Archiv für 6 vor 9

Live-Justiz, Aufmerksamkeitswellen, Cover

1. Live-Übertragung in Gerichten
(blog.tagesschau.de, Frank Bräutigam)
Die “FAZ” ist vor einigen Tagen unter der Überschrift “Recht im Zirkus” kritisch auf die Pläne für mehr Fernsehen im Gerichtssaal eingegangen. Reinhard Müller schrieb in seinem Kommentar: “Das wird zu einer Live-Justiz führen – mit Showmastern, Clowns und Opfern.” Der ARD-Rechtsexperte Frank Bräutigam sieht das anders und erläutert im Blog der “Tagesschau”, worum es aus seiner Sicht wirklich geht.

2. Kölner Sonderrolle in der medialen Eskalationsspirale
(welt.de, Christian Meier)
“Welt”-Medienredakteur Christian Meier hat sich mit den Aufmerksamkeitswellen nach Terroranschlägen oder anderen Schreckensnachrichten beschäftigt. Das mediale Interesse hielte normalerweise nicht lange an. Es gebe aber auch Ausnahmebeispiele wie die Kölner Silvesternacht. Generell warnt Meier vor einer medialen Eskalationsspirale. Es bestünde die große Gefahr, dass Ereignisse überinterpretiert werden würden. “Die Beschäftigung mit den laufenden Herausforderungen unserer Gesellschaft findet mittlerweile 24/7 statt, ohne Atempause. Das wird so bleiben. Dennoch ist eine Einsicht nötig: Überfordern wir uns nicht.”

3. Zunehmende Einflussnahme Chinas
(reporter-ohne-grenzen.de)
Anlässlich der bevorstehenden Wahl zum Legislativrat in Hongkong fordert “Reporter ohne Grenzen” die Behörden der chinesischen Sonderverwaltungszone zu einer Kehrtwende in Sachen Medienpolitik auf. Zensur, willkürliche Lizenzvergaben und die Benachteiligung unliebsamer Medien hätten zu einem stetigen Verfall der Pressefreiheit geführt. „Die Selbstzensur in Hongkongs Medien entsteht nicht im luftleeren Raum: Medieneigentümer, Chefredakteure und wichtige Anzeigenkunden schaffen ein Klima der Einschüchterung gegen kritische Journalisten“, so ROG-Vorstandssprecher Rediske. Die Hauptverantwortung für die Repressalien liege jedoch bei der politischen Führung in Peking, deren unsichtbare Hand immer öfter in Hongkonger Redaktionen hineinregiere.

4. Vorwürfe gegen Asylzentrum Kreuzlingen entkräftet
(srf.ch)
Auf der Webseite des “Schweizer Radio und Fernsehen” (SRF) wird über einen bereits des Längeren bekannten Vorgang berichtet, der mittlerweile von offizieller Stelle untersucht wurde. Ein deutscher Journalist hätte sich im Asylzentrum Kreuzlingen als Asylsuchender ausgegeben. Später hätte er die Zustände in einem Zeitungsartikel kritisiert, worauf das Staatssekretariat für Migration die Vorwürfe untersuchen ließ. Der offizielle Schlussbericht entlaste das Sicherheitspersonal, gebe aber auch Empfehlungen, z.B. zur Weiterbildung des Sicherheitspersonals.

5. Kritische Fragen nicht mehr zeitgemäß
(taz.de, Ralf Leonhard)
Seit 45 Jahren gibt es in Österreich das sogenannte “Pressefoyer”, bei dem Kanzler und Vizekanzler der Presse für Fragen jeder Art zur Verfügung standen. Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) hat die Institution nun abgeschafft und will sie durch einen Blog ersetzen. Journalistengewerkschaft und Presseverbände würden die Entscheidung in einem gemeinsamen Kommuniqué bedauern, so Ralf Leonhard in der “taz”.

6. Lead Awards: Jury-Vorsitzender kritisiert Blattmacher
(rnd-news.de, Ulrike Simon)
Im Oktober werden wieder die Lead-Awards verliehen. In diesem Jahr sei es der Jury schwergefallen, überhaupt ein paar Magazin-Cover zu finden, die eine Nominierung verdient hätten. Im Haus der Photographie in Hamburg kann man sich auf 1.200 Quadratmeter Ausstellungsfläche alle von der Lead Academy nominierten Arbeiten ansehen. Ulrike Simon hat sich den Jury-Vorsitzenden und ehemaligen “Tempo”-Chef Markus Peichl für einen Rundgang geschnappt. Von einer “mauen Auswahl” und “Notlösung” ist die Rede und von den eigentlich notwendigen Tugenden von Covermachern: „Mut. Unverfrorenheit. Selbstvertrauen“.

Heinz de Specht, Flüchtlingskinder, Apple-Brief

1. Nur din Job
(youtube.com, Video, 2:51 Min.)
Das Schweizer Kleinkunst-Trio “Heinz de Specht” rechnet in seinem neuesten Clip mit den Methoden der Boulevardblätter “Blick” und “Schweizer Illustrierte” anlässlich des Vierfachmords von Rupperswil ab. Im Video zeigen sie nicht nur einige reißerische Überschriften, sondern holen zum Gegenschlag aus und blenden Bilder der verantwortlichen Reporter und Chefredakteure ein. Aus dem Refrain: “…dann bist du kein Arschloch und auch keine dumme Sau, dann bist du kein Riesentrottel und auch keine Trottelfrau, dann bist du nicht pietätlos, bist nicht mal besonders grob, nein, dann bist Blick-Reporter und machst ja nur deinen Job.”

2. Überschrift: “Kinder verschwunden”
(ndr.de, Fiete Stegers)
Mit wenig schöner Regelmäßigkeit tauchen Schlagzeilen über in Deutschland verschwundene Flüchtlingskinder auf. Vor drei Tagen war es zum Beispiel die “Neue Osnabrücker Zeitung” (“NOZ”) mit “Fast 9.000 Flüchtlingskinder verschwunden”. Fiete Stegers ist für “Zapp” diesen Meldungen nachgegangen. Besonders von türkischer Seite hätte es viele Kommentare dazu gegeben, ein klarer Ursprung der türkischen Empörung könne jedoch nicht ausgemacht werden. Außerdem müsse man die Zahlen kritisch hinterfragen und in Relation setzen.

3. Der Gerüchte-Killer
(kontextwochenzeitung.de, Susanne Stiefel)
Als die baden-württembergische Integrationsministerin Bilkay Öney vor einiger Zeit verkündete, dass in der Kaserne in Meßstetten Flüchtlinge untergebracht werden sollen, brach im Netz ein Shitstorm los. “Zollern-Alb-Kurier”-Lokaljournalist Michael Würz stemmte sich der Hetze mit sturer Beharrlichkeit und Geduld entgegen. Susanne Stiefel hat den Online-Redakteur besucht und sich mit ihm u.a. über die Glaubwürdigkeitskrise der Medien und über Ethik und Verantwortung im Journalismus unterhalten.

4. Unser Jeff
(oxiblog.de, Kathrin Gerlof)
Kathrin Gerlof ist ein “Wirtschaftswoche”-Beitrag über den Amazon-Gründer Jeff Bezos negativ aufgefallen: Zu viel ungebrochene Bewunderung, zu wenig kritische Distanz und die ewig gleichen Gründermythen und Anekdoten: “Vielleicht liegt die Erfolglosigkeit so vieler Menschen auf der Welt nur daran, dass sie nicht über eine Garage verfügen. Und vielleicht zählt irgendwann mal irgendjemand all die Garagen in Vororten von Seattle oder anderswo zusammen, in denen Erfolgsgeschichten wie die von Amazon begonnen haben.”

5. No Comment – NPR deaktiviert Kommentarfelder unter den Artikeln
(netzpiloten.de, Shan Wang)
Das von manchen mit dem Deutschlandradio verglichene amerikanische “National Public Radio” (NPR) deaktiviert auf seinen Webseiten die Kommentarfunktion. Nicht, weil man den Moderationsaufwand scheut, sondern weil es sich nicht lohnen würde. Die kommentierenden Hörer befänden sich auf Facebook, wo man bereits mehr als fünf Millionen Likes für die “NPR”-Page eingesammelt hat und Twitter (mehr als 6 Millionen Follower).

6. Apple-Kommunikation: Mit vollem Mund spricht man nicht
(wuv.de, Peter Breuer)
Nachdem die Europäische Kommission Apple zu einer Steuernachzahlung von etlichen Milliarden Euro verdonnert hat (Rückforderung zu Unrecht erhaltener Steuervergünstigungen durch Apples Irland-Tricks), hat Apples CEO Tim Cook einen offenen Brief an seine europäischen Kunden geschickt. Peter Breuer hat das Schriftstück analysiert und findet ihn nicht besonders hilfreich.

Burka-Selbstversuche, Abrechnung, Fake-News

1. Bekloppte Nachrichten
(Adrian Lobe, faz.net)
Für Facebooks Rubrik „Trending Topics“, eine Art Nachrichtenticker, waren bislang News-Kuratoren verantwortlich, doch nun hat der Konzern das fünfzehnköpfige Nachrichten-Team gefeuert und durch einen Algorithmus ersetzt. Eine Maschine sei neutraler als der Mensch, so die Begründung. Doch die ersten Ergebnisse der Algorithmen-Auslese seien eine einzige Katastrophe, berichtet Adrian Lobe in der “FAZ”: Über das Wochenende hätte das Modul ein Video eines mit einem McDonald’s-Sandwich masturbierenden Mannes sowie eine Falschmeldung über die angebliche Entlassung der Fox-News-Moderatorin Megyn Kelly in seine Trending Topics eingespeist. Der Algorithmus wähle Artikel nach bloßer Häufigkeit aus, verifiziere die Inhalte aber nicht. So gerate Facebook zum Durchlauferhitzer von Fake-Nachrichten, die das politische Klima in den Vereinigten Staaten vergiften würden.

2. Die Diktatur, die aus der Kälte kam
(krautreporter.de, Martin Schibbye)
Sie interessieren sich für Länderreportagen über Regionen, die schwer zugänglich sind? Dann könnte der insgesamt dreiteilige Bericht des Autors Martin Schibbye und des Fotografs Johan Persson etwas für Sie sein, die ins abgeschottete Eritrea gereist sind. Ganz in die Nähe der nordostafrikanischen Region, in der sie 2011 gefangenen genommen wurden und 438 Tage im Gefängnis verbringen mussten. Am besten lesen Sie zunächst den ersten Teil der Reportage, bevor Sie in den aktuell geposteten Bericht einsteigen.

3. Journalistische Burkini-Selbstversuche: Wer nicht zuhören will
(spiegel.de, Margarete Stokowski)
Margarete Stokowski beschäftigt sich in ihrer Kolumne mit den Burkini-Selbstversuchen der Medien. Zahlreiche Journalistinnen hätten sich die Burka übergestreift, ob “Welt”, “Zeit”, “stern.de” oder “Flensburger Tageblatt”. Mehr als etwas peinlicher Journalistinnen-Fasching sei dabei jedoch nicht herausgekommen.

4. „Arrogant und unjournalistisch“ – Jürgen Todenhöfer gewinnt Rechtsstreit mit dem Spiegel, sein Sohn rechnet ab
(meedia.de, Frederic Todenhöfer)
Unter dem Titel der “Der Märchenonkel” berichtete der “Spiegel” Anfang des Jahres über den Publizisten Jürgen Todenhöfer und seine Reise zum sogenannten Islamischen Staat. In dem Beitrag kam ein Mitreisender zu Wort, der scharfe Kritik an Todenhöfers Arbeit und Buch äußerte. Todenhöfer ging juristisch gegen den Text vor, mit der Folge, dass der “Spiegel” den gesamten Artikel löschen musste und keine der 14 beanstandeten Passagen wiederholen darf. Todenhöfers Sohn Frederic rechnet auf “Meedia” in einem Gastbeitrag mit dem Hamburger Verlagshaus ab.

5. “Der beste Journalismus ist heute besser denn je”
(sueddeutsche.de, Alexandra Borchardt)
Wie glaubwürdig ist die Presse noch? Der britische Medienforscher Rasmus Kleis Nielsen ist überzeugt, dass etablierte Medien durchaus noch Vertrauen genießen. Besonders in Deutschland: “Generell vertrauen die Menschen in Deutschland, den Niederlanden und Skandinavien den etablierten Medien mehr als die in Südeuropa oder den USA. Zwei Variablen beeinflussen das entscheidend: erstens politische Polarisierung. Je mehr Menschen die gegenwärtige Politik ablehnen, desto weniger vertrauen sie den Medien. Zweitens ist das wirtschaftliche Ungleichheit. Je stärker sich Menschen wirtschaftlich abgehängt und in ihren Nöten ignoriert fühlen, umso weniger vertrauen sie den Medien. Das ist nicht überraschend.”

6. Scheint zu klappen: Wie zwei Teenager Nachrichten erfinden und zehntausende Dollar verdienen
(onlinemarketingrockstars.de, Martin Gardt)
Fake News sind eine neue Erwerbsquelle. Die jungen Macher der „Hot Global News“ (16 + 19) generieren damit Millionen von Klicks und was für sie viel wichtiger ist: tausende Dollar an Werbeeinnahmen. Doch bevor Sie jetzt auch ins Business einsteigen, überprüfen Sie, ob Sie die notwendige Portion Skrupellosigkeit haben: Die Methoden unterscheiden sich stark von denen eines “Postillon”…

Lokaljournalismus, Propaganda, Germany’s last Topmodel

1. Lokaljournalismus: Es bleibt, wie es ist
(blog-cj.de, Christian Jakubetz)
Christian Jakubetz kann auf eine mittlerweile drei Jahrzehnte andauernde Tätigkeit als Journalist zurückblicken. Angefangen hat alles mit einem Volontariat bei einer kleinen Tageszeitung in Niederbayern. Schon damals habe man vom Niedergang des Lokaljournalismus geunkt, doch seit 1986 habe sich nicht viel Grundlegendes geändert. Dies widerspreche ungefähr allem, was man in Seminaren und auf Panels und Blogs erfahre. Jakubetz erklärt unter Hinzuziehung von statistischen Auswertungen das Phänomen, das auch psychologischen Faktoren geschuldet sei: “Lokalzeitungs-Leser sind enorm geduldige, man könnte auch sagen: träge Kunden. Bis jemand seine Lokalzeitung abbestellt oder zur Konkurrenz wechselt, muss schon viel passieren. Mit der trägen Treue von Lesern der Lokalblätter können bestenfalls noch Banken konkurrieren… “).

2. Das ARD-Hauptstadtstudio bloggt jetzt – wir wünschen mehr Mut
(netzpolitik.org, Markus Beckedahl )
Das ARD-Hauptstadtstudio hat ein Blog gestartet, um sich weiter dem Netz zu öffnen und jüngere Menschen für Politik zu interessieren. Bisher wirke das aber noch altbacken nach Fernsehen, meint Markus Beckedahl auf “Netzpolitik.org” und wünscht sich mehr Mut zum Experiment.

3. Verquere Logik der EU-Kommission beim Verleger-Leistungsschutzrecht
(mobilegeeks.de, Carsten Dobschat)
Ein neuer Leak von EU-Kommissionsdokumenten (“Netzpolitik.org” berichtete) offenbart, dass die Kommission im EU-Urheberrecht weiterhin das sogenannte Leistungsschutzrecht für Verleger vorsieht. Carsten Dobschat kommentiert den Vorgang: “Jetzt könnte man natürlich sagen, dass es vielleicht helfen würde, wenn man dieses LSR handwerklich besser umsetzt, so dass zumindest der Punkt Rechtsunsicherheit nicht mehr gegeben wäre. Dann hätten wir immer noch eine dumme Idee, aber immerhin wüsste dann jeder, wie mit dieser dummen Idee umzugehen sei. Aber darauf deutet nichts hin, schließlich will die EU-Kommission die gleichen Widersprüche einbauen, unter denen schon andere Umsetzungen zu leiden haben: Denn selbstverständlich sollen Linkfreiheit und Zitatrecht unberührt bleiben. Den offensichtlichen Widerspruch dabei will man offensichtlich nicht wahrnehmen. Es bleibt dann am Ende wieder den Gerichten überlassen zu entscheiden, ob ein Zitat nun ein Zitat oder ein lizenzpflichtiger Textausschnitt oder beides gleichzeitig ist.”

4. Ex-Politiker Wolfgang Clement: „Große Verlage müssten den Ehrgeiz haben, eine wirkliche europäische Zeitung herauszubringen“
(meedia.de, Marvin Schade)
Der mittlerweile 76-jährige Wolfgang Clement war NRW-Ministerpräsident und Wirtschaftsminister und, was viele nicht wissen, in den achtziger Jahren Chefredakteur der Hamburger Morgenpost. Im Interview mit “Meedia” erklärt Clement u.a. wie Europa dem aufkommenden Nationalismus etwas entgegensetzen könne: “Wieso schaffen öffentlich-rechtliche Anstalten den europaweiten Zusammenschluss, um einen Gesangswettbewerb auf die Beine zu stellen, nicht aber eine grenzüberschreitende Kooperation, um ein oder zwei wirkliche europäische Vollprogramme über die Rampe zu bringen? Das ist in Wahrheit eine Aufgabe ersten Ranges – eine europäische Öffentlichkeit wäre die beste Antwort auf einen wieder aufkeimenden Nationalismus.”

5. Aber sie nennen sich Journalisten
(taz.de, Bernhard Clasen & Anne Fromm)
Hinter manchen Journalisten verbergen sich Aktivisten, die weniger auf die Tugenden des Journalismus wie Zwei-Quellen-Prinzip und Ausgewogenheit als auf Propaganda setzen. Die “taz” berichtet über zwei prominente Beispiele: die umstrittenen Aktivisten Lejeune und Phillips, die dank scheinbar einfacher Wahrheiten bei ihren Fans gut ankommen würden.

6. Das Leben nach GNTM
(sz-magazin.sueddeutsche.de, Anja Rützel)
Heidi Klum bereitet eine neue Staffel “Germany’s next Topmodel” vor. Das “SZ-Magazin” hat sich gefragt, was wohl die Teilnehmerinnen aus den vergangenen Jahren machen und “Germany´s next Toptrashkolumnistin” Anja Rützel mit der Instagram-Fahndung und rützeltypischen Betextung ihrer Fahndungsergebnisse beauftragt.

Silvesternacht, Kummer, Alleserklärer

1. Der Horror von Köln
(nachdenkseiten.de, Jens Wernicke & Walter van Rossum)
In der Silvesternacht 2015/16 in Köln schienen die schaurigsten Pegida-Fantasien Wirklichkeit zu werden. Doch was ist wirklich geschehen? Der Autor, Medienkritiker und Investigativjournalist Walter van Rossum hat dazu unlängst ein Feature für den Deutschlandfunk produziert. Auf den “Nachdenkseiten” ordnet van Rossum das Geschehen nochmal ein. “Man muss die Mythen schmieden, bevor die Tatsachen sie erkalten lassen. Und das ist hier auf eine Weise gelungen, dass man sich fragt, wie irre das Abendland inzwischen eigentlich geworden ist, wie tollwütig. Und eben, weil man so wenig wusste, hat der Mythos die Dramaturgie übernommen.” Ein langes Interview, ein überaus lesenswertes Interview ist es geworden, das man sich auch als Soundfile auf den MP3-Player packen kann.

2. Tom Kummer: «‹Bad Boy›, das kommt meinem Wesen nahe»
(bernerzeitung.ch, Stefan von Bergen)
Stefan von Bergen von der “Berner Zeitung” hat den für seine Fake-Interviews berühmt-berüchtigten Tom Kummer getroffen. Dieser ist zurück in seiner Heimatstadt Bern und arbeitet dort u.a. als Tennislehrer. Kummer gibt sich unbeeindruckt von seinem Absturz. Interviewer von Bergen hat den Bericht über seine Unterhaltung mit den Worten “Protokoll eines misslungenen Gesprächs” überschrieben.

3. Kulturelle Vielfalt und internationaler Hass
(ndr.de, Janina Kalle)
“Zapp” hat sich den englischsprachigen Facebookauftritt der “Deutschen Welle” näher angeschaut. Was da in den Kommentarspalten passiere, sei spannend, so Autorin Janina Kalle. Hier würden Menschen aus der ganzen Welt über Deutschland diskutieren, ob über Fritz Langs “Metropolis” oder Merkels Willkommenskultur. Das große Interesse ginge aber auch mit einem starken Anstieg von Hass-Kommentaren einher.

4. »Es ist nur Fußball«
(neues-deutschland.de, Manuel Schumann)
ZDF-Sportreporter Boris Büchler hat Sportwissenschaften an der Deutschen Sporthochschule Köln studiert (Schwerpunkt Sportpublizistik) und begleitet für seinen Sender seit fast 20 Jahren die deutsche Nationalmannschaft. Im Interview verrät er, wie ein gutes Field-Interview aussehen muss, wie er mit dem Spott und den Beleidigungen im Netz umgeht und welche Fragen er einem Fußballprofi niemals stellen würde.

5. Willkürlich inhaftierten Journalist freilassen
(reporter-ohne-grenzen.de)
Auf der jährlichen Rangliste der Pressefreiheit von “Reporter ohne Grenzen” steht Turkmenistan auf Platz 178 von 180 Staaten. Noch schlechter sei die Lage nur in Nordkorea und Eritrea. Vor mehr als einem Jahr wurde der Journalist Saparmamed Nepeskuliew von den turkmenischen Behörden inhaftiert. “Reporter ohne Grenzen” fordert seine umgehende Freilassung. Turkmenistans Präsident Gurbanguli Berdimuhamedow treffe heute in Berlin mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammen – dies sei eine seltene Gelegenheit, einen der weltweit schlimmsten Feinde der Pressefreiheit auf die Unterdrückung unabhängiger Medien in seinem Land anzusprechen.

6. Harald Lesch, der Alleserklärer im Autoverkäuferhemd
(dwdl.de, Hans Hoff)
“DWDL”-Kolumnist Hans Hoff mit einer Hommage an den Wissenschaftsjournalist und Astrophysiker Harald Lesch: “Das Schöne ist, dass einer wie Lesch oft für einen Langweiler gehalten wurde. Seine Art war noch nie hip, und die Schaumkrone jeglicher Erregung fiel in sich zusammen, wenn er auf den Bildschirm kam. Genau das aber macht ihn in diesen Zeiten, da alle so gerne und schnell aufschäumen und sinnfrei eskalieren, so wertvoll. Lesch steht für einen Typ Fernsehmensch, der das öffentlich-rechtliche Medium mit einer Grundsubstanz versorgt: mit Glaubhaftigkeit. Er weiß um die Kraft seines Wissens und setzt genau die ein.”

Fotoverbot, Revolverblatt, Fußballdoping

1. Wer auf sozialen Netzwerken Bilder von Polizeiaktionen gegen Burkini-Trägerinnen teilt, wird verklagt
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
An einigen französischen Badeorten ist das Tragen von körperverhüllender muslimischer Schwimm-Bekleidung verboten. Nun sorgten Bilder für weltweite Empörung und Verwunderung, auf denen man sehen kann, wie eine Frau in Nizza von vier Polizisten am Strand gezwungen wird, Kleidung abzulegen. Zukünftig wollen die französischen Behörden klagen, wenn Bilder derartiger Polizeimaßnahmen in sozialen Medien verbreitet werden. Man begründet dies damit, dass die Aufnahmen der Polizeiaktion zu Beleidigungen und Drohungen gegen die Polizeibeamten geführt hätten.

2. Wieder über 50.000 Euro”
(taz.de, Ilija Matusko)
Die “taz” setzt bei ihren Bezahlmodell “taz.zahl ich” auf Freiwilligkeit und Solidarität. Über 8.000 Menschen würden mit ihren Unterstützungszahlungen dafür sorgen, dass es auf der Webseite keine Tagespässe oder Bezahlschranken gibt. Im Monatsbericht Juli werden die Zahlen genau aufgeschlüsselt.

3. Schritt für Schritt zur Webreportage: Adobe Spark
(get.torial.com, Peter Gardill-Vaassen)
Für Journalisten ist Mobilität immer wichtiger. Von unterwegs eine ansprechende Webreportage produzieren, das soll mit “Adobe Spark Page” gelingen. Peter Gardill-Vaassen hat sich das Tool angeschaut und eine kleine Reportage damit gebastelt. Das Fazit: Die kostenlose Software sei einfach zu bedienen und hinterlasse einen professionellen Eindruck, die fertigen Dateien würden jedoch auf Adobe-Servern liegen und müssten eingebunden werden.

4. Dopingberichterstattung im Fußball: Das Nähe-Distanz-Problem
(fachjournalist.de, Moritz Belmann & Paul Schönwetter)
Über Doping im Fußball wird wenig berichtet, man könne fast denken, dass die Deutschen keine kritische Fußballberichterstattung wollen, so Moritz Belmann und Paul Schönwetter. Für Journalisten sei es schwer, aus dem System von Abhängigkeiten auszubrechen: “Die Journalisten scheinen gefangen in einem System Fußball, dessen Selbstverteidigung immer besser wird. Einige versuchen sich als Dopingjäger und verlassen den objektiven Pfad im Sportjournalismus. Mit der professionellen Ausrichtung der Vereine, gerade im Bereich Öffentlichkeitsarbeit und PR, verstärkt sich die Abhängigkeit der Journalisten, um Informationen zu erhalten. Nur ein Insider, der auspackt und ein eventuelles System offenlegt, oder ein erster großer Dopingfall im Fußball können daran etwas ändern.”

5. Wahlkampf: Die BaZ ballert sich ins Abseits
(tageswoche.ch, Gabriel Brönnimann)
Gabriel Brönnimann kommentiert die Linie der “Basler Zeitung”, die sich derzeit im Wahlkampf-Modus befinde. Weil dem, wie er es bezeichnet, “Revolverblatt” der nötige Pulverdampf fehle, schieße man selber scharf und erkläre Basel mit alarmistischen Artikeln zur Gefahrenzone. Brönnimann hat sich die von der “Basler Zeitung” verbreiteten Zahlen angeschaut und kommt zum Schluss: “Der BaZ-Mix aus statistisch nichtssagenden Tatbeschreibungen und ausgewählten Beschreibungen der Herkunft der mutmasslichen Täter ist ein Gift-Cocktail, nichts weiter.”

6. Von wegen Altpapier!
(rnd-news.de, Ulrike Simon)
Da wo andere digitalisieren, dass der Scanner glüht, verlässt sich “RND”-Kolumnistin Ulrike Simon auf ihr analoges Archiv aus Dutzenden von Aktenordnern: “Mir ist klar, dass mich einige für meine altmodische Art, Unterlagen zu horten, auslachen. „Steht doch alles im Netz“, werden die einen sagen. Ach ja? Auch der vor Jahrzehnten verfasste Gesellschaftervertrag vom Spiegel-Verlag? „Kann man doch alles einscannen und auf Festplatte speichern“, werden die anderen sagen. Könnte man, ja. Aber würde es helfen, den Ellbogen beim Schreiben auf die Festplatte zu legen, um sich an sein Wissen zu erinnern?”

Füllerfragen, Kriegsberichterstatter, Weltenwanderer

1. Die Zeitung ist keine Zahnbürste
(scienceblogs.de, Florian Aigner)
In Wien wird wieder einmal eine Tageszeitung eingestellt. Man könne dies mit dem freien Markt und dem freien Spiel der Kräfte rechtfertigen, doch dies greife zu kurz, so Florian Aigner in seinem leidenschaftlichen Plädoyer für den Printjournalismus: “Der freie Markt ist eine großartige Sache – ein Werkzeug für viele verschiedene Aufgaben. Er ist beispielsweise ziemlich gut darin, den passenden Preis für Zahnbürsten zu bestimmen. Er kann auch recht gut entscheiden, ob es im Raum Wien eine angemessene Anzahl von Freibädern mit Wasserrutsche gibt. Aber dort, wo es um öffentliche Güter und um externe Effekte geht, etwa um versteckte Kosten, die nicht vom Käufer, sondern von der Gesellschaft getragen werden, stößt der freie Markt genauso an seine Grenzen wie eine Edelstahlfüllfeder bei einer Blinddarmoperation.”

2. Pressefreiheit in Europa: Eine Bestandsaufnahme
(de.ejo-online.eu, Marlis Prinzing)
Die Journalistik-Professorin Marlis Prinzing mit einer detaillierten und mit Zahlen unterfütterten Betrachtung europäischer Presse- und Medienfreiheit. Der Tenor: So frei und unabhängig wie in Europa würden Journalistinnen und Journalisten weltweit sonst allenfalls in den USA und Kanada, in Australien und Neuseeland arbeiten können. Die Pressefreiheit sei jedoch auch in Europa gefährdet.

3. Wie sich Netflix’ aggressive Expansionsstrategie auszahlt
(wuv.de, Susanne Herrmann)
Netflix expandiert aggressiv, was zu wachsenden Nutzerzahlen führt. Nach einer Prognose des Marktforschungsunternehmen “IHS Markit” wird der Streaming-Dienst vor allem außerhalb der USA massiv zulegen. Allein zwischen 2014 und 2015 sei die Gesamtzahl der Abonnenten um 30 Prozent gewachsen, IHS-Prognosen zufolge würden 2016 weitere 38 Prozent hinzukommen. Die “Binge-Skala” von Netflix zeige, welche Serien eher verschlungen und welche in Häppchen genossen werden: Formate mit Horror- und Thriller-Elementen sowie “Dramedys” sind bingeverdächtig. Für vielschichtige und komplexe Erzählungen würden sich die Zuschauer mehr Zeit nehmen.

4. Affäre muss Konsequenzen haben
(djv.de, Hendrik Zöllner)
113 Bundestagsabgeordnete sollen sich auf Kosten der Steuerzahler mit kostspieligen Schreibgeräten eingedeckt haben. Anfragen von Journalisten zu Namen und Summen hat der Chef der Bundestagsverwaltung jahrelang ins Leere laufen lassen. Nun fordert der Deutsche Journalisten-Verband den Gesetzgeber auf, unverzüglich das nach seiner Ansicht längst überfällige Presseauskunftsgesetz in Angriff zu nehmen.

5. Syrien-Geisel: “Jeder kann dich verkaufen”
(derstandard.at, Jan Marot)
Der spanische Journalist Ángel Sastre spricht mit dem “Standard” über seine zehn Monate andauernde Zeit als Gefangener der radikalislamischen syrischen Al-Nusra-Front. Seinen Journalistenkollegen rät er unbedingt ab, nach Syrien zu fahren: “Die Lage ist katastrophal. Entführungen sind dort, wie auch im Jemen, ein allgegenwärtiges Risiko. Ein jeder kann dich verkaufen. Dein Fahrer, deine Dolmetscher, jeder Kontakt, jeder Informant. Das ist ein neuer Kontext für uns Kriegsberichterstatter.”

6. Herumwandern in Videospielen: Ich will doch nur chillen!
(spiegel.de, Markus Böhm)
“Spiegel”-Redakteur Markus Böhm interessiert sich leidenschaftlich für Computerspiele. Doch anders als die meisten Gamer hat er selten Lust auf Action, sondern wandert lieber durch die Spielewelten und bewundert die schöne Umgebung.

Kinderlied, Symbolfotos, Lyrics

1. Warum macht Herr Enzinger das? Warum macht die „Krone“ das?
(diepresse.com, Sibylle Hamann)
Sibylle Hamann berichtet von einem Vorgang, der eigentlich ein Happy End verdient gehabt hätte: In der ersten Klasse einer Salzburger Volksschule gibt es ein neues Kind. Aref heißt es und es stammt aus Syrien. Die Lehrer thematisieren das im Unterricht und führen beim Schulschlussfest mit den Kindern einen syrischen Tanz und ein einstudiertes syrisches Lied auf. Alles klappt vorzüglich und und alle sind zufrieden, bis Politik und Presse davon Wind bekommen. Fremdenfeindliche Äußerungen und Artikel, die das Geschehen bösartig verdrehen, folgen. Schließlich fällt auch noch der entfesselte Online-Mob über die Salzburger Kinder und Lehrer her. Sibylle Hamann in ihrem Kommentar: “Rational verstehe ich, was FPÖ und „Kronen Zeitung“ antreibt: Wählerstimmen maximieren, Leserzahlen maximieren, Aufmerksamkeit maximieren, man hofft halt, dass das mit Hetze funktioniert, und häufig funktioniert es ja leider auch. Aber manchmal möchte ich in die Köpfe dieser Menschen hineinschauen, möchte wissen, wie sich das anfühlt: immer nur Böses zu sehen, selbst dort, wo gar nichts Böses ist. Immer wütend zu werden, wenn anderen etwas gelingt. Immer alles sofort kaputtschlagen, zündeln wollen, und sich erst freuen, wenn es rundherum brennt.”

2. Bildsprache der Verblödung
(bilanz.de, Bernd Ziesemer)
In den letzten Tagen beherrschten Bilder von Hamstern die Berichterstattung: Anlass: Die politische Diskussion über ein neues Zivilschutzprogramm. Bernd Ziesemer ist genervt von den ewig gleichen platten Fotos aus den Bilddatenbanken (“stock photos”) und spricht in seiner Kolumne von einer “Bildsprache der Verblödung”.

3. WikiLeaks bringt Unschuldige in Gefahr
(zeit.de, Patrick Beuth)
Die Enthüllungsplattform Wikileaks hätte zu ihren besten Zeiten die Mächtigen genervt und bloßgestellt, doch mittlerweile würden sich die Kollateralschäden summieren, so Patrick Beuth in der “Zeit”. Die Plattform habe zahlreiche medizinische Unterlagen von normalen Bürgern sowie private, finanzielle und andere Informationen Hunderter anderer veröffentlicht, heiße es in einem Bericht der Nachrichtenagentur “AP”. Zudem seien Hunderte der Dateien aus dem Türkei-Leak mit Malware verseucht. Wikileaks habe den AP-Bericht auf Twitter als “lächerlich” abgetan und auf Fragen der “Zeit” bislang nicht reagiert.

4. Schnapp den Teenie
(sueddeutsche.de, Sebastian Jannasch)
Den klassischen Medien laufen die jungen Leser davon. Also geht man dorthin, wo man die jungen Zielgruppe vermutet und das ist z.B. die quietschige Knips-App “Snapchat”, die in Deutschland 2,5 Millionen Nutzer haben soll. Doch lassen sich mit bunt verzierten Videoschnipseln wirklich Nachrichten vermitteln? Das ist nicht einfach. Außerdem fehlen Kontrolle und Monetarisierungsmöglichkeiten, so Sebastian Jannasch auf “sueddeutsche.de”. Zudem sei es möglich, dass die umworbenen Teenies eh bald weiterziehen: Instagram und Facebook würden versuchen, die jungen Nutzer mit neuen Funktionen zu sich rüberzulocken.

5. Geringe Hemmschwelle – “Vice” und die Drogen
(ndr.de, Sabine Schaper)
“Zapp” hat sich mit dem Lifestyle- und Jugendmagazin “Vice” beschäftigt. Dort würden regelmäßig Tipps für den Drogenkonsum erscheinen, von Mischkonsum-Rezepten bis hin zu Tricks für den Drogenschmuggel. Der Leiter des Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters am Uniklinikum Eppendorf in Hamburg bezeichne derlei Artikel als einen “Schlag ins Gesicht” all derer, die täglich mühsam Suchtprävention betreiben: Eine seriöse Berichterstattung im Sinn von “Safer Use” habe nüchtern und sachlich zu sein. Ob und inwiefern das Angebot von “Vice” den Richtlinien des Jugendmedienschutzes entspricht, werde nun ein Prüfverfahren zeigen.

6. Songlyrics-Seiten im Web: Einmal Goldrausch und wieder zurück
(onlinemarketingrockstars.de, Roland Eisenbrand)
Spannender Hintergrundbericht, wie findige Website-Macher und teilweise blutjunge Kids seit Jahren Songtexte auf ihren Lyrics-Seiten ausbeuten.

Morgenwerbemagazin, Hamsterkäufe, Rabaukenjäger

1. Werber-Werbung im „Morgenmagazin“
(uebermedien.de, Boris Rosenkranz)
Eine Woche lang gab es im ARD-“Morgenmagazin” in Anlehnung an die großen Sommerinterviews Gespräche mit „ganz normalen Wählern“, die „sonst kaum zu Wort kommen“. In einer der Sendungen plaudert die Reporterin mit drei dieser vermeintlich ganz normalen Gäste, die ihr jedoch bestens bekannt sein müssten. Sie gehören nämlich zu der Film- und Videofirma “gretchen”, die sie mitgegründet hat und an der sie beteiligt ist (Werbeclaim: “gretchen ist zu allem bereit”). Boris Rosenkranz berichtet auf “Uebermedien.de” über einen ganz besonderen Fall von Schleichwerbung.

2. Wie durch das Bohei um die Hamsterkäufe Panik entsteht
(wiwo.de, Niklas Dummer)
Seit 2004 existiert das “Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe”. Katastrophenschutzpläne gibt es jedoch schon viel länger. Seit nun bekanntgeworden ist, dass das neue Zivilschutzkonzept Empfehlungen zur Bevorratung enthält, hyperventilieren Netz und Medien. Die “Wirtschaftswoche” hat mit dem Medienwissenschaftler Hans-Bernd Brosius über das Phänomen gesprochen: “Die intensive Thematisierung des Zivilschutzkonzepts schürt Ängste. Die sozialen Netzwerke verstärken solche Tendenzen. Auf einmal können alle etwas zum Thema sagen, so entsteht noch stärker der Eindruck von Panik. Zudem werden in den sozialen Netzwerken vor allem kurze Artikel weitergeleitet, in denen keine Beurteilung über die Relevanz des Themas stattfindet – in dem Fall des Zivilschutzkonzepts.”

3. Innovationen: Sechs Lektionen für Redaktionen
(de.ejo-online.eu, Ville Seuri)
Ville Seuri hat mit Redakteuren von mehreren Nachrichtenredaktionen in Großbritannien darüber gesprochen, wie es gelingen kann, im journalistischen Alltag Innovationen umzusetzen. Die Ergebnisse hat er in einem Paper festgehalten, das nun auch verkürzt und in deutscher Sprache vorliegt.

4. „Lügenpresse – auf die Fresse“
(taz.de, Michelle Sensel)
Für Journalisten wird die Arbeit in Zeiten der “Lügenpresse-Rufer nicht einfacher. Auf rechten Demonstrationen müssen sie Anfeindungen und teilweise körperliche Attacken fürchten. Michelle Sensel berichtet vom seit Januar existierenden Blog “augenzeugen.info”, das derartige Vorgänge dokumentiert und für das Thema sensibilisieren will.

5. Hoher TV-Konsum kann Blick auf die Realität verstellen
(derstandard.at)
Für eine Medienstudie an der Wiener Universität haben Sozialmediziner 322 Personen nach ihrem TV-Konsum befragt und sich bei ihnen erkundigt, ob sie glauben würden, dass es in Österreich noch immer die Todesstrafe gebe. Je höher der TV-Konsum, umso höher sei die Wahrscheinlichkeit, dass die Studienteilnehmer das glaubten. Hoher TV-Konsum könne den Blick auf die Realität verstellen, so das Ergebnis der Studie.

6. Angriff auf die Pressefreiheit: Deutscher Generalstaatsanwalt will Berichterstattung lenken
(kress.de, Jochen Zenthöfer)
Die mittlerweile zwei Jahre alte Geschichte um den “Rabaukenjäger” mag man anfangs als lokales Bauerntheater abgetan haben. (Ein “Nordkurier”-Journalist hatte einen Jagdpächter mit diesem Wort belegt, weil dieser ein totes Reh an sein Auto gebunden und hinter sich her geschleift hatte. Der so Benannte hatte daraufhin Strafanzeige wegen Beleidigung erstattet.) Doch was als Beleidigungsposse in Mecklenburg-Vorpommern begonnen hätte, entwickle sich zum Generalangriff der Generalstaatsanwaltschaft gegen die Pressefreiheit. Jochen Zenthöfer sieht nun die Justizministerin in der Pflicht.

Facebook, Offenbarung, Anti-Paparazzi-Schal

1. Was heißt hier Hass?
(sueddeutsche.de, Johannes Boie)
Facebooks Lösch- und Sperrpraxis ist ein beständiges Ärgernis. Schlimmste Inhalte lässt man im Netz, eher harmlose Postings werden gelöscht und deren Verfasser mit Bannstrafen belegt. Und der Konzern verweigert jede Stellungnahme. Johannes Boie über das Verhalten des Social-Media-Riesen: “Facebooks Produkt ist Öffentlichkeit. Niemals in der gesamten Geschichte der Menschheit haben mehr Menschen direkt miteinander kommuniziert als auf Facebook. Für Millionen in Deutschland und Hunderte Millionen in der ganzen Welt ist Facebook die primäre Nachrichtenquelle. Mit dieser Verantwortung geht der Konzern um, als stelle er Kugelschreiber her.”

2. Der Fünfkampf der Journalisten
(zeit.de, Christian Spiller)
Christian Spiller hat die wahren Helden der Olympischen Spiele ausgemacht: Journalisten. Deren Fünfkampf bestünde aus Warten, Drängeln, Frieren, Hungern und der Aufgabe, ein schlechtes Bild abzugeben: “Auch sonst überzeugen Journalisten nicht durch Stilsicherheit. Tennissocken und Stachelbeerbeine allerorten. Wo die Medienmeute allerdings besonders doof aussieht: am Strand. In seiner spärlichen Freizeit macht der Journalist dort so viel falsch, dass viele Cariocas ihn schon erkennen, wenn er noch nicht einmal die Hoteltür zugezogen hat. Der Gringo am Strand ist weiß wie eine Bäckermütze, trägt seinen Rucksack ängstlich auf der Brust und macht ganz allgemein den Eindruck eines Rehkitzes in der Großraumdisko. Weil er keine Ahnung von den lokalen Ritualen des Strandbesuchs hat.”

3. Wer will schon die „Rolling Beatles“
(taz.de, Andreas Hartmann)
Die goldenen Zeiten der Stadtmagazine sind vorbei. Nun werden auch die bekannten Berliner Veranstaltungsblätter und ehemaligen Konkurrenten “Zitty” und “Tip” unter einem Dach produziert. Das Konzept habe sich überlebt, so Andreas Hartmann in der “taz”. Wer heute frisch nach Berlin komme, kaufe sich nicht zuallererst eines der genannten Blätter, sondern fahre den Rechner hoch und folge den Empfehlungen in seinen sozialen Netzwerken. Konkurrenz komme zudem von den ortsansässigen Zeitungen, die in den letzten Jahren ihre Veranstaltungsbeilagen ausgebaut hätten.

4. Egal ist egal: Ohne Olympia durch den Sommer
(dwdl.de, Hans Hoff)
“dwdl”-Kolumnist Hans Hoff hat in Bezug auf die Olympischen Spiele eine Form televisionärer Totalverweigerung praktiziert: Er hat es geschafft, nichts von Olympia zu sehen! Zum Ende der Spiele hat er seine Kumpels gefragt, ob ihm etwas entgangen sei. Diese hätten nach langem Nachdenken die Frage verneint: “Ich habe also nichts verpasst bei den Olympischen Spielen, deren Bedeutung mir aus der externen Perspektive ein wenig vorkam wie ein auf Wochenlänge gestreckter ZDF-Fernsehgarten. Nur dass man versehentlich statt Andrea Kiewel Katrin Müller-Hohenstein aufgezogen hatte.”

5. Was ist hier eigentlich offenbar?
(udostiehl.wordpress.com)
Udo Stiehl, Journalist und Co-Betreiber der sprach- und medienkritischen “Floskelwolke”, schreibt über ein Wort, das für die Glaubwürdigkeit von Nachrichten gefährlich sei: “offenbar”. Stiehl zeigt anhand von Beispielen aus der Praxis, worin die Tücken des Wortes liegen und stellt fest: “Wilde Spekulationen zu verschleiern oder persönliche Zweifel zu verpacken – dafür lässt sich „offenbar“ gut benutzen. Nur mit Journalismus hat es dann nichts mehr zu tun.”

6. Der Anti-Paparazzi-Schal
(faz.net, Maria Wiesner)
Es ist kein Hoax, es gibt ihn wirklich: den Anti-Paparazzi-Schal des niederländischen Labels “Ishu”. Der “Privacy Scarf” ist von Reflektoren durchsetzt, die das Handyblitzlicht zurückwerfen und den Träger bzw. die Trägerin nur als undeutlich erkennbare, verschwommene Gestalt erscheinen lassen.

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