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Indiras Heiße-SMS-Ausschlachtung gestoppt

Gestern hatten wir noch berichtetet, dass der TV-Moderator Jörg Kachelmann vor dem Kölner Landgericht gegen weitere Medien vorgehen wollte, heute wissen wir, wen es diesmal erwischt hat:

Eine einstweilige Verfügung erging gestern gegen Bild.de, das unter Berufung auf den “Focus” (dem diese Art der Berichterstattung schon vor zehn Tagen verboten worden war) Details aus den Ermittlungsakten wiedergegeben und auf Basis von Aussagen der Frau, die Kachelmann der Vergewaltigung beschuldigt, über das mögliche Strafmaß für den Wetterexperten spekuliert hatte.

Eine weitere einstweilige Verfügung erging gegen die gedruckte “Bild” und ihre gestrige Titelgeschichte:

50 heiße Flirt-SMS: So baggerte Jörg Kachelmann Popstar Indira an

Die Sängerin Indira Weis, die seit längerem ihr Privat- und Berufsleben in “Bild” ausbreitet, erklärte in einem halbseitigen Artikel und einem Video auf Bild.de, sie könne sich nicht vorstellen, “dass so ein charmanter und liebevoller Mann wie Jörg Kachelmann eine Frau vergewaltigt haben soll.”

Und wie charmant und liebevoll Jörg Kachelmann ihrer Ansicht nach ist, meinte die vor sieben Jahren aus der Castingband Bro’Sis ausgestiegene Sängerin mit einigen ihrer angeblich “50 heißen Flirt-SMS von Kachelmann” im Wortlaut belegen zu können bzw. müssen.

Die Pressekammer des Landgerichts Köln entschied gestern auf Antrag Kachelmanns, dass es “Bild” und Bild.de verboten ist, derart private SMS weiter zu verbreiten. SMS, “die zudem in keinerlei Zusammenhang mit den strafrechtlichen Vorwürfen gegen Herrn Kachelmann stehen”, wie Kachelmanns Anwalt Prof. Ralf Höcker betont.

Das Rechtsmittel der einstweiligen Verfügung kommt zum Einsatz, weil Bild.de bzw. die Axel Springer AG auf eine vorherige Abmahnungen hin keine Unterlassungserklärung abgegeben hatten. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung droht ihnen nun ein Ordnungsgeld von bis zu* 250.000 Euro. Zur Zeit sind die beanstandeten Artikel noch online.

*) Nachtrag / Korrektur, 12. April: Ein mögliches Ordnungsgeld muss nicht automatisch 250.000 Euro betragen. Dies ist vielmehr die festgelegte Obergrenze.
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Dennis Hopper von Paparazzo gestürzt

Es sind “erschütternde Bilder”, die “im Herzen wehtun” — und die “Bild” natürlich deswegen trotzdem zeigt:

Ausriss: "Bild"

Dennis Hopper (73), einer der größten Hollywoodstars der Filmgeschichte, bricht auf offener Straße zusammen.

Der Schauspiel-Gigant (“Easy Rider”, “Waterworld”) ist todkrank. Er leidet an Prostatakrebs im Endstadium, wiegt nur noch 45 Kilo. Als er sein Haus in Venice Beach verlassen will, verlässt ihn die Kraft. Er fällt. Hoppers Assistentin eilt zu Hilfe, stützt dem Hollywoodstar den Kopf.

Weil “Bild” selbst das Entstehungsdatum der Bilder nennt (“einen Tag bevor der Weltstar Ende März einen Stern auf dem ‘Hollywood Walk of Fame’ bekam”), lässt sich leicht überprüfen, dass die Geschichte von dem armen, kranken Mann, der einfach zusammenklappt, höflich ausgedrückt, eine riesige Unverschämtheit ist.

Bei eben dieser Veranstaltung erzählte Hopper nämlich, was wirklich geschehen war:

Er sei auf dem Weg zum Auto gewesen, erzählt der Schauspieler, als jemand seinen Namen gerufen habe. Weil ihm die Stimme bekannt vorgekommen sei, habe er sich umgedreht und dabei die Schwelle auf der Straße übersehen. Unter den Mitleidsbekundungen der Zuschauer fährt Hopper fort, dass er sich nicht habe abstützen können, weil er keine Muskeln mehr habe: “Ich fiel direkt auf mein Gesicht, mit der Brille in der Hand, ich war ziemlich übel zugerichtet.”

Dann wendet er sich an die Paparazzi, die er schon zu Beginn seiner Ausführungen angesprochen hatte: “Ich weiß, Ihr habt einen harten Job, aber ihr könntet manchmal ein bisschen feinfühliger sein.” Die Zuschauer stimmen ihm lautstark zu.

Mit anderen Worten: Wenn da nicht ein Fotograf gestanden hätte, der den krebskranken Mann verunsichert hat, wäre Hopper vermutlich nie gestürzt und es gäbe gleich doppelt keine “erschütternden Bilder”, die Bild und andere Medien der Fotoagentur des Paparazzo abkaufen konnten.

Auch “Bild” zitiert übrigens aus Hoppers Schilderungen des Zwischenfalls:

“Ich fiel direkt auf mein Gesicht, mit der Brille in der Hand”, sagte Hopper.

Man darf also davon ausgehen, dass sie auch den Rest seiner Erklärungen kennen.

Mit Dank an Dennis L. und Basti.

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Hinter Gittern

12 Tage sitzt der Fernsehmoderator Jörg Kachelmann nun schon in Untersuchungshaft, weil er seine Ex-Freundin vergewaltigt haben soll. “Bild” hat die Zeit genutzt, um detailliert über die Vorwürfe gegen ihn zu berichten, sein Privatleben von allen Seiten auszuleuchten, um über Einstellung des Verfahrens und Kachelmanns mögliche Strafe zu spekulieren, um eine Rasur zu deuten, um zu erklären, was Kachelmann im Gefängnis zu Essen bekommt und wie er sich die Zeit vertreibt.

Und gerade, als es möglich erschien, dass “Bild” angesichts der unverändert dünnen Nachrichtenlage so langsam aber sicher die Ideen für weitere Kachelmann-Aufmacher ausgehen könnte, überraschte die Zeitung gestern mit dieser massiven Titelgeschichte:

Ausrisse: "Bild"

Auch ohne den Schweizer Kachelmann mitzuzählen, hat “Bild” genug Prominente (bzw. Menschen, die auch vorher schon mal in “Bild” erwähnt wurden) gefunden, um die 50 voll zu machen. Einzige Voraussetzung dabei war wirklich, dass die jeweilige Person mal mindestens “einige Stunden” (Fotomodell Veruschka von Lehndorff) hinter irgendwelchen Gittern verbracht hat.

Alles weitere war relativ egal:

BILD hat 50 Prominente mit Knasterfahrung gefunden. Einige saßen zu Recht im Gefängnis, andere unschuldig.

Und bei manch einem war’s einfach nur eine verzeihliche Jugendsünde…

Und so prangt das Foto des TV-Moderators Eduard Zimmermann, der wegen angeblicher Spionage vier Jahre im berüchtigten DDR-Gefängnis von Bautzen saß, fast direkt neben dem des früheren DDR-Staatsratsvorsitzenden Egon Krenz, der wegen Totschlags an vier DDR-Flüchtlingen verurteilt wurde.

Der Schauspieler Günther Kaufmann, der nach einem falschen Geständnis im Gefängnis saß, wird ebenso gezeigt wie Günter Wallraff, der in “Bild” sonst eigentlich nur Erwähnung findet, wenn gerade Stasi-Gerüchte um seine Person kursieren oder er von einem der Kommentatoren für irgendwas abgewatscht wird.

Zwischen “Bubi” Scholz (zwei Jahre wegen fahrlässiger Tötung) und Peter Graf (inkl. Untersuchungshaft zwei Jahre wegen Steuerhinterziehung eingesessen), Arabella Kiesbauer (eine Nacht wegen Angriffs auf zwei mallorcinische Polizisten) und Jürgen Brähmer (laut “Bild” insgesamt sechs Jahre wegen verschiedener Vergehen) war sogar noch Platz für Johann Sebastian Bach (“Streitigkeiten mit seinem Dienstherren”), Friedrich Schiller (Anstiftung zur Aufruhr, 14 Tage Gefängnis) und Karl May (zwei Diebstahlsfälle, vier Jahre Zuchthaus).

Auch der TV-Schauspieler, der wegen des Vorwurfs der zweifachen Vergewaltigung “in U-Haft auf seinen Prozess” “wartet”, ist wieder mit Foto und voller Namensnennung dabei. Wir erinnern uns: Qualifiziert für die Liste ist, wer überhaupt mal “im Knast” saß — rechtskräftig verurteilt muss niemand sein.

Etwas irreführend ist vor allem, was “Bild” über Rudolf Augstein schreibt:

Rudolf Augstein († 79), "Spiegel"-Gründer. Verdacht des Landesverrates ("Spiegel-Affäre"), Festnahme am 28.10.1962, 103 Tage U-Haft, Verfahren eingestellt wegen Beweis-Mangel

Als “Spiegel-Affäre” gilt eigentlich weniger der Verdacht des Landesverrats als viel mehr die Verhaftung von Augstein und einigen seiner Kollegen und die Durchsuchung der “Spiegel”-Redaktion. Die Affäre kostete Franz Josef Strauß sein Amt als Bundesverteidigungsminister und gilt als “Anfang vom Ende” der Kanzlerschaft Konrad Adenauers.

Eigentlich überraschend, dass ein Mann fehlt, der auch mal für neun Monate inhaftiert war — ist Adolf Hitler doch sonst gern gesehener Stammgast in “Bild”.

Mit Dank auch an Marc E. und kpep.

Eine Meldung für die Saure-Gurkhas-Zeit

Seit gestern macht eine Meldung die Runde:

Filmemacher Matthew Vaughn hat genug von irren Stalkern: Schiffer-Ehemann: Elite-Soldaten schützen meine Familie!

Claudia Schiffer + Matthew Vaughn: Gurkha-Kämpfer zum Schutz vor Stalkern. Nachdem Claudia Schiffer und Matthew Vaughn immer wieder unschöne Begegnungen mit Stalkern hatten, lässt sich das Paar seit einigen Jahren von einer Gruppe nepalesischer Ex-Soldaten schützen

Claudia Schiffer: Ihr Mann hat Angst um sie

Verbrechensprävention: Ex-Soldaten beschützen Claudia Schiffer

Mittwoch, 24. März 2010: Claudia Schiffer wird von Elite-Soldaten bewacht

Claudia Schiffer: Elitesoldaten als Leibgarde. Claudia Schiffer geht nur noch in Begleitung von nepalesischen Elitesoldaten aus dem Haus. Ihr Ehemann hat so große Sorge um seine Frau, dass er die "trainierten Killer" engagiert hat.

Leibwache: Claudia Schiffer wird von Elite-Soldaten geschützt. Topmodel Claudia Schiffer wird sehr gut bewacht. Ihr Mann Matthew Vaughn ist so um das Wohl der Familie besorgt, dass er Gurkhas – eine nepalesische Sondereinheit der britischen Armee – angeheuert hat. „Sie sind großartige Leute. Und sie sind trainierte Killer", sagte der britische Filmemacher.

Schiffers Ehemann heuert trainierte Killer an

Die Information mit den Ex-Soldaten haben die meisten Medien von der Deutschen Presse-Agentur, die dieses Detail aus einem eher umfangreichen und thematisch vielschichtigen Interview destilliert hat, das Claudia Schiffers Ehemann Matthew Vaughn der britischen “Sun” gegeben hat.

Allerdings hat dpa auch noch selbst etwas recherchiert:

Schiffers Sprecherin bestätigte der dpa am Mittwoch in London, dass die Gurkhas “seit langem” zum Personal der Familie gehören.

Um dieses “seit langem” genauer zu quantifizieren, hätten dpa oder Teile der weiter verbreitenden Medien nur einen Blick in ihre eigenen Archive werfen müssen:

28.12.2004 Vorsichtiges Model: Elitesoldaten bewachen Claudia Schiffer

28. Dezember 2004, 15:21 Uhr Personenschutz: Nepalesen wachen über die Schiffers

Claudia Schiffer (34), Supermodel, und Ehemann Matthew Vaughn (33) setzen beim Personenschutz einen neuen Trend. Nach einem Bericht des "Daily Mirror" hat das Paar zur Bewachung britische Gurkhas angeheuert. Die zur britischen Armee gehörenden Eliteeinheiten aus Nepal sind für ihre Unerschrockenheit bekannt. Schiffer-Freundin Madonna soll so beeindruckt gewesen sein, daß sie die Ex-Soldaten auch für ihren Schutz einsetzen will.

Claudia Schiffer holt sich die härtesten Bodyguards der Welt

Claudia Schiffer heuert Elite-Soldaten an: Gurkhas schützen ihr Haus

Andererseits wäre bei so einem Gang ins Archiv vielleicht aufgefallen, dass es eigentlich keinen Grund für die jetzige Meldung gab.

Mit Dank an Judeth.

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Gute Kurven mit dem richtigen Ausschnitt

Zwei eindeutige Kurven setzt “Bild” heute der Frage des Bundespräsidenten entgegen, ob der Benzinpreis “nicht tendenziell höher als tendenziell niedriger sein sollte” (oder wie “Bild” es zusammenfasst: “Bundespräsident Köhler für höheren Benzinpreis!”):

Benzin immer teurer

(Okay, das ist nicht die Entwicklung “seit Januar”, sondern seit Januar vorigen Jahres, und nicht bis “März 2009”, sondern bis März 2010. Aber darum soll es hier gar nicht gehen.)

Die gleichen Kurven waren zwei Tage vorher auch schon in der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” zu sehen. Also, fast die gleichen Kurven:

Die Preise für Rohöl und Kraftstoffe steigen

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Eine Schlagzeile fürs Lehrbuch

Pressekodex, Richtlinie 12.1:

In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.

“Bild”, 18. März 2010:
Das sind die Poker-Räuber

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Out in the Woods

“Bild”, 9. März 2010, Seite 16:
In & Out - Out: Tiger-Woods-Witze. Gähn - wer will denn die noch hören?

“Bild”, 12. März 2010, Seite 16:
Wer hat noch nicht mit Tiger Woods (34) geschlafen? Diese Frage ist schwer zu klären. Aber es gibt nur eine, die sein Bett teilte und dafür 75 000 Dollar Preisgeld bekommt: Unterwäschemodel Jamie Jungers (26) wurde jetzt in der US-Talkshow von Howard Stern zu "Tigers bester Geliebten" gewählt! Warum? Weil sie die dreckigsten Details aus- packte. Beispiel: "Tigers Tiger ist 22 Zentimeter lang." Beeindruckend, dieser Schniedel-Woods!

Empörung über Amoklaufprävention

Schenkt man dieser knackigen Schlagzeile aus der Stuttgarter “Bild”-Ausgabe Glauben, dann werden Amokläufer bald noch präziser und tödlicher agieren:

Amok-Ausschuss fordert Schießtraining für Schüler

Wahnsinn, oder? Da fragt man sich doch, wie so ein gemeingefährlicher “Amok-Ausschuss” dazu kommt, derartige Forderungen zu stellen. Ganz einfach: Am 8. März stellte der Sonderausschuss “Konsequenzen aus dem Amoklauf in Winnenden und Wendlingen – Jugendgefährdung und Jugendgewalt” seinen rund 880 Seiten starken Abschlussbericht vor. Der Ausschuss wurde eingerichtet, um der Politik Handlungsempfehlungen zur nachhaltigen und langfristigen Prävention von Amokläufen und Jugendgewalt zu geben. Dementsprechend finden sich unter den 39 Empfehlungen aus acht Themenbereichen unterschiedlichste Vorschläge, die von der Fortbildung pädagogischen Personals über Waffenzugangsbeschränkungen bis hin zu Sicherheitsmaßnahmen an Schulen und der Stärkung des Erziehungsauftrages von Eltern reichen.

Unter “6. Gewaltprävention im Sportjugendbereich – Modellprojekt Biathlon” heißt es laut Pressebericht des baden-württembergischen Landtags, aus dem auch Bild.de zitiert:

Der Sonderausschuss Winnenden möchte die erfolgreiche Jugendarbeit in den Sportschützenvereinen stärken, indem insbesondere der Gewaltpräventionsgedanke noch intensiver betont wird. Ein projekthaftes Angebot in einer Sportart scheint dabei zielführend. Besonders geeignet ist aus Sicht des Sonderausschusses die Sportart Biathlon, da neben den Schützenverbänden des Landes auch die baden-württembergischen Skiverbände (Winterbiathlon) sowie die Leichtathletikverbände (Sommerbiathlon) in das Projektvorhaben einzubinden sind.

Der kreativ-verquere Gedankensprung von “Bild”-Autor Markus Piechotta, aus gewaltpräventiver Jugendarbeit innerhalb der Vereine ein verpflichtendes Schießtraining für Jugendliche zu machen, muss schon fast bewundert werden:

In dem Papier (…) fordern die 18 Abgeordneten auch Schieß-Unterricht für Jugendliche!

Entsprechend einseitig fällt bei Bild.de dann auch die Beschreibung der Reaktion der Angehörigen und des Aktionsbündnisses Winnenden aus:

Die Angehörigen der Opfer sind entsetzt.

Dass das Aktionsbündnis Winnenden, eine Initiative der Eltern der Amokopfer, die Empfehlungen des Stuttgarter Ausschusses “in weiten Teilen” (abgesehen von obengenanntem Vorschlag im Sportschützenbereich) begrüßte, erwähnt Piechotta mit keinem Wort.

Allerdings wäre es auch irgendwie inkonsequent gewesen, wenn “Bild” nach der reißerischen und verantwortungslosen Berichterstattung über den Amoklauf vor einem Jahr jetzt auf einmal beginnen würde, nüchtern und sachlich über dieses hochemotionale Thema zu berichten.

PS: Auch der Berliner Kurier versteht sich auf knackige und irreführende Schlagzeilen:

Schüler in den Schießunterricht!

Mit Dank an Thomas und Jörg S.

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Paolo Guerreros Rückkehr auf Raten

Natürlich ist es nicht auszuschließen, dass es – wenn auch nicht zwingend auf der Erde, dann doch wenigstens in irgendeinem Paralleluniversum – zwei Paolo Guerreros gibt, zwei Europa-League-Achtelfinal-Heimspiele des HSV gegen den RSC Anderlecht und zwei Kai-Uwe Hesses.

Es wäre die einzig rationale Erklärung für das, was da seit gestern Abend auf Bild.de steht:

Um 21.13 Uhr ging der Spielbericht von Kay Fette und Kai-Uwe Hesse zum 3:1-Sieg des HSV gegen Anderlecht online, der heute auch in der gedruckten “Bild” steht.

Darin:

Zweite gute Nachricht: Paolo Guerrero (26/Kreuzbandriss) ist wieder da! Nach vier abgebrochenen Flugversuchen wegen Flugangst landet der Stürmer gestern in Hamburg, schaut sich ab der 2. Hälfte das Spiel im Stadion an.

Sogar ein Foto des Rückkehrers hatte es in die Bildergalerie geschafft:

Ein alter Bekannter hat auch den Weg von Peru bis ins Stadion gefunden: Paolo Guerrero, der wegen seiner Flugangst in Lima festsaß.

So weit, so richtig.

Mehr als zwei Stunden später, um 23.25 Uhr, veröffentlichte Bild.de einen Artikel von Kai-Uwe Hesse und Carmen Kayser, der sich ausschließlich mit der etwas schwierigen Rückreise Guerreros aus Peru beschäftigt.

Dort heißt es:

Er verschwand am Flughafen durch einen Nebenausgang, ließ sich von einem Freund abholen und nach Hause bringen. Auf einen Besuch des Anderlecht-Spiels verzichtete er.

Vielleicht doch ein Fall fürs “Mystery”-Ressort von Bild.de.

Inwiefern Guerreros Reise “ein geheimer 15-Stunden-Trip” war, wie Bild.de behauptet, ist auch nicht ganz klar: In der TV-Übertragung des Spiels auf Sat.1 hieß es bereits recht früh, dass Guerrero im Stadion erwartet werde.

Mit Dank an Frank D., Oliver M., Daniel S., W.S. und Andreas.

Hinweis/Korrektur, 13.19 Uhr: Das musste ja abfärben: Jetzt hatten wir Paolo Guerrero doch ernsthaft erst “Paulo” genannt in der Überschrift. Jetzt stimmt’s.

20.35 Uhr: Und die Europa League hatten wir auch falsch geschrieben. Entschuldigung!

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Der bodenlose Hass in Nigeria

Die Frage, die eigentlich keine ist, ist eines der meist benutzten Stilmittel der “Bild”-Redaktion. Wie man ein Fragezeichen vollkommen ad absurdum führt und wenig elegant mit feindseligen Ressentiments verknüpft, das demonstrierte “Bild” gestern einmal mehr in einem Beitrag anlässlich des Todes von 500 Nigerianern:

Christenhass! Was treibt die blutrünstigen Moslems ab?

Nun, was treibt solch “blutrünstige” Muslime wohl an? Die Antwort bleibt “Bild” schuldig und zwar zwangsläufig. Nicht nur sprachlich ergibt es keinen Sinn, dass die nigerianischen Moslems gleichzeitig “blutrünstig” und vom “Christen-Hass” getrieben sein sollen, weil “blutrünstig” wortwörtlich “aus Mordlust” bedeutet, also: ohne Grund, außer dem Willen zum Mord.

Aber auch sonst pflegt “Bild” in seiner Berichterstattung aus Nigeria ein eher laxes Verhältnis zu Wahrheit und Faktenlage — und bedient nach Möglichkeit islamophobe Klischees: Das am Golf von Guinea, also am Atlantischen Ozean, gelegene Nigeria ist natürlich keineswegs ein “zentralafrikanisches Land”, wie “Bild” behauptet. Und dass im Januar dieses Jahres 300 Muslime von Christen umgebracht worden waren, wie Ulrich Delius von der Gesellschaft für Bedrohte Völker dem Deutschlandfunk erläutert, findet in “Bild” ebensowenig Erwähnung wie der Klimawandel, der in Nigeria einen Konflikt um fruchtbares Ackerland entfacht hat.

Stattdessen erweckt “Bild” wie schon im Januar (BILDblog berichtete) den falschen Eindruck, es handle sich in Nigeria um eine Religionskonflikt mit ausschließlich christlichen Opfern, und wählt dafür einen besonders drastischen und gruselerregenden Einstieg in den Beitrag:

Die Kinder liegen in ihren bunten Kleidern im Staub des Dorfes, das einmal ihr Zuhause war. Zerhackt mit Macheten, erschossen, zu Tode gehetzt! Sie starben, weil sie an Gott glaubten!

Dass das so nicht stimmt, hätte man bei “Bild” schon merken können, wenn man auch bloß den eigenen Text zu Ende gelesen hätte. In diesem bestätigt nämlich ausgerechnet ein Vertreter des Vatikans, dass der Massenmord in Nigeria tatsächlich eher nichts mit Religion, dafür aber sehr viel mit dem Klimawandel und dem durch Austrocknung knapp werdenden Ackerland zu tun hat.

Und wenn man ganz, ganz genau hinschaut, dann findet sich in einer der sich selbst beantwortenden Pseudofragen von “Bild” sogar ein Hinweis auf eben diese Ackerbodenproblematik:

Woher kommt der bodenlose Hass auf Christen?

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