Archiv für 6 vor 9

Überzeugt uns nicht, Pekings Komplizen, Gamescom und Politik

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(bildblog.de)
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1b. Ich bin nicht überzeugt!
(jetzt.de, Berit Dießelkämper)
Mit „Überzeugt uns! Der Politikercheck” wollte die ARD junge Menschen erreichen, doch die von Ronja von Rönne und Ingo Zamperoni moderierte Politiksendung ging gründlich schief. Berit Dießelkämper hat sich ihren Frust in einem Offenen Brief an das Fernsehen von der Seele geschrieben: „Du hältst uns für zu doof, um komplexe politische Vorgänge zu verstehen. Anstatt etwas zu riskieren und mit uns auf Augenhöhe zu sprechen, fütterst du uns mit videoclipartigen Wissensschnipseln. Aber weißt du, die, die es eh nicht interessiert werden es nicht gucken, da kannst du das Format noch so hip machen. Und die anderen fühlen sich verarscht.“
Andere Medien teilen die Kritik: Die „Frankfurter Rundschau“ spricht von einem Desaster und Boris Rosenkranz stöhnt auf „Übermedien“ entnervt: „Dann lieber Katzen-GIFs“

2. Sollen Internetkonzerne Nazis die Infrastruktur entziehen?
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Jüngst kündigten mehrere große IT-Firmen einer amerikanischen Neonazi-Webseite die Verträge oder verbannten sie von ihren Diensten. Dadurch entzogen sie der Webseite die Infrastruktur, sie ist nur noch beschwerlich als Hidden Service im Tor-Netzwerk erreichbar. Nun wird diskutiert, ob marktmächtige Unternehmen in die Inhalte eingreifen dürfen oder sich neutral verhalten sollten. Markus Reuter fasst den Stand der komplizierten Debatte zusammen.

3. Breitbart ist das Portal der Frustrierten
(sueddeutsche.de, Jürgen Schmieder)
Trump-Berater Stephen Bannon ist zur rechtspopulistischen Nachrichtenseite “Breitbart” zurückgekehrt. Entsprechend martialisch verkündete er: “Ich habe meine Hände zurück an den Waffen. Ich verlasse das Weiße Haus und ziehe für Trump gegen seine Widersacher in den Krieg.” Doch „Breitbart“ habe an Einfluss verloren: Die Besucherzahlen seien gesunken, der Werbeboykott einiger Firmen sorge für sinkende Werbeeinnahmen und die großspurig angekündigten Expansionspläne seien erstmal bis auf weiteres verschoben. Das kann sich jedoch alles ändern, denn man munkelt von weiteren Finanzspritzen des amerikanischen Milliardärs Robert Mercer.

4. Pekings Komplizen
(taz.de, Pola Kapuste)
Der älteste Verlag der Welt, „Cambridge University Press“, kam den Zensurwünschen Chinas nach und löschte 300 akademische Texte. Man verteidigte sich mit dem Argument, man wolle mit der Zensuraktion sichergehen, dass andere Artikel in China verfügbar blieben. Erst nach internationalem Protest und Boykottandrohungen revidierte der Verlag seine Entscheidung. Einer der zensierten Autoren spricht von einem „unumkehrbaren Schaden“.

5. Katholische Medien in Polen – nah am Staat?
(de.ejo-online.eu, Patricia Averesch)
Seit die nationalkonservative PiS-Partei in Polen an der Macht ist, stehen konservative Werte im Vordergrund. Die Gesellschaftsvorstellungen von Politik und katholischer Kirche rücken wieder näher zusammen, befindet Patricia Averesch und wirft einen kritischen Blick auf die katholischen Medien. Es ließe sich jedoch nicht sagen, so ihr Fazit, dass die katholischen Medien in Polen als Instrument der Regierungspartei dienen: „So gespalten wie die katholischen Medien gegenüber der PiS-Partei scheinen, ist auch die Bevölkerung Polens.“

6. Politik ist auch nur ein Spiel
(zeit.de, Eike Kühl)
Erstmals wurde die Videospielmesse Gamescom von der Bundeskanzlerin eröffnet. Der prominente Auftritt kann jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass die Beziehungen zwischen Games und Politik in Deutschland nicht ohne Spannungen sind. Einige Entwickler wünschen sich mehr Wertschätzung und Fördermittel und verweisen auf die teilweise besseren Bedingungen im Ausland.

Schmähvokabel Staatsfunk, Sicherheitsrisiko Seibert, Trend

1. “Liebesbrief” an die FAZ-KollegInnen
(deutschlandfunk.de, Brigitte Baetz)
„Deutschlandfunk“-Autorin Brigitte Baetz hat den Kollegen von der „FAZ“ einen öffentlichen Brief zukommen lassen. Anlass ist die von der Zeitung wiederholt verwendete Vokabel vom „Staatsfunk: 
„Immer wieder druckt Ihr dieses böse Wort vom Staatsrundfunk. Wo es doch in Deutschland seit dem Fall der Mauer gar keinen mehr gibt. Denn – glaubt es oder nicht – der Rundfunk ist in unserem demokratischen Land staatsfern organisiert. Das will die Verfassung so – und die Richter am Bundesverfassungsgericht erst Recht. Und irgendwie verstehen wir nicht, warum Ihr das nicht versteht.“
Auch der Journalist Stefan Fries kritisiert anhand von Beispielen die regelmäßig auftretenden „Staatsfunk“-Schmähungen. Diese seien fern von Meinungsäußerung und hätten Methode: „Es handelt sich in der Permanenz dieser Zuschreibungen vielmehr um eine Kampagne gegen die öffentlich-rechtlichen Medien.“

2. Risiko für die Meinungsfreiheit
(taz.de, Pascal Beucker)
Pascal Beucker kommentiert in der „taz“ den Entzug der Akkreditierungen einiger G20-Journalisten. Von keinem der vor dem G20-Gipfel beschuldigten Journalisten sei eine Gefahr ausgegangen. Das Sicherheitsrisiko hätte vielmehr an anderer Stelle bestanden: „Wenn also jemand im Zusammenhang mit dem Hamburger G20-Gipfel als „Sicherheitsrisiko“ eingeschätzt werden kann, dann neben dem Bundeskriminalamt wohl vor allem das Bundespresseamt mit seinem Leiter Seibert. Denn dessen fragwürdiges Agieren war und ist ganz sicher ein Risiko für die Presse- und Meinungsfreiheit.“

3. Nicht auszurechnen
(sueddeutsche.de, Hans Hoff)
Als es in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ hieß, der Rundfunkbeitrag würde von € 17,50 auf € 21 steigen, war die Empörung groß. Dabei liegt dem die Modellrechnung zugrunde, was passieren würde, wenn man den Beitrag Jahr für Jahr fix um jeweils 1,75 Prozent anhöbe. Dann wäre er 2029 nämlich glatte 20 Prozent teurer. Die Idee, den Beitrag an einen Index zu koppeln, sei jedoch längst nicht beschlossene Sache und werde auch intern kritisch gesehen. Wie und ob die Idee einer Indexierung weiterverfolgt wird, werde sich erst beim Treffen der Intendanten im September erweisen. „Bis dahin wird der Beitragserhöhungszirkus noch an manchem Ort seine Zelte aufschlagen und immer wieder laut und “exklusiv” mit den 21 Euro für 2029 trommeln. Hereinspaziert!“

4. Artikel zwischen Werbung
(detektor.fm, Lucas Kreling & Benjamin Fredrich)
Das „Katapult Magazin“ hat nachgezählt wie hoch der Werbeanteil bei deutschen Printmagazinen ist. Das Ergebnis: In Zeiten sinkender Auflagen ist Werbung noch dichter geworden und macht beim Spitzenreiter „Zeit Magazin“ ein Viertel aus. Danach kämen die Finanzmagazine „brand eins“ und die „Wirtschaftswoche“. Hier würden die Werber einkommensstarke Leser erwarten und besonders gern inserieren. „detektor.fm“-Moderator Lucas Kreling hat mit Benjamin Fredrich vom „Katapult-Magazin“ über Anzeigen in Zeitschriften, Zielgruppen und die Toleranz der Leser gesprochen.

5. „Aufreger lassen sich nicht planen“
(fr.de, Danijel Majic & Leo Fischer)
„Titanic“-Redakteur Leo Fischer wurde jüngst vom „Zeit-Magazin“ gebeten, für eine Woche als „Gast-Twitterer“ zu fungieren. Eine Ehre, die vor ihm schon „viele führende Journalisten“ innehatten. Nach einigen satirisch eher harmlosen Tweets drehte Fischer auf und meldete den Tod des Ex-Fußballprofis Mehmet Scholl und einen Atomangriff auf die nordkoreanische Hauptstadt Pjöngjang. Im Interview plaudert er über seinen anschließenden Rauswurf, Medien und Medienmacher, brennende Autos und dickmachende Burger. Zum Abschied gibt er dem Interviewer von der „Frankfurter Rundschau“ noch seine persönliche Wertung über dessen Arbeitgeber mit auf den Weg: „Ich vergleiche die FR gerne mit Monica Lierhaus. Erst sehr beliebt, dann eine schreckliche Katastrophe. Doch nach und nach kommt sie wieder auf den Damm, fängt wieder von vorne an und macht allen Leuten Hoffnung.“

6. Wohin sich die Welt bewegt
(herrfischer.net, Martin Fischer)
Vor einem Jahr hat Martin Fischer den Social-Bot @liegtimtrend eingerichtet, der automatisch alles twittert, was Medienberichten zufolge „im Trend“ liegt. Zeit für eine Zwischenbilanz …

Erdogans Interpol, G20-Schwarze-Liste, Dark Ads entlarven

1. “Der Kampf hat sich gelohnt”
(tagesschau.de, Martin Mair)
Als kritischer Schriftsteller und Journalist muss man die türkische Justiz fürchten, auch wenn man sich nicht in der Türkei, sondern im Ausland aufhält. Der aus der Türkei stammende deutsche Schriftsteller Dogan Akhanli war in Spanien via Interpol für eine Nacht festgesetzt worden, ist jedoch mittlerweile wieder auf freiem Fuß. Die Erleichterung darüber ist jedoch getrübt: Die Türkei hat 40 Tage Zeit, seine Auslieferung zu beantragen. Der “Deutsche Journalisten-Verband” rät allen Türkei-kritischen Journalistinnen und Journalisten dazu, vor Antritt einer Auslandsreise beim Bundeskriminalamt einen Antrag auf Selbstauskunft zu stellen.

2. Schwarze Liste mit falschen Infos
(taz.de, Pascal Beucker)
Unmittelbar vor Beginn des Hamburger G20-Gipfels Anfang Juli wurden knapp drei Dutzend JournalistInnen die bereits erteilten Akkreditierungen wieder entzogen. Sechs Wochen später haben nun die ersten JournalistInnen schriftlich vom Bundeskriminalamt (BKA) Auskunft bekommen, wie sie auf der Schwarze Liste gelandet sind. Sie seien, freundlich formuliert, verwundert… Die Mehrzahl der 32 Betroffenen würde jedoch trotz gegenteiliger Versprechungen bis heute auf eine Auskunft darüber warten, weswegen ihnen die Akkreditierung entzogen wurde.
Weiterer Lesetipp mit weiterführenden Links: Das “Netzwerk Recherche” hat den Entzug von Presseakkreditierungen während des G20-Gipfels nochmal scharf kritisiert und das Versagen des Bundespresseamts, des Bundeskriminalamtes und anderer Sicherheitsbehörden angeprangert:

3. Mit eurer Hilfe will BuzzFeed den geheimen Facebook-Wahlkampf in Deutschland aufdecken
(buzzfeed.com, Marcus Engert & Daniel Drepper)
Sowohl im Trump-Wahlkampf als auch bei der Brexit-Abstimmung sollen im Wahlkampf sogenannte “Dark Ads” verwendet worden sein. Dabei handelt es sich um Werbeanzeigen, die nur an bestimmte Personengruppen auf Social Media ausgespielt wurden. Die Gefahr dabei: “Die Parteien sind kaum noch an ihre öffentlichen Aussagen gebunden. Sie können im Geheimen einen populistischen Wahlkampf fahren, der komplett ihrem öffentlichen Profil widerspricht. Sie können am rechten oder am linken Rand fischen, sie können den Menschen nach dem Mund reden – und sie können ihren politischen Gegner attackieren, ohne dass dieser sich wehren kann.”
“BuzzFeed News” und “t-online” wollen in Zusammenarbeit mit den britischen Programmierern von “WhoTargetsMe” diese dunklen Anzeigen transparent machen. Über eine Browser-Erweiterung werden die Anzeigen auf Facebook ausgelesen und analysiert, welche Partei welche Anzeigen für welche Zielgruppe schaltet.

4. So erkenne ich, ob ein Medium seriös informiert
(infosperber.ch, Urs P. Gasche)
Man braucht kein Profi oder Alleswisser zu sein, um zu beurteilen, ob ein Artikel oder Tagesschau-Beitrag seriös oder dubios ist, findet Urs P. Gasche. Die Seite “Infosperber” hat sieben starke Indizien für die Glaubwürdigkeit zusammengestellt, die es auch Nicht-Fachleuten erlauben würden, die Glaubwürdigkeit einer Meldung zu überprüfen: Je mehr von ihnen zutreffen, desto seriöser und glaubwürdiger seien die verbreiteten Informationen.

5. ARD und ZDF im Netz – wie sieht ein zeitgemäßer Auftrag aus?
(blog.wdr.de, Dennis Horn)
Dennis Horn denkt im WDR-Blog darüber nach, wie ein öffentlich-rechtliches Medium im Jahr 2017 eigentlich aussehen müsste. Einige Passagen des Rundfunkstaatsvertrags seien nachvollziehbar wie die Negativliste, die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk verbietet, online Anzeigenportale, Branchenregister oder Stellenbörsen aufzuziehen. Anders sehe es jedoch bei den Löschregeln aus oder dem Verbot der „Presseähnlichkeit“. Außerdem schließe er sich der Forderung an, in Zukunft mehr von den Zuschauern per Gebühr finanzierte Inhalte mittels Creative-Commons-Lizenz freizugeben.

6. Der Pranger als politische Waffe
(sueddeutsche.de, Jakob Biazza)
Die Umweltwissenschaftlerin Jennifer Jacquet forscht an der New York University über die Evolution und die Funktion und Zukunft des Schamgefühls. Im hierzulande eher verpönten, öffentlichen Bloßstellen sieht sie ein zu wenig genutztes Potenzial. Das “Beschämen” könne im Kampf gegen Umweltverschmutzung oder Menschenrechtsverletzungen genutzt werden; die Welt werde besser, wenn Leute öffentlich bloßgestellt würden. Im Interview verrät sie, wann öffentliches Bloßstellen am besten funktioniert und warum Donald Trump die Ausnahme von der Regel ist.

Unspaßige Spaß-Nachrichten, Blochers Medienwelt, US-Nazi-Boykott

1. Wir haben Fragen zum Google-Wahlkampfgeschenk an die Kanzlerin
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Nach dem Interview-Auftritt der Kanzlerin bei den vier ausgesuchten Youtubern schien es nur Gewinner zu geben: Merkel, die vier Youtubestars aus dem Vermarktungs-Netzwerk “Studio71” und Google. Doch bei so viel Win-Win-Win-Win kämen dann doch ein paar Fragen auf: “Warum organisiert mit dem Bundeskanzleramt eine Regierungsstelle einen weithin als Wahlkampfauftritt rezipierten Termin? Wo bleibt hier die Trennung von Staat und Partei? […] Will Google – über sein kräftiges Lobbying hinaus – jetzt auch zum politischen Player mit seiner Suchseite werden? Und sind diese Youtuber eigentlich wirklich so lasch und handzahm, dass die Veranstaltung lediglich wie ein jugendlich-aufgepepptes ZDF-Sommerinterview wirkte?”

2. Faktencheck: Merkel und die Chemtrails
(correctiv.org, Pauline Schinkels)
Momentan schwirren allerlei mehr oder weniger (meist weniger) lustige Falschnachrichten durch das Netz, die in das Layout fiktiver Zeitungen wie einem angeblichen “Kölner Abendblatt” eingebettet sind. Gleich zwei Webseiten bieten ihren Nutzern an, Falschnachrichten im pseudo-journalistischen Mantel auf Freunde und Menschheit loszulassen. Wie schnell die Grenze zwischen lustigem Kalauer und ernsten Fake verschwimmen kann, zeige die Seite “24Aktuelles.com”. Dort hätten sich zwischen all dem Lustig-Lustig-Content immer wieder Meldungen gefunden, bei denen die Polizei reagieren musste.

3. Ein Glück, dass es Deniz gibt
(deutschlandfunk.de, Silke Burmester)
Silke Burmester fühlt sich hin- und hergerissen, wenn es um die Berichterstattung über die in der Türkei inhaftierten Journalisten geht. Alle würden immer nur von Deniz Yücel reden, von den meisten anderen inhaftierten Kollegen aber spreche kein Mensch. “Ja, das ist blöd. Und vielleicht auch nicht fair. Aber auf der anderen Seite ist es auch für sie ein Glück, dass es Deniz gibt. Deniz, der so ein Krawallo ist, so ein journalistischer Hau-Drauf, der so viele Jahre Redakteur bei der “taz” war, dass er ein Heer an Freunden und Kollegen hat, die jetzt so laut für ihn trommeln und ihn zum Gesicht des Widerstandes gegen Erdogans Journalisten-Plattmache erheben.”

4. Hiobsbotschaft aus der Schweizer Medienlandschaft
(infosperber.ch, Christian Müller)
Der Schweizer Christoph Blocher ist nicht nur ein milliardenschwerer Geschäftsmann, sondern auch ein wichtiger Politiker der am rechten Rand angesiedelten “Schweizerischen Volkspartei” (SVP). Blochers BaZ-Holding (“Basler Zeitung”) hat nun die Verlagsgruppe Zehnder gekauft, einen Herausgeber von 25 Anzeigeblättern, die auf insgesamt 800.000 Leser und Leserinnen kommen. Der Schweizer Journalist Christian Müller sieht in der Vergrößerung von Blochers Medienimperium auch eine politische Gefahr: “Wenn Blocher vor Abstimmungen in jeden Briefkasten der Schweiz ein Extrablatt mit seiner Werbung hat verteilen lassen, dann landete sein Geld in den Kassen von Zeitungsdruckereien und vor allem auch in der Kasse der Post. Jetzt kann er eine Million Briefkästen bedienen mit einem Produkt, das aus Gründen der Tradition und der Leser-Gewohnheiten eine deutlich höhere Glaubwürdigkeit genießt als ein Extrablatt, das nur vor Volksabstimmungen erscheint.”

5. Kein Netz für Nazis
(zeit.de, Patrick Beuth)
Nach den Ereignissen in Charlottesville haben einige amerikanische Unternehmen wie AirBnB, GoDaddy, Discord und Google mitgeteilt, sie würden künftig Rechtsextreme und Seiten wie den “Daily Stormer” boykottieren. Was zunächst nachvollziehbar erscheint, wirft Fragen auf: Darf eine kleine Anzahl von Unternehmen darüber bestimmen, dass jemand nicht im Internet sein darf? Lange hatten sich die Infrastrukturbetreiber Netzneutralität verordnet. Doch mittlerweile würden die Kunden verlangen, dass die Firmen sich ihrer Verantwortung stellen. Helfen könnten hier nur klare und neutrale Regelungen nach demokratischen Maßstäben.

6. Nicht mit uns
(daily.spiegel.de, Ulrike Simon)
Jüngst flatterte dem Verleger und Chefredakteur des Monatsmagazins “Cicero” ein unmoralisches Angebot der besonderen Art ins Haus: Eine Agentur für Suchmaschinenoptimierung wollte auf der “Cicero”-Webseite selbstgeschriebene Texte platzieren, die nicht als Werbung gekennzeichnet und mit allerlei Links gespickt waren. Für eine Mindestverweildauer eines Beitrags von 24 Monaten bot man die Summe von 250,- Euro an. “Spiegel-Daily”-Kolumnistin Ulrike Simon hat daraufhin den Agenturinhaber angerufen, um ihn zu dieser Praxis zu befragen. Und weil der Chef der rund dreißigköpfigen Agentur sich verschlossen gab, hat sie dem Unternehmen etwas nachrecherchiert.

Merkel-Interview, Bilderstreit der Fotodienste, Verkaufte Seele

1. “Waren ja Ihre Fragen, ne?”
(tagesschau.de, Julian Heißler)
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat gleich vier Youtubern auf einmal ein Interview gegeben. Der Neuigkeitswert des Gesprächs habe sich in Grenzen gehalten, doch darum sei es auch nicht gegangen. Von Merkels Seite hätte man schlicht auf die drei Millionen Abonnenten gezielt, ein überwiegend junges Publikum, das man sonst nicht so ohne weiteres erreicht hätte.
Die “FAZ” bescheinigt dem Gesprächstermin insgesamt gute Noten: “Die Resonanz war bescheiden, die Interviews der vier Youtuber mit der Bundeskanzlerin aber waren vielleicht sogar besser als Vergleichbares im Fernsehen.” Jörg Schieb sieht im WDR-Blog wenig Profiteure außerhalb von Veranstalter und Beteiligten: “Im Grunde alles nur eine große Inszenierung – ohne jeden echten Erkenntnisgewinn.” Die “Süddeutsche” hat zwei der vier Youtuber interviewt und sie unter anderem nach ihrer Vorbereitung gefragt.
Der Journalist Stefan Fries kritisiert auf seinem Blog eine Umfrage, die auch im Merkel-Interview eine Rolle spielte. Auf Twitter wurde lapidar gefragt: “Habt Ihr Angst vor einem Krieg?”, was etwa die Hälfte der Befragten bejahte. Die Umfrage sei jedoch nicht repräsentativ und die Antworten verzerrt. Außerdem sei die Frage viel zu unspezifisch und die Fehlertoleranz werde ignoriert. Fries findet die Umfrage geradezu unverantwortlich und schließt mit den Worten: “100 Prozent der Autoren dieses Blogs kriegen bei solchen Umfragen zuviel.”

2. Streit um freie Bilder: Fotodienste Unsplash und Pixabay stören sich an Copycats
(irights.info, Henry Steinhau & David Pachali)
Wer keinen Etat für Bildrechte hat, freut sich über Datenbanken wie “Pixabay” und “Unsplash”. Dort liegen Bilder, die für die Verwendung im privaten und kommerziellen Umfeld freigegeben wurden und kostenlos verwendet werden dürfen. Kürzlich gab es bei den Plattformen ein Hin und Her um die Formulierung der Lizenztexte. Hintergrund: Beide Seiten stören sich an Dritt-Anbietern, die ihre Kataloge nutzen und damit eigene, funktional und gestalterisch oft ähnliche Dienste aufbauen. “Pixabay” sei jedoch mittlerweile zur bisherigen CC0-Freigabe zurückgekehrt, die man lediglich um Nutzungsbedingungen erweitert habe. “Unsplash” habe eine neue Lizenzform eingeführt, die vom “Creative Commons”-Chef kritisiert wird.

3. Wie SPIEGEL ONLINE arbeitet
(spiegel.de, Barbara Hans)
“Spiegel Online”-Chefredakteurin Barbara Hans stellt die neue Rubrik “Backstage” vor: “Dort erklären wir, welchen Weg ein Artikel nimmt, bevor er veröffentlicht wird. Wie wir digitalen Journalismus verstehen. Warum sich häufig die Meldungen verschiedener Nachrichtenseiten gleichen und welche Rolle Nachrichtenagenturen spielen. Wir sprechen über peinliche Fehler und wie die Kollegen der Dokumentation uns täglich dabei helfen, sie zu vermeiden. Auch können Sie dort lesen, wie wir uns und unsere Arbeit – das heißt mehr als 120 veröffentlichte Artikel am Tag – finanzieren: über Werbung.”

4. Seele verkauft
(kontextwochenzeitung.de, Anna Hunger)
Dem “Stuttgarter Wochenende” lag als Beilage auch der rechte “Deutschland-Kurier” bei. Für Anna Hunger stellt sich die Frage, wo die Grenze liegt zwischen verlegerischer Verantwortung und Fahrlässigkeit. Die Reaktionen der Medienbranche sind eher ablehnend, wobei meist die Legalität der Aktion betont wird. Das eigentlich Tragische an der Sache läge laut Hunger jedoch an anderer Stelle: Durch die Verteilung der rechten Postille torpediere das Stuttgarter Medienhaus die Bemühungen der Zivilgesellschaft, gegen Rassismus und Nationalismus Stellung zu beziehen.

5. Getarnte Werbung
(edito.ch, Nina Fargahi)
Im Schweizer Medienmagazin “Edito” diskutiert Nina Fargahi das sogenannte “Native Advertisement”, eine Werbeform, die sich als redaktioneller Inhalt tarnt. Das Dilemma sei kaum aufzulösen: “Werbeinhalte sollen absichtlich in einer journalistischen Aufmachung zur Verfügung gestellt werden, weil die seriöse Erscheinung die Glaubwürdigkeit und damit auch die Aufmerksamkeit bei den Mediennutzern steigert. Doch je deutlicher deklariert wird, dass es sich bei einem bestimmten Inhalt um Werbung handelt, desto leichter ist er als solche erkennbar und somit für den Mediennutzer wohl weniger relevant. Zu viel Transparenz unterläuft den Zweck einer Werbeform. Umgekehrt fühlen sich die Mediennutzer veräppelt, wenn sie dahinterkommen, dass sie gerade etwas gelesen haben, das Werbung ist, aber nicht deutlich genug als solche ausgewiesen ist.”

6. DAS ist die ungewöhnliche Methode, mit nur 3 Schritten mehr KLICKS zu bekommen
(volkerkoenig.de)
Was braucht man für erfolgreiches Klickbaiting? Blogger Volker König lüftet das streng gehütete Geheimnis, das sonst nur Industriemagnaten, Wirtschaftsbosse und Illuminaten kennen. (oder so ähnlich…)

Youtube-Wahlkampf, Nachrichten-Negierer, Duden-Willkür

1. Es gibt ein Problem mit dem YouTube-Interview der Kanzlerin
(motherboard.vice.com, Richard Diesing)
Angela Merkel wird heute im Rahmen des Bundestagswahlkampfs von vier Youtubern interviewt. Nach Recherchen von “Motherboard” soll die Organisation des Termins über das Bundeskanzleramt gelaufen sein. Das sei kritisch zu bewerten: “Das Vorgehen widerspricht einer wichtigen, moralischen Grundregel, an der sich die meisten deutschen Parteien im Wahlkampf orientieren. Es geht um die Trennung zwischen Parteien auf der einen Seite und Staat bzw. Regierungsstellen wie dem Kanzleramt und dem Bundespresseamt auf der anderen Seite: Wahlkampf sollte über das Wahlkampfteam der Partei laufen, die normale Regierungsarbeit der Kanzlerin übers Kanzleramt. Schließlich soll niemand, der an der Macht ist, Ressourcen seines Amtes benutzen, um erneut gewählt zu werden.”
Weiterer Lesetipp zum Merkel-Interview mit anderen Aspekten: Boris Rosenkranz bei “Übermedien”: “Youtube-Wahlkampf: Angela Merkel freut sich auf die ‘Netzgemeinde'”

2. Der größte Rückschritt seit 20 Jahren
(taz.de, Mohammed Daraghmeh)
Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas erließ ohne parlamentarische Beteiligung ein Gesetz gegen soziale Medien und Nachrichten-Websites im Westjordanland. Menschenrechtler bezeichnen dies als den größten Rückschritt in Sachen Meinungsfreiheit seit Gründung der palästinensischen Autonomiebehörde 1994. Abbas’ neuestes Gesetz stoße vor allem wegen seiner Unschärfe auf Kritik und öffne nach Ansicht von Kritikern die Tür für weitere Verletzungen der Meinungsfreiheit.

3. Nachrichten? Brauche ich nicht!
(ennolenze.de)
Enno Lenze ist frustriert über die vielen Nachrichten-Negierer und Nachrichten-Umschiffer: “Mir fällt auf, wie die Gesellschaft da immer weiter auseinander driftet. Ich finde mit solchen Leuten kaum noch Gesprächsthemen, da für mich die Welt um mich herum extrem wichtig ist. Ich finde auch keinen Weg den Leuten zu erklären, was Wahlen, Politik, andere Länder, Wirtschaft usw. mit uns zu tun haben.” Er belässt es jedoch nicht bei seinem Frust, sondern hat ein Plädoyer für Nachrichten verfasst: “Das häufigste Argument gegen Nachrichten gucken ist: „Da kommt so viel Negatives! Das will ich nicht sehen!“ – Das ist auch ein Luxus, den man sich nur in der ersten Welt erlauben kann. Die Augen verschließen vor den rund 90%der Welt, denen es schlechter geht. Und klar: Wenn man das alles ausblendet, dann bleiben wieder nur Konzerte, Gossip und Katzenbilder. Mein Ansatz ist da einfach ein anderer: Ich gucke mir das Leid an und versuche es zu verbessern. Das erscheint mir einfach sinnvoller.”

4. Weil die Redaktion sich ändern muss: 6 Vorschläge für eine andere Medienwelt
(indiskretionehrensache.de, Thomas Knüwer)
Thomas Knüwer findet, dass sich etwas ändern muss in der Medienwelt. Die Stimmung in Redaktionen sei an einem neuen Tiefpunkt, der Medienwandel hätte eine neue Ebene erreicht, neue Player würden auftauchen, die großen Medienmarken seien qualitativ dünn und beliebig. Knüwer hat einige Denkanstöße formuliert und macht konkrete Vorschläge, was Redaktionen in Zukunft anders machen sollten.

5. Fakten richtigstellen – klappt das eigentlich?
(deutschlandfunk.de, Vera Linß)
Faktenchecker-Websites erfreuen sich derzeit großer Beliebtheit, doch was können diese Internetportale tatsächlich bewirken? Vera Linß hat sich mit einigen Faktencheckern unterhalten wie Patrick Gensing vom “ARD Faktenfinder” und Karolin Schwarz vom stiftungsfinanzierten Recherchezentrum “Correctiv”.

6. Willkür im Duden
(spektrum.de, Ekkehard Felder)
Die neue, 27. Ausgabe des Rechtschreibdudens enthält 5.000 neue Wörter. Doch nach welchen Kriterien wurden die Neuaufnahmen ausgesucht? Über manche der neuen Wörter ließe sich streiten, wie über das 2013 neu hinzugekommene, stigmatisierende “Saftschubse”, so der Linguist Ekkehard Felder von der Universität Heidelberg: “Der Verlag steckt viel Geld in hippe und schicke Anzeigenwerbung. Er sollte auch etwas Geld in die Vermittlung seiner Kriterien investieren, die dem Werk zu Grunde liegen. Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, schließlich genießt die Marke DUDEN Renommee. Dieses resultiert noch aus dem besonderen Status, der dem Duden in den 1950er Jahren von der Kultusministerkonferenz eingeräumt wurde.”

Angebliche Rufmordkampagne, Wahlkampf-Youtuber, Altpapier

1. “Enthüllungsbuch”: Maschmeyer rehabilitiert?
(daserste.ndr.de, Kristopher Sell)
Ein ehemaliger AWD-Mitarbeiter behauptet, eine mediale Schmutzkampagne gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber betrieben zu haben. Vor einigen Jahren habe er zahlreiche Redaktionen mit Insider-Informationen aus dem AWD versorgt, darunter auch Journalisten von “Panorama – die Reporter”, “Stern”, “SZ” und “Spiegel”. Im Gegenzug sei er von einem damaligen Konkurrenten des AWD mit mehreren tausend Euro monatlich honoriert worden. Ziel der Aktion sei es gewesen, AWD-Chef Carsten Maschmeyer zu schaden. Panorama-Autor Kristopher Sell kommentiert: “Offensichtlich soll der Eindruck erweckt werden, als hätten sich verschiedene Redaktionen, darunter auch Panorama, gegen Maschmeyer und dessen AWD instrumentalisieren lassen und ungerechtfertigte Beschuldigungen verbreitet. Dem kann und muss entschieden widersprochen werden.” Außerdem lenkt er den Blick auf den Kern der AWD-Kritik: “Das Buch kann nicht von den noch immer real existierenden Opfern des Systems AWD ablenken: Tausenden Menschen, die von Carsten Maschmeyer und seinen Verkäufern um ihre Ersparnisse, teilweise um ihre Altersversorgung gebracht und damit ins Unglück gestürzt worden sind.”
Weiterer Hörtipp: Opfer einer Rufmordkampagne? Kristopher Sell im Gespräch mit Henning Hübert (Audio: 5 Minuten)
Weiterer Lesetipp: Gerhard Hensel über wirtschaftliche Rufmordkampagnen im digitalen Zeitalter: Fake-News im Unternehmens-Einsatz: Wenn es für Marken ganz plötzlich gefährlich wird.

2. Umfrage unter Branchen-Experten: Sollten Robotertexte gekennzeichnet werden? Ja, sagen die meisten Befragten.
(presseportal.de)
Wenn Verlage computergenerierte Texte verwenden, dann handelt es sich meist um Sportergebnisse, Börsendaten oder Wetternews. Es ist jedoch damit zu rechnen, dass fortschreitende Technik auch computergenerierte Texte in anderen Feldern ermöglicht. Da stellt sich die Frage nach der Kennzeichnung: Sollen maschinell erstelle Beiträge auch als solche benannt werden? Das Medienmagazin “journalist” hat sich in der Branche umgehört.

3. “Ich möchte mich ungern instrumentalisieren lassen”
(spiegel.de, Markus Böhm)
Erfolgreiche Youtuber haben das, was sich Politiker sehnlichst wünschen: Zugang zu jungen Menschen. Da liegt es nahe, dass sich die Kanzlerin in der Hochphase des Wahlkampfs gleich mit vier Webstars zum Interview trifft: Das Quartett kommt auf drei Millionen Youtube-Abonennten. “Spiegel”-Autor Markus Böhm hat bei verschiedenen Youtube-Stars nachgefragt, wie ihr Umgang mit der Bundestagswahl aussieht, darunter auch Deutschlands beliebtestem Macher von Gamingvideos “Gronkh”.

4. Programmieren als Königsdisziplin
(message-online.com, Louise Sprengelmeyer & Mira Taylor)
Sollten Journalisten auch programmieren können? Bei Datenjournalisten liegt dies auf der Hand, aber auch für klassische Onlineredakteure kann es sich lohnen. Fünf Journalisten und Programmierer berichten über die Erfahrungen aus einem Einsteigerworkshop im Coden.

5. Wie eine unsaubere Hundestory der „Krone“ weltweit viral ging
(kobuk.at, Hans Kirchmeyr)
“Kobuk” geht einer Titelgeschichte der österreichischen “Krone” nach, die es zu weltweiter Verbreitung in islamfeindlichen Kreisen gebracht habe: Eine “somalischen Asylantin” hätte eine Wienerin wegen ihrer “unreinen Hunde” brutal angegriffen, so dass die Hundehalterin mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. “Kobuk”-Autor Kirchmeyr geht nach seinen Nachfragen bei der Landespolizei eher von einem anderer Geschehen aus: “Ein nicht angeleinter Hund ohne Beißkorb lief auf eine Frau zu, die ausgeprägte Angst vor Hunden hat (was übrigens auch an wilden Hunden in Somalia liegen kann). Die Hundehalterin lief dem Hund hinterher, um ihn zurückzuholen. In einer Panikreaktion dürfte sich die Frau so an diese geklammert haben, dass beide stürzten und sich die Hundehalterin am Knie schwer verletzte.”

6. Pro und contra und quo vadis
(evangelisch.de)
Beim renommierten Medien-Watchblog “Altpapier” teilen sich vier Journalisten die Aufgabe, von Montag bis Freitag die gedruckte und digitale Medienlandschaft zu kommentieren. Doch die Zukunft des “Altpapiers” ist ungewiss: Am Freitag ist leider vorerst Schluss. Wer per E-Mail informiert werden möchte, ob, wie und wann es weitergeht, kann bei den Machern seine Mail-Adresse hinterlegen. Wer den Autoren außerdem bei der Verbesserung ihrer Medienkolumne helfen möchte, kann an einer schnell beantwortbaren 15-Fragen-Umfrage teilnehmen. Der “Freitag” diskutiert die Zukunft des “Altpapiers” mit einem Pro und Contra-Artikel: Ist das “Altpapier” noch wichtig? Wir vom BILDblog antworten: “Ja, natürlich!” und wünschen den Kollegen alles Gute und uns allen ein baldiges Comeback.

Funke-Minister, Buzzfeed-Umbau, iTunes-Chartstürmer Stille

1. NRW-Medienminister wegen Beteiligung an Funke-Mediengruppe in der Kritik
(nw.de, Lothar Schmalen)
Kann ein NRW-Minister unabhängig sein, wenn ihm 16,7 Prozent eines der mächtigsten Verlagskonzerne des Landes gehören? Ein Minister, der für Medienpolitik zuständig ist, über neue Gesetze entscheidet, über Fördertöpfe verfügt und in genau dem Bereich agiert, in dem sein Konzern Geschäfte macht? Stephan Holthoff-Pförtner (68) ist dieser besagte Politiker, der von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) zum Minister berufen wurde und der bedeutende Anteile der Funke-Mediengruppe hält (geschätzter Wert 250 Millionen Euro). Die Opposition im Landtag, aber auch Juristen kritisieren den Interessenkonflikt, das Ministerium selbst wiegelt ab.

2. Von der Katzenbildschleuder zum investigativen Journalismus
(sueddeutsche.de, Karoline Meta Beisel)
Buzzfeed wird in Deutschland von vielen als Webseite mit albernen Listen, zusammengeklaubten Bildern und reißerischen Klickbait-Überschriften in Zusammenhang gebracht. In den USA gelte Buzzfeed jedoch schon seit einer Weile als relevantes Nachrichtenmedium. Dort arbeiten acht Pulitzerpreisträger und kümmern sich auch um ernste Themen. Nun sollen auch in Deutschland zu den seichten ein paar ernste Themen hinzukommen. Bewerkstelligen soll dies Deutschlandchef Daniel Drepper, einer der Gründer des Recherchebüros Correctiv.

3. “Phablet? Brauchen wir das wirklich im Duden, Frau Kunkel-Razum?
(boersenblatt.net)
Vor einigen Tagen erschien die 27. Auflage des Duden mit 5.000 neuen Wörtern. Neu dabei sind zum Beispiel “facebooken”, “Selfie” und “Phablet”. Im Börsenblatt verrät die Redaktionsleiterin wie die neuen Wörter in den Duden kommen, welche der Neuaufnahmen sie besonders mag und welche der gestrichenen Wörter sie besonders vermisst.

4. Der Basler, der in den Krieg zieht
(tageswoche.ch, Andrea Tedeschi)
Der Schweizer Diego Wettstein berichtet als freier Kameramann aus Krisengebieten im Nahen Osten. Die “Tageswoche” stellt den 34-Jährigen vor, der regelmäßig für das Schweizer Fernsehen aus dem Irak und Syrien berichtet. Für seine Reportage “Rückeroberung des Sinjar-Gebirges” wurde Diego Wettstein für den Deutschen Kamerapreis 2016 nominiert. Fünf Monate pro Jahr ist er im Ausland unterwegs und erlebt dort Dinge, die ihn trotz aller professioneller Distanz nicht kalt lassen.

5. Lieber mal ein Schock fürs Auge
(faz.net, Peter Körte & Bert Rebhandl)
Die “FAZ” hat sich mit drei Regisseuren und Regisseurinnen über die Lage des Dokumentarfilms, prekäre Finanzen und die Abhängigkeit vom Fernsehen unterhalten. Nur zwölf Sendeplätze für Dokumentarfilme biete die “ARD” im Jahr an und auch sonst werde der Dokumentarfilm eher stiefmütterlich behandelt. Im Widerspruch dazu stünden die vollmundigen Verlautbarungen der öffentlich-rechtlichen Sender, der Dokumentarfilm gehöre zu ihrer Kernkompetenz, zur “DNA des Systems”.

6. Auf iTunes stürmt das Schweigen die Charts
(haz.de)
In Apples digitalem Musikshop iTunes kann man sich für 99 Cent zehn Minuten absolute Stille kaufen. Hört sich nach einer wahrlich sinnlosen Kaufentscheidung an, kann aber durchaus sinnvoll sein.

Dreckscherer Twitter, Kontrolliertes Schweigen, Zeit-Magazin-Sprengung

1. „Twitter schert das alles einen Dreck“
(faz.net, Florian Kölsch)
Auf Twitter kann man manchmal schlimme Dinge lesen wie “Deutschland braucht für den Islam wieder die Endlösung” oder “Schwule raus nach Auschwitz”. Diese Tweets kann man bei Twitter melden, was jedoch in aller Regel zu keiner Reaktion führt: Der sich selbst abkapselnde Kurznachrichtendienst antwortet schlicht nicht. Nachdem der deutsch-israelische Satiriker Shahak Shapira derartige Hass-Tweets bei Twitter gemeldet hatte und keine Reaktion bekam, sprühte er die Sätze mit Kreide vor die Twitter-Zentrale. Im Gespräch mit der “FAZ” erklärt er den Hintergrund der Aktion und wann der Hass im Netz gefährlich wird.

2. Wie wir die Fakten der britischen Wahlen in Echtzeit überprüften
(de.firstdraftnews.com, Ryan Watts & Alexandra Ma & Nic Dias)
Wie können Journalisten Unterhaltungen auf sozialen Netzwerken beobachten, Informationen online in Echtzeit mitverfolgen und verifizieren? “First Draft” zeigt anhand des Projektbeispiels “Wahlen in Großbritannien” wie Journalisten schnell auf berichtenswerte Online-Unterhaltungen reagieren und den Fluss an Fehlinformationen eindämmen können. Dabei spielen Analysetools eine große Rolle.

3. Tamedia plant ein Massaker
(woz.ch, Andreas Fagetti)
Die Schweiz steht vor dem möglicherweise heftigsten Abbau ihrer Pressevielfalt. “Tamedia”, die größte private Mediengruppe in der Schweiz, bereitet den radikalen Umbau ihrer Tageszeitungen vor. Bestandteil des Umbaus: Der gemeinsame, von sogenannten Kompetenzzentren bestückte Mantel. Bei der “Berner Zeitung” droht ein besonders heftiger Stellenabbau. Ende August, so munkelt man, entscheidet der Verwaltungsrat über ein konkretes Abbauprojekt. Dann stelle sich heraus, ob ein schleichender Abbau eingeleitet oder ein Erdbeben stattfinden wird

4. “Es gibt Handlungsbedarf”
(detektor.fm, Kais Harrabi)
Auch Kinder sind Opfer von Falschmeldungen und Fehlinformationen im Netz. Inwieweit können oder müssen Schulen gegensteuern? “detektor.fm”-Moderator Kais Harrabi hat mit dem Präsidenten des Deutschen Lehrerverbandes Heinz-Peter Meidinger über Fake News und entsprechende Lösungsansätze an Schulen gesprochen.

5. Die Wucht des Schweigens in Zeiten des Dauergeplappers
(sueddeutsche.de, Joseph Hanimann)
Der französische Präsident Macron geht auf Abstand zu den Medien. Immer öfter bleiben Journalisten außen vor. Parallel baut Macron eine PR-Abteilung auf, die künftig die Botschaften des Präsidenten vermitteln soll: “Die Aura des Unnahbaren scheint sich zum Markenkern des Kommunikationsprofis Macron zu entwickeln – während unter ihm eine Menge Profis arbeiten, um seine Inhalte unter die Leute zu bringen.”

6. Leo Fischer wirft Atombombe auf den Twitter-Account des Zeit-Magazins
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Wer es noch nicht mitbekommen hat: Ex-“Titanic”-Chef Leo Fischer wurde vom “Zeit-Magazin” als “Gast-Twitterer” eingeladen. Aus Eifersucht drohte “Bild”-Chef-Julian Reichelt mit der atomaren Zerstörung Pjöngjangs und dem Tod von Mehmet Scholl. Fischer, dem man Ambitionen auf eine Führungsposition bei Springer nachsagt, gab daraufhin seine Gast-Twitterer-Funktion auf und zog sich vorzeitig aufs Altenteil zurück. Weil der Klügere nachgeben müsse und “ohne Anerkennung einer Rechtspflicht”. (Nun, ganz so war es nicht, aber fast…)

Transparente Schleichwerbung, Trump-Versteher, Scholl-Comeback

1. Wenn redaktionelle Transparenz zu Schleichwerbung mutiert
(nice-bastard.blogspot.de, Dorin Popa)
Im Reiseteil der “Welt am Sonntag” schrieb jüngst der Blogger, Journalist und Schriftsteller Airen einen längeren und üppig bebilderten Artikel über das mexikanische Aussteigerparadies Tulum. Herrlich sei es dort, so der Autor, aber erschwingliche Zimmer finde man, nach Auskunft einer Insiderin, eigentlich nur noch über Online-Vermittlungsplattformen. Das ist insofern interessant, dass unterhalb des Artikels erwähnt wird, dass die Reise von “Airbnb”, einer Vermittlungsplattformen für Unterkünfte, “unterstützt” wurde. Und ein Geschmäckle bekommt es, wenn man wie Dorin Popa mit wenigen Klicks ermittelt, dass ein Hotelportal durchaus günstiger als eine Zimmervermittlungsplattform sein kann (wie beispielsweise diejenige, die für den Artikel gezahlt hat).

2. Gesperrte Journalisten weiter ohne Auskunft
(deutschlandfunk.de, Stefan Koldehoff)
Beim G20-Gipfel in Hamburg wurden 32 Journalisten die kurzfristig bereits genehmigten Akkreditierungen entzogen, wegen “ernsthafter Sicherheitsbedenken”. Viel mehr als diese schwammigen Worte haben die Betroffenen bis heute nicht erfahren. Um die Angelegenheit zu klären, haben neun der Journalisten Klage beim Verwaltungsgericht in Berlin eingelegt.

3. Flüchtlinge aus Afrika sind schwarz – und sie machen Kinder!
(tageswoche.ch, Gabriel Brönnimann)
Gabriel Brönnimann ärgert sich über rechtsnationale Schweizer Medien wie “Weltwoche” oder “20 Minuten”, die Angst vor Flüchtlingen aus Afrika verbreiten würden. Brönnimann hat einige Artikel in der kostenlosen Schweizer Pendlerzeitung “20 Minuten” faktengecheckt und befindet: “Was bleibt? Die eine oder andere durchgeröstete Synapse, viel verbrannte Erde, der dunkle Verdacht, dass nicht alles von dem, was da so zum Thema geschrieben wird, mit hohen Temperaturen zu entschuldigen ist. Und nicht zum ersten Mal die Frage, warum ausgerechnet die Gratiszeitung die schwärzesten Zahlen in der Schweizer Medienlandschaft schreibt.”

4. Gelöschte Tweets und alte Websites finden
(faktenfinder.tagesschau.de, Fiete Stegers)
Wenn Internetinhalte oder Tweets gelöscht wurden, können Tricks helfen, sie trotzdem zu finden. Fiete Stegers stellt Anlaufstellen für verschwundene Online-Inhalte vor: Das “Internet Archive” mit seiner “Wayback Machine” und den “Google Cache”, eine Art Kurzzeitspeicher. Für gelöschte Politiker-Tweets bietet sich die Transparenz-Initiative “Politwoops” an. Dort werden ausgewählte Profile aus unterschiedlichen Ländern erfasst.

5. Trump-Chefdeuter und Prügelknabe für Liberale
(sueddeutsche.de, Jürgen Schmieder)
Der Trump-kritische Nachrichtensender “CNN” leistet sich einen schillernden und schrillen Trump-Versteher: Jeffrey Lord zeichnet auf “CNN” regelmäßig das Bild des grandiosen Präsidenten Trump, der alles richtig macht. “Natürlich ist das lächerlich, und es soll auch lächerlich sein. Es geht bei diesen Diskussionen zu wie beim Wrestling, wo die Choreografie auch einen Bösewicht verlangt, der vom Helden in den Ringstaub geworfen wird. Lord stellt sich selbst als tumben Hinterwäldler dar, als Gefolgsmann eines lächerlichen Präsidenten, und die Botschaft ans liberale CNN-Publikum ist allgegenwärtig: Wenn das der klügste Mann ist, den CNN für diese Rolle finden kann, wie müssen dann erst die anderen Trump-Anhänger drauf sein?”

6. Nur Feiglinge schweigen
(taz.de, Andreas Rüttenauer)
Als Mehmet Scholl erfuhr, dass es bei einer von ihm mitmoderierten “Confed-Cup”-Sendung in der “ARD” auch über Doping gehen sollte, verließ er unter Protesten das Studio. Dass er nun zurückkommen darf, sei ein Armutszeugnis für die “ARD” findet Andreas Rüttenauer: “Doping gehört zum Fußball, genauso wie Wettbetrug, Fanrandale und Steuerhinterziehung. Wenn ein Experte dazu nichts sagen will, dann ist er ungeeignet für den Job. Und wenn er das Studio fluchtartig verlässt, dann sollte der Sender tunlichst dafür sorgen, dass er es nie wieder betritt.”

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