Archiv für 6 vor 9

Staatliche Pressetrojaner, Herkunftsnennung, RTL2-Rekruten

1. Schutz vor staatlichen Hackerangriffen
(reporter-ohne-grenzen.de)
“Reporter ohne Grenzen” wendet sich gegen den geplanten Einsatz von Staatstrojanern. Da keine Schutzrechte für Journalisten geplant seien, könnten Ermittler über eingeschleuste Trojaner vertrauliche Gespräche und Chats von Journalisten mit Informanten abfangen. Die Organisation dazu: „Journalisten sind auf Verschlüsselung angewiesen, um sich vertraulich mit Kollegen und Informanten auszutauschen. Die Pläne von Heiko Maas bewirken, dass es in Deutschland kein digitales Kommunikationsmittel mehr gibt, mit denen Journalisten zweifelsfrei vor Überwachung geschützt sind. Die Große Koalition muss im Gesetz klarstellen, dass Journalisten bei ihrer Arbeit nicht abgehört werden dürfen. Ein Staatstrojaner hat auf dem Handy eines Journalisten nichts verloren.“
Link zur ausführlichen Stellungnahme zur Einführung der Quellen-TKÜ und Online-Durchsuchung (PDF)

2. Ist die Herkunft von Tätern und Verdächtigen wirklich von öffentlichem Interesse?
(sueddeutsche.de, David Denk)
Immer wieder wird darüber diskutiert, ob Medien bei Straftaten die Herkunft des Täters nennen dürfen beziehungsweise sollen. Der Presserat hat dazu nun Leitsätze mit aktuellen Beispielen formuliert, die für schnellere und bessere Entscheidungen im Redaktionsalltag führen sollen. Ergänzend führt der Presserat aus, dass weder “Neugier” oder “Gruppeninteressen”, noch die “Nennung einer Gruppenzugehörigkeit durch Quellen, etwa durch Behörden” die Redaktionen von ihrer “eigenständigen presseethischen Verantwortung” entbinde.
Die Praxisleitlinie (Richtlinie 12.1 des Pressekodex) kann beim Presserat eingesehen werden (PDF).

3. Eine ganz andere Sicht
(taz.de, Volkan Agar)
“taz”-Autor Volkan Agar stellt in einem Überblicksartikel die wichtigsten linken Medien der Vergangenheit und Gegenwart vor. Mit dabei sind der Liebling der Sponti-Szene “Pflasterstrand”, die teilweise massiv verfolgte und beschlagnahmte “Agit 883”, die autonome, feministische Zeitschrift “Courage”, das Magazin “konkret”, “analyse & kritik”, die anarchistische “Graswurzelrevolution”, das linksradikale und antifaschistische Newsportal “Indymedia”, die linke Wochenzeitung “Jungle World” und die linksalternative, österreichische Zeitschrift “malmoe”.

4. Hatespeech ist nicht, wenn Journalisten mit Kritikern skypen
(broadly.vice.com, Yasmina Banaszczuk)
Was hat die “Tagesschau” mit ihrer Aktion “Sag’s mir ins Gesicht – für eine bessere Diskussionskultur im Netz” erreicht? Live wollte man sich von den Zuschauern die Meinung sagen lassen und für das Thema Hass im Netz sensibilisieren. Doch auf Hater und Trolle wartete man vergeblich, der Großteil der Anrufer trat höflich bis freundlich auf. Nicht überraschend wie Yasmina Banaszczuk im Gespräch mit Social-Media-Profis herausgefunden hat. “Ich glaube, die wahren Trolle, die wirklichen Hater, sind nirgendwo zu Wort gekommen, weil das gar nicht das ist, was sie wollen.”, befand die Journalistin Katrin Weßling. Ähnlich sah es die Autorin Ninia LaGrande. Und der Blogger Ali Schwarzer störte sich bereits an der Grundidee: “Als hätten Trolle und Hater nicht schon genug Raum, bekommen sie jetzt auch noch ein weiteres Podium.”

5. „Unsere Denkweise war ganz simpel“
(verguetungsregeln.wordpress.com, Martin Schreier)
Vor einigen Tagen hat der Journalist Martin Schreier mit einem Vertreter des “Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger” (BDZV) über die Kündigung der Gemeinsamen Vergütungsregeln für hauptberuflich freie Journalisten an Tageszeitungen gesprochen (6vor9 berichtete). Mittlerweile hat er weitere Stellungnahme-Interviews geführt und zwar mit dem Justitiar des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV) Benno Pöppelmann, dem dju-Tarif-Sekretär Matthias von Fintel und der Vorstandsvorsitzenden der Freischreiber Carola Dorner.

6. RTL2 will Werbefilme für Bundeswehr senden
(deutschlandfunk.de, Brigitte Baetz & Sebastian Wellendorf)
Die von der Bundeswehr für die Verteilung über Youtube produzierte Werbereihe “Die Rekruten” hat mittlerweile mehr als 44 Millionen Views. Nun hat sich “RTL2” die Fernsehrechte an der 90-teiligen Bundeswehr-Reality-Soap gesichert. Das könnte ein Fall für die Medienaufsicht werden. Die Medienjournalistin Brigitte Baetz kritisiert im Deutschlandfunkgespräch, dass Grenzen zwischen Berichterstattung und PR verschwimmen, wenn der Gegenstand der Berichterstattung selbst zum Berichterstatter wird. Im Zweifel müsse es eine Einblendung geben, die anzeigt, dass es sich um eine Art Sonderwerbeform handelt.

Unpopuläre Populisten, Arte-fiziell, Menschenfleisch

1. Unpopuläre Populisten
(sueddeutsche.de, Jürgen Schmieder)
In den USA zeichnet sich ein neuer Trend ab: Die Nutzerzahlen von “Breitbart” und anderen rechtspopulistischen Webseiten wie “National Review Online”, “Infowars” und “Drudge Report” sind rückläufig. Jürgen Schmieder hat nach den Gründen für diese Entwicklung gesucht und ist auf mehrere Dinge gestoßen: Die “Rebellen” seien nun Teil des Systems. Die Entlassung von FBI-Direktor James Comey am 9. Mai hätte eine Zäsur bedeutet und zahlreiche interne Skandale wie die Pädophilieverharmlosung der Breitbart-Galionsfigur Milo Yiannopoulos hätten das Übrige dazu beigetragen, dass Klicks und Einschaltquoten sinken würden.

2. Die „FAZ“ hat Archiv-Angst
(taz.de, Christian Rath)
Unlängst hat die “FAZ” einen offenen Brief als Eigenanzeige veröffentlicht, in dem sich das Verlagshaus gegen das von der Bundesregierung geplante neue Urheberrecht wendet. In Frankfurt sieht man vor allem das Archivgeschäft bedroht und spricht von jährlichen Verlusten in Millionenhöhe. An den FAZ-Vorwürfen sei allerdings nicht viel dran, findet der rechtspolitische Korrespondent der “taz” Christian Rath. Die Befürchtung, dass die Deutsche Nationalbibliothek alle FAZ-Texte aufnimmt und unentgeltlich zur Verfügung stellt, sei beispielsweise unbegründet.
Die Regelung gelte nur, „wenn Inhalte nicht dauerhaft zugänglich sind, wie etwa Blogeinträge“. Presseerzeugnisse seien aber typischerweise dauerhaft verfügbar, etwa in Archiven der Verlage – auch wenn der Zugang hierzu kostenpflichtig ist. Die DNB dürfe sie also nicht online stellen, so das Ministerium.

3. “Wenn es Arte nicht schon gäbe, dann müsste man ihn jetzt erfinden”
(deutschlandfunk.de, Bernd Mütter & Brigitte Baetz)
Der deutsch-französische Kulturkanal “Arte” feiert seinen 25. Geburtstag. Der Deutschlandfunk hat sich mit dem stellvertretenden Programmleiter über Gegenwart und Zukunft des Senders unterhalten. Eine Art persönliche Liebeserklärung hat Holger Kreitling auf “welt.de” verfasst. “Bei Arte geht es um Geschmack, immer. Sofort, noch mit der Fernbedienung in der Hand, erfasst einen ein „Gefühl bedeutsamer Weitläufigkeit“ (Thomas Mann). Es ist das Distinktionswerkzeug des Kulturbürgers, der sinistre Pate des Senders heißt von Beginn an Pierre Bourdieu, nirgendwo sind die feinen Unterschiede im Fernsehverhalten so sichtbar wie hier.”
Kritik kommt von Regisseur und Produzent Arne Birkenstock, der sich in einem Gastbeitrag auf “taz.de” darüber beklagt, dass der Sender seine Identität verliere, weil er am großen Dokumentarfilm spare.

4. Die Welt: Den Redakteursjob vergessen??
(klima-luegendetektor.de)
Die “Welt” hat einen Biologen zu Wort kommen lassen, der behauptet, die globale Temperatur sei seit fünfzehn Jahren nicht mehr angestiegen. Und der fordert, dass man darüber reden dürfe, ohne “verunglimpft” zu werden. Die Betreiber des “Klima-Lügendetektors” haben sich die Behauptungen im Detail angeschaut und sind entsetzt: Der betrachtete Zeitraum sei zu kurz, und selbst wenn man dies außer Acht lasse, sei die Aussage schlicht falsch. Eine Pause bei der Erderwärmung habe es ebenfalls nicht gegeben. Zum Schluss erinnern die Lügendetektoren die Redakteure der “Welt” daran, dass die journalistische Sorgfaltspflicht laut Deutschem Presserat auch für Meinungsbeiträge gelte.

5. Was ist neu an Fake News?
(derstandard.at, Liriam Sponholz)
Liriam Sponholz hat sich als Wissenschaftlerin mit dem Begriff “Fake News” auseinandergesetzt und die nötigen Abgrenzungen unternommen. So seien “Fake News” kein “Fehlverhalten”, sondern ein Geschäftsmodell und das Resultat einer Click Economy: “Fake News sind weder mit Propaganda noch mit tendenziöser Berichterstattung gleichzusetzen. Im Kern handelt es sich um die systematische Produktion von Meldungen, die einen Realitätsbezug vorgeben, aber wissentlich von der Wirklichkeit abweichen. Es handelt sich um keine Bias, weil eine tendenziöse Berichterstattung ohne Erfindungen auskommt. Fake News lassen sich aber auch nicht mit Propaganda gleichsetzen, weil die Absichten der Produzenten vielfältiger sind und die Produktion nicht alleinig, oftmals sogar gar nicht politisch motiviert ist.”

6. Lokal durch Fake-Story über Menschenfleisch fast ruiniert
(futurezone.at, Florian Christof)
Ein Fake-News-Artikel hätte beinahe ein indisches Restaurant in London in den Ruin getrieben. Über eine Prank-Seite, auf der man seine Freunde mit Falschmeldungen reinlegen soll, war das Gerücht in Umlauf gebracht worden, dass das Lokal schließen müsse, weil dort angeblich Menschenfleisch auf der Speisekarte stand.

Heilige Hetzjagd, Verlags-Datenräuber, In-Ear-Trump

1. AfD, Broder und Tichy verleumden Margot Käßmann als Rassistin
(uebermedien.de, Boris Rosenkranz)
Boris Rosenkranz nennt es eine “heilige Hetzjagd”, was die AfD in den letzten Tagen mit der Theologin Margot Käßmann veranstaltet hat. Mit einem vermeintlichen Zitat wollte man ihr Rassismus andichten, doch das gegen sie verwendete Zitat war aus dem Zusammenhang gerissen und sinnentstellend verkürzt. Die Verleumdungsbotschaft wurde bereitwillig unterstützt von rechten Blogs und Foren und Personen wie Henryk M. Broder (“Die Welt”) oder Roland Tichy (“Tichys Einblick”), aber auch Leuten wie der ehemaligen CDU-Politikerin Erika Steinbach und der Berliner AfD-Vorsitzenden Beatrix von Storch. Boris Rosenkranz hat sich Inhalte und Form der Käßmann-Kampagne näher angeschaut und analysiert. Mittlerweile hat sich auch der Faktenfinder der “Tagesschau” mit dem Vorgang beschäftigt und auch auf der neuen Plattform “Fearless Democracy” gibt es eine Aufarbeitung des Falls mit einer Visualisierung des Twitterverhaltens: Wie sowas läuft: Ein Blick in Margot Käßmanns Shitstorm

2. E-Privacy-Verordnung: Verlage wollen Leser beim Tracking entmündigen
(netzpolitik.org, Markus Reuter )
In einem offenen Brief an das Europäische Parlament haben sich einige europäische Verlage (darunter aus deutscher Sicht die “FAZ”, die “Zeit”, “Gruner + Jahr” und die “SZ”) gegen die neue ePrivacy-Verordnung der EU gewandt. Stein des Anstoßes ist eine Passage, die es Nutzern erlaubt, das Werbetracking auf Webseiten zu unterbinden. Darin sehen die Verlage eine Gefährdung ihrer Einnahmequellen. Markus Reuter ordnet das Ganze aus netzpolitischer Sicht ein. Beim Thema Datenschutz würden sich die Verlage einmal mehr als Gegner der Rechte von Bürgerinnen und Bürgern zeigen.

3. Breitbart stürzt ab
(deutschlandfunknova.de, Diane Hielscher & Martina Schulte)
Donald Trump hat seinen Wahlsieg auch dem rechten Medienportal “Breitbart” zu verdanken, das unablässig für ihn trommelte und seine Gegner niederschrieb. Nach seiner Inauguration ernannte Trump den damaligen Chefredakteur Steve Bannon zu seinem zukünftigen Berater und Chefstrategen. Man hätte meinen können, dass “Breitbart” nun zum neuen Mediengigant der Trump-Ära wird, doch das Gegenteil ist der Fall: Die Reichweite der Seite ist dramatisch gesunken. Martina Schulte ist dem Phänomen nachgegangen.

4. Tagesschau-Chefredakteur wartet vergeblich auf Trolle
(faz.net, Frank Lübberding)
“ARD-aktuell”-Chef Kai Gniffke hat Hasskommentatoren zu sich in den Videochat eingeladen, doch es kam keiner. Kein Wunder, findet Frank Lübberding: “Es gehört zu den kulturellen Codes einer funktionierenden Gesellschaft, nicht jedem alles ins Gesicht zu sagen. Nicht jede Wahrheit (oder auch Lüge) auszusprechen, erleichtert das menschliche Zusammenleben. Das Lästern hinter dem Rücken der Betroffenen hat das noch nie verhindert. Diese Erfahrung wird man sicherlich auch in den diversen ARD-Redaktionen schon gemacht haben. Trotzdem wirkte Gniffke regelrecht enttäuscht, warum keiner der Hasskommentatoren dieses Gesprächsangebot namens „Sag’s mir ins Gesicht“ angenommen hatte. Er wurde weder beleidigt, noch hat ihm ein Zuschauer seinen Hass auf die ARD erklärt.” Nachtrag: Mittlerweile hat sich auch Anja Reschke im Life-Chat ihren Kritikern gestellt. Auf “tagesschau.de” gibt es ein Interview mit Reschke: “Ich bin keine ARD-Marionette”.

5. Donald Trumps (fast) unsichtbarer Kopfhörer
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Hat Donald Trump tatsächlich nicht zugehört, als der italienische Ministerpräsident Paolo Gentiloni über Afrika sprach? Trump trug schließlich keine direkt sichtbaren Kopfhörer für die Simultanübersetzung wie viele der Anwesenden. Viele Medien nahmen dies als Anscheinsbeweis, doch so einfach ist die Sache nicht wie Stefan Niggemeier auf “Übermedien” ausführt.

6. Klarstellung in Sachen “Die Hölle erwartet euch”
(facebook.com, Mathias Richel)
Vielleicht haben Sie das Bild gesehen, das die letzten Tage viral ging: Ein Mann hält eine Art selbstgebasteltes Transparent hoch, auf dem er einer wirr zusammengesetzten Zielgruppe (“Säufer, Lügner, Partytiere, Drogen-Freaks, Ehebrecher, Porno-Freaks, Selbstbefriediger, Huren, Diebe, Zauberer, Lästerer, Heuchler, Homosexuelle, Habsüchtige, Götzendienen, Feministen, Falsche Christen, Atheisten”) zuruft: “Die Hölle erwartet euch”.
Das Bild wurde oft fälschlicherweise dem Kirchentag in Berlin zugeordnet, ist jedoch beim DFB-Pokalfinale entstanden, wie Mathias Richel anmerkt, der das Foto direkt vor dem Stadion geschossen hat. “Mir ist vollkommen klar, dass dieser erklärende Beitrag hier fast niemanden von denen erreichen wird, die jetzt mit dem Bild beweisen wollen, dass die Christen auf dem Kirchentag nicht alle Tassen im Schrank haben. Aber ich will wenigstens alles dafür getan haben, damit dieses Bild zunächst einmal genau das nur für diesen Mann belegt und nicht andere fälschlicherweise mit dem verrührt werden.”

Kaputtmacher Maas, Pfeifopfer Helene Fischer, Bild von Jammerlappen

1. Heiko Maas macht die freie Presse kaputt
(faz.net, Thomas Thiel)
Es sind heftige Worte, die “FAZ”-Redakteur Thomas Thiel für das neue Gesetzesvorhaben zum Urheberrecht findet. Die Digitalisierung von Presseartikeln und Aufnahme in Bibliotheken bedeute schwerwiegende Einnahmeverluste, die er alleine für die “FAZ” auf einen siebenstelligen Betrag beziffert. Justizminister Heiko Maas mache damit die freie Presse kaputt. Wenn Maas damit durchkäme, werde es keine freien Zeitungsverlage mehr geben. “Wer gibt dem Justizminister das Recht, Privateigentum gegen eine weitestgehend wertlose Entschädigung in Staatseigentum umzuwandeln? Meint er vielleicht, dass auch die Arbeit von Redakteuren und freien Autoren vom Staat bezahlt wird? Und wie kommt er dazu, die Arbeit ganzer Berufszweige zu verhöhnen? So ein Entwurf konnte nur zustande kommen, weil im Justizministerium die Verachtung geistiger Leistungen um sich gegriffen hat.”
Nicht alle gehen mit dem Entwurf für das neue Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz derart hart ins Gericht: Auf der Urheberrechtsplattform “irights.info” werden die Beschwerden der Verlagsbranche als “kalkulierte Horrorszenarien” bezeichnet.

2. Die Fans haben nicht Helene Fischer ausgepfiffen, …
(sueddeutsche.de, Martin Schneider)
Martin Schneider beschäftigt sich auf süddeutsche.de mit dem brutalen Pfeifkonzert, das sich Helene Fischer in der Halbzeitpause des DFB-Pokalfinales hat anhören müssen. Schneider sieht jedoch nicht die Sängerin in der Kritik, sondern die Kommerzialisierung und “Eventisierung” des Fußballs allgemein: “Wer Helene Fischer in der Halbzeit auftreten lässt, vermittelt auch die Botschaft: Mir reicht eure Stimmung nicht, ich will selbst für mehr Stimmung sorgen. Der Deutsche Fußball-Bund hätte das ahnen können. Er weiß, dass er es bei Frankfurtern und Dortmundern mit anderen Fans zu tun hat, als beim Familien-Publikum der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Er hat es trotzdem riskiert und Helene Fischer der Arena ausgeliefert, wenn man so will.”

3. Jan Böhmermann füllt Hörsaal, aber keine Köpfe
(jetzt.de, Peter Krauch)
806 Menschen drängelten sich im größten Hörsaal ReWi1 an der Universität Mainz, als Jan Böhmermann zum “SWR UniTalk” erschien. Die Karten für die Veranstaltung sollen binnen 10 bis 15 Minuten vergriffen gewesen sein… Peter Krauch geht der Frage nach, warum Böhmermann derart viele Menschen anzieht, dass sie zu Hunderten in einen Hörsaal drängen, nur um ihn live auf der Bühne zu sehen. “Die richtigen Botschaften und Themen hatte Jan Böhmermann im Gepäck, um junge Leute zu engagierteren Bürgern zu machen. Die Frage ist, ob er das will. Vielleicht ist der Hype um ihn für dieses Vorhaben auch zum Verhängnis geworden, weil sich viele nicht für das interessieren, was der Mensch Jan Böhmermann, außerhalb seines Berufs als Satiriker, zu erzählen hatte.”

4. Publikum
(neues-deutschland.de, Leo Fischer)
Nicht nur für schlechte Menschen, sondern auch für ausgemachte Jammerlappen hält Leo Fischer einige “Bild”-Journalisten. Diese würden auf Twitter kräftig austeilen, aber nicht einstecken können: “Am liebsten hätten sie ihr Publikum wieder so wie vor dem Internet: eine stumme, folgsame Masse, die widerstandslos das herunterschluckt, was sie ihnen vorsetzen. Sie wollen die Reichweite und die Wirkmacht von Twitter, ohne jedoch den Widerspruch auszuhalten, der ihnen dort entgegenhallt.” Fischer dreht den Spieß um und fordert den Twitter-Support auf: “Löscht Diekmann, Reichelt, Röpcke! Es handelt sich um gefährliche Trolle, die Hassbotschaften verbreiten und überdies eure Geschäftsgrundlage beschädigen!”

5. Käßmann erwägt rechtliche Schritte gegen Fake News nach AfD-Kritik
(chrismon.evangelisch.de)
Was passieren kann, wenn man Sätze verkürzt und aus dem Kontext löst, kann man derzeit beim Streit um ein angebliches Zitat der prominenten evangelischen Theologin Margot Käßmann sehen. Diese hatte auf dem Kirchentag in Berlin die Forderung der AfD nach einer höheren Geburtenrate kritisiert. Es wurden jedoch vereinzelt Sätze angeführt, die belegen sollten, dass Käßmann alle Bürger mit deutschen Ahnen zu Neonazis erklärt hätte. Für Käßmann eine “lächerlich und absurde” Unterstellung, gegen die sie rechtliche Schritte erwäge.

6. Über Tweetklau
(xbg.blogsport.eu, Klaas Berger)
“Darf man eigentlich nach Telefonaten fremder Leute in der U-Bahn Fragen stellen, wenn einem etwas unklar geblieben ist?” Haben Sie den Spruch schon mal irgendwo gesehen? Die Wahrscheinlichkeit ist groß, denn er taucht immer wieder auf, ob in Witzesammlungen, auf Twitter oder bei Facebook. Gestern hat zum Beispiel die “Zeit” eine entsprechende Bildtafel retweeted, der aus dem Fundus einer geradezu industriellen Tweetverwertungsmaschinerie stammt und noch dazu einen falschen Urheber nennt. Eine schöne Gelegenheit, an den Tweetklau-Artikel von Klaas Berger zu erinnern, von dem der Spruch ursprünglich stammt.

Nicht-Fake-Studie, Terror-TV, GNTM-Finale

1. “Das ist mindestens verleumderisch”
(spiegel.de, Peter Maxwill)
Im Auftrag der Bundesregierung haben Politologen des “Göttinger Instituts für Demokratieforschung” den Fremdenhass in drei ostdeutschen Orten untersucht. In der “Welt” wurden schwere Vorwürfe gegen die Studie erhoben. “In dieser Regierungsstudie wurden sogar Gesprächspartner erfunden” hieß es dort in der Überschrift. Peter Maxwill ist den Vorwürfen nachgegangen: “Der SPIEGEL kennt den Namen des angeblich erfundenen Gesprächspartners sowie die Audioversion des Interviews – und es gibt nach derzeitigem Stand keinen ernstzunehmenden Zweifel daran, dass die Politologen Danny Michelsen und Michael Lühmann dieses Gespräch tatsächlich geführt haben.”

2. Anschlagsopfer! Und die Kriegsopfer?
(infosperber.ch, Urs P. Gasche)
Urs P. Gasche prangert die Terror-Berichterstattung der Medien an und stellt ein paar unbequeme Fragen: “Warum lösen vereinzelte (Terror-)Anschläge in Europa in den Medien und bei den Politikern eine derart breite Resonanz aus, während die vielen zivilen Opfer von Kriegen nur selten eine Erwähnung finden? Warum wird nicht heftig darüber debattiert, wie Kriege beendet werden können? Und warum nicht darüber recherchiert und informiert, wer die Kriege finanziert und wer die Waffen liefert? Schürt die Art und Weise der Information über die Terroranschläge in Europa irrationale Ängste, welche Regierungen dazu ausnützen können, Freiheiten der Bürgerinnen und Bürger ungebührlich einzuschränken?” Nachtrag, 15:39 Uhr: Wir haben den Link zum Text von Urs P. Gasche hier in die Sammlung genommen, weil wir die Fragen, die er stellt, richtig und wichtig finden (deswegen auch der Fokus in unserem Teaser auf “ein paar unbequeme Fragen”). In seinem Artikel trifft Gasche allerdings auch Aussagen (zum Beispiel: “Nach der rücksichtslosen Vertreibung des IS aus dem syrischen Aleppo durch die Russen”), die mindestens fragwürdig, wenn nicht völlig falsch sind. Nach Hinweisen unserer Leser bleiben wir dabei, dass es sich lohnt, über die Fragen, die Gasche stellt, nachzudenken. Den Rest seines Textes sollte man sehr kritisch lesen.

3. „Vom Völkermord berichten“
(taz.de, Dominic Johnson)
Dominic Johnson, Ressortleiter Ausland bei der “taz”, wirft einen Blick zurück ins Jahr 1994 als der Völkermord in Ruanda begann. Damals war es noch schwierig, an Informationen zu gelangen, also schickte die “taz” ihre Ostafrika-Korrespondentin Bettina Gaus auf den Weg. Johnson lässt die damalige Berichterstattung Revue passieren und diskutiert den Begriff der “Gegenöffentlichkeit”, der für ihn mehr denn je heißt: “Selber nachsehen.”

4. «Der mediale Overkill spielt den Terroristen in die Hände»
(tagesanzeiger.ch, Philippe Zweifel)
Das Schweizer Fernsehen verzichtete auf eine Sondersendung zum Terroranschlag in Manchester, was ihm von vielen Zuschauern als mediale Fehlleistung vorgeworfen wurde. Im Interview erklärt der SRF-Chefredakteur seine Beweggründe: “Der mediale Overkill in den westlichen Medien, an dem auch SRF beteiligt ist, spielt den Terroristen letztlich in die Hände. Dem wollten wir etwas entgegensetzen. Einen ersten bewussten Entscheid fällten wir schon letzten Sommer, nämlich die Namen und Bilder von Attentätern nicht mehr zu publizieren. Der «Tages-Anzeiger» und zuvor die Zeitung «Le Monde» gingen uns da ja mit gutem Beispiel voran. Den «Heldenstatus» erreichen die Täter nur, wenn die Medien mitmachen und ihre Namen und ihre Gesichter in die Welt tragen.”

5. Donald Trumps Symbiose mit den Medien
(de.ejo-online.eu, Maximilian Hempel & Andreas Neukam)
Unlängst hat der amerikanischer Journalismus-Professor Robert Byrd im Sendezentrum des ZDF einen Vortrag „Enemy of the People? Trump, ‚Fake News‘ and the Press“. Die deutschen Medien, so sein Credo, sollten aus den Fehlern der US-Medien lernen und sich nicht von Trump zu einer Reality-TV-Show verwandeln lassen. Byrd wünscht sich, dass die Nachrichtenkanäle wieder mehr Wert auf Fakten setzen und weniger auf Emotionen und appelliert an die Journalisten: „Entfolgt Donald Trump auf Twitter oder blockiert ihn sogar!“

6. Namenlose Gewinnerin, es tut uns leid für Dich
(sueddeutsche.de, Juliane Liebert)
Juliane Liebert hat sich das Finale von “Germany’s Next Topmodel” angesehen und die Botschaft der Sendung herausdestilliert: “GNTM ist so weitab von jeder Schönheit wie nur irgendwas, und die eigentliche Message ist: Kauft James Blunts neues Album. Kauft Wolfgang Joops neue Kollektion. Naomi Campbell lebt noch. Beth Ditto ist fett. Kauft Helene Fischers neues Album. Kauft einen Opel. Kauft einen Opel. Los jetzt! Oh, und ihr seid hässlich, und wenn ihr keinen Opel kauft, werdet ihr für immer hässlich bleiben. Aber so hässlich wie GNTM werdet ihr nie.”

Zitatrecht, Verfallsdatum, Digital News Initiative

1. Bleibt sachlich!
(taz.de, Sabine am Orde)
Der journalistische Umgang mit der AfD ist nicht einfach. Die Partei sieht die Medien als “Lügenpresse” und operiert gezielt mit Tabubrüchen, die Aufmerksamkeit verschaffen sollen. Sabine am Orde plädiert dennoch für einen sachlichen Umgang und hat fünf Gedanken dazu notiert. Darunter auch die Empfehlung, genauer hinzuschauen: “Die AfD benennt auch gesellschaftliche Probleme, die es wirklich gibt und die einen Teil der Bevölkerung umtreiben. Die Profillosigkeit mancher Parteien. Der Sexismus mancher Migrant*innen. Die schlechten Aussichten mancher Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt. Probleme bei der Inklusion. Haben wir diese und andere Probleme deutlich genug benannt? Oder manchmal aus Sorge, es könnte die Situation weiter verschlimmern, einen Teil der Realität ausgeblendet? Und damit Platz gelassen für die einfachen Antworten der Rechtspopulist*innen? Es hilft alles nichts: Wir müssen dahin schauen, wo es wehtut. Und zwar ganz genau.”

2. Journalist durfte Zitat des AfD-Politikers Frohnmaier verwenden
(wbs-law.de, Christian Solmecke)
Ein Journalist hat ein vermeintliches Zitat eines AfD-Politikers verwendet und diesem zugeordnet, wogegen sich der Politiker mit einer Einstweiligen Klage wehrte und das Ganze beim Landgericht Köln landete. Dort wurde nun entschieden, dass der Journalist das Zitat verwenden durfte, da es zwar aus keiner “privilegierten”, aber glaubwürdigen Quelle stamme. Das Urteil, kommentiert Rechtsanwalt Christian Solmecke, stärke die Position kleinerer, lokaler Nachrichtenportale und Nachrichtenunternehmen. Selbständigen Journalisten, die nicht auf die Recherchekraft größerer Zeitungsredaktionen zurückgreifen können, werde damit die Pressearbeit erleichtert.

3. Eine Revolution mit eingebautem Verfallsdatum
(wolfgangmichal.de)
Der Mitgliederbeschluss der VG Wort „zugunsten der Urheber“ sei von Verlegerverbänden fast stärker bejubelt worden als von Autorenverbänden, so Wolfgang Michal. Die Frage nach dem “Warum” könne beantwortet werden: Es handele sich um eine “Revolution mit eingebautem Verfallsdatum”. Die von der EU-Kommission im September 2016 vorgelegte Urheberrechts-Richtlinie, die sich derzeit in der heißen Phase des parlamentarischen Verfahrens befindet, werde den „revolutionären“ neuen Verteilungsplan der VG Wort nämlich wieder kippen.

4. Deniz Yücel seit 100 Tagen im Gefängnis
(reporter-ohne-grenzen.de)
Der von den türkischen Behörden inhaftierte Deniz Yücel verbringt am heutigen Mittwoch seinen 100. Tag im Gefängnis. Anlass für “Reporter ohne Grenzen” nochmal die umgehende Freilassung zu fordern und an die anderen inhaftierten Journalisten zu erinnern. Weitere Leseempfehlung: Die “taz” hat einen Offenen Brief der #FreeDeniz-Unterstützerin Doris Akrap an Bundeskanzlerin Angela Merkel veröffentlicht.

5. „Unsere Denkweise war ganz simpel“
(verguetungsregeln.wordpress.com, Martin Schreier)
Um die Vergütungsregeln für hauptberuflich freie Journalisten gab es ein jahrelanges Tauziehen zwischen dem “Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger” (BDZV) und den zwei großen Journalistengewerkschaften: der “Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union” (dju in ver.di) und dem “Deutschen Journalisten-Verband” (DJV). Nun haben die Verleger die mühsam verhandelten, gemeinsamen Vergütungsregeln gekündigt. Der freie Journalist Martin Schreier hat dazu einen Verantwortlichen des Verlegerverbands interviewt.

6. Mit freundlicher Unterstützung von Google
(deutschlandfunk.de, Axel Schröder)
Google schüttet im Rahmen der “Digital News Initiative” 150 Millionen Euro für die Entwicklung innovativer Journalismus-Projekte aus. Die Kooperation ist aus journalistischer Sicht nicht unproblematisch. “Offen bleibt, wie abhängig kleinere Verlage und Zeitungen in Zukunft von Google und Facebooks Geldern und Geschäftsmodellen sein werden. Die beiden Konzerne geben ihre Millionen wohl kaum aus rein idealistischen Gründen. Die Entwicklung passgenauer Online-Techniken für die Verbreitung von Inhalten kann in jedem Fall zu einer höheren Verweildauer auf Facebook, zur vermehrten Google-Nutzung führen. Und die beschert beiden Konzernen neue Einnahmen, die am Ende höher sein könnten als die Kosten für die so großzügig gefüllten Fonds.”

10 Sekunden, Spiegel-Werk-Daily, Etikettenschwindel

1. Zehn Sekunden für eine Entscheidung
(zeit.de, Eike Kühl)
Nach welchen Kriterien Facebook Inhalte löscht, ist oft unklar. Doch nun wurden dem britischen “Guardian” mehr als 100 interne Dokumente zugespielt, die Auskunft über die Kriterien geben, nach denen Facebookmitarbeiter gemeldete Inhalte löschen sollen. Die Regeln sind komplex und auch die personelle Ausstattung klingt dünn: 7.500 Mitarbeiter sollen sich um die Inhalte von mittlerweile fast zwei Milliarden Nutzern kümmern. Der Job sei psychisch belastend. Außerdem würden die häufig über externe Dienstleister angestellten Menschen oft unter prekären Bedingungen arbeiten.

2. Bilder, Bilder, Bilder – wie Medien mit den Identitären umgehen sollten
(blog.zeit.de, David Begrich)
David Begrich macht darauf aufmerksam, dass es den “Identitären” bei ihren politischen Aktionen in erster Linie um die Bilder ihrer Aktionen und erst in zweiter um die Aktion selbst geht. Er rät den Medien, das Spiel nicht mitzuspielen: “Die Berichterstattung sollte die geplante, wiewohl indirekte, unbeabsichtigte Mitwirkung an der strategischen Bildkommunikation der Identitären verweigern. Sie muss entweder auf Bilder verzichten oder solche Bilder suchen, die die heroische Inszenierung der Identitären dekonstruiert. Es geht also um beides: die Identitären als rechtsextreme Kadergruppe zu entlarven und ihren Bildern die ikonische Wiedergabe zu verweigern.”

3. Spiegel Werk-Daily: Das digitale Missverständnis
(blog-cj.de, Christian Jakubetz)
Christian Jakubetz hat sich nochmal mit “Spiegel Daily” beschäftigt. Er fragt sich, warum man sieben Euro für eine Webseitenversion eines Newsletters zahlen soll, der nur werktags zu einer bestimmten Uhrzeit erscheine. Was zu dem fatalen Ergebnis führe, dass bei “Spiegel Daily” am Montag bis zu 72 Stunden alte Nachrichten zu sehen seien. Wenn das Angebot so bleiben sollte, wie es derzeit ist, sieht Jakubetz schwarz für die Zukunft: “Dann wird „Spiegel Daily“ grandios scheitern und das nicht mal unverdient. Ich habe selten ein weniger durchdachtes und lustloser gemachtes Projekt gesehen wie dieses.”

4. Lange Freiheitsstrafen für Chefs von Nachrichtenmagazin
(spiegel.de)
Ein türkisches Gericht hat zwei Chefs des Nachrichtenmagazins “Nokta” zu 22 Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Die Veröffentlichung eines Erdogan-kritischen Titelblatts im Jahr 2015 wird ihnen als Aufruf zu einem bewaffneten Aufstand gegen die Regierung ausgelegt.

5. Von Pressefreiheit und „Pressefreiheit“
(www.message-online.com, Ariane Butzke)
Auf der Jahreskonferenz des International Press Institutes (IPI) in Hamburg kamen etwa 300 Redakteure, Reporter und Verleger aus aller Welt zusammen. Es ging vor allem um die massiven Einschränkungen der Pressefreiheit in allen Teilen der Welt. Besonders betroffen seien Redaktionen in Afrika und Asien, aber auch in Europa und den USA würden Journalisten zunehmend eingeschüchtert, schikaniert und zensiert.

6. Wenn Werbung uns und sich selbst belügt und einer ganzen Branche Absolution erteilt.
(kaffeeundkapital.de, Martin Oetting)
Martin Oetting war Gast bei einer Konferenz von Kreativen, auf der u.a. ein Kurzfilm gezeigt wurde, der in anrührender Weise zeigt, wie eine Handvoll Griechen auf dem Höhepunkt des Flüchtlingsandrangs ihr Möglichstes taten, um Menschenleben zu retten. Es war ein Werbefilm einer Whiskymarke… Oetting hat in einem Artikel seine Störgefühle in Worte gefasst und appelliert an die Werber: “Hört auf, Euch in Kundenmeetings und bei der Entwicklung quasipolitischer Image-Kampagnen Dinge vorzumachen. Geht stattdessen hin und helft den Organisationen und Menschen, die wirklich Dinge bewegen auf der Welt. Wenn man für sie starke durchschlagende Kampagnen macht, dann verschwindet auch die Doppelbödigkeit. Alles andere ist dagegen Etikettenschwindel. Ein Etikettenschwindel, der leicht dazu führen kann, die Dinge schlechter zu machen, als sie eh schon sind. Wie wir bei der „Ode to Lesvos“ gesehen haben — anstatt Menschen zum Helfen anzuregen, wiegt er uns in dem warmen Irrtum, dass die Dinge ja schon von guten Menschen fern von hier geregelt werden.”

Verlagsversagen, Köppels SVP-Organ, Crowdfunding-Republik

1. Fake News mit Fake Journals: Gender-Studies-Hoax als Verlagsversagen
(netzpolitik.org, Leonhard Dobusch)
Leonhard Dobusch berichtet auf “Netzpolitik.org” über Fake News im Wissenschaftsbetrieb. Schon seit längerem gäbe es eine wachsende Zahl an unseriösen Open-Access-Zeitschriften, die sich zwar als begutachtet („peer-reviewed“) bezeichnen, tatsächlich aber gegen Bezahlung einer Publikationsgebühr quasi jeden eingereichten Beitrag publizieren würden. Zuletzt hatte ein Artikel für Furore gesorgt, der beweisen sollte, dass Gender Studies unseriös seien. Dazu hatten Peter Boghossian und James Lindsay unter dem Titel „The conceptual penis as a social construct“ allerhand Unsinn zusammengeschrieben und erfolgreich im Journal “Cogent Social Sciences” zur Veröffentlichung eingereicht. Leonhard Dobusch dazu: “Mit ihrem Versuch, Gender Studies als Disziplin bloßzustellen, haben Boghossian und Lindsay tatsächlich skandalöses Verhalten offengelegt. Der Skandal liegt jedoch nicht im Bereich der Gender Studies, sondern im Bereich eines der größten wissenschaftlichen Verlagshäuser. Aus reinem Profitstreben heraus werden hier offensichtlich Kooperationen mit dubiosen Pseudo-Open-Access-Verlagen eingegangen, die sich wiederum mit einem vermeintlich seriösen Verlagsnamen schmücken können.”

2. Probleme der «Weltwoche» häufen sich
(nzzas.nzz.ch, Francesco Benini)
Die Schweizer “Weltwoche” hat nicht nur ein Auflagenproblem (in nur einem Jahr ist die Zahl der Leser um 22 Prozent geschrumpft). Für zusätzliche Unruhe sorgt auch die Doppelrolle ihres Chefredakteurs Roger Köppel, der eine politische Karriere gestartet hat und für die “SVP” im Schweizer Nationalrat sitzt. Dies schade dem Blatt; es werde seit seiner Wahl als “reines SVP-Organ” wahrgenommen.

3. DW-Korrespondent Niragira sofort freilassen
(reporter-ohne-grenzen.de)
Der Deutsche-Welle-Korrespondent Antediteste Niragira ist in einem Flüchtlingslager an der Grenze zu Burundi verhaftet worden, wo er über die katastrophalen Lebensbedingungen der Menschen berichten wollte. “Reporter ohne Grenzen” fordert seine sofortige Freilassung: “Antediteste Niragira muss sofort freigelassen werden und sicher nach Burundi zurückkehren können. Journalisten, die über Missstände berichten, dürfen nicht wie Verbrecher oder Spione behandelt werden.”

4. «Wir wollen mehr Wertschätzung für den Journalismus»
(medienwoche.ch)
Es war ein sensationeller Crowdfunding-Erfolg für unabhängigen Journalismus: Binnen kürzester Zeit hat das zehnköpfige Zürcher Start-up-Projekt R (“Republik”) über 11 000 Mitglieder gewonnen und mehr als 2,8 Millionen Franken eingesammelt. Im Interview sprechen die Macher darüber, wie sie das Projekt ohne Werbung finanzieren, wie viel Mitspracherecht Geldgeber haben und welche Rolle die Community spielt.

5. Tageszeitung “Sözcü” erscheint mit leeren Seiten
(spiegel.de)
Aus Protest gegen die Verfolgung durch den türkischen Staat, hat die regierungskritische Zeitung “Sözcü” mit einer “Spezialausgabe zur Pressefreiheit” mit unbedruckten Seiten reagiert.

6. Revolution bei VG Wort: Urheber bekommen, was ihnen zusteht
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Nachdem einige Versammlungen der VG-Wort letztes Jahr sehr chaotisch und konfrontativ verlaufen waren, hat man nun eine Einigung erzielt, nach der in Zukunft die Einnahmen aus gesetzlichen Vergütungsansprüchen rechtskonform an die Urheber ausgeschüttet werden, ohne die Verleger vollständig auszuschließen. Der jetzt beschlossene Verteilungsplan soll jedoch nach dem Willen vieler Beteiligter nicht lange gelten, so Stefan Niggemeier. Im Hintergrund werde bereits daran gearbeitet, die Gesetzeslage so zu ändern, dass die alte Situation wieder hergestellt wird, die eine pauschale Beteiligung der Verlage ermöglicht.

Gerichts-TV, FPÖ-Pingpong, Kalter Kaffee

1. Neue Ansichten
(sueddeutsche.de, Wolfgang Janisch)
Nach langem Hin und Her haben sich die Verhandlungspartner auf einen Gesetzentwurf zum Thema Kameras im Gerichtssaal geeinigt. Aufnahmen historisch bedeutsamer Prozesse will man erlauben, jedoch nur Tonaufnahmen gestatten. Ob es in Zukunft ein Justizfernsehen geben wird, hängt unter anderem mit den Kosten zusammen. Beim BGH veranschlagt man das Schaffen einer Infrastruktur auf eine halbe Million Euro.

2. Was die Autoren über die Gründung der VG Wort wissen sollten
(wolfgangmichal.de)
Wolfgang Michal schreibt über die Entstehung der “Verwertungsgesellschaft Wort” (VG Wort). Bereits Jahre vor der Gründung gab es schon einmal den Versuch, eine Verwertungsgesellschaft der Autoren zu gründen: die „Gesellschaft zur Verwertung literarischer Urheberrechte“, abgekürzt GELU. Und er blickt auf eine Zeit, die gerne ausgeklammert wird: die Dreißiger Jahre.

3. Die Kartelle bestimmen deinen Todestag
(faz.net, Matthias Rüb)
Der 50-jährige Javier Valdez galt als einer der bekanntesten investigativen Reporter Mexikos. Er gehörte zu den Gründern von „Rio Doce“, der wichtigsten Informationsquelle über die organisierte Kriminalität in der Region und schrieb für verschiedene mexikanische Tageszeitungen. Nun wurde Valdez vor dem Bürogebäude des Wochenmagazins “Rio Doce” erschossen, am helllichten Tag und auf offener Straße. Mit ihm hat die Mafia eine Symbolfigur ausgeschaltet.

4. Facebook: Pingpong zwischen FPÖ und oe24.at
(derstandard.at)
Eine Medienagentur hat über 7.000 Facebook-Postings österreichischer Medien analysiert, sie mit der Printberichterstattung verglichen und Themen und Parteien zugeordnet. Viele der Postings fallen durch “stark negative, emotionale Wortwahl” und “beängstigende Inhalte” auf. Interessant ist auch die selektive Beschäftigung mit Parteien: Während die FPÖ in Print im März auf einen Anteil von zehn Prozent der Erwähnungen gekommen sei, hätte die Zuordnung bei den Facebook-Postings bei 21 Prozent gelegen. Bei der Webseite “oe24.at” war der Wert noch höher: Hier konnten 38 Prozent der politischen Berichte auf Facebook der FPÖ zugeordnet werden.

5. Was ihre Fälle unterscheidet – und was sie verbindet
(deutschlandfunk.de, Michael Borgers)
Am 30. April wurde in der Türkei die deutsche Journalistin Mesale Tolu wegen angeblicher “Terrorpropaganda” inhaftiert. In den sozialen Netzwerken machte die Inhaftierung schnell die Runde, doch die Medien griffen die Thematik erst zwei Wochen später auf. Der Beitrag zeigt die Parallelen, aber auch die Unterschiede zum Fall Deniz Yücel.

6. Mit freundlicher Unterstützung von Nespresso
(nzz.ch, Rainer Stadler)
Im Schweizer “Tages-Anzeiger” erschien ein doppelseitiger Beitrag über Recycling. Das Ganze sollte wie Journalismus aussehen, war in Wahrheit jedoch (oben gekennzeichnete) Werbung für die Kaffeekapseln aus dem Haus Nespresso. Rainer Stadler schreibt in seiner Medienkritik: “Die deutliche Hervorhebung von gesponserten Beiträgen bedeutet nicht, dass darüber hinaus alles sauber verläuft. Der Konsument kann es glauben oder nicht, oder er vermag allenfalls die Konstellationen aufgrund der kontinuierlichen Lektüre eines redaktionellen Angebots einzuschätzen.”

N24 Fake News, “Spiegel Daily”, Kurzes Geilomobil

1. Spiegel Daily: Nur 1 Minute Lesezeit!
(blog-cj.de, Christian Jakubetz)
Christian Jakubetz hat sich die Erstausgabe von “Spiegel Daily” angeschaut. Das Angebot wirkt auf ihn bislang noch recht beliebig und zusammengestöpselt: “Alles in allem ist „Spiegel Daily“ in der Erstausgabe leider nicht sehr viel mehr als ein Sammelsurium aus Nachrichten, SPON-Versatzstücken und Dingen, von denen man beim Spiegel vermutlich glaubt, dass sie das Publikum im Netz cool findet (die drei populärsten Hashtags des Tages bei Twitter). Ich habe die ganze Zeit nur noch auf 1 Vong-Spiegel-her-gesehen-Joke gewartet. Macht man das nicht jetzt so in diesem Netz?”
Auch Thomas Knüwer zeigt sich wenig begeistert: Spiegel Daily: Niedrige Erwartungen noch untertroffen

2. Wie N24 Fake News produziert
(welchering.de)
Peter Welchering wurde von “N24” um ein Statement zu Nordkoreas Cyberarmee gebeten. Sowohl mit der Redakteurin, als auch mit der Realisatorin vor Ort will er vereinbart haben, dass von den aufgezeichneten Statements keines verwendet werden darf ohne die Erwähnung, dass er die Indizien für nicht ausreichend hält. Natürlich kommt es, wie es kommen muss und der Sender bringt sein Statement ohne den Zusatz. Für Welchering ist die Sache damit besiegelt: “Wir haben es halt mal probiert, und ich musste erfahren, dass ihr eben doch keinen seriösen Journalismus könnt. Damit kann ich leben. Aber nehmt bitte auch zur Kenntnis, dass dieser Test auf seriöse Arbeit eben ein einmaliger Test war. Ihr haltet euch nicht an Absprachen und reisst Statements aus dem Zusammenhang, faked sie also, und das hat eine Konsequenz: Ihr bekommt von mir kein Statement mehr.”

3. Wie transparent ist die Transparenz von ARD/ZDF?
(wwwagner.tv, Jörg Wagner, Audio: 6:06 Minuten)
Jörg Langer erstellt für die Otto-Brenner-Stiftung eine Studie über die Transparenz in den öffentlich-rechtlichen Medien. Langer sieht trotz positiver Änderungen noch Verbesserungsbedarf: “Auf der einen Seite hat sich viel getan in den letzten Jahren, dass bestimmte Zahlen verständlich und auffindbar für die Bürgerinnen und Bürger aufbereitet werden. Wenn man dann aber ein Stückchen genauer reinsteigt und wissen will, was genau denn wofür aufgewendet wird, da stößt man recht schnell an die Grenze.”

4. Böhmermanns kleiner Mann und das Verschwörungsportal
(sueddeutsche.de, Carolin Gasteiger)
Als die Nachricht die Runde machte, dass Hans Meiser für ein obskures Verschwörungsportal arbeitet, glaubten nicht wenige an einen neuerlichen Sccop von Jan Böhmermann. Hans Meiser spielt in Böhmermanns “Neo Magazin Royal” gelegentlich den für populistische Parolen anfälligen “kleinen Mann”. Da hätte es nahe gelegen, ihn bei einer entsprechenden Seite einzuschleusen. Nun hat sich aber Böhmermanns Produktionsfirma “Bildundtonfabrik” zu Wort gemeldet und die Zusammenarbeit mit Meiser beendet. Und auch Meiser selbst hat sich geäußert.

5. Bilder, die Angst machen – Medienpsychologe Frank Schwab zur Wirkung von Krisenberichterstattung
(blmplus.de, Bettina Pregel, Video, 2:22 Min.)
Vor kurzem fand die 3. Fachtagung Jugendschutz und Nutzerkompetenz. Thema der Tagung: „Bilder, die Angst machen – Katastrophen und Krisen in den Medien.“ Im Video-Interview spricht Medienpsychologe Prof. Dr. Frank Schwab über Angst auslösende Katastrophenbilder und wie Eltern besser mit der Angst ihrer Kinder umgehen können.

6. Kurz und das Geilomobil: “Guardian” fällt auf “Tagespresse” herein
(derstandard.at)
Der renommierte britische “Guardian” ist auf einen Beitrag der österreichischen Satireseite “Tagespresse” über ÖVP-Chef und Außenminister Sebastian Kurz hereingefallen.

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