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3sat, ZDF  

Nazi-Lüge überlebt in Doku über Juden

Am 8. Mai, zum 70. Jahrestag des Aufstands im Warschauer Ghetto, zeigte 3sat eine Dokumentation des Warschauer ZDF-Korrespondenten Armin Coerper über das jüdische Leben in der Stadt: die Kultur vor dem Zweiten Weltkrieg, die Vernichtung durch die Nazis und die wenigen Spuren, die heute geblieben sind. Der Film war offenbar drei Wochen zuvor auch schon im ZDF gelaufen.

“Vor dem Krieg gab es viele jüdische Theater”, heißt es darin. “In Warschau pulsierte das jüdische Leben. Hier lebte die jüdische Kultur wie nirgends sonst in Europa. Es wurde getanzt, gespielt, gesungen — bis die Deutschen diese Welt brutal zerstörten.”

Die Bilder aus dem Theater, die zu diesen Worten gezeigt wurden, waren am selben Abend schon einmal auf 3sat zu sehen gewesen: rund eineinhalb Stunden früher in der Dokumentation “Geheimsache Ghettofilm” aus dem Jahr 2009. Die erzählt die erstaunliche und erschütternde Geschichte eines Propagandafilms, den die Nazis im Warschauer Ghetto drehten. Sie inszenierten das vermeintliche “jüdische Leben” für die Kameras, zwangen die Menschen, nach ihren Regieanweisungen zu agieren.

Unter diesen Bedingungen entstanden auch die Aufnahmen im Theater, mit übertrieben auftretenden Schauspielern und Tänzern und verzweifelt auf Kommando lachenden Zuschauern. Detailliert entlarvt der Film um 20:15 Uhr auf 3sat diese Bilder als Lüge — und die direkt im Anschluss laufende Dokumentation um 21:40 Uhr gibt sie wieder als Wahrheit aus.

Es ist kaum zu glauben:

Entdeckt von Nathan Gelbart / “Die Achse des Guten”.

(Der Film “Geheimsache Ghetto” ist, ergänzt um ein umfangreiches Dossier, auf den Seiten der Bundeszentrale für politische Bildung zu sehen.)

 
Nachtrag, 21. Mai. Das ZDF teilt zu dem Vorgang mit:

Die kritisierte Szene aus dem jüdischen Theater hat das ZDF aus dem Archiv des Jüdischen Historischen Instituts in Warschau erhalten. Dort wird eine Kauf-DVD angeboten, die sich der Autor inklusive Kommentar angesehen hat. Danach wurden gezielt einzelne Szenen für den Film bestellt, die aus anderen Quellen nicht vorlagen. In dem Kommentar zu den besagten Sequenzen der DVD des Instituts befindet sich keinerlei Hinweis, dass diese Aufnahmen unter Zwang entstanden sind. Es heißt dort, dass die Bewohner dem Hunger und der Not zum Trotz versuchten, ihr kulturelles Leben weiterzuführen. Es wird auch aus den Erinnerungen einer Zeitzeugin an diesen Theaterbesuch zitiert, ohne Hinweis auf Zwang. An anderer Stelle wird tatsächlich auf den Propagandafilm der Nazis hingewiesen, der das luxuriöse Leben der Juden im Ghetto auf zynische Weise proklamieren sollte. Die Theaterszene ist aber deutlich davon getrennt. Aufgrund der Seriosität des Jüdischen Historischen Instituts hat der Autor keinen Anlass gesehen, die genaue Herkunft der Bilder noch einmal zu ermitteln.

Selbstverständlich wird der Autor die Bilder noch einmal überprüfen und die Dokumentation für eventuelle weitere Ausstrahlungen und für das Online-Angebot korrigieren, falls sich die verwendeten Bilder als nicht authentisch erweisen sollten.

3sat  

Colin Powell und die Atombombe

Vorab: Natürlich weiß die Menschheit inzwischen, dass der Irak-Krieg 2003 auch deswegen zustande kam, weil die USA mit (formulieren wir es mal vorsichtig) nicht ganz richtigen Tatsachenbehauptungen der Welt glauben machen wollten, der Irak sei im Besitz ganz fürchterlicher Dinge (oder aber zumindest ganz kurz davor, sie zu besitzen).

3sat geht da allerdings noch ein Stück weiter: In einem Beitrag der Sendung “Kulturzeit”, der die These aufstellt, eine Weltregierung könne womöglich die Probleme des Planeten lösen, heißt es über den Auftritt des damaligen US-Außenministers Colin Powell vor der UNO:

Schamlos behauptete er, der Irak besitze abschussbereite Atomwaffen.

Damit soll die These des Beitrags untermauert werden, dass Organisationen wie die UNO “hemmungslos hinters Licht geführt” werden, um Kriege anzetteln zu können (nachzulesen u.a. auch bei 3sat.de).

Was 3sat ihm da unterstellt, hat Powell bei seiner Rede vor der UNO am 5. Februar 2003 aber dann doch nicht getan. Powell sprach lediglich davon, dass der damalige Diktator entschlossen sei, sich Atomwaffen zu besorgen und dass er bei der Entwicklung solcher Waffen anscheinend verhältnismäßig weit fortgeschritten sei. Vom Besitz “abschussbereiter Atomwaffen” war in Powells ganzer Rede vor der UNO nicht die Rede.

Mit Dank an Henryk G.