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“In Loriots unverwechselbarem Tonfall”

Die “Frankfurter Allgemeine Zeitung” hat sich dafür entschieden, mit diesem Bild des verstorbenen Humoristen Loriot zu gedenken:

Er läuft nicht mehr

Es entstammt dem Trickfilm “Auf der Rennbahn”, den Loriot 1970 zu einer alten Tonaufnahme gezeichnet hatte.

Und damit kommen wir zu einem kleinen Problem: Auch wenn die Bilder von Loriot sind, so sind die Stimmen die von Franz Otto Krüger und Wilhelm Bendow, letzterer hat den Sketch auch geschrieben.

Dieses Randwissen hilft einem vielleicht irgendwann mal bei der Beantwortung der 500.000-Euro-Frage bei “Wer wird Millionär?” — und es hätte einige Nachrufer vor Fehlern bewahrt:

n-tv.de:

Er rettete den Ruf des deutschen Humors. Seine Schöpfungen: “Ja, wo laufen sie denn?” und “Früher war mehr Lametta” kennt jeder.

“Zeit Online”:

Mit seinen Sketchen prägte Loriot nicht zuletzt die deutsche Umgangssprache. Sentenzen wie “Ein Klavier, ein Klavier”, “Ich schreie dich nicht an!”, “Die Ente bleibt draußen!”, “Ja, wo laufen Sie denn?” oder “Sagen Sie jetzt nichts” sind längst in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen.

“taz”:

Loriot hingegen sollte sich mit seinen gezeichneten oder gespielten Sketchen tief ins kulturelle Gedächtnis der Deutschen einschreiben. Man denke nur an Erwin Lindemann, “seit 66 Jahren Rentner”, die Akademiker Kloebner und Müller-Lüdenscheid in ihrer Badewanne (“Herr Doktor Kloebner, ich leite eines der bedeutendsten Unternehmen der Schwerindustrie und bin Ihnen in meiner Badewanne keine Rechenschaft schuldig”), man denke an Zitate wie “Ja, wo laufen sie denn?”, “Früher war mehr Lametta”, “Morgen bringe ich sie um!” oder Hamanns konsterniertes “Ach was!”

news.de:

Jahr für Jahr fällt in unzähligen weihnachtlich geschmückten Haushalten der Satz “Früher war mehr Lametta!”. Geprägt hat ihn Loriot, während der Weihnachtsfeier bei Hoppenstedts. Auch Formulierungen wie “Das Bild hängt schief”, “Ein Klavier, ein Klavier!”, “Ach was?!” und “Ja wo laufen sie denn?” haben Einzug in den alltäglichen Sprachgebrauch gehalten.

“Focus Online”:

Zu seinen berühmtesten Szenen gehört zweifellos der Sketch mit der Nudel im Gesicht eines Restaurantbesuchers und dem Zitat “Sagen Sie jetzt nichts, Fräulein Hildegard”. Auch viele andere Redewendungen aus seinen Szenen wurden zu geflügelten Worten, etwa “Ein Klavier, ein Klavier”, “Wo laufen sie denn?” oder “Früher war mehr Lametta”.

dpa:

Und Sprüche aus Loriot-Sketchen wie “Hildegard, warum sagen Sie denn nichts?” oder “Wo laufen sie denn?”, “Früher war mehr Lametta” und das knappe und doch alles umfassende “Ach was!?” sind längst zu geflügelten Worten in der deutschen Umgangssprache geworden.

“Financial Times Deutschland”:

Um es vorwegzunehmen: Loriot war ein Ausnahmekünstler, ein genialer Kopf- und Baucharbeiter, dessen Humor quer durch alle Gesellschaftsschichten ging. Vielleicht war er sogar der wichtigste Humorist, den Deutschland bislang hervorgebracht hat – und der uns geflügelte Worte schenkte wie “Wo laufen Sie denn?”, “Im Herbst eröffnet der Papst mit meiner Tochter eine Herrenbutike in Wuppertal” oder “Früher war mehr Lametta”.

Das Pferd Den Vogel abgeschossen hat aber “Der Freitag”, der unter der Überschrift “Ja wo laufen Sie denn?” behauptet:

Einige seiner Sketche wurden zu Klassikern des deutschen Humors, etwa jener mit der Nudel, auf deren unstatthafte Existenz die Tischdame mit allerlei unauffälligen Andeutungen vergeblich hinweist, oder “Auf der Rennbahn” mit dem immer wieder zitierten Spruch “Ja wo laufen sie denn?” in Loriots unverwechselbarem Tonfall.

Mit Dank an M. Sch. und Stefan K.

Nachtrag, 15.05 Uhr: “Der Freitag” hat den Absatz geändert:

Einige seiner Sketche wurden zu Klassikern des deutschen Humors, etwa jener mit der Nudel, auf deren unstatthafte Existenz die Tischdame mit allerlei unauffälligen Andeutungen vergeblich hinweist, oder auch der Zeichentrickfilm zu Wilhelm Bendows “Auf der Rennbahn” mit dem immer wieder zitierten Spruch “Ja wo laufen sie denn?”.

Autor Thomas Rothschild schreibt in den Kommentaren:

Sie haben Recht. Ich fühle mich beschämt. Das hätte auch in der Eile eines Nachrufs nicht passieren dürfen. Danke jedenfalls für die Korrektur.

Die dpa hatte ihren Fehler sogar schon gestern Nachmittag korrigiert, bei zahlreichen OnlineMedien steht aber immer noch die ursprüngliche, fehlerhafte Version.

Lachen, nicht denken

Jedes Jahr das gleiche Schauspiel: Kurz bevor die echten Nobelpreisträger bekannt gegeben werden, versammelt sich im Sanders-Theater der Harvard-Universität ein buntes Forscher-Völkchen, um die Skurrilitäten des Wissenschaftsbetriebs mit dem Ig-Nobel-Preis zu feiern. Gewürdigt werden wissenschaftliche Arbeiten, die “zuerst zum Lachen und dann zum Denken” anregen sollen.

Das mit dem Lachen scheint prima zu funktionieren: Kaum eine Redaktion lässt es sich entgehen, über die skurrilen Mischung aus BH und Gasmaske zu berichten, deren Schöpferin einen Ig-Nobel-Preis verliehen bekam. Mit dem Denken hapert es dann schon eher. So findet sich auf Bild.de diese Zusammenfassung einer Studie eines weiteren Preisträger-Teams:

Preis für Physik: Den Physikpreis verdienten ein US-Forscherteam. Katherine K. Whitcome (University of Cincinnati, USA), Daniel E. Lieberman (Harvard University, USA) und Liza J. Shapiro (University of Texas, USA) untersuchten, warum schwangere Frauen nicht umkippen. Sie fanden heraus, dass schwangere Frauen deshalb nicht vornüber fallen, weil sie einen Rückenwirbel mehr haben als Männer und deshalb biegsamer sind.

Das ist natürlich Unsinn. Schwangere Frauen haben so viele Wirbel wie nicht-schwangere, und die haben so viele Wirbel wie Männer. Der Lendenwirbel-Bereich ist bei Frauen lediglich etwas anders geformt, was die geehrten Forscher untersucht hatten. Ihre Ergebnisse waren schon kurz, nachdem sie im Jahr 2007 in der Zeitschrift Nature erschienen, auch in deutschen Medien korrekt wiedergegeben worden.

Wer aber den zusätzlichen Rückenwirbel lediglich den berüchtigten Englisch-Kenntnissen von Bild.de zuordnen will, irrt. Die selbe Behauptung findet sich auch im “Hamburger Abendblatt”, bei n-tv.de, in der “Netzeitung” und sogar in der “Ärztezeitung”, die sie allesamt aus einer Meldung der Nachrichtenagentur dpa von vergangener Woche übernommen haben.

Mit Dank an Maja I. für den sachdienlichen Hinweis.

Nachtrag, 7.10.2009, 12:18 Uhr: Das “Hamburger Abendblatt”, n-tv.de und die “Ärztezeitung” haben die entsprechende Passagen inzwischen ohne weiteren Kommentar korrigiert oder ganz gestrichen.

Wir haben bei der dpa angefragt, wie es zu diesem Fehler kommen konnte. Das dpa-Büro in New York schiebt die Verantwortung auf eine fehlerhafte Pressemitteilung, kann auf Nachfrage aber keinen solchen Text vorlegen. Auch beim Veranstalter ist eine solche Pressemitteilung unbekannt.

Nachtrag 2, 18:06 Uhr : Inzwischen hat auch die “Netzeitung” den Fehler entfernt.

Nachtrag 3, 20:30 Uhr: Die dpa hat ihre Quellen nochmals überprüft und festgestellt, dass der Fehler nicht aus einer Pressemitteilung stammt. Zusätzlich hat die Presseagentur auch eine Berichtigung ihrer Meldung veröffentlicht.

Ceci n’est pas un muentefering

Es sollte sich (selbst unter Journalisten) allmählich mal herumgesprochen haben: Was im Microbloggingdienst Twitter so alles veröffentlicht wird, ist nicht unbedingt das, was es zu sein scheint — und im Zweifelsfall ungefähr so glaubwürdig wie, sagen wir, die “Bild”-Zeitung.

Insbesondere der gefälschte Twitter-Account eines gewissen “Franz Müntefering” sorgte in der Vergangenheit schon wiederholt für Verwirrung, worauf die SPD-Zentrale gewohnheitsmäßig mit einem unmissverständlichen Dementi reagiert. Das letzte Mal – aber keinesfalls das letzte Mal – vor zwei Monaten, wie die Nachrichtenagentur AFP verbreitete:

Zwar habe es schon mehrfach Anfragen zu vermeintlichen Twitter-Botschaften des SPD-Chefs gegeben, hieß es aus dem Willy-Brandt-Haus. Doch “der Parteivorsitzende twittert nicht.”

Genutzt hat es nichts. Kaum meldete sich der falsche @muentefering heute aus gegebenem Anlass via Twitter-Botschaft zu Wort (siehe Screenshot), berichtete der, äh, Dingsbumssender n-tv (Eigenwerbung: “schnell und kompetent”) in seinem Online-Angebot:

Nach Informationen von n-tv soll der bisherige Umweltminister Sigmar Gabriel Parteichef Franz Müntefering nachfolgen. Der SPD-Chef bestätigte seinen Rückzug vom Parteivorsitz.

Mit Dank an netzpolitik.org.

Nachtrag, 30.9.2009: Heute hat dann auch die “Berliner Morgenpost” den vermeintlichen Twitterer Müntefering im Blatt, genauer gesagt, auf der Titelseite (siehe Ausriss und online natürlich). Dabei wusste doch die Konkurrenz von der “Berliner Zeitung” schon zu berichten, dass sich hinter @muentefering ein “Mitarbeiter einer Berliner PR-Agentur” und “Experte für virales Marketing” verberge.

Nachtrag, 1.10.2009: Bei n-tv.de wurde der Artikel inzwischen komplett umgeschrieben. Und auch die “Mopo” hat inzwischen gemerkt, dass es sich bei @muentefering “um einen gefälschten Account” handelt.

AFP, n-tv.de  etc.

Das russische Murmeltier der Apokalypse

Der Wahlkampf plätschert irgendwie lustlos vor sich hin, der halbe Süden der Republik ist noch im Sommerurlaub. Harte Zeiten für Redaktionen, die trotzdem irgendwie jeden Tag was Neues raushauen müssen. Man kann sich also den Erleichterungsseufzer vorstellen, als am Montag eine schier sensationelle Meldung über den Ticker von AFP  ging:

Ein russischer Politologe hat für das kommende Jahr die Auflösung der Vereinigten Staaten vorausgesagt. Die Wahrscheinlichkeit, dass die USA im Juli 2010 “aufhören zu existieren”, liege bei über 50 Prozent, sagte Professor Igor Panarin von der Diplomatischen Akademie des russischen Außenministeriums am Montag. Die Auswirkungen der Finanzkrise, der Jugendgewalt, der vaterlosen Familien, des Hurrikans “Katrina”, der Homosexualität und der überfüllten Gefängnisse würden zu einer “psychologischen Katastrophe” in den USA und damit letztlich zum Auseinanderbrechen des Staates führen.

Bei n-tv.de ist man auf das neueste Untergangsszenario der USA ziemlich dankbar angesprungen.

Schon in den vergangenen Monaten war derselbe Mann mit derselben These u.a. in den Schlagzeilen von “Welt Online” und Bild.de aufgetaucht:


Und ja, tatsächlich: Igor Panarin hat am Montag davon gesprochen, dass die Wahrscheinlichkeit eines Auseinanderbrechens der USA im kommenden Jahr bei rund 50 Prozent liege. So ähnlich, wie er es Jahr für Jahr immer und immer wieder tut. Die “Süddeutsche Zeitung” nannte ihn erst vor drei Wochen den “bizarren Politikprofessor aus Moskau”, der seit vielen Jahren das selbe Szenario predige. Und auch “Wikipedia” weiß:

Nach der Finanzkrise 2008 und der sich danach herauskristallisierten weltweiten Wirtschaftskrise, von der Russland im Jahr 2008 stark betroffen war, genießt seine Person eine starke Aufmerksamkeit in den russischen Medien, da er eine Dekade früher den Verlust der führenden Stellung der USA in einer unipolaren Welt und damit den Beginn des Niedergangs der USA für das Jahr 2010 prognostizierte.

Eine Dekade früher? Keine Übertreibung. Schon 1998 berichtete die FAZ von der “Ars Electronica” in Linz und schrieb mit einem unüberhörbaren Bedauern:

Die Linzer Tagung litt unter dem Übergewicht der Exzentriker. Das konnte ein Virilio sein, dem es in wenigen Sätzen gelang, den Untergang der Titanic, Hiroshima, Tschernobyl, das Klonen und die Pädophilie im Internet unter einen Hut zu bringen. Aber meist war es doch eher jemand vom Schlage des russischen Politologen Igor Panarin, der vorführte, wie die Vereinigten Staaten demnächst in vier Teilstaaten zerfallen, und dazu fröhlich in die Hände klatschte.

Dass also Igor Panarin irgendwann irgendwo auf der Welt den bevorstehenden Untergang der USA prophezeit, ist seit etlichen Jahren so sicher wie Weihnachten im Dezember. Doch gerade in harten Zeiten wie diesen scheint das den Redaktionen dennoch jedesmal wieder für eine Meldung zu taugen.

Mit Dank an Helgo O.!

Vernichtung Israels kurzfristig verschoben

Die Meldung, die der Nahost-Korrespondent des deutschen Nachrichtensenders n-tv aufgetan hatte, war ein ziemlicher Knaller. Der Iran habe angekündigt, Israel in den nächsten Tagen anzugreifen und zu vernichten, berichtete Ulrich W. Sahm am Sonntag:

Sahm scheint der einzige Journalist gewesen zu sein, der von der unmittelbar bevorstehenden Vernichtung Israels erfahren hatte, aber es fanden sich zahlreiche Menschen, die ihm glaubten und glauben wollten. Seine Meldung wurde von der rassistischen Islam-Hass-Seite “Politically Incorrect” sowie dem bekannten “Spiegel”-Autor Henryk M. Broder und seinem publizistischen Netzwerk “Die Achse des Guten”* schnell verbreitet.

Sie stimmt bloß nicht.

Gesagt hatte der iranische Generalstabschef Oberbefehlshaber Atallah Salihi nach Angaben des “Middle East Media Research Institute”:

“In Wahrheit fehlt Israel der Mut, uns anzugreifen. Wenn wir von Israel angegriffen werden, glaube ich nicht, dass wir mehr als elf Tage brauchen, um Israel zu vernichten.”

Salihi spricht ausdrücklich nicht von einem eigenen Angriff, sondern der Reaktion auf einen Angriff auf den Iran.

Inzwischen scheint das auch jemand Ulrich Sahm erklärt zu haben. Klammheimlich, ohne jeden Hinweis, hat n-tv.de den Artikel grundlegend geändert. Die Überschrift ist zwar weiterhin: “‘Zerstörung in elf Tagen’ — Iran bedroht Israel”. Die Nachricht lautet aber nur noch:

Der Iran hat erstmals angegeben, in welchem Zeitraum es [sic] die Zerstörung Israels im Falle eines bewaffneten Konfliktes für möglich hält. (…)

Nach Angaben eines n-tv-Sprechers ist Sahms Meldung nur online und nicht im Fernsehen gelaufen.

Mit Dank an Arne Hoffmann.

*) Sahm ist übrigens Gastautor bei der “Achse des Guten”.

Nachtrag, 19.00 Uhr. Per Mail wirft Sahm uns vor, Salihis Zitat “gekürzt und verfälscht” zu haben. Der iranische General habe ausdrücklich gesagt, dass nicht nur Israel, sondern die “Existenz Israels” ausgelöscht werden sollte. Sahm fragt: “Hat es einen Grund, dass Sie das Wort ‘Existenz’ wegzensiert haben?”

Die Antwort lautet: Nein.

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