Schon seit Februar 2009erscheinenaufBild.deregelmäßigArtikelüber“Photoshop-Pannen”, die das englischsprachige Blog “Photoshop Disasters” aufgedeckt hat. Natürlich ist die Eigenleistung von Bild.de denkbar gering, aber wenigstens war die Quelle in den Artikeln bis September 2010 stets verlinkt und in der dazugehörigen Bildergalerie, die bis dahin von 17 Fotos auf 69 angewachsen ist, stand artig:
Foto: photoshopdisasters.com
Das mit der ordentlichen Kennzeichnung änderte sich ab dem 3. November 2010. Vielleicht haben sie sich bei Bild.de daran erinnert, dass Onlineauftritte klassischer Medien eher ungern auf externe Webseiten verlinken, vielleicht hält es die “Bild”-Familie generell für ein Kavaliersdelikt, anderswo abzuschreiben und Quellen zu verschweigen, wenn es nur von den Richtigen praktiziert wird. Eines steht aber fest: Die Bilder, die seitdem in gewohnter Manier vorne an die Galerie rangeklatscht werden, stammen nach wie vor von der Seite “Photoshop Disasters”. Das lässt sich leicht am Wasserzeichen erkennen, hier etwa links unten im Pannenfoto:
Weder im dazugehörigen Artikel noch in der Fotolegende wird auf die Quelle der Bilder hingewiesen. Stattdessen steht dort nun ominöserweise “Foto: Computer BILD”. Vielleicht soll das bedeuten, dass sie ein “Computer Bild”-Fotograf direkt vom Monitor abfotografiert hat. Erst ab Bild 17 von 83 wird die Quelle wieder korrekt mit “Foto: photoshopdisasters.com” angegeben.
In den beiden jüngstenArtikeln über “peinliche Photoshop-Pannen” nutzt Bild.de dann eine geschicktere Methode, um den Finder zu verschleiern: Nachdem “Photoshop Disasters” dreineuePannen auf der Homepage von “Victoria’s Secret” entdeckt hatte, hat sich Bild.de einfach direkt auf www.victoriassecret.com bedient und auch nur dies als Quelle angegeben.
Mit Dank auch an Dominik B.
Nachtrag, 14:04: Frank H. hat uns darauf aufmerksam gemacht, dass man auch bei mopo.de kein Problem damit hat, Bilder von “Photoshop Disasters” in Galerien zu packen, ohne die Quelle zu nennen.
Man soll mit sowas ja keine Späße machen, aber stellen wir uns für einen Moment mal vor, der Fahrer von Angela Merkels Dienstwagen setzt das Automobil in den Straßengraben. Er war allein unterwegs, um die Kanzlerin abzuholen, und ihm ist nichts schlimmes passiert.
Würden die Zeitungen am nächsten Tag groß über diese, für Merkel gefährliche Situation berichten? Es ist nicht auszuschließen.
Gut: Es hat ein anderes Transportmittel erwischt und es ist letztlich noch weniger passiert, aber die Medien berichten tatsächlich.
Irre, oder? Nur “wenige Stunden”, nachdem Angela Merkel einen Hubschrauber verlassen hat, ist dieser “beinahe abgestürzt”.
Doch die “Bild am Sonntag” ist mit ihrer Feststellung, Merkel sei “nur knapp einem Beinahe-Absturz ihres Polizeihubschraubers entgangen” noch vergleichsweise zurückhaltend unterwegs.
Der gleiche Burkhard Uhlenbroich, der im Print noch einigermaßen entspannt war, verkündet hier plötzlich:
Bundeskanzlerin Angela Merkel ist am Mittwochabend bei einer Wahlkampfveranstaltung nur knapp einem Absturz ihres Hubschraubers entgangen.
Und weil “Bild am Sonntag” die Story vorab an die Agenturen gegeben hatte, taten die das Ihre, um den Wahnsinn zu steigern.
AFP scheint sich selbst nicht ganz sicher gewesen zu sein, was jetzt genau passiert ist:
“BamS”: Merkel entkommt knapp Beinahe-Absturz ihres Hubschraubers – Polizei geht nicht von Sabotageakt aus
Berlin, 20. März (AFP) – Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist am Mittwochabend bei einer Wahlkampfveranstaltung nur knapp einem Beinahe-Absturz ihres Polizeihubschraubers entgangen. Nach Informationen der “Bild am Sonntag” (BamS) hatte der Hubschrauber sie nach einem mehrstündigen Flug zunächst in Offenburg abgesetzt. Beim Weiterflug nach Oberschleißheim setzten laut “BamS” zeitgleich beide Antriebsturbinen des Superpuma 332 aus. Der Helikopter sackte aus einer Höhe von 1600 Metern ab. Der Crew gelang es erst wenige hundert Meter über dem Erdboden, die Turbinen wieder zu starten und einen Absturz zu verhindern.
dpa ist da schon klarer, gibt sich in der Überschrift aber auch missverständlich:
“Bild am Sonntag”: Merkels Hubschrauber fast abgestürzt
Berlin (dpa) – Ein Polizeihubschrauber von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist laut “Bild am Sonntag” nur knapp einem Absturz entgangen. Nur wenige Stunden nachdem die CDU-Vorsitzende den Helikopter am Mittwochabend verlassen habe, seien die Turbinen ausgefallen und der Helikopter um rund 1000 Meter abgesackt, berichtet das Blatt. Der Besatzung sei es erst wenige hundert Meter über dem Erdboden gelungen, die Turbinen wieder zu starten.
Reuters zerstört die in der Überschrift erzeugte Spannung dann gleich mit dem ersten Satz:
Merkels Hubschrauber wäre am Mittwoch beinahe abgestürzt
Berlin, 20. Mär (Reuters) – Ein Hubschrauber von Angela Merkel ist am Mittwoch nur wenige Stunden nach einem Flug mit der Kanzlerin beinahe abgestürzt. In rund 1600 Metern Höhe hätten beide Antriebsturbinen der Maschine ausgesetzt, erklärte am Sonntag eine Sprecherin der Bundespolizei, die damit einen Bericht der “Bild am Sonntag” bestätigte.
Auftritt deutsche Online-Medien!
“Spiegel Online” ging zunächst in die Vollen:
Das war den Redakteuren im Nachhinein dann wohl doch ein bisschen peinlich. Sie änderten Überschrift und Vorspann, entfernten das Foto von Merkel und setzen einen Hinweis unter den Artikel:
Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels entstand der Eindruck, Merkel habe zum Zeitpunkt des Beinahe-Unglücks noch in dem Helikopter gesessen. Dies war nicht der Fall. Wir entschuldigen uns für die Unklarheit.
sueddeutsche.de hat seine Überschrift inzwischen von “Kanzlerin entgeht knapp Hubschrauber-Absturz” in “Merkels Hubschrauber beinahe abgestürzt” geändert, verkündet im ersten Satz aber immer noch:
Vermutlich haben ganz viele deutsche Journalisten gestern auch “nur knapp” den Lotto-Jackpot nicht geknackt: Tippschein nicht abgegeben oder so.
Mit Dank an Andreas L., Daniel B., Carsten Z., Dennis S., Matthias Sch. und Horst M.
Nachtrag, 21. März: Zahlreiche Leser haben uns auf das Prinzip der Autorotation hingewiesen, die es ermöglicht, einen Hubschrauber auch bei ausgefallenem Antrieb sicher zu landen. Die ganze Situation war also offenbar noch unspektakulärer.
Bild.de stellt seine Leser heute vor ein wahrlich kniffliges Rätsel:
Wer bei diesem Foto noch keine Ahnung hat, wer der Erzeuger ist, kann sich auf fünf weiteren Bildern noch einmal vergewissern, wie süß dieses Mädchen doch ist, das sich allerdings auch als “verruchter Vamp” zeigt. Am Ende bleibt die Wahl zwischen Eminem, Antonio Banderas und Kurt Cobain.
Eine Antwort gibt Bild.de aber auch:
Bei dem “bildhübschen” Mädchen mit den “braunen Kulleraugen, strohblonden Haaren und niedlichen Grübchen” handele es sich um Hailie Jade Mathers, die 15-jährige Tochter von Eminem.
Die Beweisführung erscheint schlüssig: Ein Mädchen hat den Twitter-Account Angry_Blonde unter dem Namen Hailie Jade Mathers eröffnet und fleißig gezwitschert. Dazu hat sie poetisch dahinphilosophiert, Fotos hochgeladen und verfügte über das Insiderwissen, wann sie selbst Geburtstag hat. Keine Frage: “Der Rüpel-Rapper dürfte ziemlich stolz sein.”
Bild.de ist mit der Geschichte ein bisschen spät dran: E! News hatte schon vor zwei Tagen über den Twitter-Account berichtet — und musste noch am gleichen Tag zurückrudern, nachdem Eminems Sprecher Dennis Dennehy erklärt hatte, dass es sich um einen Schwindel handle. Auch sein Manager Paul Rosenberg hat den Twitter-Account als “100% Fake” bezeichnet. Ebenfalls vor zwei Tagen!
Doch Bild.de brachte die Geschichte erst heute und lässt sich offenbar auch nicht davon beirren, dass der Account Angry_Blonde inzwischen gelöscht ist und die meisten anderen Medien, die darauf hereingefallen waren, ihre Meldungen zurückgezogen haben. Die Fotos sind schließlich süß und die Tweets ach so poetisch.
Mit Dank an Cat D., Markus T., Patrick, Tim G., Stephan T., Amelie und Steffi.
Nachtrag, 18.07 Uhr: Schon um 17.24 Uhr berichtet Bild.de, Eminems angebliche Tochter habe “auf ihrem Twitter-Account das Internet genarrt – BILD.de inklusive!”
Wer nur den Ursprungsartikel liest, ahnt von dieser Entwicklung natürlich nichts.
Laue Frühjahrslüftchen, Regengüsse, Temperaturschwankungen… Sie haben schon ein neues Sommerkleid, aber keine Ahnung wie Sie es jetzt schon tragen können?
Gut, dass Bild.de “für Sie ganz genau hingeschaut” hat!
Klasse “Übergangs-Look”, den Siena Miller da trägt, was? Bild.de erklärt ihn auch gerne noch mal ausführlicher:
Sienna Miller (29) zeigt, dass sie auch im Frühjahr ein sicheres Styling-Händchen hat und gibt uns gleich zwei gute Tipps mit auf den Weg. Sie kombiniert Flatterröckchen, Kniestrümpfe und Gummistiefel. Das sieht nicht nur niedlich aus, die Kombi hält auch warm.
Tatsächlich dürfte es sich eher um das Styling-Händchen von April Ferry handeln, der Kostümdesignerin des Films “The Edge of Love”, aus dem das abgebildete Szenenfoto stammt. Der Film, der während des zweiten Weltkriegs spielt, feierte vor fast drei Jahren Premiere und lief im Sommer 2009 in Deutschland an.
Mit Dank an Torsten B.
Nachtrag, 15.18 Uhr: Bild.de hat das Foto und den sich darauf beziehenden Text aus dem Artikel entfernt.
Diesmal begann alles damit, dass das israelische Model Orit Fox bei einem Fotoshooting mit einer (ungiftigen) Boa Constrictor posierte und von dem nicht eben begeisterten Reptil in die chirurgisch optimierte Oberweite gebissen wurde. Das dazugehörige Video lässt da übrigens noch keine Missverständnisse zu:
Der zweite Teil der Geschichte klingt jedoch noch spektakulärer: Angeblich soll die Schlange bald darauf an einer Silikonvergiftung gestorben sein.
Da einer alten Journalistenregel zufolge “Schlange vergiftet Frau” keine Nachricht ist, “Frau vergiftet Schlange” aber sehr wohl, rauschte die Nachricht vom Silikontod einmal quer durchs Internet und wurde von Online-Medienweltweitaufgegriffen. Da man sich dabei immer munter aufeinander berief, dürfte es kaum mehr möglich sein, herauszufinden, welche Zeitung die Nachricht zuerst adelte.
Im deutschsprachigen Raum etwa berichteten unter anderem Bild.de (“Gerüchten im Netz zufolge”), “Merkur Online”, express.de, 20min.ch (“Wie die belgische Zeitung ‘Gazet Van Antwerpen’ berichtet”) und blick.ch (“wie jetzt der spanische TV-Kanal ‘Telecinco’ […] berichtet”) von diesem weltbewegende Ereignis.
Die vergiftete Schlange machte immer noch fleißig die Runde, als das amerikanische Blog “The Daily What” die Hintergründe der Geschichte genauer beleuchtete: Demnach nahm das Unheil am 3. März seinen Lauf, als die auf Celebrity-Gerüchte spezialisierte Webseite “Oh No They Didn’t” das ursprüngliche YouTube-Video vom Schlangenbiss veröffentlichte und der Autor mit dem Nickname “nappyxheadedxho” neben einigen dürren Bemerkungen hinzufügte:
The snake later died from silicone poisoning.
Noch am selben Tag fragte ein Leser in den Kommentaren “Really? Poor thing.”, worauf nappyxheadedxho antwortete:
lmao I was joking!
(Ich lach mich tot – das war nur ein Witz!)
Inzwischen sind die ersten ausländischen Medien, die von der vergifteten Schlange berichtet haben, eifrig dabei, ihre Artikel zu löschen oder zu berichtigen. Mal sehen, wie lange “unsere” dafür brauchen.
Mit Dank an miguel!
Nachtrag, 15:26 Uhr: “Merkur Online” hat sich inzwischen für die Löschvariante entschieden, während express.deden ursprünglichen Artikel transparent korrigiert hat.
Heute Vormittag wurde Gewissheit, was “Bild” schon heute früh als Tatsache verkündet hatte: Der FC Schalke 04 hat sich von seinem Trainer und Manager Felix Magath getrennt.
Bild.de hat die Ereignisse in einem der gerade so populären Liveticker aufbereitet, in dem es unter anderem heißt:
Als Aufsichtsratsmitglied hat Magath das Anrecht, vom Aufsichtsrat gehört zu werden, der nun ohne ihn tagt. Vermutlich wird er nun aus dem Gremium gewählt – damit verliert Magath laut Vertrag auch die Position als Trainer und Manager.
Das ist ziemlicher Quatsch: Magath war nie Mitglied des Aufsichtsrats. Er gehörte bis heute Vormittag dem Vorstand des Vereins an:
Auch war Magaths Vertrag als Vorstand und Trainer von seiner Abberufung als Vorstand nicht berührt und wurde schon gar nicht automatisch gekündigt, wie Bild.de behauptet. Inzwischen hat er ihn allerdings selbst gekündigt, wie uns Magaths Umfeld bestätigte.
Das ganz große Fass der von der prothesenproduziernden Industrie gesponserten Vergleiche hat Bild.de aufgemacht:
In einer Stadtteilbibliothek in Steglitz hatte ein “Bild”-Leser festgestellt, dass Bild.de auf den dortigen Internet-PCs nicht aufgerufen werden kann.
Die Bibliothek, die die Sperre mit Filtersoftware aus dem Ausland begründet, verhält sich nach Ansicht von Bild.de also wie die chinesische Regierung — oder eben wie Bild.de, das seine eigene Website für iPad-Nutzer sperrt, damit diese die kostenpflichtige “Bild”-App nutzen.
Leserkommentare, die auf die iPad-Geschichte hinwiesen oder den China-Vergleich als übertrieben kritisierten, hat Bild.de gelöscht und die Kommentarfunktion abgeschaltet. Eben Zensur wie in China der Stadtbibliothek.
Im Allgemeinen hält Bild.de klassische Bildung ja eher für überflüssig — es sei denn, man kann damit jemandenanschwärzen. Einen weiteren Grund gibt es aber doch:
Da Wissen nicht auf Bäumen wächst, haben die Bild.de-Redakteure einfach in dem Buch “Physik für Eierköpfe” des britischen Wissenschaftlers Brian Clegg geblättert und daraus zehn “kuriose Fakten” abgeschrieben. Das heißt: fast abgeschrieben. Denn obwohl Clegg in jedem Mini-Kapitel ein paar mundgerecht aufbereitete “Fakten zum Angeben” auflistet, schafft es Bild.de, trotzdem noch Fehler einzubauen.
Aristoteles hatte zwar einigen Einfluss, aber Galileo Galilei hatte bereits 1604 festgehalten, dass Gegenstände unabhängig vom Gewicht von ihrer Masse gleich schnell fallen, wenn der Luftwiderstand keine Rolle spielt — über 350 Jahre vor den Mondmissionen. Das steht im übrigen auch in Brian Cleggs Buch und sollte eigentlich jedem bekannt sein, der im Physikunterricht nicht geschlafen hat. Und wer es nicht weiß, kann es sich von Dave Scott selbst erklären lassen.
Doch dann wagt sich Bild.de auch noch an die Relativitätstheorie heran:
Das ist zwar hypothetisch richtig: Wie Einstein in seiner Relativitätstheorie festgestellt hat, besteht ein Zusammenhang zwischen Energie und Masse. Der Effekt bei der Erwärmung einer Tasse Kaffee wäre aber so gering, dass er sich nicht messen lässt. Gleichzeitig dehnt sich Kaffee bei der Erwärmung aus, die Flüssigkeit wird also im Verhältnis zum Volumen leichter. Außerdem nimmt seine Masse durch Verdunstung ab. Der erwärmte Kaffee ist also in der Realität eher leichter als zuvor.
Wer also – wie von Bild.de vorgeschlagen – beim “Smalltalk im Aufzug oder bei einem wichtigen Geschäftsessen” mit der Kaffee-Version von Einsteins Relativitätstheorie aufwarten will, kann nur darauf hoffen, dass sein Gegenüber noch weniger Ahnung von Physik hat als er selbst (oder als Bild.de).
Wenn Journalisten von “bisher unveröffentlichten Aufnahmen” sprechen, ist häufig Vorsichtgeboten — besonders aber, wenn die “Bild”–Familie damit anfängt.
Was also könnte passiert sein, wenn Bild.de aufgeregt von “neuen” und “jetzt aufgetauchten Fotos” berichtet?
Es sind überraschende Bilder: Jetzt aufgetauchte Fotos zeigen Eva Braun, die Geliebte von Nazi-Tyrann Adolf Hitler, wie sie noch nie zuvor zu sehen war!
Die Fotos zeigen die Hitler-Geliebte unter anderem mit dunkler Farbe im Gesicht, in einem dunklen Anzug, mit weißem Hemd und weißer Fliege. Das Foto trägt den Titel “Ich als Al Jolson”, wurde 1937 aufgenommen.
Nun ja: Ein Teil der Bilder, die das Magazin “Life” seit gestern auf seiner Website zeigt, scheint der Öffentlichkeit tatsächlich bisher verborgen geblieben zu sein. Doch ausgerechnet das Foto der verkleideten Eva Braun, das Bild.de, die “B.Z.”, der “Berliner Kurier”, blick.ch, orf.at, news.at und die “Daily Mail” zum Aufhänger für ihre Berichte gemacht haben, ist es nicht.
Das besagte Foto war bereits 1947, zwei Jahre nach Eva Brauns Tod, schon einmal in “Life” zu sehen gewesen:
Weder “Life” noch Getty Images, die das Foto jetzt vertreiben, behaupten, es sei “neu”.
Die Zukunft des Journalismus soll unter anderem im Bewegtbild liegen, hört man mitunter. Videos sind also wichtig — und wenn darin kleine Kinder, flauschige Tiere oder die Terroranschläge des 11. September 2001 zu sehen sind, setzt bei Journalisten alle Vernunft aus.
In den letzten Tagen war es mal wieder soweit:
Ein “bisher unbekanntes Video” sei veröffentlicht worden, schreibt “Spiegel Online”, während 20min.ch ein “kürzlich freigegebenes Video” entdeckt zu haben glaubt und oe24.at erklärt, das “Neue an den Bildern” sei vor allem, “dass sie die brennenden Türme des World Trade Center von oben zeigen”. Von einem “neuen Video” sprechen unter anderem auch Bild.de, n-tv.de, RTL.de, kress.de, Reuters und die Website der “Financial Times Deutschland”. Eigentlich gibt es kaum eine Nachrichtenseite, die nicht über die “neuen Bilder” berichtet: selbst die BBC spricht von “Aufnahmen, die noch nie zu sehen waren”.
Und all das nur, weil die “Enthüllungsplattform” cryptome.org ein Video veröffentlicht hatte, das die New Yorker Polizei am 11. September 2001 an Bord eines Polizeihubschraubers aufgenommen hatte.
Nicht einmal Cryptome selbst behauptet, das Video sei “neu”. Es gehört zu dem umfangreichen Material, das das “National Institute of Standards and Technology” (NIST) nach den Anschlägen gesammelt hatte, um den Einsturz des World Trade Centers bautechnisch zu untersuchen. Dabei handelt es sich um die Kopien von teils veröffentlichten, teils unveröffentlichten Aufnahmen, die das NIST zusammengetragen hatte und seitdem in seinem Besitz hat.
Unter Berufung auf den Freedom of Information Act, fordern immer wieder mehr oder weniger seriöse Organisation die Herausgabe des vom NIST gesammelten Materials, das (vor allem europäische) Journalisten regelmäßig für “beschlagnahmt” oder “unter Verschluss gehalten” halten (BILDblog berichtete).
Womöglich ist das 17-minütige Video, das Cryptome jetzt online gestellt hat, in dieser Form tatsächlich noch nie veröffentlicht worden. Bei der Menge des 9/11-Materials, das auf verschiedenen Kanälen unterwegs ist, lässt sich das schwer sagen. Aber die spektakulären “neuen” Bilder, die die Medien wie “Spiegel Online” jetzt als “bisher unveröffentlichte Aufnahmen” anpreisen, die kann man schon seit dreieinhalb Jahren auf YouTube sehen — heller und mit einem größeren Bildausschnitt und hebräischen, statt deutschen Untertiteln:
Bei “Focus Online” haben sie den Braten gerochen und bemerken jetzt süffisant:
Die Verantwortung, Quellen zu überprüfen, nehmen Enthüllungsplattformen professionellen Journalisten nicht ab. Eine simple Suche bei YouTube hätte genügt, um das vermeintlich unveröffentlichte Material zu enttarnen.