürde

Den vorläufig letzten Porno-Witz über Sibel Kekilli hat “Bild” vor nicht einmal zwei Wochen gemacht, am 17. Januar 2005. Damals saß die Ehefrau des Bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber beim Deutschen Filmball neben der “Preisträgerin des Goldenen Bären und Ex-Porno-Darstellerin”. Und weil sie sagte: “Mein Mann kennt ihren Film”, schrieb “Bild” dahinter: “Welchen verriet sie nicht” und verdrehte das Zitat zur Überschrift: “Frau Stoiber outete ihren Mann als Kekilli-Fan”.

Höhepunkt einer mehrmonatigen Kampagne von “Bild” gegen Kekilli war allerdings, als das Blatt am 2. November 2004 ein Foto aus einem Porno-Film abdruckte, das sie beim Geschlechtsverkehr von hinten zeigt. Damit illustrierte “Bild” die Nachricht, dass Kekilli mit dem Bambi ausgezeichnet werde — wegen ihrer “eindringlichen Darstellung” in dem preisgekrönten Film “Gegen die Wand”.

Wie nennt man solche “Berichterstattung”? Kekilli nannte sie eine “dreckige Hetzkampagne” und “Medienvergewaltigung”. Der Deutsche Presserat nannte sie eine Entwürdigung und Verletzung der Menschenwürde. Jetzt hat auch das Berliner Kammergericht Worte gefunden: Sie sei “Teil einer Kampagne”, mit der Kekilli “in höhnischer Weise herabgesetzt und verächtlich gemacht” worden sei. “Ein derartiger Eingriff in die Würde eines Menschen” sei durch die Freiheit der Berichterstattung “nicht mehr gedeckt”.

Das berichtet der “Tagesspiegel” heute. Das Gericht habe “Bild” nun die Veröffentlichung und Verbreitung des Nacktfotos untersagt. Sonst drohten 250.000 Euro Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft.

Übrigens hat “Bild” nach unserem Wissen bis heute nicht über die öffentliche Rüge berichtet, die der Presserat in der gleichen Sache schon am 2. Dezember 2004 ausgesprochen hat. Solche Rügen abzudrucken, entspricht laut Pressekodex “fairer Berichterstattung”.

(Weitere Texte zum Thema: “Bild” versteht Rüge nicht, Sensation: “Bild” druckt Kekilli-Rüge, Presserat: Mehr Rüge muss nicht sein.)

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Bild.de macht krank

Bild.de meldet:
Andy Bell: Ich habe AIDS
Als Quelle für diese Aussage des Erasure-Sängers Andy Bell nennt Bild.de im Anschluss Andy Bells “Stellungnahme auf der Erasure-Website”.

In Andy Bells Stellungnahme auf der Erasure-Website heißt es:

“Being H.I.V. does not mean that you have a.i.d.s.”

Kurzum: Andy Bell, der 1998 von seiner HIV-Infektion erfuhr, verweist ausdrücklich auf die Tatsache, dass HIV-positiv zu sein, nicht bedeutet, dass man AIDS hat — und Bild.de verweist anschließend ausdrücklich auf Andy Bells Aussage, behauptet aber trotzdem das Gegenteil? Ja.
 
Mit Dank an Alexander H. und Lutz K. für den Hinweis.

Nachtrag, zwei Stunden später:
Wie uns wirres.net soeben mitteilt, hat Bild.de die falsche Überschrift mittlerweile in “Andy Bell: Ich bin HIV-positiv” berichtigt.

Nachtrag, 17.12.04:
(Für alle, die oben im Text auf den Bild.de-Link geklickt haben und daraufhin von Bild.de informiert wurden, dass die “Seite nicht verfügbar” sei)
Es handelt sich bei der zunächst verlinkten Bild.de-Adresse www.bild.t-online.de/…/erasure_saenger_aids.html nicht um einen Fehler unsererseits. Nein, Bild.de hat mittlerweile nicht nur die Überschrift, sondern sogar die Veröffentlichungsadresse in www.bild.t-online.de/…/erasure_saenger_hiv.html berichtigt.

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Blöde Lotto-Experten

Millionen enttäuscht

schreibt “Bild” heute auf der Seite 1 über ihren Lotto-Aufmacher, und das stand als Überschrift bestimmt schon vor der Ziehung der Zahlen fest: Denn diese beiden Worte beschreiben doch irgendwie das Wesen einer jeden Lotto-Ziehung.

Jedenfalls hatte die Zeitung das Problem, angesichts des Rekord-Jackpots groß mit dem Thema Lotto aufmachen zu wollen, aber noch nicht zu wissen, ob jemand das Geld gewonnen hat. Sie rettete sich in die Haupt-Schlagzeile:

Was für blöde Lotto-Zahlen!

“Blöd” war für “Bild” an den Zahlen wohl vor allem, dass sie nicht im Geringsten mit dem übereinstimmten, was Uri Geller, “der Guru mit den übersinnlichen Kräften” (“Bild”) am Tag zuvor exklusiv in “Bild” vorhergesagt hatte. Er hatte den “Bild”-Lesern unter anderem “verraten”, dass die Elf eine “besonders starke Zahl” sei, in allen Variationen, auch als Quersumme. Vielleicht wusste Geller nicht, dass auch besonders starke Zahlen mal einen Tag Urlaub brauchen, vielleicht erholte sich die Elf am Mittwoch in der Südsee vom anstrengenden Alltag einer besonders starken Zahl — jedenfalls hat keine der gezogenen Zahlen irgendetwas mit der Elf zu tun, auch nicht multipliziert oder als Quersumme.

Geller hatte weiter den Ratschlag gegeben:

“Fixieren Sie heute um 11.11 Uhr und 11 Sekunden meine Augen in der Zeitung und schreien laut heraus: ‘Ich werde gewinnen! Diesmal bin ich es!'”

Das hat schon deshalb nicht funktioniert, weil alle, die daran glaubten, sicher, wie von Geller empfohlen, mindestens eine Zahl angekreuzt hatten, die so stark ist wie die Elf.

Jeder andere würde nach diesem Fiasko nun vielleicht an den “übersinnlichen Kräften” Gellers zweifeln; nicht aber “Bild”. “Bild” nennt ihn heute den “Magier der Zahlen” und lässt ihn “die verrückten Lottozahlen” “erklären”. (Jeder Mathematiker würde einem schlicht “erklären”, dass jede Zahlenkombination mit exakt der gleichen Wahrscheinlichkeit fällt, aber an Mathematik glauben natürlich nur Leute, die Geller abschätzig “Skeptiker” nennt.)

Geller “erklärt” also:

Ich bin nicht überrascht über die 34, 45 und 48. Zahlen in den oberen 30ern und in den 40ern kommen sehr oft vor.”

Ein Mathematiker würde auch hier einwenden, dass die Wahrscheinlichkeit, mit der eine Zahl bei der nächsten Ziehung fällt, nicht davon abhängt, wie oft sie bisher gefallen ist, aber tun wir einmal so, als hätte das irgendeine Relevanz, dann ist es trotzdem Quatsch: Wie man zum Beispiel hier nachlesen kann, gehören 34 und 45 zu den Zahlen, die bisher am seltensten gefallen sind.

“Überrascht” war Geller, dass die 6 gezogen wurde. Denn:

Die 6 steht normalerweise für Harmonie, Schönheit, Familie, Verantwortungsbewußtsein, Verständnis, Mitgefühl, Liebe, Heilkraft, Perfektionismus — aber auch für Eifersucht und Neid.

Im Grunde also für alles außer Rote Grütze, vierlagiges Recycling-Toilettenpapier und den Fährverkehr zwischen Helsinki und Tallinn. Und warum eine Zahl, die für Harmonie, Schönheit etc. steht, nicht als Lottozahl gezogen werden soll, lässt Geller völlig offen. Dafür sagt er über die “19”:

“19 ist wie 1 — nämlich 1 plus 9, die Null weggestrichen. Das ist eine kreative Zahl, eine Ego-Zahl. Sie signalisiert Unabhängigkeit, Originalität.”

Und hatte, was unsere mindestens genauso plausible Erklärung wäre, gerade Vertretungs-Dienst für die starke Zahl 11, die bekanntlich auf einer Südseeinsel ausspannte.

Natürlich darf Uri Geller sagen, glauben und “erklären”, was er will. Aber ebenso darf sich jede Zeitung selber entscheiden, welchen “Experten” sie gleich zwei Tage hintereinander anlässlich eines hohen Lotto-Jackpots zu Wort kommen lässt.

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Christiansen und der Hundesalon

Eins vielleicht vorweg: Sabine Christiansen gehört — wie Stefan Raab — nicht zu denjenigen Prominenten, deren Leben von der “Bild”-Zeitung mit Sympathie begleitet wird.

Am Dienstag berichtete “Bild”, dass die Fernsehmoderatorin gemeinsam mit Promi-Friseur Udo Walz einen Hundesalon in Berlin eröffnen werde. Wörtlich:

Die Talk-Queen wird am Donnerstag zur Eröffnung des Hundesalons „Sparks – dogs and more“ in Berlin (Uhlandstraße 181–183) erwartet, den sie als stille Teilhaberin an der Seite von Promi-Figaro Udo Walz (60) betreibt.

Heute, am Donnerstag, schreibt “Bild”:

Wie BILD am Dienstag exklusiv berichtete, ist auch TV-Moderatorin Sabine Christiansen (47) an diesem Salon beteiligt. Das ließ die TV-Lady allerdings sofort dementieren.

Sie sei keine Teilhaberin, sondern lediglich Schirmherrin für einen Teil der Einnahmen, die zu Gunsten notleidender Tiere verwendet werden.

Das ist falsch. Die Nachrichtenagentur AP meldete schon am Dienstag um 14.25:

[Christiansens] Referent Frank Jungbluth dementierte am Dienstag eine Meldung der “Bild”-Zeitung, wonach Christiansen den Salon in dieser Woche gemeinsam mit dem Prominentenfriseur Udo Walz eröffne. Christiansen sei lediglich zu einem kleinen Anteil stille Teilhaberin an dem Salon, einem Projekt von Walz, sagte Jungbluth. (…)

Auch die Pressesprecherin des Hundesalons “Sparks – dogs and more” in Berlin, Martina Conrad, widersprach dem Bericht der “Bild”-Zeitung. Der Salon habe vor einigen Tagen zunächst als Fachgeschäft für Tieraccessoires eröffnet. Nach dem Umbau der Räumlichkeiten sollte ein Pflegeangebot für Hunde hinzukommen. Ein Termin stehe noch nicht fest. Christiansen werde nicht im Salon erwartet.

Was Christiansen also dementieren ließ, war die Behauptung von “Bild”, Christiansen werde den Salon gemeinsam mit Walz am heutigen Donnerstag eröffnen. Sie dementierte nicht, dass sie stille Teilhaberin sei, sie bestätigte es sogar. Ihr Anteil beträgt 1250 Euro, das sind lächerliche zwei Prozent.

All das hindert “Bild” nicht daran, völlig irreführend schon in der Überschrift zu fragen:

Warum stehen Sie nicht zu Ihrem Hundesalon?

(Nun ja: Sie steht dazu.)

“Bild” weiter:

BILD wollte gestern bei Frau Christiansen nachfragen.

1. Warum haben Sie dementiert, daß Sie am Hundesalon von Udo Walz finanziell beteiligt sind?

2. Ist es Ihnen peinlich, daß Sie an einem Hundesalon beteiligt sind?

3. Ist Ihre Glaubwürdigkeit jetzt beschädigt?

Punkt 1: Sie hat es nicht dementiert, sie hat es bestätigt.

Punkt 2: Nein, ihr Sprecher sagte am Dienstag, Christiansens Einnahmen sollten “zu 100 Prozent in einen Sozialfonds fließen, aus dem tierärztliche Rechnungen bedürftiger Menschen bezahlt werden”, weil gerade für ältere Menschen Hunde häufig eine soziale Funktion hätten.

Punkt 3: Hä?

Und hat eigentlich die “Bild”-Zeitung, die offenbar sowohl am Dienstag als auch am Donnerstag falsch über den Fall berichtet hat, eine Glaubwürdigkeit, die jetzt beschädigt sein könnte?

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Deutschlands schnellstes Magazin

Die Schlagzeile der heutigen “Bild am Sonntag” geht über fast eine halbe Seite und sieht so aus:

Der “Gebühren-Skandal” besteht darin, dass Harald Schmidt den Vertrag für seine neue Late-Night-Show in der ARD nicht, wie üblich, mit einer einzelnen Rundfunkanstalt abgeschlossen hat, sondern mit der ARD-Filmhandelstochter Degeto. Auf diese Weise sollen, so “Bild am Sonntag”, “die Details seines Millionenvertrages den üblichen Kontrollinstanzen nicht zur Überprüfung vorgelegt werden”.

Ob das so sauber ist, darüber darf man zweifellos verschiedener Meinung sein. Aber das durfte man auch schon letzte Woche, vorletzte und vorvorletzte. Am 12. November, also vor inzwischen 23 Tagen, erschien in der F.A.Z. ein Artikel zu dem Thema mit folgender Passage:

Daß Schmidts Show von der ARD-Tochter Degeto finanziert wird, ist ein besonders geschickter Schachzug der Verhandler (…). Dank der Degeto-Konstruktion müssen nicht — wie sonst — einzelne ARD-Sender für die Show in die Tasche greifen und vor ihrem Rundfunkrat Rechenschaft ablegen.

Drei Tage später stand in der “Financial Times Deutschland” zum gleichen Thema:

Vertragspartner auf Seiten der ARD ist die privatwirtschaftlich organisierte Filmhandelstochter Degeto. Das hat den Vorteil, dass der Vertrag nicht gegenüber einer Vielzahl von Vertretern oder gar Gremien des komplizierten Senderverbunds offen gelegt werden muss.

Danach dauerte es nur noch 20 Tage, bis es auch die “Bild am Sonntag” verstanden hatte und einer großen Aufmachergeschichte würdig fand.

“Bild am Sonntag” nennt sich übrigens “Deutschlands schnellstes Magazin”.

Nachtrag, 6.12.04, 14:23: Bereits am Sonntagnachmittag hat die ARD reagiert und in einer Pressemitteilung Stellung genommen. Unter anderem heißt es darin “1. Bild am Sonntag schreibt nichts Neues”, “2. Bild am Sonntag schreibt Falsches” und “3. Bild am Sonntag folgt Konzerninteressen”.

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Zunehmendes Rumpeln

Man hätte es sich auch als Laie der Seismologie denken können: Wenn die “Bild”-Zeitung schreibt, dass die Zahl der Erdbeben zunimmt, ist sie in Wahrheit konstant, Tendenz: fallend.

Aber der Reihe nach.

Auch bei uns bebt die Erde immer öfter

lautet die Überschrift über der heutigen Folge der aktuellen Erduntergangs-Serie von “Bild”. Diese Behauptung wird im zugehörigen Artikel allerdings nicht wiederholt, geschweige denn belegt, also vergessen wir sie einfach. (Okay, nach der neuen “Null Toleranz”-Politik von “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann wäre das ein klassischer Fall von “übergeigter” Überschrift, die vom Text nicht gehalten wird, und es müssten Köpfe rollen, aber wir wollen da mal nicht so sein.)

Tatsächlich behauptet Dr. Paul C. Martin in seinem “Bild”-Artikel allerdings, dass die Zahl der Beben weltweit steigt:

Heute ist unser Planet von ca. 8000 Meß-Stationen überzogen. Sie melden täglich mindestens 50 Beben.
Tendenz? Leider steigend! (…)
Ist das zunehmende Rumpeln ein Alarmsignal?

Klare Antwort: Nö. Bzw.: Welches zunehmende Rumpeln?

“Bild” belegt seine These, dass “unser Planet aus dem Gleichgewicht” sei, mit einer Statistik, die eindeutig scheint: Danach hat sich die Zahl der aufgezeichneten Erdbeben 2003 gegenüber 1990 fast verdoppelt. Als Quelle gibt “Bild” das US-Erdbebenüberwachungszentrum NEIC an.

Auf dessen Internetseite finden sich zwar die von “Bild” verwendeten Daten. Dort findet sich aber auch ein Satz, der die Zunahme erklärt:

As more and more seismographs are installed in the world, more earthquakes can be and have been located. However, the number of large earthquakes (magnitude 6.0 and greater) have stayed relatively constant.

Mit anderen Worten: Es werden mehr Erdbeben gemessen, weil es mehr Erdbebenmessgeräte gibt. Die Zahl der schweren Erdbeben aber hat sich kaum verändert. Betrachtet man Erdbeben von mindestens der Stärke 5, hat die Zahl sogar eher abgenommen als zugenommen.

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Herr Pocher hat Recht

Heute vor einer Woche rückte “Bild” auf der Titelseite Oliver Pocher in die Nähe von Kinderschändern. Mehrere Wochen, nachdem er bei Johannes B. Kerner über das Thema Kindesmissbrauch gesprochen hatte, verkürzte und verdrehte das Blatt seine Aussagen (siehe hier). Pocher setzte gerichtlich eine Gegendarstellung durch, die sich heute auf der Homepage von bild.de und auf der Seite 1 der “Bild”-Zeitung findet:

Auf der BILD-Titelseite vom 20. Oktober 2004 schreiben Sie in einer Überschrift über mich: „Oliver Pocher TV-Star schützt Kinder-Schänder“.

Weiter heißt es dort: „… Der Komiker gab in der Kerner-Talkshow zu, von einem Kindesmißbrauch zu wissen. Den Täter zeigte er aber nicht an!“

Hierzu stelle ich fest: Der hierdurch erweckte Eindruck, ich würde aktuell einen Kinderschänder schützen, ist falsch. Meine Aussage in der Sendung Kerner bezog sich auf einen Fall, von dem ich vor zehn Jahren erfahren habe und der zum damaligen Zeitpunkt bereits 3 Jahre zurücklag. Die Tat ist verjährt und den Behörden bekannt.

Die Redaktion hat dem Text einen Satz hinzugefügt:

Herr Pocher hat Recht.

Das ist interessant. Denn gegenüber der FAZ hatte “Bild” vergangene Woche noch beharrt, im Recht zu sein. Und die Gegendarstellung hat “Bild” nicht freiwillig gedruckt, sondern erst, nachdem Pocher eine entsprechende Gerichtsentscheidung erreicht hatte. Von der Managerin des TV-Komikers ist zu erfahren: Entschuldigt habe sich “Bild” bei Oliver Pocher bis heute nicht.

Korrektur, 18.30 Uhr: Pochers Anwalt Christian Schertz sagt, eine Gerichtsentscheidung zur Erzwingung der Gegendarstellung sei nicht nötig gewesen. “Bild” habe die Gegendarstellung gedruckt, nachdem er die Zeitung abgemahnt habe. Am heutigen Donnerstag habe sich die “Bild”-Reporterin auch bei Pochers Managerin entschuldigt.

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