Wirklich beantworten kann man die Frage natürlich erst, wenn die neuen Trikots auch tatsächlich vorgestellt worden sind.
Allerdings wäre es schon sehr überraschend, wenn der User “Werderfanschulze” aus dem Fanforum von Werder Bremen zufälligerweise exakt das neue Trikotdesign getroffen hat, als er diese Grafik “gebastelt” hat:
Manchmal ist es ganz leicht, an eine aufregende Geschichte zu kommen: Man muss sich nur ganz blöd stellen.
Heute macht sich in der “Bild”-Zeitung die Barack-Obama-Trainingspartnerin Judith Bonesky zum Horst und verkauft sich und ihre Leser für dumm, indem sie so tut, als habe die neue ZDF-Seifenoper “Lena”, die das ZDF vom Herbst an ausstrahlen wird, irgendetwas mit der gleichnamigen Sängerin und Grand-Prix-Gewinnerin zu tun, die sich so schrecklich unwillig zeigt, der “Bild”-Zeitung aufregende Geschichten von sich zu erzählen.
Bonesky schreibt:
Berlin/Köln — Von der Abiturientin zum Grand-Prix-Superstar: Der kometenhafte Aufstieg von Lena Meyer-Landrut (19, “Satellite”) hat ganz Deutschland verzaubert.
JETZT WIRD LENA ZUR TV-SEIFENOPER!
(…) Story: Hauptdarstellerin “Lena” trifft einen mächtigen Musikproduzenten. Der entdeckt ihre tolle Ausstrahlung, ihr großes Talent — ganz so wie Stefan Raab bei Lena …
Und wie in Lenas echtem Leben ist ist dies der Beginn einer märchenhaften Gesangskarriere: Lena erobert die Herzen ihrer Fans, wird zum Star!
Online trug der Artikel ursprünglich sogar die Überschrift “Jessica Ginkel spielt Grand-Prix-Lena in neuer ZDF-TV-Serie”.
In Wahrheit stand die Geschichte schon fest, bevor Lena überhaupt zum ersten Mal bei “Unser Star für Oslo” auftrat: Sie beruht auf der argentinischen Telenovela “Don Juan y su bella dama”. Und selbst der Name “Lena” für die Hauptperson ist keine nachträgliche Marketingidee: Schon im November 2009 berichteten deutsche Medien, dass die Produktionsfirma Endemol die Serie unter diesem Namen anbot.
Bestimmt weiß Frau Bonesky das sogar alles. Aber irgendwo müssen die geilen Lena-(Meyer-Landrut)-Geschichten ja herkommen!
“Sie klopften an der Tür, wollten meinem Sohn Jean-Paul zum 9. Geburtstag ein Geschenk übergeben. Ich habe ihnen klar gesagt, ich werde kein offizielles Gespräch führen und auch keine Bilder zulassen. Darauf gingen die Journalisten offenbar nur zum Schein ein. Sie übergaben Jean-Paul ein Riesen-Schiffsmodell mit Fernsteuerung. Baten dann noch um ein Foto zum Schluss. Nur für den privaten Gebrauch mit dem Handy.”
Soweit der Fußballtrainer Christoph Daum, der von einem türkischen TV-Sender “aufs Kreuz gelegt” wurde, wie Bild.de schreibt:
Aus dem Handy-Foto und den daumschen Halbsätzen entstand dann offensichtlich der Internet-Beitrag. Ein neuer fieser Tiefpunkt im Fenerbahce-Zoff.
Und weil man sonst so selten Gelegenheit hat, Daum und Barack Obama in einem Artikel zu zitieren, jetzt noch ein paar Worte des damaligen US-Präsidentschaftskandidaten:
“Sie hat uns abgezockt. Wir kommen in das Sportstudio. Sie ist schon auf dem Laufband. Sie sieht wie ein ganz normales deutsches Mädchen aus. Sie lächelt und winkt ein bisschen verlegen, aber macht sich keine Mühe, irgendetwas zu sagen. Als ich gerade gehe, sagt sie: ‘Oh, kann ich ein Foto haben? Ich bin ein großer Fan.'”
Die Frau, die Obama vor knapp zwei Jahren im Fitnessstudio eines Berliner Hotels “abgezockt” hat, war die Reporterin Judith Bonesky, und die Zeitung, für die sie arbeitet, sah am nächsten Tag so aus:
Es geht ausnahmsweise mal nicht um die Leistung der deutschen Mannschaft bei der Fußball-WM, wenn die “B.Z.” schreibt:
Und plötzlich liegt ein dunkler Schatten auf dem Gute-Laune-Fest:
Nein, nach dem Doppelpunkt kommt etwas ganz anderes:
Beim Christopher Street Day (CSD) soll der ehemalige Big Brother-Kandidat Harald Fassanelli (43) mehrere Menschen vor Wut gebissen haben – dabei ist er HIV positiv!
Dieses “dabei”, das da etwas ungelenk in dem Satz rumsteht, ist verräterisch — impliziert es doch, dass die Infektion des Mannes in einem Zusammenhang mit seiner Tat steht. Und damit nicht genug: In Überschrift, Vorspann und dem (nicht sehr langen) Artikel erwähnt die “B.Z.” insgesamt vier Mal, dass der Mann HIV-positiv ist.
Kurz vor Schluss des bunten Umzuges dann der Schock: ein HIV-Infizierter biss bei einem Streit acht andere Teilnehmer!
Und man fragt sich, ob der “Schock” wohl ausgeblieben wäre, wenn der Mann nicht durch frühere TV-Auftritte als HIV-positiv bekannt gewesen wäre.
Das heißt: Nein, man fragt es sich eigentlich nicht. Die “B.Z.” beantwortet das gerne:
Einem 36-Jährigen soll Fassanelli in den Oberarm gebissen haben, einem 27-Jährigen in die Hand. Die Verletzungen sollen nur oberflächlich sein, sodass eine Infektion mit dem HI-Virus als unwahrscheinlich gilt. Bei einem weiteren Opfer hingegen soll nach einem Biss Fassanellis die Schulter geblutet haben, so der Einsatzleiter der Polizei zu einem Reporter der RBB-Abendschau.
Haben Sie’s gemerkt? Mitten in diesem Absatz war ein Bruch — denn auch, wenn eines der Opfer geblutet hat, bleibt eine Infektion unwahrscheinlich: Im menschlichen Speichel kommen die HI-Viren in einer derart geringen Menge vor, dass sie nicht für eine Übertragung ausreicht.
Genau genommen weiß das auch die “B.Z.”, die in Ihrer Ausgabe jemanden zu Wort kommen lässt, der sich mit dem Thema auskennt:
Dr. Immanuel Hardtmann (45), Internist am Vivantes Auguste-Viktoria-Klinikum (Schöneberg), Schwerpunktkrankenhaus für HIV: “Wenn ein HIV-Infizierter andere Menschen mit Biss-Wunden verletzt, ist eine Übertragung der Infektion theoretisch denkbar, jedoch nicht unbedingt wahrscheinlich. Speichel enthält keine nennenswerten Mengen an HI-Viren. Da für eine Übertragung entweder ungeschützter sexueller Verkehr oder Blut-zu-Blut-Kontakt erforderlich ist, müsste im Fall der Biss-Verletzung nicht nur eine Blutung bei dem gebissenen Opfer, sondern auch bei dem Täter, beispielsweise am Zahnfleisch, vorliegen.”
Selbst das ist nicht ganz sicher: VerschiedeneAidshilfen erklären, dass virushemmende Enzyme im Speichel dafür sorgen, dass selbst bei einer Verletzung oder Zahnfleischbluten das Infektionsrisiko gering sei.
Derartig rationale Erklärungen könnten natürlich etwas untergehen in einer Zeitung, deren Titelseite so aussieht:
Entsprechend übt sich auch der “Berliner Kurier” auf seiner Internetseite in Panikmache:
Die Opfer der Attacke werden die nächsten sechs Monate nicht wissen, ob sie nun eventuell angesteckt wurden. So lange dauert es, bis ein Arzt eine HIV-Infizierung definitiv ausschließen kann. Sollte Fassanelli eine offenen Wunde im Mund oder Zahnfleischbluten haben, ist eine Übertragung des Virus durchaus möglich.
Der Kölner “Express” versuchte sich an einer Formulierung, die mutmaßlich beruhigend klingen soll, jetzt aber implizit nahelegt, dass HIV durch Speichel übertragen werden könnte:
Die Opfer der Beißattacke mussten nicht ärztlich behandelt werden – auch eine HIV-Ansteckungsgefahr bestand nicht, da die Verletzungen nicht geblutet haben.
Auch “Bild” möchte offenbar nicht groß zur gesundheitlichen Aufklärung beitragen:
Der Big-Brother-Star biss wild um sich. Schlimmer noch: Er ist HIV-positiv…
Und weiter im Text:
Und zu seiner Entschuldigung: “Ich dachte in diesem Moment nicht daran, dass ich andere anstecken könnte.”
Wahnsinn, wenn es so wäre…
Wie verheerend die ungenau Berichterstattung zu diesem Thema ist, zeigt das Internet-Portal MSN, das all die impliziten Andeutungen endgültig zu expliziter Desinformation gerinnen lässt:
Wir haben über sie gelacht, über die Fliegenfänger im Tor von England, Algerien, Australien und Paraguay. Weil sie richtig blöd aussahen bei den Toren, die sie kassierten.
“Bild” wäre nicht “Bild”, wenn sie nicht einen Experten für dieses Thema aufgetan hätten — und wenn dieser Experte nicht Lothar Matthäus hieße:
Rekordnationalspieler Lothar Matthäus (49) hat eine Erklärung gefunden: “Der Ball fliegt in der Höhenluft ganz anders. Alle Teams haben mit ihren Pässen Probleme. Sehr oft fliegt die Kugel über die Köpfe der Adressaten ins Aus.”
Das mag grundsätzlich stimmen. In dem Kontext, in dem “Bild” Matthäus zitiert, taugt diese Erklärung aber exakt zur Hälfte, denn von den vier oben genannten Mannschaften hatten zwei ihre Torwartprobleme in Durban (Deutschland – Australien) bzw. Kapstadt (Italien – Paraguay), jeweils knapp oberhalb des Meeresspiegels.
Irgendwas ist am Samstag bei einer Großdemonstration in Berlin passiert. Was genau es war, darüber sind sich die Ermittlungsbehörden noch nicht ganz sicher.
Die Deutsche Presse Agentur und zahlreiche andere Medien sprechen seit Tagen von einer “Splitterbombe”, die explodiert sei — eine Erklärung, die die Staatsanwaltschaft ausschließt.
Die “taz” hat eine Chronologie darüber verfasst, wie aus einem unklaren Fall “Linksterror” wird:
ZEITmagazin: Wo ist die Grenze zwischen rhetorischer Überzeugungskraft und purer Demagogie?
Schmidt: Ich kann das an einem Beispiel festmachen: Wenn ich lese, wie die auflagenstärkste europäische Tageszeitung, genannt Bild, in den letzten Wochen beinahe jeden Tag den Lesern klargemacht hat, dass man sein eigenes Geld nicht dafür verwenden sollte, dem aus eigener Schuld in Not geratenen Nachbarstaat Griechenland zu helfen, dann ist das in Wirklichkeit Demagogie oder, wenn Sie so wollen, ein Missbrauch der Pressefreiheit.
ZEITmagazin: Es ist auch ein Indiz dafür, dass Zeitungen in Versuchung geraten, solche Positionen einzunehmen, wenn es im Parteienspektrum niemanden gibt, der das tut.
Schmidt: Für Demagogie, sei es seitens einzelner Politiker oder politischer Parteien, einer Zeitung oder einer Fernsehanstalt, gibt es niemals eine Entschuldigung. Es gibt immer eine Erklärung, aber keine Entschuldigung.
“Bild” machte gestern keinen Hehl daraus, was sie von den “Vuvuzela” genannten Plastiktröten hält, die bei der Fußball-WM in Südafrika massiv zum Einsatz kommen:
Das also ist der Sound der WM! Was für ein Tröt-Wahnsinn bei den Spielen Südafrika gegen Mexiko (1:1) und Uruguay gegen Frankreich (0:0). Der nervige Dauerton der Plastiktrompeten (“Vuvuzelas”) erinnert an gewaltige Bienenschwärme.
Die Kommentatoren in TV und Radio sind kaum zu verstehen. Dröhnen uns jetzt vier Wochen lang die Ohren? BILD beantwortet die wichtigsten Fragen.
Diese Fragen finden sich auch auf Bild.de — und darüber hinaus auch die Antwort auf die gar nicht gestellte Frage “Und wo bekomme ich jetzt so ein Teil?”:
Das NDR-Eurovision-Blog fasst das Verhältnis zwischen Grand-Prix-Siegerin Lena Meyer-Landrut und “Bild” recht plastisch zusammen:
Für ein Medium, das beansprucht, die Phantasien von Massen zu kennen und diese entsprechend zu bedienen, also für eine Zeitung wie die “Bild”, muss es ein GAU sein, in Sachen Lena und ihrer ESC-Performances dauerhaft draußen gestanden zu haben – vorher, währenddessen und auch jetzt.
Um den eigenen Lesern irgendwas über Lena erzählen zu können, tragen “Bild” und Bild.de also seit Wochen Informationen aus Sekundär- und Tertiärquellen zusammen, die sich mal widersprechen und mal gar nichts aussagen.
Am 3. Juni, wenige Tage nach Lenas Sieg in Oslo, erklärte “Bild” anhand der Danksagungen im Booklet ihrer fast vier Wochen zuvor erschienenen CD, wem Lena “jetzt” Danke sagt. Auch Bild.de veröffentlichte einen umständlichen und etwas hilflosen Versuch einer Entschlüsselung.
Während manche der Dankeszuordnungen ziemlich unkonkret daherkommen (“im Internet glauben viele …”), waren andere Namen wie “Stefan” (Raab) und “Jörg” (Grabosch, von der TV-Produktionsfirma Brainpool) leichter zuzuordnen.
Dummerweise ist Bild.de dabei ein kleiner Fehler unterlaufen, den nicht mal wir aufgeschrieben hätten. Aber das war für Stefan Raab offenbar kein Kriterium:
Mit Dank an Tobi.
Nachtrag, 12. Juni: Heute erschien die Gegendarstellung auch in der gedruckten “Bild”.
Es ist Sommer, wir schreiben eine gerade Jahreszahl und viele Privatfahrzeuge sind beflaggt wie sonst nur Staatskarossen. Kein Zweifel: Uns steht ein internationales Fußballgroßereignis ins Haus.
Anlässlich der Fußball-WM 2006 hatte “Bild” mit einem “WM-Knaller” überrascht: Mit einem in der Zeitung abgedruckten Gutschein konnte man beim Discounter Lidl für 99 Cent 6 Flaschen “köstliches Grafenwalder Premium-Pils”, “eine große Tüte knackige Erdnuß-Flips” und eine Deutschland-Fahne erstehen.
Nach langem Zögern sah der deutsche Presserat darin einen Verstoß gegen die Ziffern 6 und 7 des Pressekodex und sprach – unter anderem wegen eines Verstoß gegen des Trennungsgebot von Werbung und redaktionellen Inhalten – gegen “Bild” einen “Hinweis” aus (BILDblog berichtete).
Zwei Jahre später bekam der geneigte Leser zur Fußball-EM für “nur einen Euro” sechs Flaschen “Grafenwalder Premium Pils” und ein Paket Grillwürstchen (“Dulano, 350 Gramm”). “Bild” pries die “größte EM-Aktion aller Zeiten” zwei Mal auf der Titelseite an und schwärmte in den dazugehörigen Artikeln u.a. vom “Party-Hammer”. Der Gutscheincoupon selbst war immerhin – gleich zwei Mal – mit dem Wörtchen “Anzeige” versehen (BILDblog berichtete auch dazu).
Heute startet – wie die Meisten vielleicht mitbekommen haben – mal wieder eine Fußballweltmeisterschaft — und da sind “Bild” und Lidl natürlich bestens aufgestellt:
Im … äh: “redaktionellen” Artikel wurde gestern schon mal vom “WM-Knaller von BILD und Lidl” geschwärmt, der “sechs Flaschen Grafenwalder Pils und ein Paket Grillwürstchen (6 Stück) für nur 1 Euro” verspricht (“Sie sparen bis zu 70 Prozent gegenüber dem Einzelkauf!”).
Heute nun ist es laut “Bild”-Titelseite ein “Mega-Kracher zum WM-Start”.
Auf einer Viertelseite wird in der Zeitung “die größte Fan-Aktion aller Zeiten” gefeiert, “mit allem, was Sie für Ihre WM-Feier brauchen”. Als “Anzeige” gekennzeichnet ist allerdings – in alterTradition – nur der Gutschein-Coupon selbst. Das aber natürlich wieder doppelt: