Archiv für 6 vor 9

Radio-Lug-und-Trug, Weißraum, Falsche Wortwahl bei Femiziden

1. Dlf-Chefredakteurin: “Wir müssen die Instrumente schärfen”
(deutschlandfunk.de, Mirjam Kid, Audio: 6:04 Minuten)
Mehr als zwanzig Jahre lang hat ein freier Mitarbeiter des Deutschlandradios Radiobeiträge geliefert, die teilweise nicht sauber produziert waren (siehe Beitrag auf “Übermedien”, Abo nötig). So habe er sich an fremdem Audiomaterial bedient und den Eindruck erweckt, er sei vor Ort gewesen. Mirjam Kid hat sich mit Birgit Wentzien, Chefredakteurin des Deutschlandfunk, über den Fall und seine Konsequenzen unterhalten.

2. Editorial: Weißraum statt Höcke-Interview
(thueringer-allgemeine.de, Jan Hollitzer)
Nachdem der AfD-Politiker Björn Höcke ein bereits zugesagtes Interview wieder abgesagt hat, hat sich die “Thüringer Allgemeine” zu einem ungewöhnlichen, aber konsequenten Schritt entschlossen: “Da wir allen Parteien und Spitzenkandidaten der im Landtag vertretenen Parteien plus der FDP den gleichen Platz für Interviews und die gleiche Aufmerksamkeit einräumen, bleibt der für Björn Höcke eingeplante Raum leer.”

3. Verfassungsbeschwerde gegen Adblocker abgelehnt
(golem.de, Friedhelm Greis)
Seit Jahren zofft sich der Axel-Springer-Verlag mit dem Adblock-Plus-Hersteller Eyeo. Nun hat der Medienkonzern eine weitere juristische Niederlage hinnehmen müssen: Seine Beschwerde gegen ein Urteil des Bundesgerichtshofs sei vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen worden. Doch der Kampf gehe weiter: Nachdem Springer mit seiner wettbewerbsrechtlichen Verfassungsbeschwerde nicht durchgedrungen sei, habe das Unternehmen Urheberrechtsklage beim Landgericht Hamburg eingereicht.

4. Die Berichte zum Fünffach-Mord in Kitzbühel zeigen, wie falsch Medien über Femizide schreiben
(vice.com, Alexandra Stanic)
Wenn Medien über Morde an Frauen schreiben, ist oft von einer “Beziehungstat” oder einem “Eifersuchts-” beziehungsweise “Familiendrama” die Rede. Eine aus verschiedenen Gründen unangemessene Wortwahl, wie Alexandra Stanic betont: “Wenn ein Mann seine Partnerin ermordet, ist das niemals ein “Beziehungsdrama” und auch keine “Familien-Tragödie”: Es ist Mord. Gerade Journalisten und Journalistinnen müssen ihre Worte mit großer Vorsicht auswählen. Sprache bildet Alltag.”

5. Eine Wunschliste für von der Leyen
(sueddeutsche.de, Matthias Kolb)
Viele Journalistinnen und Journalisten, die über die Europäische Union berichten, seien unzufrieden mit den werktäglichen Pressekonferenzen der EU-Kommission. Nun haben sie eine “Wunschliste” an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen geschickt. Ein Kernpunkt: “Tatsachenbasierte Information über die Arbeit der Kommission muss wichtiger sein als politischer Spin.” Außerdem beklagen die Journalistinnen und Journalisten, dass relevante Dokumente häufig nur Minuten vor der Pressekonferenz verteilt würden und keine Zeit zur vorbereitenden Lektüre bleibe.

6. Wundersame Welt
(journalist-magazin.de, Thilo Komma-Pöllath)
Thilo Komma-Pöllath wirft einen Blick auf das wirtschaftlich einträgliche Multitasking des beliebten Fußballjournalisten Arnd Zeigler und kommentiert: “Dass man es, wie Zeigler, zum “Sportjournalisten des Jahres” bringen kann, wenn man sich gleichzeitig von einem öffentlichen-rechtlichen Sender, von den Profiklubs (Zeigler ist auch Stadionsprecher beim SV Werder Bremen) und den großen Fußballsponsoren (Audi) bezahlen lässt, macht das ganze Dilemma einer unabhängigen, kritischen Berichterstattung deutlich.”
PS: Dem Beitrag hätte ein Hinweis gut getan, dass Komma-Pöllath laut eigener Homepage bei Eurosport.de als “Der LIGAstheniker” das wöchentliche Fußballgeschehen glossiert und gewissermaßen Kollege und Konkurrent Zeiglers ist.
Nachtrag: Das Magazin “journalist” hat den Autorenkasten um einen entsprechenden Hinweis ergänzt.
Nachtrag, 9. Oktober: Mittlerweile hat sich auch der WDR zu dem Fall geäußert: “Da Arnd Zeigler selbstständiger Autor und Moderator ist, steht es ihm frei, neben seiner Tätigkeit für den WDR auch andere Aufträge anzunehmen. Wichtig ist aber, dass bei den angesprochenen Veranstaltungen kein originäres WDR-Logo zum Einsatz kommt, sondern das Logo von “Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs”. Dieses ist — ebenso wie der Titel der Sendung — die Idee von Arnd Zeigler, mit der er damals auf den WDR zugegangen ist. Somit steht es ihm zu, auch jenseits der Sendung damit zu arbeiten.”

Von der ARD zur AfD, Brennpunkt brennt nicht, Hausbesuch vom Rapper

1. Von der ARD zur AfD: Journalisten, die den rechten Rand bevölkern
(uebermedien.de, René Martens)
“Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik gab es eine Partei, in der Journalisten derart wirkmächtig sind wie derzeit in der AfD.” Und in der Tat: Dafür, dass die AfD die Kommunikation mit der Presse oft verweigert, sie gar als “Lügenpresse” diffamiert, haben erstaunlich viele Journalisten den Weg zu ihr gefunden und bekleiden dort wichtige Funktionen. Wie konnte es dazu kommen? René Martens hat sich in einem längeren Essay auf die Suche nach den Gründen begeben.

2. EuGH-Urteil zu Facebook: Der freien Meinungsäußerung droht Schiffbruch
(netzpolitik.org, Alexander Fanta)
Alexander Fanta kommentiert für netzpolitik.org das Urteil des Europäischen Gerichtshofs, nach dem Facebook nicht nur einen hetzerischen Post, sondern auch “sinngleiche” Äußerungen entfernen müsse. Dies sei äußerst problematisch, so Fanta: “Wer darüber entscheidet, was sinngleich ist und was nicht, der schwingt sich zum Gericht über die Meinungsfreiheit auf.”
Weiterer Lesetipp: Die USA, Großbritannien und Australien fordern Hintertüren für die Facebook-Messenger-Verschlüsselung und begründen dies mit der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger. Eine Argumentation, die Lisa Hegemann in ihrem “Zeit Online”-Kommentar als perfide bezeichnet.

3. Fakten, Fakten, Fakten
(kreuzer-leipzig.de, Aiko Kempen & David Muschenich)
Eine “Focus TV”-Reportage über den angeblichen “Brennpunkt Leipzig” wird von den dort eingebundenen Protagonistinnen und Protagonisten kritisiert. Sie sehen sich vom Filmteam getäuscht. Der Film, so der Vorwurf, habe mit der Realität auf Leipzigs Straßen nicht viel zu tun. Die Filmemacher hätten mit falschen Zahlen operiert, die Situation tendenziös dargestellt und unnötig dramatisiert. Vorwürfe, zu denen sich Filmproduktion und Autoren augenscheinlich nicht äußern möchten: “Eine Anfrage des kreuzer zu den hier geschilderten Punkten ließ Focus TV bisher unbeantwortet. Auch Kontaktversuche mit den Autoren des Films waren erfolglos.”

4. Pressefreiheit für Seehofer kein Thema
(djv.de, Hendrik Zörner)
Bundesinnenminister Horst Seehofer hat sich mit türkischen Regierungsmitgliedern zu Gesprächen getroffen. Es ging vor allem um Sicherheitsfragen und finanzielle Hilfen für die Türkei in der Flüchtlingspolitik. Der Deutsche Journalisten-Verband kritisiert, dass bei den Gesprächen das Thema Presse- und Meinungsfreiheit ausgespart blieb: “Es ist nicht zu verstehen, dass Seehofer gut Wetter macht und seine türkischen Gesprächspartner in höchsten Tönen lobt, ohne auf die Verfolgung und Inhaftierung von Journalisten einzugehen. Das kann er gerade im Unrechtsstaat Türkei nicht ausblenden.”

5. Prinz Harry klagt gegen britische Zeitungen wegen Telefon-Hackings
(sueddeutsche.de)
Prinz Harry hat die Verlagshäuser von “Sun” und “Mirror” wegen illegalen Abhörens von Mailbox-Nachrichten verklagt. Der Vorgang erinnert an einen der größten Medienskandale Großbritanniens, als Murdoch-Journalisten Handygespräche von Verbrechensopfern und Prominenten abgehört hatten.
Weiterer Lesehinweis: Auch Herzogin Meghan wehrt sich und verklagt die britische Boulevardzeitung “Mail on Sunday” wegen der Veröffentlichung eines privaten Briefs (sueddeutsche.de).

6. Rapper Fler droht Journalisten
(tagesspiegel.de, Alexander Fröhlich)
Der Rapper Fler hat den “Tagesspiegel”-Reporter Sebastian Leber bedroht und versucht, ihn zu Hause zu “besuchen”. Leber hatte zuvor in Bushido gegen Fler — ein Streit in 54 Akten die Dauerfehde zwischen den beiden reimenden Straßensängern mit Aggressionsproblem nachgezeichnet.
 Außerdem hatte der “Tagesspiegel” ein von Flers Freundin aufgenommenes Handyvideo veröffentlicht, in dem er bei einer Fahrerlaubniskontrolle Polizeibeamte körperlich anging und bepöbelte.

Ost-Aufwiegler, “Bild Politik” am Ende, Gute Nacht Österreich

1. Vollgas, Schnitzel!
(zeit.de, Christian Bangel)
Laut einer “Zeit”-Umfrage glauben 41 Prozent der Ostdeutschen, dass es um die Meinungsfreiheit heute in der Bundesrepublik nicht besser bestellt sei als zu DDR-Zeiten. Christian Bangel hält für diese Entwicklung auch Leute verantwortlich wie den FDP-Chef Christian Lindner, Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen, “Welt”-Chefredakteur Ulf Poschardt und den Publizisten Roland Tichy. In seinem Kommentar bei “Zeit Online” fragt sich Bangel: “Ahnen sie, dass sie damit den Unterschied zwischen der Bundesrepublik und der DDR verwischen? Ist ihnen klar, dass ihre Worte im Osten viel stärker und ganz anders wirken als im Westen? Finden sie es vielleicht einfach ein bisschen geil? Ist da auch eine narzisstische Lust, mit der Macht der eigenen Erzählung zu spielen, wie Boris Johnson es tut?”
Weiterer Lese- und Gucktipp: Verblühte Presselandschaften in Ostdeutschland (ndr.de, Sebastian Friedrich, Video: 8:00 Minuten).

2. Wegen Restrukturierungsmaßnahmen: Axel Springer mottet das Printprojekt “Bild Politik” endgültig ein
(meedia.de, Gregory Lipinski)
Anfang des Jahres hatte “Bild” einen neuen Ableger an die Kioske gebracht: Die von “Bild”-Vize-Chef Nikolaus Blome und Selma Stern (jetzt: “Business Insider”) geleitete “Bild Politik”. Nach einer längeren Pause stellt der Axel-Springer-Verlag das Printprojekt endgültig ein. Als Grund werden die Restrukturierungsmaßnahmen der “Bild”-Gruppe angegeben. Klingt ja auch besser als Erfolglosigkeit.

3. Gerichte können Facebook zu weltweiten Löschungen zwingen
(golem.de, Friedhelm Greis/dpa)
Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass Facebook Löschanordungen europäischer Gerichte Folge leisten und die monierten Inhalte weltweit aus dem Netz nehmen muss. Die Entscheidung geht auf den Fall der ehemaligen österreichischen Grünen-Politikerin Eva Glawischnig-Piesczek zurück. Facebook ist mit der Entscheidung naturgemäß und wenig überraschend nicht zufrieden: “Dieses Urteil wirft kritische Fragen rund um das Thema Meinungsfreiheit auf”.

4. Die Zeit danach
(sueddutsche.de)
Als Reaktion auf den Fälschungsskandal um Claas Relotius baut der “Spiegel” sein umstrittenes Gesellschaftsressort um und verpasst ihm den neuen Namen “Reporter”. Die Leitung übernimmt Özlem Gezer, die nach vielen Hinweisen durch Juan Moreno das entscheidende Gespräch mit Relotius führte, in dem dieser erstmals einige seiner Fälschungen eingestand.

5. Akut bedrohte Journalisten gerettet
(reporter-ohne-grenzen.de)
Reporter ohne Grenzen (ROG) ist es gelungen, zwölf besonders gefährdete syrische Journalistinnen und Journalisten und deren Familien nach Deutschland zu holen. Sie saßen in einer Region Syriens fest, bei der die Übernahme durch die Assad-Regierungstruppen drohte. Die Folgen wären womöglich Verhaftung, Folter und Tod gewesen. ROG-Leiter Christian Mihr wünscht sich in diesem Zusammenhang eine beschleunigte Bearbeitung durch die deutsche Bürokratie: “Wenn sich Journalistinnen und Journalisten aufgrund ihrer Arbeit in akuter Lebensgefahr befinden, sollten die deutschen Behörden aus humanitären Gründen auf langwierige Einzelfallentscheidungen verzichten. Mit unbürokratischen Nothilfe-Visa könnten Betroffene schnell in Sicherheit gebracht werden.”

6. Gute Nacht Österreich
(tvthek.orf.at, Video: 29:29 Minuten)
Der österreichische Comedy-Autor, Kabarettist, Philosoph und Fernsehmoderator Peter Klien ist seit Kurzem Host der Late-Night-Show “Gute Nacht Österreich”. In der aktuellen Sendung kümmert er sich hingebungsvoll um die österreichische Politik und ihre Verbindungen zu alpenländischen Medienmachern (ab Minute 14:45). Und er klärt auf, wie es seinem Team gelungen ist, eine Falschmeldung “Skorpion-Alarm auf Kinderspielplatz” in die Boulevardmedien “Kronen Zeitung”, “Österreich” und “Heute” zu bekommen.

Nie wieder Faschismus, “Botometer”, Gesprengter Cyberbunker

1. Nie wieder Faschismus
(krautreporter.de, Farhad Dilmaghani & Georg Diez)
“Sie drohen mit der Abschaffung von Menschenrechten und Demokratie, sie drohen Pressevertretern mit faschistischen Fantasien, sie drohen damit, demokratische Parteien verbieten zu wollen. Für solch rechtsradikale Parteivertreter braucht es klare Grenzen.” Farhad Dilmaghani und Georg Diez haben sich Gedanken zum medialen Umgang mit der AfD gemacht und schlagen neue Regeln für den Pressekodex vor. Daran gibt es allerdings auch Kritik, etwa vom Journalisten Armin Wolf, der in einem Twitter-Thread erklärt, warum er die Position “für extrem problematisch” hält.

2. Die Social Bots sitzen schon in den Parlamenten – wenn man Botometer glaubt
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Immer wieder gibt es erschreckende Meldungen über den Einsatz von Social Bots. Dabei soll es sich um als Personen getarnte Computerprogramme handeln, die in Netzwerken Stimmung für oder gegen eine Sache machen. Oftmals gehen die Nachrichten auf Ergebnisse des Analysetools “Botometer” der Indiana University Bloomington zurück. Das liefert jedoch recht zweifelhafte Resultate, wie ein Experiment des Datenforschers Michael Kreil zeigt. Kreil hat dazu den “Botometer” mit echten Daten deutscher Landtagsabgeordneter gefüttert. Das Analysetool habe sofort (falschen) Alarm geschlagen: Über 40 Prozent der saarländischen Abgeordneten wären angeblich Social Bots, in Bremen seien es 37 Prozent und auch in Baden-Württemberg mehr als ein Drittel.

3. Beschäftigung unter Wert in der Filmproduktion? Ein Gespräch mit Oliver Zenglein
(blmplus.de, Lisa Priller Gebhardt)
Der Film- und Fernsehbranche mangelt es in vielen Gewerken an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Kein Wunder, möchte man sagen, denn die Branche zahlt oft notorisch schlecht und bietet wenig sozialverträgliche Arbeitsbedingungen. Oliver Zenglein, einer der beiden Chefs eines Netzwerkes für die Film- und Fernsehbranche, erzählt von zu niedrigen Gagen sowie unterlaufenen Tarifverträgen und sagt, was in der Ausbildung anders laufen muss.

4. Condé Nast will weniger Verlag und mehr Markenagentur sein
(sueddeutsche.de, Elisa Britzelmeier)
Der Verlag Condé Nast ist für seine Hochglanzmagazine im Mode- und Lifestylebereich bekannt (“Glamour”, “GQ”, “Vogue” etc.). Doch der digitale Wandel geht auch an Condé Nast nicht spurlos vorbei: Das Unternehmen macht hohe Verluste. Nun hat die Geschäftsführerin Jessica Peppel-Schulz eine Neustrukturierung und einen Stellenabbau angekündigt. Anscheinend will man weg von einem traditionellen Verlag und hin zu einer Marken- und Kreativagentur für Lifestyle und Luxus.

5. Sieben Plattformen dominieren die digitale Welt
(infosperber.ch, Daniela Gschweng)
Der “Digital Economy Report 2019” (PDF) der Vereinten Nationen liefert interessante Daten und Erkenntnisse zur Digitalwirtschaft. Es herrscht eine erschreckende Marktkonzentration, die sich auf wenige Firmen und Länder beschränkt, dominiert von den USA und US-Unternehmen. Daniela Gschweng hat sich die wichtigsten Zahlen des Reports herausgegriffen und kommentiert die bedenkliche Entwicklung.

6. Dunkle Geschäfte im Cyberbunker
(zeit.de, Kai Biermann & Karsten Polke-Majewski)
Spannender als manche Netflix-Serie oder “Tatort”-Produktion: Die Geschichte vom ehemaligen Bundeswehrbunker an der Mosel, der zum Rechenzentrum für Cyberkriminelle ausgebaut wurde. Im “Cyberbunker” sorgten 290 Server dafür, dass zum Beispiel Darknet-Drogenportale ihre Geschäfte ungestört verrichten konnten. Allein auf der dort gehosteten Seite “Wall Street Market” hätten die Ermittler 250.000 Geschäfte mit Betäubungsmitteln identifizieren können. “Wir haben auf den Servern bisher nichts gefunden, was legal wäre”, so die Koblenzer Generalstaatsanwaltschaft.

7. Steingart-Interview erscheint geschwärzt
(journalist-magazin.de, Matthias Daniel)
Heute ein nachgereichter Zusatzlink, weil der Beitrag gerade erst veröffentlicht wurde, aber sehr lesenswert ist: Die “journalist”-Redaktion wollte in ihrer neuen Ausgabe eigentlich ein Interview mit dem Medienunternehmer Gabor Steingart veröffentlichen. Das tut sie jetzt irgendwie auch, aber in deutlich anderer Form als ursprünglich geplant: “Der journalist veröffentlicht in seiner Oktober-Ausgabe ein Interview mit Ex-Handelsblatt-Chef Gabor Steingart, in dem nur die Fragen lesbar sind. Sämtliche Antworten wurden hingegen geschwärzt. Gabor Steingart hatte seine Aussagen komplett zurückgezogen, nachdem die journalist-Redaktion bei der Autorisierung des Interviews die massiven Eingriffe und Änderungen Steingarts nicht akzeptiert hatte.” Matthias Daniel, Chefredakteur bei “journalist”, sagt zu dem Vorgang: “Dass Steingart dabei sogar versucht hat, in die Fragen der Autorin einzugreifen und diese zum Teil umzudichten, wirft ein düsteres Bild auf das Berufsverständnis eines Medienunternehmers, dessen Werbeslogan ‘100 Prozent Journalismus. Keine Märchen’ lautet”. Zusätzlich kann man sich auch alle Fragen an Steingart durchlesen — jedoch ohne die Antworten.

Fossile Anzeigen, Bilder aus Doha, “Bild”-Glotze

1. Maaßen wechselt zu Anwaltskanzlei
(tagesschau.de, Georg Mascolo & Katja Riedel)
Der ehemalige Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen ist seit heute als sogenannter “Of counsel” bei der Kölner Anwaltskanzlei des Medienrechtlers Ralf Höcker beschäftigt. Darunter versteht man laut Wikipedia “Rechtsanwälte, die außerhalb der Hierarchie von Partnern/Sozien und angestellten Anwälten (“Associates”) bei bestimmten Mandaten herangezogen werden”. Maaßen und Höcker eint die Mitgliedschaft in der sogenannten “Werte-Union”, ein Zusammenschluss von etwa 3.000 besonders konservativen CDU-Anhängern, der von der Partei jedoch nicht als offizielle Parteiorganisation geführt wird.

2. “Sport soll positive Bilder liefern”
(deutschlandfunk.de, Antje Allroggen)
Der Deutschlandfunk hat sich anlässlich der Leichtathletik-WM in Doha mit der Kommunikationswissenschaftlerin Stephanie Heinecke über die Besonderheiten der Berichterstattung unterhalten. Der Veranstalter nehme starken Einfluss auf die visuelle Darstellung des Sportspektakels. Einerseits sorge er für umstrittene, als übergriffig empfundene Bilder, andererseits unterdrücke er Bilder von Athleten, die unter den besonderen klimatischen Bedingungen des Wüstenstaats zusammenbrechen.

3. Deutsche-Presse Agentur kämpft um Auftraggeber
(sueddeutsche.de, Elisa Britzelmeier & Stefan Mayr)
Den Medienwandel bekommen nicht nur Zeitungen zu spüren, sondern auch ihre Zulieferer, die Nachrichtenagenturen. Die Deutsche Presse-Agentur sieht sich nun zu Umstrukturierungen gezwungen, die nicht nur eine stärkere Zentralisierung, sondern auch Stellenabbau vorsehen.

4. “Bild”, “BamS” – jetzt Glotze
(spiegel.de, Isabell Hülsen & Alexander Kühn)
Seit einiger Zeit deutet sich an, dass der Einstieg des Finanzinvestors KKR bei Axel Springer ein Runterfahren des Printsektors bei gleichzeitiger Stärkung des Onlinegeschäfts nach sich zieht. Nun wird bekannt, dass der Verlag “Bild” und “Bild am Sonntag” zusammenlegen und um einen TV-Sender ergänzen will. Geld für das neue “Bild-TV” dürfte vorhanden sein: Springer will bei “Bild”, “BamS” und “B.Z.” insgesamt 20 Millionen Euro einsparen.

5. “Lieber Geschichte schreiben statt Artikel”: Wie Leitmedien von “Zeit” bis “FAS” sich am Phänomen Greta Thunberg abarbeiten
(meedia.de, Franz Sommerfeld)
Greta Thunberg und die von ihr ins Leben gerufene Fridays-For-Future-Bewegung sind ein Thema, das von Medien sehr unterschiedlich wahrgenommen und dargestellt wird. Der Publizist Franz Sommerfeld hat sich angeschaut, durch welche Brillen Leitmedien wie “Zeit”, “Welt” oder “FAZ” das Phänomen betrachten.

6. Flüge fliegen raus
(taz.de, Reinhard Wolff)
Die als grün-rot geltende schwedische Tageszeitung “Dagens ETC” will keine “fossilen Annoncen” mehr annehmen. Damit soll vermieden werden, dass neben Artikeln über die Klimapolitik Anzeigen für klimaschädliche Flugreisen oder Verbrenner-Autos präsentiert werden. Chefredakteur Andreas Gustavsson lobt und kritisiert die Branche: “Viele Medien haben ihren Klimajournalismus in letzter Zeit deutlich ausgebaut, teilweise gibt es jetzt eigene Klimaredaktionen, aber man meint auf der Anzeigenseite nichts opfern zu müssen.” Seine Zeitung wolle sich finanziell unabhängig von den Branchen machen, die man kritisiere: “Alles andere ist Heuchelei.”

Letzte Tage der “Welt”, Leugnen zwecklos, Schein-Transparenz

1. Die letzten Tage der “Welt”
(taz.de, Ilija Trojanow)
Der Schriftsteller Ilija Trojanow beschäftigt sich in seiner “Gegner”-Lektüre mit der Tageszeitung “Die Welt”. Trojanow stört sich vor allem am trotzigen Öko-Bashing des Blatts: “All diese temperamentvollen Blockadehaltungen ergeben nur Sinn, wenn man die ökologischen Bedrohungen nicht ernst nimmt, wenn man nicht wirklich an Klimawandel und die fortschreitende Zerstörung der Natur glaubt. Wenn man davon ausgeht, dass es irgendwie mit Wachstum und Wohlstand, mit Verbrauch und Verschwendung so weitergehen kann, ad infinitum.”
Weiterer Lesetipp: Presserat: Volkswagen-“Welt” gefährdet Ansehen der Presse (uebermedien.de, Stefan Niggemeier).

2. “War bei der Entwicklung dieser Blöcke eine Frau beteiligt?”
(sueddeutsche.de, Saskia Aleythe)
Beim Leichtathletik-Weltverband haben sie sich etwas besonders Innovatives einfallen lassen: Kameras an den Startblöcken filmen die Gesichter der Sportlerinnen und Sportler — und zwar von unten durch die Beine. Abgesehen von der distanzlosen Aufdringlichkeit während der Konzentrationsphase, wird die Vorgehensweise von Sportlerinnen wie Gina Lückenkemper als übergriffig kritisiert: “War bei der Entwicklung dieser Blöcke eine Frau beteiligt? Ich glaube nicht. In den knappen Sachen über die Kamera drüber zu steigen, um in den Block zu gehen, finde ich sehr unangenehm.” Die Kritik zeigt erste Wirkungen.

3. Leugnen ist zwecklos
(spiegel.de, Christian Stöcker)
Christian Stöcker weist in seiner Kolumne auf ein Medienphänomen hin, nach dem viele Kommentatoren in Deutschland anscheinend mehr Probleme mit Greta Thunberg als mit dem menschengemachten Klimawandel hätten. Stöckers traurige Erkenntnis: “Auch das ist eine Folge der Klimakrise: Mit peinlichen Ablenkungsmanövern und Ad-Hominem-Attacken statt Argumenten blamiert man sich heute schneller als erwartet.”
Dazu passend ein Hörtipp: Bei Deutschlandfunk Kultur kritisiert der Wissenschaftsjournalist Axel Bojanowski die Berichterstattung zum Klimawandel und warnt vor Aktivismus: Über die Klimakrise berichten! – Aber nicht so! (deutschlandfunkkultur.de, Katja Bigalke & Marcus Richter, Audio: 15:42 Minuten).

4. AfD lässt Dokus produzieren
(tagesspiegel.de)
Um “eine Gegenöffentlichkeit zur einseitigen Berichterstattung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu schaffen”, lässt die AfD-Bundestagsfraktion längere Youtube-Videos produzieren. Fraktionsvize Peter Felser hat der “Welt am Sonntag” den ersten Titel verraten: “Dieselmord im Ökowahn”. Weitere derartige “Dokumentationen” sollen folgen.

5. Die Schein-Transparenz öffentlich-rechtlicher Gremien
(dwdl.de, Hans Hoff)
Der öffentlich tagende MDR-Rundfunkrat hat ein seltsames Verständnis von Transparenz. Die eingeladenen Gäste werden mit der schweren Materie alleingelassen. Ihnen wird sogar der Einblick in die dort verhandelten Dokumente und Beschlussvorlagen verweigert. Hans Hoff fragt in seiner Medienkolumne folgerichtig: “Wie aber soll Transparenz funktionieren, wenn man die Scheibe, durch die zu blicken ist, milchig macht? Was ist da so wichtig, dass man es den Gästen nicht komplett zugänglich machen kann?”

6. Götterdämmerung – Warum Influencer ihre beste Zeit gehabt haben könnten
(haz.de, Imre Grimm)
Imre Grimm ist genervt von Influencer-Marketing und hat all seine Genervtheit in einen Influencer-Rant gepackt: “Das System des Mietglamours ist in eine Sackgasse geraten, seit praktisch jeder als prominent gefeiert wird, der bei Instagram mehr als sieben Follower hat. Es gibt ein Überangebot an Prominenz. Laut einer Studie galt schon vor einigen Jahren jeder elfte erwachsene Deutsche als Influencer. Jeder! Elfte! Inzwischen dürfte es kaum jemanden geben, der nicht irgendwo heruminfluenzt.”

Felix Austria?, “Pinkstinks” zieht Bilanz, Scheiterndes EU-Gesetz

1. Medien im Blickpunkt
(deutschlandfunk.de, Sören Brinkmann)
Am Wochenende finden in Österreich die Nationalratswahlen statt. Welche Rolle spielen die Medien im Wahlkampf und welchen Einflüssen sind sie ausgesetzt? Darauf versucht der Deutschlandfunk in einer kleinen Beitragsserie zu antworten. Der Österreichische Rundfunk (ORF) sieht sich beispielsweise stetigen Angriffen der FPÖ ausgesetzt. Reformpläne der Partei sähen drastische Eingriffe bei Finanzierung und Führungsstruktur vor. Die ÖVP wiederum geht gegen die Wochenzeitung “Falter” vor, die Seltsamkeiten bei den Parteifinanzen enthüllt hatte. Ein Skandal, der von den österreichischen Boulevardmedien weitgehend ignoriert und ausgeblendet wurde. Die Chefin von Reporter ohne Grenzen habe in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die österreichischen Medienunternehmen eher konservativ eingestellt sind. Und der Wien-Korrespondent des Deutschlandfunks macht auf eine Besonderheit aufmerksam, die Medien anfällig für politische Einflussnahme mache: In Österreich hätten Ministerien und Behörden viel Geld für Anzeigenkampagnen zur Verfügung, das sie gezielt einsetzen können.

2. Berliner Verwaltungsgericht stuft “Bild”-Livestreams als Rundfunk ein
(sueddeutsche.de)
Sind Livestream-Angebote als zulassungspflichtiger Rundfunk einzustufen? Im Fall von “Bild” und den bei Bild.de erscheinenden Videoformaten “Die richtigen Fragen”, “Bild-Sport-Talk” und “Bild-Live” hat das Berliner Verwaltungsgericht dies bejaht. Noch ist nicht bekannt, ob der Axel-Springer-Verlag gegen das Urteil in Berufung geht.

3. Warum Fake News sich so gut in deinem Gedächtnis festsetzen
(fachjournalist.de, Maren Urner)
Die Kognitions- und Neurowissenschaftlerin Maren Urner beschäftigt sich in ihrem Buch “Schluss mit dem täglichen Weltuntergang” mit den Fragen, inwieweit die tägliche Informationsflut unserem Gehirn schadet und warum es “Fake News” so leicht bei uns haben. Der “Fachjournalist” veröffentlicht einen Auszug aus dem Buch, in dem Urner auch erklärt, wie wir unser Gehirn vor Falschinformationen schützen können.

4. “Le Monde” bleibt unabhängig
(faz.net, Jürg Altwegg)
Lange Zeit wurde erbittert um die Vorherrschaft bei der französischen Tageszeitung “Le Monde” gekämpft — siehe dazu auch den “FAZ”-Text Die Schlacht um “Le Monde” wird immer heißer. Nun hat der Kampf ein für die Redaktion gutes Ende genommen: Die Haupteigentümer haben ein Abkommen getroffen, das der Redaktion Unabhängigkeit garantiert.

5. EU-Leistungsschutzrecht droht schon vor dem Start zu scheitern
(netzpolitik.org, Alexander Fanta)
Viele haben es prophezeit, jetzt scheint es einzutreten: Das EU-weite Leistungsschutzrecht ist weitgehend wirkungslos. Google schränkt die Darstellung von Links auf Medienseiten ein und entgeht somit der von Verlagen erhofften Pflicht zu Lizenzzahlungen. Alexander Fanta erklärt die verschiedenen Positionen sowie die Argumente der Kritikerinnen und Kritiker.

6. Pinkstinks zieht Bilanz aus zwei Jahren Sexismus-Monitoring
(horizont.net, Ingo Rentz)
Die Anti-Diskriminierungs-Plattform “Pinkstinks” bietet seit zwei Jahren eine Seite zum Melden von sexistischer Werbung an. Und das durchaus erfolgreich: Man habe fast zehnmal so viele Einreichungen erhalten wie der Deutsche Werberat. Bei “Horizont” werden die eingereichten Meldungen aufgeschlüsselt und analysiert.

“Spiegel” ohne Beweise, Tabuthema Politikerposts, Zivilisationsbruch

1. Nach 5 Jahren Mauern: “Spiegel” räumt ein, keinen Beweis für Enthüllung zu haben
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Es ist ein deprimierendes und unwürdiges Trauerspiel. Und es ist Wasser auf die Mühlen all der “Lügenpresse”-Rufer: Nach fünf Jahren des Mauerns und Herumlavierens hat der “Spiegel” eine unhaltbare Geschichte aus dem Netz genommen. Der Autor, den der “Spiegel” sogar zum Chef des Investigativressorts machen wollte, führte einen Facebook-Chat als Beweis an. Einen Beweis, den er jedoch nicht vorzeigen konnte, was er laut “Süddeutscher Zeitung” so begründet: “Der Chat mit dem Wettbetrüger habe sich vor seinen Augen aufgelöst. Dass er gehackt worden oder in eine Interpol-Operation gegen die Wettmafia geraten sei oder dass das Chatprogramm einen Bug gehabt habe? Alles sei möglich. Screenshots, die er in den sich selbst löschenden Chat hinein noch gemacht habe, seien verloren gegangen, als sein Handy in eine Pfütze gefallen sei.” Stefan Niggemeier kommentiert: “Der Fall wirft natürlich Fragen danach auf wie sehr dem “Spiegel”-Star-Investigativjournalisten Rafael Buschmann zu trauen ist. Er wirft aber auch Fragen auf nach der Arbeitsweise des “Spiegel” quer durch die Hierarchie. Wenn zwei Ressortleiter, das Justiziariat und die (damalige) Chefredaktion ausdrücklich der Veröffentlichung eines solchen Artikels zugestimmt haben — welchen ähnlich zweifelhaften Veröffentlichungen haben sie noch zugestimmt? Inwiefern war es allgemein akzeptabel beim “Spiegel”, heikle Behauptungen zu veröffentlichen, von denen man weiß, dass man sie nicht belegen kann?”

2. Facebook will Politikerposts nicht auf Fakten checken und auch nicht löschen
(heise.de, Eva-Maria Weiß)
Facebook müsste laut eigenem Anspruch eigentlich alle Posts entfernen, die gegen die Regeln verstoßen oder “Fake News” sind. Doch bei Aussagen von Politikerinnen und Politikern macht das Netzwerk eine Ausnahme, es wolle kein “Schiedsrichter” sein. Man ziehe jedoch die Grenze “bei Reden, die zu Gewalt und Schaden führen können.”

3. Google zeigt nur noch Überschriften von Medien an
(golem.de, Friedhelm Greis)
Durch die neue Gesetzgebung von Googles Erlösen profitieren — die Verlegerallianz hatte es sich so schön erträumt … Doch daraus wird nichts, denn Google passt einfach die Suchergebnisse an und kürzt bei Pressepublikationen die Snippets durch eine Reduktion auf die Überschrift ein. Ab dem 1. Oktober in Frankreich und bald danach wahrscheinlich in den anderen EU-Staaten.

4. Gleich an zweiter Stelle
(taz.de, Alexander Graf)
Regisseure und Schauspieler genießen im deutschen Filmbusiness Respekt, Ruhm und Anerkennung, doch Drehbuchautorinnen und -autoren stehen eher im Schatten der öffentlichen Wahrnehmung. Dieser Basiskonflikt zeigt gerade konkrete Auswirkungen: Der Verband Deutscher Drehbuchautoren und das Filmfest Hamburg zoffen sich. Vordergründig geht es um einzelne Formulierungen, doch dahinter steckt ein systemisches Problem.

5. Radiomachen 1200 Meter unter Tage
(faz.net)
Gestern wurden in der Hamburger Elbphilharmonie die Gewinner des Deutschen Radiopreises 2019 bekanntgegeben. Ein groß aufgezogenes Event mit rund 1400 geladenen Gästen und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier als Ehrengast. Der (undotierte) Radiopreis wurde in zwölf Kategorien vergeben. Die Auswahl aus den mehr als 400 Einreichungen besorgte eine unabhängige Jury des Grimme-Instituts. Beim Lesen der Gewinnerproduktionen bekommt man augenblicklich Lust, den Sendungen hinterher zu googeln und den Audioplayer anzuwerfen.

6. Wie der vom Verfassungsschutz beobachtete Rapper Chris Ares die Charts erobert – und was AfD-Funktionäre damit zu tun haben
(br.de, Stefan Sommer)
Stefan Sommer nennt es einen “popkulturellen Zivilisationsbruch”: Der deutsche Rechts-Rapper Chris Ares hat es in die Amazon-Charts geschafft. Wie konnte das passieren? Das BR-Jugendradio “Puls” ist der Sache in einer Recherche nachgegangen.

Wachhund “taz”, Shopping mit Silke und Holger, Philosophia Nonsensis

1. taz ist “Wachhund der Öffentlichkeit”
(blogs.taz.de, Jony Eisenberg)
Die “taz” hatte nach dem Einzug der AfD in den Bundestag zu den Hintergründen der AfD-Abgeordneten und ihren Mitarbeitern recherchiert. Dagegen war ein mittlerweile ehemaliger Bundestagsmitarbeiter juristisch vorgegangen, dessen rechtsradikale Vergangenheit von der “taz” aufgedeckt worden war. Nachdem die “taz” in erster Instanz unterlag, kündigte das Oberlandesgericht nun an, ihr recht zu geben. Eine Entscheidung von herausragender Bedeutung für die Berichterstattung über die AfD und deren Bundestagesmitarbeiter, wie “taz”-Jurist Jony Eisenberg anmerkt.

2. Newsrooms: Notwendig oder nicht?
(politik-kommunikation.de, Kathi Preppner)
Parteien wollen gerne die Kontrolle über ihre öffentliche Wahrnehmung haben. Im Social-Media-Zeitalter liegt es nahe, eigene Medienkanäle zu schaffen und diese direkt zu bespielen. Manche Parteien haben dazu sogenannte “Newsrooms” eingerichtet, in denen sie an der journalistischen Aufarbeitung ihrer Botschaften basteln. “politik & kommunikation” hat sich bei den großen Parteien umgehört, wie sie in Sachen Kommunikation und Medienarbeit verfahren.

3. Provokant gefragt
(deutschlandfunk.de, Susanne Lettenbauer, Audio: 5:56 Minuten)
Der österreichische Milliardär und Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz ist auch Medienunternehmer und steckt direkt beziehungsweise indirekt hinter dem österreichischer Privatfernsehsender ServusTV und der Rechercheplattform “Addendum”. Mateschitz fiel in der Vergangenheit durch rechtspopulistische Äußerungen auf. Ist “Addendum” deshalb eine Art “Breitbart der Alpen”? Eher nicht, findet Susanne Lettenbauer im Deutschlandfunk.

4. “Philosphia Perennis” veröffentlicht irreführende Liste von Fällen, bei denen angeblich Ausländer Personen vor Züge stießen
(correctiv.org, Philip Steeg)
“Correctiv” hat einen Artikel des rechten Blogs “Philosophia Perennis” mit einer Liste “ausländischer Gleisschubser” auf seine Wahrhaftigkeit untersucht. Das Ergebnis: “Bei etwa der Hälfte waren die Täter entweder unbekannt oder deutsche Staatsbürger. Die Behauptung, dass ausschließlich Ausländer an den Delikten beteiligt seien, stimmt nicht.”

5. Rezo-Style als neues YouTube-Genre: Zerstörungsversuche vor den Wahlen in Österreich
(netzpolitik.org, Leonhard Dobusch)
Das Video “Die Zerstörung der CDU” des Youtubers Rezo war ein sensationeller Erfolg (16 Millionen Aufrufe), den nun auch andere wiederholen wollen: Anlässlich der bevorstehenden Parlamentswahlen in Österreich gehen gleich mehrere Youtuber mit ähnlichen Videos an den Start. Die Abrufzahlen sind derzeit eher bescheiden und ein Einfluss auf das Wahlergebnis erscheint unwahrscheinlich. Laut Leonhard Dobusch können diese und ähnliche Videos im Rezo-Style dennoch als “Indiz für eine breitere Politisierung von YouTube” gelten.

6. Silke und Holger kaufen sich eine Zeitung
(neues-deutschland.de, Tim Wolff)
Die DuMont-Mediengruppe hat ihren Berliner Verlag mitsamt Druckerei und “Berliner Zeitung” verkauft. Neue Eigentümer sind Silke und Holger Friedrich, ein in der Medienbranche bislang weitgehend unbekanntes Unternehmerpaar. Ex-“Titanic”-Chef Tim Wolff hat sich einige Äußerungen des medienunerfahrenen Pärchens angeschaut. Sein Befund: “Nein, hysterisch wird im Angesicht von Silke und Holger niemand, denn sie sind ein hervorragendes Beispiel dafür, was die beiden Deutschlands und die Weltläufte hervorgebracht haben: Menschen, die pathologisch beliebig Wörter von schwammiger Bedeutung aneinanderreihen und das Ergebnis mit so etwas wie »Haltung« verwechseln.”
Zusätzlicher Hörtipp: Silke und Holger Friedrich im ausführlichen Interview bei radioeins (radioeins.de, Jörg Wagner & Daniel Bouhs, Audio: 1:10:09 Stunden).

Gabalier-Fangespräch, “NZZ”-Drift, Denunzierportal der AfD offline

1. Mehr Fan als Journalist
(taz.de, Volkan Agar)
Volkan Agar hat sich die NDR-Radiosendung “Stars am Sonntag” mit Talk-Gast Andreas Gabalier angehört und ist verwundert, dass bestimmte Aspekte nahezu komplett ausgeklammert blieben: “Ein Interview mit einem Künstler zu führen bedeutet nicht unbedingt, dass man sich mit ihm und seinen Ansichten gemein macht. Wenn von einer halbstündigen Redezeit aber nur knapp zwei Minuten kritischen Fragen gewidmet sind, dann wirkt das bei einem Gaba­lier aber schon etwas komisch.”
Weiterer Lesehinweis: Gabalier-Interview für ORF abgebrochen – und nicht gesendet (derstandard.at).

2. Political Clickbait – Der Rechtsruck der NZZ
(kotzendes-einhorn.de, Daniel Decker)
Die “NZZ” setzt unter Chefredakteur Eric Gujer immer wieder auf rechtspopulistische Inhalte und erntet für ihre Provokationen online viele Klicks. Der Rechtsdrift habe Folgen, wie Daniel Decker kommentiert: “Der NZZ hilft dabei, dass in der Schweiz mit der SVP eine nationalistische rechtspopulistische Partei seit 1999 die grösste Fraktion in der Bundesversammlung bildet. Ton und Vokabular, das die AfD hier versucht zu normalisieren, ist in der Schweiz bereits Normalität.”

3. Lehrer-Mel­de­portal “Neu­trale Schule” off­line
(lto.de)
Die AfD in Mecklenburg-Vorpommern hat Schülerinnen und Schüler dazu aufgerufen, Lehrerinnen und Lehrer wegen angeblicher Verstöße gegen das Neutralitätsgebot anzuschwärzen. Um möglichst viele der Polit-Petzereien zu erhalten, hatte die Partei im Netz ein “Meldeportal” eingerichtet. Dagegen hat nun der Landesdatenschutzbeauftragte eine Verbotsverfügung erlassen. Die AfD hat zwar das Online-Formular aus dem Netz genommen, will aber juristisch gegen die Verfügung angehen.

4. Zeitungen, die nie ankommen
(reporter-ohne-grenzen.de)
Reporter ohne Grenzen hat den Themenbericht “Newspapers that never arrive” (PDF) veröffentlicht. Dort zeigt die Organisation, auf welch unterschiedliche Weise Regierungen, staatliche Institutionen, mächtige Oligarchen und Unternehmen den Vertrieb von Zeitungen behindern. Das reicht von der Drangsalierung und Behinderung von Druckereien und Zulieferern, der Beschlagnahme ganzer Ausgaben und dem Angriff auf Transportfahrer bis zur Ermordung von Zeitungsverkäuferinnen und -verkäufern. Bereits die deutsche Zusammenfassung des Berichts liest sich mehr als erschütternd.

5. “Wer kritische Fragen stellt, ist ein Feind”
(spiegel.de, Elisa von Hof)
Der “Spiegel” hat sich mit der Geschlechterforscherin und Soziologin Franziska Schutzbach über den Umgang mit rechter Rhetorik unterhalten. Schutzbach hat gerade ein Buch über “rechtspopulistische Diskursstrategien” veröffentlicht und kennt sich daher gut mit den Tricks und Strategien der Rechtsideologen sowie dem Vokabular der Szene aus.

6. Augen zu und feiern
(sueddeutsche.de, Jürgen Schmieder)
Jürgen Schmieder hat sich am vergangenen Wochenende die Emmy-Verleihung angeschaut und ist von der “unfassbar öden, verkrampft um gesellschaftliche Relevanz buhlenden, bisweilen peinlich um Lockerheit bemühten Veranstaltung” wenig begeistert: “Die Branche feiert ihr eigenes goldenes Zeitalter, doch es gelingt ihr nicht, diese Fete so interessant zu gestalten, dass die Leute zuschauen wollen.”

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