Archiv für Bild.de

Bild, Bild.de  etc.

Wo die wilden Kerle wohnen

Neben Euro-Rettung, Randalen in Griechenland, der Tochter von Nicolas Sarkozy und Carla Bruni und dem Tod von Muammar al-Gaddafi trieb “Bild” und Bild.de diese Woche vor allem eine Frage um:

Kannibalen-Insel: Fraß dieser Jäger den deutschen Urlauber?

Der Fall des deutschen Abenteurers Stefan R., der in Französisch-Polynesien verschwunden war, inspirierte die Reporter dazu, jahrhundertealte Horrorgeschichten zu entstauben und neu aufzukochen.

Sebastian Brauns, freier Journalist aus Konstanz, hat sich die Geschichte und ihre Hintergründe für uns angesehen und einen Gastbeitrag verfasst:

Wir danken auch den vielen Lesern, die uns über die letzten Tage mit sachdienlichen Hinweisen zu dem Fall versorgt haben!

Ganz schön aufgeblasen

Mit einigen Themen lässt sich besonders schön Empörung erzielen: Dazu gehören beispielsweise die sprichwörtliche Regulierungswut bürokratischer EU-Behörden oder Grausamkeiten jeglicher Art gegen arme, unschuldige Kinder.

Insofern war das ein echter Knaller, was britische Medien wie “Daily Mail”, “The Telegraph” und “Daily Express” vergangene Woche zu melden hatten. Sie behaupteten, die EU wolle Kindern allen Ernstes das Aufblasen von Luftballons verbieten:

Brussels bans toys: Party blowers and other stocking fillers are barred in EU safety edict (and prices are set to rise for Christmas)

Children to be banned from blowing up balloons, under EU safety rules

NOW EURO KILLJOYS BAN CHILDREN

Man stelle sich das vor: Klein-Justin-Sören will einen Luftballon aufblasen, schon treten fünf EU-Kommissare die Wohnungstür ein, nehmen den Übeltäter fest und sperren ihn bei Wasser und Brot in den Brüsseler Hungerturm. Oder ist alles ganz anders?

Nun, wahr ist, dass es tatsächlich eine neue Richtlinie gibt, deren Erläuterung in ihrer ganzen 164-seitigen Pracht bereits seit Monaten einsehbar ist. Warum die Medien jetzt erst darauf aufmerksam wurden ist unklar, denn die Richtlinie ist bereits seit 20. Juli 2009 in Kraft und seit 20. Juli 2011 auch umzusetzen. Das angebliche Luftballon-Aufblas-Verbot wird im folgenden Satz erklärt:

Ballons aus Latex müssen mit einem Warnhinweis versehen sein, dass Kinder unter 8 Jahren beaufsichtigt werden müssen und defekte Ballons zu entsorgen sind.

Wie auch das englische Watchblog “Tabloid Watch” festgestellt hat, geht es also keineswegs um ein Verbot, sondern lediglich um einen Warnhinweis auf der Verpackung, wie er seit Jahrzehnten auf Kinderspielzeug üblich ist. Man denke an Klassiker wie “Nicht für Kinder unter 3 Jahren geeignet” oder “Enthält Kleinteile: Erstickungsgefahr”. Solche Hinweise können Eltern beachten oder ignorieren. Rechtliche Konsequenzen haben sie nicht.

Und so ist es auch kein Wunder, dass sich die EU genötigt fühlte, dies klarzustellen:

Kinder unter acht Jahren dürfen weiterhin ohne Aufsicht von Erwachsenen Luftballons aufblasen – das hat die EU-Kommission klargestellt. Anderslautende Medienberichte seien falsch, erklärte die Brüsseler Behörde am Donnerstag und fügte hinzu: “Die EU verbietet Kindern NICHT das Aufblasen von Ballons.”

Eine neue Richtlinie für die Sicherheit von Spielzeug aus dem Sommer nehme lediglich eine seit 1998 geltende Bestimmung wieder auf: Danach müssen Latex-Ballons die Warnung tragen, dass Kinder jünger als acht Jahre unaufgeblasene oder kaputte Ballons verschlucken und daran ersticken können. Die Aufsicht von Erwachsenen werde daher empfohlen.

Sie fragen sich, warum die EU sich die Mühe gemacht hat, diese Richtigstellung auch auf Deutsch publik zu machen, obwohl doch englische Medien einem Irrtum erlegen waren? Das liegt daran, dass einigen deutschsprachigen Medien keine Nachricht aus England zu blöd ist, um sie nicht unreflektiert weiterzuverbreiten.

Bild.de:

Für Kleinkinder EU plant Aufblas-Verbot für Luftballons

Mal wieder ein echter Knaller aus Brüssel!

Jetzt wollen die Eurokraten auch das Aufblasen von Luftballons regeln.

oe24.at:

13. Oktober 2011 08:30 Für Kinder unter 8 EU verbietet Luftballon-Aufblasen Verordnung aus Brüssel, weil die Gefahr zu groß ist, dass ein Kind erstickt

Die Nachricht aus der englischen Zeitung Telegraph wird Kinder nicht freuen: Eine EU-Verordnung besagt, dass es unter Achtjährigen verboten ist, alleine Luftballons aufzublasen. Begründung: Die Kids könnten ersticken.

Der Hauptpreis geht jedoch an “20 Minuten Online”, wo von der Überschrift bis hin zum Symbolbild einfach alles zusammenpasst:

Die EU macht auf Spassbremse. Sicherheitsbestimmungen verlangen, dass Luftballone nur noch mit folgendem Warnhinweis verkauft werden dürfen: Ballone sollten von Kindern unter acht Jahren nur unter Aufsicht der Eltern aufgeblasen werden.

Mit Dank an Lutz K.

Korrektur, 10.13 Uhr: Ein Leser hat uns darauf hingewiesen, dass die “neue” Richtlinie sogar schon seit dem 20. Juli 2009 in Kraft ist, wobei die nationalen Umsetzungsvorschriften tatsächlich erst seit 20. Juli 2011 anzuwenden sind. Außerdem handelt es sich bei dem von uns zitierten Dokument nicht um die eigentliche Richtlinie, sondern um ihre Erläuterung. Die betreffenden Stellen wurde nachträglich korrigiert.

Hängt ihn, aber gebt ihm keine Tiernamen

“Bild”-Leser Rolf K. aus Leipzig hatte einen Vorschlag, was mit Magnus Gäfgen passieren sollte, einen Kindermörder, der den Staat auch noch auf Schmerzensgeld verklagt hatte:

Meine Meinung: Ab in eine Gemeinschaftszelle und Hofgang mit allen anderen Ganoven!

Man kann sich ausmalen, was mit Gäfgen passieren würde, in einer Gemeinschaftszelle und beim Hofgang mit allen anderen Ganoven. Er würde es nicht überleben.

Man muss in dem Vorschlag von “Bild”-Leser Rolf K. aus Leipzig den Wunsch nach einer Lynchjustiz sehen oder gar den Aufruf dazu. Man kann es deshalb abstoßend finden, dass die “Bild”-Zeitung diese Leserstimme ausgewählt und veröffentlicht hat.

Doch der Presserat hat kein Problem damit. Er lehnte eine Beschwerde von uns schon im “Vorverfahren” ab, ohne überhaupt den Beschwerdeausschuss mit der Sache zu befassen.

Der Inhalt […] spiegelt nach unserer Einschätzung die Meinung eines Teils der Leserschaft wieder. Um allen Lesern zu verdeutlichen, welche Standpunkte in der Bevölkerung zu der Forderung bzw. zu der Person von Magnus Gäfgen existieren, ist es vertretbar, wenn diese Äußerungen dann so veröffentlicht werden. Es sind zwar extreme Meinungen, jedoch verstoßen sie nach unserer Ansicht nicht gegen die Menschenwürde Gäfgens.

Das betrifft auch andere Leserstimmen mit ähnlichem Tenor, die “Bild” und Bild.de im März veröffentlicht hatten, etwa die von Bernd M. Aus Lüdenscheid:

Das gibt es nur in Deutschland. In Amerika wäre diese Bestie kein Thema mehr.

Dass der Presserat das Wort “Bestie” nicht missbilligen würde, hätten wir natürlich vorher wissen können. 2009 urteilte der Beschwerdeausschuss über die “Bild”-Berichterstattung über einen mutmaßlichen Kinderschänder:

Außerdem sieht der Presserat mit der Bezeichnung “Dreckschwein” die Ziffer 1 des Pressekodex verletzt. Die Mehrheit im Beschwerdeausschuss kann der Argumentation der Zeitung nicht folgen, wonach auf diese Weise der vorherrschenden öffentlichen Meinung Ausdruck verliehen werde. Unabhängig von der Schwere der Vorwürfe gilt der Schutz der Menschenwürde. Die Bezeichnung “Sex-Bestie” hingegen hält der Beschwerdeausschuss für zulässig.

Einen Mann lynchen oder hinrichten lassen zu wollen, geht also menschenwürdetechnisch in Ordnung, so lange man ihn nur nicht mit einem Schwein vergleicht.

Was von Steve Jobs übrig bleibt

“Jeder Verleger der Welt sollte sich einmal am Tag hinsetzen, um zu beten
und Steve Jobs dafür zu danken, dass er die Verlagsbranche rettet!”
(Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG)

Steve Jobs, Mitbegründer des Unterhaltungselektronikkonzerns Apple, ist tot. Die Medien weltweit würdigen ihn heute als Visionär, besonders bemerkenswert ist dabei wie so oft “Bild”: Für das Aufmacherfoto auf Seite Eins hat sich die Zeitung für das “letzte Foto” von Jobs entschieden, das ihn schwer von seiner Krebserkrankung gezeichnet und mit wirren Haaren zeigt. Den Rest Würde, den der Frischverstorbene danach noch hat, pflügt die riesige Schlagzeile unter: “Krebstod! So grausam starb Computer-Milliardär Steve Jobs”. So genau hatten das die meisten Leser womöglich gar nicht wissen wollen.

Aber wer weiß das schon. Die Leute interessieren sich ja heutzutage für alles mögliche — behauptet zumindest Bild.de:

Steve Jobs († 56) ist tot. Stunden nach der Todesnachricht fesselt die Weltöffentlichkeit vor allem auch ein Thema: sein Erbe.

Teil dieser “Weltöffentlichkeit” ist natürlich auch Bild.de, wo sich die Mitarbeiter um die größtmögliche Skandalisierung bemühen:

DENN: Das nach außen getragene Familienbild – eine liebende Ehefrau, drei wunderbare Kinder – ist nur die halbe Wahrheit.

Zum bewegten Leben von Apple-Genie Steve Jobs gehören auch seine uneheliche Tochter, seine leiblichen Eltern, seine Adoptiv-Eltern, seine Halbschwester.

Gut, das war alles schon bekannt und steht eigentlich nicht wirklich in einem Kontrast zum “nach außen getragenen Familienbild”, aber was soll’s?

Der verzweifelte Versuch, irgendwie Action in die Geschichte zu bekommen, wird in diesen zwei Absätzen offensichtlich:

SCHLACHT UMS GELD?

Vermutlich werden bei diesem Mega-Nachlass Anwälte alle Hände voll zu tun haben. Aber eine öffentliche Schlacht ums Erbe wird es sicherlich nicht geben.

Es gibt also eigentlich nichts zu berichten, es wird sicherlich nichts zu berichten geben, was könnte die Leser der Weltöffentlichkeit denn noch interessieren?

Eine Übersicht dessen, was zum Erbe gehört! Darunter:

sein 5700 Quadratmeter großes Haus (7 Schlafzimmer, vier Badezimmer. Wert: 2,6 Millionen Dollar (Quelle: CNBC)

Nun müssten die sieben Schlaf-, vier Bade- und die womöglich noch vorhandenen weiteren Zimmer verdammt riesig sein, wenn sie gemeinsam 5.700 Quadratmeter ergeben sollen.

Aber bei Bild.de waren sie ja so nett, ihre “Quelle” anzugeben. Und siehe da:

Steve Jobs, Apple, Inc. Estimated Price: $2.6 million. Location: Palo Alto, Calif. Beds/Baths: 7 bedrooms, 4 bathrooms, 1 half bathroom. Square feet: 5,678

5.678 Quadratfuß. Aufmerksame BILDblog-Leser wissen bereits, dass man diese Zahl noch durch 10,76 teilen muss, um den Quadratmeterwert zu erhalten.

Das Haus von Steve Jobs ist demnach 527,7 Quadratmeter groß. Das ist ja auch schon ganz beachtlich.

Mit Dank an Bernhard W.

Nachtrag, 8. Oktober: Bild.de hat die Größe des Hauses unauffällig auf “rund 530 Quadratmeter” geändert.

Ups, verliehen

Dieses lange Wochenende dürfte bei Medienwissenschaftlern und in etlichen Redaktionsstuben noch für Gesprächsstoff sorgen. Zum einen wird darüber zu diskutieren sein, ob ein Festakt, bei dem die Höhepunkte des letzten Fernsehjahres ausgezeichnet werden sollen, tatsächlich mit 24-stündiger Verspätung ausgestrahlt werden muss — ganz so, als bräuchte RTL so lange, um aus der Verleihung des deutschen Fernsehpreises eine ansehnliche Sendung zu schneiden.

Zum anderen wird man auch (wieder einmal) darüber sprechen müssen, ob das Konzept der “Sperrfrist”, das entwickelt wurde, damit Printmedien am Morgen über Preisträger berichten können, die erst am späten Abend gekürt wurden, im Zeitalter von automatisierten Online-Tickern nicht doch ein bisschen antiquiert wirkt:

Eil +++ Bitte verwenden Sie die Meldung zum Deutschen Fernsehpreis nicht rpt nicht vor Ablauf der Sperrfrist. Die Meldung hat Sperrfrist 3. Oktober 2300. Fernsehpreis für Nina Kunzendorf und Jörg Hartmann = Köln (dpa) - Nina Kunzendorf und Jörg Hartmann sind Deutschlands beste Schauspieler 2011. Sie wurden für ihre Leistungen am Abend in Köln mit dem Deutschen Fernsehpreis bedacht. Die 39-Jährige erhielt die Trophäe für ihre Rolle im ARD-Drama "In aller Stille". Darin spielt sie eine Polizistin spielt, die zunächst wie gewohnt ihre Tochter in den Kindergarten bringt und dann einen dramatischen Tag erlebt. Der 42-jährige Hartmann bekam den Preis für seinen Auftritt in der ARD-Serie "Weissensee" als Stasi-Major Falk Kupfer. Den Publikumspreis erhielt als bester Entertainer Stefan Raab.

Eil +++ Bitte verwenden Sie die Meldung zum Deutschen Fernsehpreis nicht rpt nicht vor Ablauf der Sperrfrist. Die Meldung hat Sperrfrist 3. Oktober 2300. Fernsehpreis für Nina Kunzendorf und Jörg Hartmann = Köln (dpa) - Nina Kunzendorf und Jörg Hartmann sind Deutschlands beste Schauspieler 2011. Sie wurden für ihre Leistungen am Abend in Köln mit dem Deutschen Fernsehpreis bedacht. Die 39-Jährige erhielt die Trophäe für ihre Rolle im ARD-Drama "In aller Stille". Darin spielt sie eine Polizistin spielt, die zunächst wie gewohnt ihre Tochter in den Kindergarten bringt und dann einen dramatischen Tag erlebt. Der 42-jährige Hartmann bekam den Preis für seinen Auftritt in der ARD-Serie "Weissensee" als Stasi-Major Falk Kupfer. Den Publikumspreis erhielt als bester Entertainer Stefan Raab.

Eil +++ Bitte verwenden Sie die Meldung zum Deutschen Fernsehpreis nicht rpt nicht vor Ablauf der Sperrfrist. Die Meldung hat Sperrfrist 3. Oktober 2300. Fernsehpreis für Nina Kunzendorf und Jörg Hartmann = Köln (dpa) - Nina Kunzendorf und Jörg Hartmann sind Deutschlands beste Schauspieler 2011. Sie wurden für ihre Leistungen am Abend in Köln mit dem Deutschen Fernsehpreis bedacht. Die 39-Jährige erhielt die Trophäe für ihre Rolle im ARD-Drama "In aller Stille". Darin spielt sie eine Polizistin spielt, die zunächst wie gewohnt ihre Tochter in den Kindergarten bringt und dann einen dramatischen Tag erlebt. Der 42-jährige Hartmann bekam den Preis für seinen Auftritt in der ARD-Serie "Weissensee" als Stasi-Major Falk Kupfer. Den Publikumspreis erhielt als bester Entertainer Stefan Raab.

Und so weiter und so fort …

Mit Dank an die vielen, vielen Hinweisgeber.

Kein Durchblick auf der Titanic

Eisfrage: Was ist los, wenn Bild.de zu einer solchen Überschrift greift?

Richtig! Zum hundertsten Jahrestag der Jungfernfahrt der “Titanic” (welches auch ihre einzige, unvollendete Fahrt bleiben sollte) bietet ein britischer Reiseveranstalter das an, was Bild.de eine “Gedächtnis-Kreuzfahrt” nennt. Mit zwei Schiffen, von denen keines “Titanic” heißt oder auch nur entfernt so aussieht:

Die Reise auf der MS Balmoral und der Azamara Journey soll der Jungfernfahrt der Titanic so nahe wie möglich kommen: Es gibt den gleichen Speiseplan und die gleiche Musik, und Reisende können sich sogar kleiden, wie die Passagiere vor 100 Jahren – an Bord fährt ein Kostümverleih mit. Nur die Kollision mit dem Eisberg steht nicht auf dem Programm!

Und jetzt, wo Sie einmal im geistigen Fahrwasser von Bild.de dümpeln, können Sie sicher auch auf Anhieb erraten, was es bedeutet, wenn Bild.de in der Bildergalerie so etwas hier schreibt:

Es bedeutet natürlich, dass Gloria Stuart, die etwa anderthalb Jahre vor dem Untergang der “Titanic” in Kalifornien an der US-Westküste geboren wurde, nicht als Kleinkind auf dem Schiff war, das auf seiner Fahrt von Südengland Richtung US-Ostküste mitten im Atlantik gegen einen Eisberg fuhr und unterging.

Die Schauspielerin spielte entsprechend auch nicht “sich selbst”, sondern in der Rahmenhandlung die alte Rose DeWitt Bukater, die in jungen Jahren von Kate Winslet gespielt wird.

Die letzte Überlebende der “Titanic” ist übrigens schon im Jahr 2009 verstorben und hieß Millvina Dean.

Mit Dank an Torben S.

Zu viel Gas gegeben

Sie heizen mit Gas? Dann haben wir eine gute und eine schlechte Nachricht für Sie.

Zuerst die schlechte: Gas wird laut den Internetvergleichsportalen Verivox und Check24 um gut zehn bis elf Prozent teurer.

Und jetzt die gute: So hoch, wie Bild.de die Mehrbelastung angibt, ist sie dann doch nicht:

Auf einen durchschnittlichen Vier-Personen-Haushalt (Jahresverbrauch: 20 000 Kilowattstunden) könnten Mehrbelastungen von gut 100 Euro im Monat zukommen.

Da der “durchschnittliche Vier-Personen-Haushalt” nur in den seltensten Fällen über 1.000 Euro monatlich für Gas bezahlt, darf davon ausgegangen werden, dass die von Bild.de berechnete Mehrbelastung nicht monatlich sondern jährlich anfällt.

Und so sehen das auch die beiden Vergleichsportale, die Bild.de als Quelle angibt.

Verivox:

Ein Musterhaushalt mit einem Jahresverbrauch von 20 000 Kilowattstunden (kWh) müsse mit einer jährlichen Mehrbelastung von 126 Euro rechnen

Check24:

Im Durchschnitt steigen die Preise für einen Vier-Personen-Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden (kWh) um 144 Euro oder elf Prozent.

Mit Dank an Hendrik G.

Nachtrag, 28. September: Bild.de hat sich inzwischen — ohne jeglichen Hinweis — korrigiert. Aus den “gut 100 Euro im Monat” wurden “Mehrbelastungen von mehr als 100 Euro im Jahr”.

Das Totenkopffähnchen im Wind

“Wie soll ich Dich empfangen?” heißt es in einem alten Kirchenlied und diese Frage treibt dieser Tage auch die “Bild”-Familie um — natürlich nicht im Hinblick auf den Papst, da ist der Empfang klar, aber im Bezug auf die Piratenpartei.

Die “Bild am Sonntag” verkündete gestern stolz:

Unser Reporter Adrian Pickshaus besuchte die Kultpartei ohne Scheu- und Augenklappe.

Gut, dieser Kalauer ist jetzt vielleicht ein bisschen bemüht. Oder wie es Bild.de vor ein paar Tagen ausgedrückt hat:

Peinlich: Anne Will eröffnet ihre Sendung mit altbackenen Piraten-Witzen, fragt Christopher Lauer zuerst: “Wo ist denn Ihre Augenklappe?”

Doch wofür stehen die Piraten, die “Polit-Sensation des Jahres”, eigentlich? Adrian Pickshaus erklärt es den “BamS”-Lesern:

Im Berliner Wahlkampf machten die Piraten vor allem mit drei Forderungen Welle: straffreies Kiffen, fahrscheinloses Bahnfahren und ein bedingungsloses Grundeinkommen, weit über dem Hartz-IV-Regelsatz.

Nimmt man die Forderungen unter die Lupe, stellt man fest: Vieles ist nicht verrückt, sondern gut durchdacht. Beispiel Bahnfahren: Nach Piraten-Willen soll jeder Berliner eine Jahres-Pauschale für den öffentlichen Nahverkehr bezahlen. Eine Bus-und-Bahn-Maut sozusagen. Touristen würden über eine Hotel-Abgabe zur Kasse gebeten.

Eine Woche zuvor, als die Piraten überraschend mit 8,9 Prozent der Wählerstimmen ins Berliner Abgeordnetenhaus einzogen, waren die Leute bei Bild.de noch skeptischer, was den Erfolg der Piraten anging — und deutlich kritischer:

Das Wahl-Programm könnte von der Hacker-Vereinigung “Chaos Computer Club” stammen – ein seltsames Sammelsurium ziemlich abstruser Forderungen:

– Nahverkehr in Bus und Bahn zum Nulltarif

– keine Verfolgung von Schwarzfahrern mehr

– „Rauschkunde“-Unterricht in der Schule

– die Einführung von Mindestlohn und Grundeinkommen

Mit Dank an Nico S.

Piraten überspringen die Fünf-Prozent-Würde

Es ist der Umfrage-Hammer:

Umfrage-Hammer: 19 % würden Piraten wählen

19 Prozent würden also Piraten wählen, schreibt Bild.de und setzt noch ein Ausrufezeichen dahinter. Doch wann “würden” sie das tun? Wenn Sonntag Bundestagswahl wäre?

Gefragt wurde nach der aktuellen politischen Stimmung:

Können Sie sich theoretisch vorstellen, Ihre Stimme der Piraten-Partei zu geben? Jeder Fünfte antwortete mit JA!

“Theoretisch vorstellen” können sich die meisten Menschen viel, wenn der Tag lang ist — vermutlich auch, neben den Piraten noch ganz andere Parteien zu wählen.

Immerhin haben die Piraten bei dieser Frage einen etwas höheren Wert erzielt als vor einem Jahr die hypothetische Sarrazin-Partei und vor zwei Jahren Horst Schlämmer.

Mit Dank auch an Giovanni und jw.

Irrsinn, wem Irrsinn gebührt

Seit Monaten sind die öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland in einer Art permanentem Alarmzustand, weil sie eine große Kampagne von “Bild” gegen ihre Häuser befürchten. Es spricht wenig dafür, dass der heutige Artikel über den “Gebührenirrsinn” den Auftakt zu einer solchen Kampagne darstellt — dafür ist zur Zeit einfach zu viel Papst in Deutschland und in “Bild”, der die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Aber auch für sich genommen ist der Artikel bemerkenswert.

Gebühren-Irrsinn: ARD und ZDF fordern 1,3 Milliarden mehr!

Unter Berufung auf die “Zeit” schreibt “Bild”, dass “das teuerste öffentlich-rechtliche Fernsehen der Welt” noch teurer werden solle. Und zwar zum Beispiel so:

Die ARD kassiert in diesem Jahr 5,52 Milliarden Euro Zwangsgebühren. Demnächst will der Sender 225 Millionen Euro mehr. Für die Jahre 2013 bis 2016 hat die ARD bei der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) einen Mehrbedarf von 900 Millionen Euro angemeldet.

“225 Millionen Euro mehr” hört sich natürlich nach viel Geld an. Bezogen auf die 5,52 Milliarden sind es knapp vier Prozent, die die ARD zusätzlich “will” — etwas mehr als ein Inflationsausgleich (über die vier Jahre Laufzeit gerechnet, entspricht das einer jährlichen Steigerung von rund 1 Prozent).

Beim ZDF vergleicht “Bild” gleich die Einnahmen eines Jahres mit den Mehrforderungen über den Vierjahreszeitraum, damit letztere höher wirken:

Das ZDF bekommt in diesem Jahr 1,82 Milliarden Euro. Für die nächste Gebührenperiode fordert das Zweite 429 Millionen Euro mehr.

Tatsächlich “bekommt” das ZDF in diesem Jahr auch keine 1,82 Milliarden aus den Gebühreneinnahmen, sondern 1,72. Das geht aus der “internen Finanzvorschau der Sender” (PDF) hervor, die “exklusiv auf BILD.​de” zu sehen sind und mit denen Bild.de die “Transparenz” schaffen will, “die die öffentlich-rechtlichen Anstalten in ihren Finanzangelegenheiten verweigern”.

Außerdem hat Bild.de ein paar vermeintlich namhafte Kritiker des öffentlich-rechtlichen Fernsehens gefunden, die ganz im Sinne der Axel Springer AG gegen “das gebührenfinanzierte Engagement von ARD und ZDF im Internet und bei Apps” (so der Geschäftsführer der SPD-Medienholding ddvg Jens Berendsen) wettern oder sich wie “CDU-Kulturpolitiker Peter Tauber” und “FDP-Medienexperte Burkhard Müller Sönksen” (ein alter Freund der “Bild”-Zeitung) am Begriff “Grundversorgung” verheben dürfen.

Doch zurück zum “teuersten öffentlich-rechtlichen Fernsehen der Welt” und seinen “Irrsinns”-Forderungen:

Jeder Haushalt müsste dann statt 17,98 Euro bisher, monatlich 18,86 Euro Rundfunkgebühren zahlen, so “Die Zeit”.

Zum Vergleich: Die Briten zahlen für ihr öffentlich-rechtliches Fernsehen monatlich 12,98 Euro, die Franzosen 9,66 Euro, die Italiener sogar nur 9,08 Euro.

Da hat “Bild” natürlich drei sehr renommierte öffentlich-rechtliche europäische Sendeanstalten ausgewählt (wobei Frankreich und Italien jetzt eher schlechte Beispiele für die gewünschte Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks abgeben) — und drei sehr günstige.

Zum Vergleich: Die Österreicher zahlen im Monat durchschnittlich 22,03 Euro, die Dänen 25,74 Euro (191,67 Dänische Kronen) die Schweizer sogar 31,34 Euro (38,53 Schweizer Franken).

Mit Dank auch an Sebastian.

Nachtrag/Korrektur, 16.10 Uhr: In der ersten Version dieses Artikels hatten wir uns verrechnet, was die Mehrforderungen der ARD angehen.

Blättern:  1 ... 132 133 134 ... 174