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Gina-Lisa macht “solche Sachen” nicht

Wenn Sie sich nicht für Fußball interessieren, haben Sie’s gerade schwer genug. Wenn Sie sich nicht für das interessieren, was Fußballer außerhalb des Fußballplatzes so machen, wird’s jetzt richtig schlimm. Aber weil es Journalisten gibt, die sich genau dafür interessieren, müssen wir da jetzt gemeinsam durch:

Wenige Tage vor Beginn der Fußball-Europameisterschaft kam es in einem Berliner Hotel zu einer nächtlichen Begegnung mit Folgen: Der deutsche Nationalspieler Jerome Boateng und die Boulevard-Prominente Gina-Lisa Lohfink trafen sich an der Hotelbar (“Sie trinkt Champagner, er trinkt Wasser”) und suchten später mit einer dritten Person ein Hotelzimmer auf (“Die TV-Blondine: ‘Wir haben uns nur unterhalten!'”).

Wenn Sie glauben, das sei die langweiligste Geschichte der Welt, haben Sie die Rechnung ohne die Boulevardpresse gemacht: Zufällig war auch ein Fotograf anwesend, grieselige Bilder erschienen in “Bild”. Und weil ein Nationalverteidiger, der zu spät ins Bett geht, ein Vorfall von nationaler Bedeutung ist, drehten die Medien an der Demarkationslinie von Boulevard und Sport über Tage frei.

Arthur Boka, Verteidiger beim VfB Stuttgart und Ex-Freund von Frau Lohfink, gab gegenüber der Münchner “tz” zu Protokoll:

“Ich bin mir sicher, dass Jerome in eine Falle gelockt wurde! Gina-Lisa macht solche Sachen immer wieder, um in den Schlagzeilen zu bleiben.”

Medien wie Eurosport oder “Welt Kompakt” (und damit auch welt.de und morgenpost.de) übernahmen die Informationen aus dem Boka-Interview gerne — und haben jetzt den Salat:

Gegendarstellung
Auf dem Online-Portal www.morgenpost.de wurde am 10.06.2012 unter der Überschrift “Jerome Boateng kämpft sich aus Frust aus der Luder-Falle” ein Artikel öffentlich zugänglich gemacht, der unwahre Tatsachenbehauptungen enthält, die ich wie folgt richtig stelle:

Es wird behauptet:

“Inszenierung mit Gina-Lisa

Es war offenbar eine Inszenierung, in die Boateng hineingeraten war. …

“Jerome wurde in eine Falle gelockt

Arthur Boka, … einst mit Lohfink liiert, erkannte das Muster: ‘Ich bin mir sicher, dass Jerome in eine Falle gelockt wurde’, … und beschrieb die Inszenierung so: ‘Ich glaube, dass der Fotograf in das Hotel bestellt wurde. Dann wurden die Bilder verkauft, und Gina-Lisa hat Geld dafür bekommen’, sagt: ‘So bekommt sie Aufmerksamkeit und bleibt im Gespräch.”

“Boateng ist in die Falle getappt.”

Hierzu stelle ich fest:

Diese Behauptungen sind unwahr. Weder habe ich einen Fotografen in das Hotel bestellt, noch habe ich Geld für den Verkauf der Bilder bekommen. Es handelte sich daher auch nicht um eine Inszenierung. Ich habe Herrn Boateng daher auch nicht in eine Falle gelockt und ich mache “solche Sachen” auch nicht immer wieder, um in den Schlagzeilen zu bleiben.

Köln, den 20.06.2012

für Gina-Lisa Lohfink

Heiko Klatt
Rechtsanwalt

Anmerkung der Redaktion: Frau Lohfink hat recht. Unser Artikel basierte auf Angaben ihres ehemaligen Lebensgefährten, der seine Aussagen mittlerweile zurückgezogen hat.

Tatsächlich ist der Originalartikel im Internetangebot der “tz” inzwischen offline, auch die Artikel bei Eurosport und welt.de sind verschwunden.

Ironie der Geschichte: Frau Lohfink ist mal wieder in den Schlagzeilen.

BILDblog sprach als erstes mit der Toten

Es ist eine Sache, wenn Boulevardjournalisten glauben, die neuesten Mord-und-Totschlag-Meldungen mit geklauten Fotos aus dem Internet bebildern zu müssen. Eine schlimme Sache.

Es ist aber noch mal etwas ganz anderes, wenn Boulevardjournalisten blind vor Sensationsgeilheit die falschen Fotos aus dem Internet klauen.

Am Samstag berichtete “Bild” über ein “blutiges Drama in der Studenten-WG”: Im Berliner Stadtteil Wedding soll ein Mann zunächst seine Mitbewohnerin getötet haben, ehe er selbst aus dem Fenster sprang. Und weil es den Leuten von “Bild” nicht reichte, Fotos zu zeigen, auf denen der schwer verletzte Mann und die tote Frau abtransportiert werden, haben sie sich ein bisschen im Internet umgesehen und ein Foto einer jungen Frau gefunden.

Angehörige und Bekannte der Abgebildeten waren schockiert, als sie die Frau auf der Startseite von Bild.de und in der Berliner Regionalausgabe von “Bild” als vermeintliches Mordopfer sahen. Doch Hannah W. lebt, das Mordopfer heißt Hanna K.

Im Eifer des Gefechts hatten die Fachleute für Leichenfledderei den Blog von Hannah W. aus Bremen gefunden und sich dort an einem Foto der jungen Frau bedient. Aus dem Impressum übernahmen sie Hannah W.s Studienfach und dichteten es der Toten an, obwohl aus dem selben Impressum klar hervorgeht, dass Hannah W. nicht Hanna K. heißt und 1985 geboren ist — das Mordopfer war 21.

Im Laufe des Samstags muss den Leuten bei Bild.de die Verwechslung dann doch irgendwie aufgefallen sein, jedenfalls nahmen sie das Foto von Hannah W. aus ihrer Bildergalerie und von der Startseite.

Heute nun erschien in “Bild” und auf Bild.de jeweils eine “Richtigstellung”:

Richtigstellung: In der BILD Berlin-Brandenburg vom 16.06.2012 haben wir unter der Überschrift "Mann tötet Mitbewohnerin und springt aus dem Fenster" ein Foto des angeblichen Mordopfers "Hannah K." veröffentlicht. Tatsächlich ist die Abgebildete nicht das Mordopfer. Wir bedauern die Fotoverwechslung. Die Redaktion

Hannah W. erklärte uns auf Anfrage, dass “Bild” bisher keinen persönlichen Kontakt zu ihr aufgenommen habe. Sie hat in ihrem Blog einen offenen Brief an “Bild” veröffentlicht und ihre Anwälte eingeschaltet.

Mit Dank auch an die vielen Hinweisgeber.

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Cristiano Ronaldos Lutschfinger

Aus dem Kunstunterricht kennen wir die sogenannten Vexierbilder: Bilder, die auf den ersten Blick etwas anderes zeigen als auf den zweiten.

Ein solches Bild ist auch entstanden, als der portugiesische Fußballer Cristiano Ronaldo am Sonntagabend sein Tor gegen die Niederlande bejubelte.

In der Montagsausgabe sah “Bild” darin einen “peinlichen Ego-Jubel”:

Ronaldo lutscht Holland weg — Tolle Tore, aber peinlicher Ego-Jubel

Die Kunsthistoriker aus der Sportredaktion hatten sich sogar an eine ausführliche Bildanalyse gewagt:

Portugal packt es als Gruppenzweiter ins Viertelfinale am Donnerstag gegen Tschechien. Dank Cristiano Ronaldo (27). Der trifft zweimal toll – aber jubelt wie ein Proll mit einer peinlichen Ego-Show. […]

28. Minute: Ronaldo frei vorm Tor. Diese Chancen hatte “CR7” bisher bei der EM versiebt. Diesmal nicht! Eiskalt knallt er rechts rein – 1:1! Sein Jubel sieht arrogant aus: Kühl winkt er alle zum Jubeln ran, schenkt seinen Kritikern mit Daumen im Mund die “Lutscher”-Geste direkt in die TV-Kamera.

So ein Jubel macht ihn nicht sympathischer…

Am heutigen Dienstag nun zeigt das Foto etwas ganz anderes:

Lutscher-Jubel für den Sohn (2): Millionen sahen am Sonntag den Lutscher-Jubel von Cristiano Ronalod (27) gegen Holland. Der Portugal-Star nuckelte nach seinem Tor zum 1:1 am Daumen. Der Grund ist sein Sohn! Cristiano Ronaldo junior wurde am Spieltag zwei Jahre alt! Ronaldo: "Ich widme dieses Tor meinem Sohn." Auf seinem T-Shirt stand: "Junior, Papa liebt dich! Glückwunsch!" Ronaldos Mama Dolores kümmert sich um den Mini-Ronaldo. Ronaldo selbst hält die Identität der Mutter geheim, soll für die Vormundschaft knapp 12 Mio gezahlt haben.

Mit Dank an Shahnawaz M., Shahzaib M., Pia B. und Florian P.

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“Bild für alle”: Vorfreude und Respekt

Man kann sich als Laie ja gar nicht vorstellen, was es bedeutet, rund 4.400 Tonnen bedrucktes Papier an einem Tag gleichmäßig auf alle deutschen Haushalte zu verteilen. Genau das muss die Deutsche Post AG am 23. Juni machen, wenn sie für die Axel Springer AG ca. 41 Millionen kostenlose “Bild”-Jubiläumsausgabe ausliefert (BILDblog berichtete).

Neben den logistischen und technischen Herausforderungen scheint es ein weiteres Problem zu geben: Die Stimmung in den eigenen Reihen. Im “Postbotenforum” beklagen sich die eigentlichen Zusteller, die Postboten:

Kommt Leute das ist doch locker zu schaffen.Notfalls fahren wir alle Sontag morgen noch einmal Schwarz und Ohne Versicherungsschutz auf Zustellung damit der arme geknechtete Postvorstand auch ja seine dicken Boni Prämien einsacken kann. […]

Wieso stellt diese Sonderausgabe eigentlich nicht die PIN AG zu, schließlich war der Springer Verlag mal Mehrheitseigner und sollte doch seine Zöglinge unterstützen, aber nein – für solche Massenzustellung dafür ist die “blöde” gelbe Post gut genug. Die Post verdient daran und wir Zusteller gehen, wie meistens, leer aus. Und wenn man den Finger hebt: “Das ist ihr Job” und sie haben ja nicht einmal Unrecht. Wir müssen uns im Zeitalter von E-Mail & Ipods über jeden physikalischen Brief/Sendung freuen. Seufz. […]

Die mit ihrer beschissenen Bildzeitungsverteilung, sollen die doch so Aufsteller platzieren, wo sich jeder der den Schrott wirklich lesen will eine rausnehmen kann, vertig! Mit sonem Zeug muss man doch wirklich keinen Zusteller nerven! […]

Ach so, persönlich wollte ich meine Daten nicht an campact und/oder den Springerverlag weiterleiten. Daher überlege ich noch, ob ich die Dinger in der Nachbarschaft einsammle, ein paar Briefmarken opfere und das Papier zurückschicke (Müll soll vom Erzeuger entsorgt werden) oder nen “KEINE Bild in meinem Kasten”-Schild aufhänge.

Das deckt sich mit den Kommentaren von Post-Angestellten, die wir bei Facebook und per E-Mail erhalten haben.

Die Deutsche Post, die laut “Financial Times Deutschland” mit der Verteilaktion einen “niedrigen einstelligen Millionenbetrag” verdienen dürfte, hat unterdessen alles genau geplant, wie aus einer internen E-Mail an die Mitarbeiter hervorgeht, die uns vorliegt:

Sehr geehrte Damen und Herren,

in der heutigen Sonder-Freitagsmail möchte ich Sie über folgendes Thema informieren:

Bild für Alle

Am Samstag, den 23. Juni wird die Deutsche Post für den Axel Springer Verlag eine kostenlose Sonderausgabe der Bild-Zeitung zu deren 60. Jubiläum an sämtliche Haushalte verteilen.

Insgesamt werden fast 41 Millionen Exemplare an diesem einen Tag zugestellt. Damit handelt es sich um das größte Einzelprojekt in der Zustellung, das wir jemals durchgeführt haben. Es ist mit einer besonderen medialen und öffentlichen Aufmerksamkeit zu rechnen.

Ich freue mich sehr auf diese Aufgabe, habe gleichzeitig aber gehörigen Respekt davor. Ich vertraue auf Ihre Unterstützung mit Rat und Tat und hoffe, auch Sie sehen dem Ganzen mit Vorfreude und Respekt entgegen.

Noch einige Anmerkungen zum Betriebsablauf:

Die unadressierte Bild-Jubiläumsausgabe ist an sämtliche Haushalte zuzustellen. Weil es sich um ein Presseerzeugnis handelt, erhalten auch Werbeverweigerer (Briefkastenaufkleber “Keine Werbung”) ein Exemplar.

Es gibt nur zwei Fälle, in denen nicht zuzustellen ist:

  • Anzeigenblattverweigerer (Briefkastenaufkleber “Keine Anzeigenblätter”, “Keine kostenlosen Zeitungen”, und ähnliches): Diese erhalten kein Exemplar. Im Zweifel ist nicht zuzustellen.
  • “Widersprüchler”: Es gibt einige Personen, die gegenüber dem Axel Springer Verlag einer Zustellung der Bild-Jubiläumsausgabe schriftlich widersprochen haben. Diese Haushalte erhalten taggleich einen adressierten roten Umschlag (Großbrief C4), um sie in der Zustellung erkennen zu können. Überall dort, wo der rote Umschlag zuzustellen ist, darf keine Bild-Jubiläumsausgabe eingeworfen werden.

Die Bild-Jubiläumsausgaben sind jederzeit gesichert aufzubewahren, damit kein Exemplar vor dem 23.06. in die Hände Dritter gelangt.

Ich bin sicher, dass Sie durch eine optimale, umfassende Kommunikation unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf den Zeitpunkt genau bestens auf diese Aufgabe einstellen. Die notwendigen Materialien und Informationen haben Sie schon bekommen. Bei Öffentlichkeits-, Kunden- oder Presseanfragen verweisen Sie bitte ausschließlich an die Pressesprecher.

Ich zähle auf Ihren besonderen Einsatz, damit wir das Projekt erfolgreich meistern und so einen weiteren eindrucksvollen Nachweis liefern, als Deutsche Post erste Wahl für unsere Kunden zu sein!.

Ihr Feedback ist uns wichtig: Schreiben Sie uns Ihre Kommentare und Hinweise zur Freitagsmail an (…).

Mit freundlichen Grüßen

(…)

Wer an die Pressesprecher verwiesen wird oder sich direkt an sie wendet, sollte sich übrigens keine allzu großen Hoffnungen machen: Der “FTD” gegenüber sagte ein Post-Sprecher, man äußere sich nicht zu Kundenbeziehungen. Das ist immerhin mehr Rückmeldung, als wir bei unseren Kontaktversuchen bekommen haben.

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Pünktlich zur Fußball-Weltmeisterschaft

Auch für “Bild” hört der Spaß irgendwann mal auf:

Sie legen Rohrbomben, zünden Autos an, besetzen Häuser. Und jetzt haben sie auch noch die Jagd auf unsere Deutschland-Fähnchen eröffnet!

“Sie”, das sind natürlich die üblichen Chaoten:

Pünktlich zur Fußball-Europameisterschaft rufen Berliner Autonome zum stadtweiten Flaggen-Klau auf.

WARUM WOLLT IHR UNS AUCH NOCH DIE EM VERMIESEN?

Berlin wieder schwarz-rot-geilOb die Redakteure mit “uns” mal wieder “ganz Deutschland” meinen oder nur “Bild”, bleibt wie so oft unklar, aber zumindest macht die Zeitung keinen Hehl daraus, zu welchem Team sie bei der Fußball-Europameisterschaft hält (s. rechts). Es scheint, als sei es dieser Tage mindestens ebenso schlimm, gar kein Fußballfan zu sein, wie Fan eines anderen Nationalteams. Und am Allerschlimmsten sind natürlich – und damit zurück zu den Berliner Autonomen – die, die aktiv gegen die “schwarz-rot-geile” Partystimmung vorgehen.

Die Berliner Regionalausgabe erklärte gestern, was es heißt, wenn die Autonomen “jetzt” die Jagd auf “unsere” Deutschland-Fähnchen eröffnet haben:

Unter dem Motto “Capture the Flag” (deutsch: “Erbeute die Fahne”) wird seit Freitag dazu aufgerufen, alles zu zerstören, was Schwarz-Rot-Gold ist.

Die drei Männer und eine Frau, die da “vor einem Haufen geklauter Auto-Fähnchen” posieren, müssen in den drei Tagen richtig fleißig gewesen sein:

Warum wollt Ihr uns die EM vermiesen? Autonome rufen zum Flaggen-Klau auf

Andererseits steht das Foto schon seit dem 23. Juni 2010 bei “Indymedia”, was relativ eindeutig bedeutet, dass es sich bei der Beute nicht um aktuelle handelt.

Auch der “Autofähnchen-Ersatzflyer” zum Ausschneiden, von dem “Bild berichtet, ist keine aktuelle Entwicklung:

Das Flugblatt soll über den Stiel eines abgebrochenen Autofähnchens gesteckt werden.

Darauf steht: “Lieber Autofahrer. Ich habe Ihre Nationalfahne entfernt. (…) Sie produziert Nationalismus.”

Ein solches Flugblatt wurde bereits im November 2010 im Blog “Notes Of Berlin” dokumentiert.

Aber noch einmal zurück zur “Bild” im Juni 2012:

Im Internet wurde eine Broschüre veröffentlicht, die den Autonomen konkrete “Handlungsanweisungen” liefert. (…)

Dass sich die Täter mit ihrem Vandalismus strafbar machen, erwähnen sie natürlich nicht…

Nun kann man den Machern der Broschüre (PDF) durchaus vorwerfen, dass sie die strafrechtlichen Konsequenzen herunterspielen. Aber dass sich die Täter strafbar machen, verschweigen die Macher keineswegs. Sie widmen dem Aspekt “Rechtliche Konsequenzen des praktischen Antinationalismus” sogar eine ganze Seite:

Grundsätzlich ist das widerrechtliche Entfernen von Autofähnchen und anderem Fanzubehör nichts weiter als “Diebstahl geringwertiger Sachen” (§ 248a StGB), je nach Entwendungsart dann wohl in Tateinheit mit “Sachbeschädigung” (§ 303 StGB), die jeweils nur auf Antrag eines Betroffenen, z.B. der Eigentümer*innen, verfolgt werden. Das heißt, Autofahrer*innen, die ihr Fähnchen verloren haben und einen Diebstahl vermuten, müssten Anzeige erstatten.

Geschieht der Diebstahl serienmäßig und regen sich besonders viele Patriot*innen nach Lektüre der Boulevardpresse darüber auf, kann die Staatsanwaltschaft auch “wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten” halten (§ 248a). […]

Mit Dank an Uwe V., Thomas, Winz und Interessierter_Leser.

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6 Bier, 4 Würstchen, 1 Anzeige

Manche Dinge sind einfach sicher: die Rente, das Amen in der Kirche oder die sommerliche Kooperation von “Bild” und Lidl, zum Beispiel.

Nach dem “WM-Knaller” (2006), dem “EM-Paket” (2008), dem “WM-Paket” (2010) und dem namentlich nicht näher bezeichneten Paket zur Frauen-Fußballweltmeisterschaft (2011) war es letzten Freitag Zeit für die Ansage “Bitte nicht wieder wählen!” das “EM-Fan-Paket”:

Das ist die perfekte Vorbereitung auf den EM-Start! Im Paket stecken 6 Flaschen Grafenwalder Pils, 1 Paket mit 4 Gebirgsjäger-Rostbratwürsten und eine Deutschland-Autofahne. Einfach den Coupon in der Zeitung ausschneiden, in einer der mehr als 3100 Lidl-Filialen in Deutschland das Paket für 1,99 Euro holen und den Coupon an der Kasse abgeben.

Das mit den Stückzahlen hätte man Joelle (20) vielleicht noch mal genauer erklären sollen, die sich 12 Bier, 16 Würstchen und eine Fahne “geschnappt” hat:

Joelle (20) ist schon voll im EM-Fieber und hat sich gleich ein Fan-Paket geschnappt

Überhaupt hätten wir gedacht, dass sechs Flaschen Bier eigentlich ausreichen sollten, um das mit der Fahne selbständig auf die Reihe zu kriegen, aber so ein Ding fürs Auto kann ja nie schaden — falls man mal überraschend den Bundespräsidenten fahren muss, zum Beispiel.

Doch zurück zum “Fan-Paket”: In mittlerweile guter Tradition hat “Bild” nur den Coupon selbst mit dem Wort “Anzeige” versehen (das allerdings wieder doppelt).

Die Berichterstattung im Vorfeld muss demnach ebenso traditionell wohl als redaktioneller Inhalt angesehen werden:

Mittwoch, 6. Juni, Seite 1:

Freitag gibt

Donnerstag, 7. Juni, Seite 1:

Morgen Fan-Paket von Lidl & BILD holen!

Freitag, 8. Juni, Seite 1:

EM-Paket von BILD & Lidl: 6 Bier, 4 Würstchen, 1 Flagge für 1,99 Euro

Seite 8:

6 Bier, 4 Würstchen, 1 Flagge für 1,99 Euro: Holen Sie sich das EM-Fan-Paket!

Falls Sie sich wegen des Schleichwerbeverdachts beim Deutschen Presserat beschweren wollen: Sparen Sie sich die Mühe!

Zwar hatte der Presserat den “WM-Knaller” aus dem Jahr 2006 noch mit einem “Hinweis” beanstandet (mit einjähriger Verspätung), weil das Wort “Anzeige” fehlte, im vergangenen Jahr wies er eine Beschwerde über den Prosecco-Coupon zur Frauen-Fußball-WM aber schon frühzeitig zurück:

Im Rahmen der Prüfung gelangten wir zu dem Schluss, dass der Beitrag eine zulässige Veröffentlichung über eine gemeinsame Marketing-Aktion von BILD und LIDL darstellt. Der Leser kann sofort erkennen, das BILD hier mit dem Discounter zusammenarbeitet und im Rahmen einer Kooperation den Lesern ein spezielles Angebot offeriert. Solche Marketing- Aktionen können vorgestellt werden, wenn dabei die Regelungen der Ziffer 7 Pressekodex beachtet werden. Hier heißt es im letzten Satz: “Bei Veröffentlichungen, die ein Eigeninteresse des Verlages betreffen, muss dieses erkennbar sein.” Dieses Eigeninteresse wird nach unserer Auffassung auf den ersten Blick deutlich, so dass keine Verwechslungsgefahr mit einem redaktionellen Beitrag besteht. Der Leser kann die Veröffentlichung als Beitrag über eine Marketing-Aktion erkennen. Ihm ist daher klar, dass es sich nicht um eine unabhängige redaktionelle Veröffentlichung handelt.

Na dann: Prost!

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Sie haben Post: “Bild für alle” kommt

Am 23. Juni sollen ca. 41 Millionen kostenlose “Bild”-Sonderausgaben ausgeliefert werden. So hatte es der Axel-Springer-Verlag mal geplant, dann sah es lange so aus, als ob das Projekt scheitern könnte. Doch jetzt gibt es deutliche Hinweise, dass tatsächlich (fast) jeder Haushalt in Deutschland ein Exemplar bekommen soll.

Im Januar war bekannt geworden, dass die Axel Springer AG offenbar eine große Sonderveröffentlichung zum 60. Geburtstag der “Bild”-Zeitung plant: Auf der Unternehmenswebsite war eine Liste mit Anzeigenpreisen für die “größte Auflage aller Zeiten” aufgetaucht, Mediendienste berichteten interessiert darüber.

In der Produktvorstellung schrieb die Axel Springer AG:

Am 24. Juni 2012 feiert BILD Geburtstag – feiern Sie mit! Zu diesem Anlass erhalten alle Haushalte in Deutschland am Samstag, den 23. Juni 2012 einmalig eine kostenlose Sonderausgabe der BILD geschenkt!

Diese einmalige Aktion geht mit der größten BILD-Auflage und Reichweite aller Zeiten einher!

BILD für ALLE wird inhaltlich einen Editionscharakter erhalten und einen Bogen von der Vergangenheit in die Zukunft spannen.

Werden Sie ein Teil der größten Vertriebsaktion in der Geschichte von BILD – und sichern Sie sich eine Werbefläche in dieser Ausgabe!

Im Internet wurde schnell Widerstand gegen diese Aktion laut — viele Menschen wollten “Bild” noch nicht einmal geschenkt haben.

Bei einer Kooperation der Initiative “Alle gegen Bild” mit der Graswurzelorganisation Campact kamen seit Mitte April bisher knapp 230.000 Widersprüche gegen die Belieferung mit der kostenlosen “Bild”-Sonderausgabe zusammen. Bei einer Protestaktion vor der Berliner Konzernzentrale versuchte sich “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann mal wieder am Konzept “Selbstironie”, als er belegte Brötchen an die Demonstranten verteilte.

Positive Nachrichten über sein geplantes Großprojekt gab es auch keine zu vermelden. Die Branchenzeitschrift “Kontakter” hatte schon Anfang April berichtet, dass das ganze Projekt “auf der Kippe” zu stehen schien:

Offenbar bekommt das Mammutprojekt im Anzeigenmarkt weniger Zuspruch als erwartet. Zudem ist immer noch nicht klar, mit welchem Vertriebspartner die Haushalte beliefert werden sollen.

Die Axel Springer AG hat sich zu der geplanten Aktion bisher eher bedeckt gehalten: Im Januar erklärte Sprecher Tobias Fröhlich nur, das Projekt befinde sich “momentan in der Planungsphase”, im April versicherte er auf Nachfrage des Studentenmagazins “Pflichtlektüre”, dass alle Widersprüche beachtet würden, wenn es eine entsprechende Verteilaktion gebe, und der WDR berichtete Ende April:

Dabei ist offenbar noch gar nicht sicher, dass es die Gratis-Bild überhaupt in der geplanten Form geben wird. Das PDF-Dokument, in dem der Verlag bei potentiellen Anzeigenkunden für das Projekt geworben hatte, hat der Verlag im Januar wieder aus dem Netz genommen. Nun teilt das Unternehmen mit: “Es ist richtig, dass Bild über solch eine Geburtstagsaktion nachdenkt und derzeit Gespräche mit potentiellen Anzeigenkunden führt.” Eine endgültige Entscheidung sei aber noch nicht gefallen, so Unternehmenssprecher Fröhlich weiter.

Das klang nicht so richtig optimistisch. Die Preisliste, durch die die Planungen öffentlich geworden waren, war übrigens schon recht früh wieder von der Springer-Seite verschwunden.

Doch jetzt scheint es so, als werde die Aktion doch durchgeführt: Die Deutsche Post AG bereitet sich offenbar intensiv auf die Verteilung von mehr als 40 Millionen Gratis-“Bild”-Ausgaben vor und hat nach unseren Informationen damit begonnen, ihre Mitarbeiter zu unterrichten.

In einem internen Schreiben, das uns vorliegt, heißt es:

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

heute wurden Sie mit entsprechender Anweisungen über die Jubiläumsaktion “Bild für alle” des Axel Springer Verlags (ASV) informiert.

Im Rahmen dieser Aktion sollen am Samstag, 23. Juni 2012 bundesweit an sämtliche Haushalte in Deutschland und 41 Mio. unadressierte Exemplare der Bild-Zeitung zugestellt werden (~ 107 gr.).

Da es sich um ein Presseerzeugnis handelt, sollen die Sendungen auch an Werbeverweigerer (Hinweis “Bitte keine Werbung”) zugestellt werden. Empfänger mit dem Hinweis “Keine kostenlosen Anzeigenblätter” o.ä. dürfen keine Jubiläumsausgabe der Bild erhalten.

Zusätzlich hat ASV kommuniziert, dass alle schriftlichen Widersprüche, die rechtzeitig an ASV gerichtet werden, auch ohne Hinweis am Briefkasten beachtet werden.

Alle Widersprecher erhalten am Aktionstag eine adressierte, großformatige Infopostsendung in einem auffälligen roten Umschlag. An Empfänger, die diese Sendung erhalten, darf in keinem Fall die Jubiläumsausgabe vom ASV zugestellt werden.

Wir bitten Sie, alle Qualitätsmanager und Zusteller umfassend über diese Aktion zu informieren und hinsichtlich der Bedeutung der korrekten Zustellung der Sendungen sowie der Beachtung der Verweigerer und Widersprecher zu sensibilisieren. Zeitnah erhalten Sie den Originalumschlag, sowie eine möglichst ähnliche Kopie der Jubiläumsausgabe (finaler originaler Titel wird uns voraussichtlich nicht gegeben), damit kurz vor der Aktion unsere Infowurf-Tafeln entsprechend bestückt werden können.

Wir haben auf verschiedenen Wegen versucht, von der Pressestelle der deutschen Post eine offizielle Bestätigung zu bekommen — bisher erfolglos.

Auch hätten wir gerne erfahren, was es genau mit dem auffälligen roten Umschlag auf sich hat. Bis zum 23. Juni müssen wir uns aber offenbar mit dieser schematischen Darstellung in Graustufen begnügen:

Wer keine “Bild”-Sonderausgabe in seinem Briefkasten haben will, kann nach wie vor Widerspruch einlegen.

Hinweis/Korrektur, 12. Juni: In der ursprünglichen Fassung dieses Artikels hatten wir geschrieben, bei “Alle gegen Bild” und Campact hätten insgesamt rund 350.000 Menschen Widerspruch eingelegt. Diese Zahl ist falsch und basiert auf einem Rechenfehler. Tatsächlich sind es dort bisher knapp 230.000 Widersprüche.

Eine Schlagzeile wie aus dem Lehrbuch

Die “Bild”-Zeitung gibt ungern Einblicke in ihre Arbeit. “Wir kommentieren grundsätzlich nicht unsere Berichterstattung und äußern uns auch nicht zu Redaktionsinterna”, bekam der NDR erst kürzlich wieder als Nicht-Antwort auf eine Anfrage. Vermutlich hat sie guten Grund, sich nicht in die Karten schauen zu lassen.

Andere Stellen im Verlag sind nicht so vorsichtig. Am Donnerstag vergangener Woche gratulierte die hauseigene Journalistenschule, die Axel-Springer-Akademie, auf ihrer Facebook-Seite einem ihrer Schüler zu einem besonderen Erfolg: seiner ersten “Bild”-Schlagzeile:

Es geht um einen Radio-Moderator, der zwei Tage zuvor unter dem Verdacht, eine Minderjährige sexuell missbraucht zu haben, festgenommen worden war.

Nun könnte man durchaus fragen, ob eine solche Schlagzeile wirklich Anlass für eine Gratulation ist. Das “auch” in der Überschrift kommt im Grunde einer Vorverurteilung gleich — als sei die Schuldfrage bei dem Vorwurf des sexuellen Missbrauchs schon geklärt. Streiten kann man auch, ob die identifizierbare Berichterstattung mit einem Foto des Verdächtigen auf der Titelseite zulässig ist. Aber vermutlich muss eine Schule, in der auch der Nachwuchs für “Bild” ausgebildet wird, ihre Schüler für solche Fragen nicht sensibilisieren, sondern desensibilisieren.

Doch die Aufmacher-Geschichte ist noch aus anderen Gründen problematisch. Die Projektwoche “Exklusivgeschichten”, in der der Springer-Journalistenschüler sie recherchiert haben soll, fand nämlich, wie die Akademie uns bestätigt, schon im März statt. Hat “Bild” das, was sie nun als “neue Vorwürfe” verkauft, über zwei Monate lang liegen lassen?

Auf Nachfrage von BILDblog erklärt Akademie-Leiter Marc Thomas Spahl:

Damals recherchierte der junge Kollege in der Sache, hat viele Hinweise aber keine offizielle Bestätigung bekommen, deshalb den Fall aus journalistischer Sorgfaltspflicht nicht veröffentlicht. Inzwischen gibt es nicht nur die Bestätigung der Staatsanwaltschaft, sondern auch eine Zeugenaussage, die Selbstanzeige eines Komplizen.

Oberstaatsanwalt Andreas Gärtner sagt uns hingegen, dass “Bild” lediglich die Auskunft bekommen habe:

dass der im Raum stehende Vorwurf der Staatsanwaltschaft zwar bekannt sei, die von dem Hinweisgeber herrührende Information allerdings bislang nicht mit nachprüfbaren Tatsachen zu den näheren Modalitäten und den möglichen Beteiligten an dem vermeintlichen Betrug unterlegt worden sei, was der
Einleitung eines förmlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehe. Aus diesem Grund sei hier zunächst ein “Prüfvorgang” angelegt worden.

Das klingt deutlich weniger handfest, als es Spahl suggeriert. Und es widerspricht der Darstellung der “Bild”-Zeitung, die auf der Titelseite behauptet:

Nach der Verhaftung von […] wegen des Verdachts auf sexuellen Missbrauch von Kindern, erhebt die Staatsanwaltschaft neue Vorwürfe.

Nein. Sie bestätigt bloß, dass es (alte) Vorwürfe gibt, die ihr aber noch nicht handfest genug erscheinen, um ein förmliches Ermittlungsverfahren einzuleiten.

Fraglich ist auch, was die Vorwürfe des Betruges mit den Ermittlungen wegen des sexuellen Missbrauchs überhaupt miteinander zu tun haben. Marc Thomas Spahl antwortet auf diese Frage:

Den Zusammenhang stellen die übergreifenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft dar.

Doch solche “übergreifenden” Ermittlungen gibt es nicht. Oberstaatswanwalt Gärtner erklärt uns:

Ein Zusammenhang [mit dem Vorwurf des sexuellen Missbrauchs von Kindern] besteht nicht. Vielmehr werden beide Komplexe hier in unterschiedlichen Abteilungen durch unterschiedliche Dezernenten geprüft bzw. bearbeitet.

Das sind also die Geschichten, zu denen die Axel Springer Akademie, die “modernste Journalistenschule Deutschlands”, ihren Schülern gratuliert. “Glückwunsch!”

Mit Dank an Klaus D.!

Presserat billigt Titelseite mit toten Kindern

Der Deutsche Presserat hat die nebenstehende “Bild”-Titelseite nicht beanstandet.

Am 16. März zeigte die “Bild”-Zeitung die Portraits von 15 Kindern, die bei einem Busunglück in der Schweiz ums Leben gekommen waren. Die Bilder waren in einem Gedenkraum im Rathaus von Lommel, der belgischen Heimatstadt der Kinder, abfotografiert worden.

In der ARD sagte “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann hinterher, man habe vom Bürgermeister die Genehmigung zu dieser Art der Veröffentlichung bekommen. Der Bürgermeister dementierte. Seine Sprecherin sagte ebenfalls in der ARD, er habe die Medien von Anfang an aufgefordert, keine Fotos zu zeigen. Die Eltern der Kinder hätten ausdrücklich darum gebeten, ihre Privatsphäre zu respektieren.

Wer hat Recht? Der Beschwerdeausschuss des Presserates urteilte: “Bild”. Und wies mehrere Beschwerden als unbegründet zurück:

Die Zeitung hatte die Bilder mit Genehmigung der Stadtverwaltung in dem Gedenkraum aufgenommen. Sie konnte in gutem Glauben davon ausgehen, dass eine Einwilligung der betroffenen Eltern vorlag.

Auf Nachfrage von uns erklärt eine Sprecherin des Presserates, wie das Gremium zu diesem Urteil kam:

Wir haben uns im Zuge der Beschwerde mit dem belgischen Presserat (Raad vor de Journalistiek) in Brüssel in Verbindung gesetzt und von dort erfahren, dass nach deren Erkenntnis es von Seiten der Stadtverwaltung den Journalisten tatsächlich genehmigt worden war, in dem Gedenkraum zu fotografieren.

Dort gab es nach Veröffentlichung ebenfalls große Diskussionen wegen der Opferfotos. Inwieweit Vertreter der Stadt die Genehmigung im Namen der Eltern geben konnten, wird beim Presserat in Belgien zurzeit stark diskutiert.

Die “Bild”-Zeitung hat in ihrer Stellungnahme dem Presserat gegenüber überzeugend dargelegt, dass sie nach einer Pressekonferenz in Lommeln mindestens zwei Personen der Stadt gefragt hat, ob sie in dem Gedenkraum fotografieren dürfe. Diese hätten den Fotografen genehmigt, Aufnahmen zu machen.

Vor diesem Hintergrund hat der Presserat die Veröffentlichung akzeptiert.

Beanstandet wurde vom Presserat dagegen die Art des “Berliner Kurier”, über das Unglück zu berichten. Das Blatt hatte u.a. auf dem Titel Gruppenbilder der Kinder gezeigt; die Gesichter, die nicht von Sonnenbrillen verdeckt wurden, hatte der “Kurier” verpixelt. Der Presserat urteilte:

Die Bilder stammten aus dem privaten Bereich und standen nicht mit der Gedenkfeier in Zusammenhang. Eine Einwilligung der Eltern für eine Veröffentlichung lag offensichtlich nicht vor. In der Berichterstattung zitierte die Redaktion zudem aus dem Reisetagebuch, das die Schüler ins Internet eingestellt hatten. Darin hinterließen sie persönliche Gefühle und Nachrichten an ihre Eltern. Der Ausschuss sah in der Verbindung von Text und Fotos einen schwerwiegenden Eingriff in die Privatsphäre von Kindern und Angehörigen und sprach eine Missbilligung aus.

Die “Maßnahmen” des Presserates:

Hat eine Zeitung, eine Zeitschrift oder ein dazugehöriger Internetauftritt gegen den Pressekodex verstoßen, kann der Presserat aussprechen:

  • einen Hinweis
  • eine Missbilligung
  • eine Rüge.

Eine “Missbilligung” ist schlimmer als ein “Hinweis”, aber genauso folgenlos. Die schärfste Sanktion ist die “Rüge”. Gerügte Presseorgane werden in der Regel vom Presserat öffentlich gemacht. Rügen müssen in der Regel von den jeweiligen Medien veröffentlicht werden. Tun sie es nicht, dann tun sie es nicht.

Warum ein “schwerwiegender Eingriff in die Privatsphäre” von tödlich verunglückten Kindern und ihren Angehörigen nur zu einer “Missbilligung” führt und nicht zur schärfsten stumpfen Waffe des Presserates, einer “Rüge”, ist eines der nach wie vor ungelösten und mutmaßlich unlösbaren Rätsel dieses Selbstkontroll-Gremiums.

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Stadt, Land, Krebs

Fußball, Stars, Brüste und Krebs — es fehlen eigentlich nur noch niedliche Tiere und die heutige Titelseite von “Bild” Leipzig wäre perfekt gewesen:

Krebs! Der große Report für Sachsen

(Tatsächlich ist unter dem Bruch ein Foto von toten Walen im blutroten Wasser zu sehen, aber das dürfte nirgendwo als niedlich durchgehen.)

Der “große Krebs-Report für Sachsen” wartet mit ein paar knackigen Zahlen und trockenen Daten auf. Sie stammen offenbar aus dem aktuellen “Kreisdatenblatt”, einer Veröffentlichung (PDF) des Gemeinsamen Krebsregisters der Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und der Freistaaten Sachsen und Thüringen.

Leider haben sich die Redakteure nicht mit dem Weitertragen nackter Zahlen und dem Zitieren von fachkundigen Wissenschaftlern zufrieden gegeben, sie haben sich auch an einer eigenen Einordnung versucht:

Auch auffällig: Bei der Brustkrebshäufigkeit zeigt sich ein deutliches Stadt- Land-Gefälle. Während z.B. in Leipzig durchschnittlich insgesamt 437 Neuerkrankungen pro Jahr diagnostiziert werden, sind es etwa im Landkreis Leipzig “nur” 233.

Das musste natürlich schief gehen: Während in der Stadt Leipzig 517.157 Einwohner leben, sind es im Landkreis Leipzig 270.770. Die Stadt kommt also auf 84,5 Brustkrebsneuerkrankungen pro 100.000 Einwohner, der Landkreis mit 86,1 sogar auf einen etwas höheren Wert.

Noch deutlicher ist das Stadt-Land-Gefälle übrigens bei den gesamten Krebsneuerkrankungen — wie man auch in dieser Tabelle ablesen kann, die “Bild” heute gedruckt hat:

Neuerkrankungen je 100.000 Einwohner/Jahr: Leipzig 608,4, Landkreis Leipzig 621

Mit Dank an Rico K.

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