Überhaupt wären wir gerne einmal dabei, wenn bei der “Bild am Sonntag” die allwöchentlichen “Umfrage-Sensationen” interpretiert oder visualisiert werden — schon um herauszufinden, welche Drogen dabei gereicht werden.
20 Prozent für Beck sind mehr als 20 Prozent für Steinmeier.
20 Prozent für Steinmeier sind weniger als 18 Prozent für Schröder.
7 Prozent sind höchstens ein Drittel von 15 Prozent.
9 Prozent sind nicht mal die Hälfte von 15 Prozent.
Nicht auszuschließen ist natürlich die Möglichkeit, dass es sich bei der Darstellung um ein ausgeklügeltes, aber versehentlich falsch gefaltetes 3D-Modell handelt, auf das wir aus einer ganz ungünstigen Perspektive blicken.
Unbekannte Täter haben am frühen Morgen in Hmb.-Harvestehude einen Pkw Daimler Benz in Brand gesetzt und sind anschließend geflüchtet. Da ein politischer Hintergrund nicht ausgeschlossen werden kann, hat die Staatsschutzabteilung (LKA 7) die Ermittlungen übernommen. (…)
Soweit eine Pressemitteilung der Hamburger Polizei. Bei dem in Brand gesetzten Pkw Daimler Benz handelt es sich um das Auto des “Bild”-Chefredakteurs Kai Diekmann, einen R-Klasse-Mercedes. Der Nachrichtenagentur dpa sagte Diekmann zu dem Vorfall:
Zum Anschlag und den möglichen Motiven der Täter wollte sich der “Bild”-Chef nicht äußern.
Nachtrag, 27.5.2007: Am vergangenen Mittwoch ist bei der Nachrichtenagentur dpa ein Bekennerschreiben einer linksextremen Gruppierung namens “Militante Kampagne” eingegangen, das von der Hamburger Polizei für authentisch gehalten wird. Wie dpa und andere melden, begründeten die anonymen Absender ihre Tat mit den bundesweit durchgeführten Polizeirazzien, aber auch mit ihrer ablehnenden Haltung gegenüber “Bild”, die mit ihrer “Meinungsmacht” eine “bedeutende Säule für den Erhalt des kapitalistischen Systems in der BRD” spiele. Weiter heißt es in dem Schreiben: “‘Bild’ lügt, hetzt, erniedrigt, mordet, vergewaltigt jeden Tag.” “Nach MOPO-Informationen” lässt Diekmann sein Haus rund um die Uhr von Objektschützern bewachen.
Tim und Struppi im Land der Deutschen (+) (taz.de, Gabriel Montua)
Heute vor 100 Jahren wurde der belgische Zeichner Georges Remi geboren. Unter dem Künstlernamen Hergé sollte er zum Vater von Tintin alias “Tim und Struppi” werden – und in diesen Comics immer wieder sein ambivalentes Verhältnis zu einem bedrohlichen Nachbarn reflektieren: Deutschland.
Warum fürchteten Tim und Struppi Asterix, Mr. Farr? (faz.net, Andreas Platthaus)
Am 22. Mai wäre Hergé, der Zeichner von “Tim und Struppi”, hundert Jahre alt geworden. Der englische Journalist Michael Farr ist einer der besten Kenner seines Werks und besuchte den scheuen Zeichner mehrfach.
Hergé und die Klarheit der Linie (welt.de, Holger Kreitling)
Der Reporter Tim reist mit seinem Hund Struppi um die ganze Welt. Immer in Knickerbockerhosen. Überall warten Abenteuer. Der Belgier Hergé erfand mit seinen Figuren den europäischen Comic neu. Vor 100 Jahren wurde der Künstler geboren. Eine Huldigung.
Der rasende Reporter (sueddeutsche.de, Alex Rühle)
Einfach Kult: die Abenteuer von Tim und Struppi. Im Zeichenstil sparsam, in der Geschichte detailgetreu. Ihr geistiger Vater Georges Remi alias Hergé wäre heute 100 Jahre alt geworden.
Zwei Belgier in Berlin (tagesspiegel.de, Andreas Conrad)
Heute wäre Zeichner Hergé 100 geworden. Seine Helden Tim und Struppi ließ er oft an die Spree reisen.
Ein Klassiker, von jeder Generation neu entdeckt (abendblatt.de, Lutz Wendler) Georges Remi wollte eigentlich Reporter werden. Doch zum Glück entschied er sich, für Zeitungsleser spannende Bildergeschichten zu erfinden. Heute hängen seine Werke sogar im Museum – neben Picasso.
Vorsicht bei der Internetrecherche? (telepolis.de, Bettina Winsemann) Die Hausdurchsuchungen bei Kritikern des G8-Gipfels wurden unter anderem mit Suchbegriffen bei der Internetrecherche begründet.
Die Bewertungssöldner kommen (spiegel.de, Konrad Lischka) Betrüger tricksen immer häufiger die Bewertungssysteme von YouTube und Co. aus. Jetzt bietet ein Unternehmen sogar eine Software zur gezielten Manipulation an. Die wichtigste Währung im Mitmach-Netz – das Wohlwollen der User – ist in Gefahr.
Die Blogosphäre hat ihren Zenit überschritten (faz.net, Roland Lindner)
Die Zahl der Blogs wächst langsamer. Mittlerweile wird nur noch jedes fünfte Tagebuch aktualisiert. Viele Blogger schreiben inzwischen lieber in Online-Gemeinschaften wie Myspace. Ist Bloggen bald wieder aus der Mode?
Die Schnorrer (weltreporter.net, Britta Petersen)
Seit ich in Afghanistan arbeite, bin ich Zeugin eines merkwürdigen Phänomens: Ich habe offenbar jede Menge Freunde, von denen ich noch nie zuvor gehört habe. Die melden sich zumeist, dann, wenn es mal wieder kracht, so wie am Wochenende in Kundus.
Signifikanter Nonsens (nzz.ch, Andreas Hirstein)
Die meisten Studien seien falsch, sagt der Epidemiologe John Ioannidis. Denn trotz korrekter Statistik schummeln Forscher an anderer Stelle. Untersuchungen über Nutzen und Risiken von Lebensmitteln stimmen fast nie.
Die “Bild am Sonntag” war ganz außer sich vor Aufregung:
Das (aus Sicht der Zeitung) alarmierende Ergebnis einer von ihr in Auftrag gegebenen Emnid-Umfrage:
Deutschland färbt sich rot!
Die “BamS” macht das an Meinungsumfragen für drei Landtage und den Bundestag fest, und sie übertreibt maßlos. Die CDU würde zwar im Saarland, in Hessen und in Thüringen heftig verlieren. Die “BamS” verschweigt aber, dass es sowohl im Saarland als auch in Hessen weiterhin eine bürgerliche Mehrheit aus CDU und FDP geben würde.
Und im Bundestag? Würden die Regierungsparteien an die Oppositionsparteien verlieren, ohne dass sich an den Mehrheiten etwas änderte.
Bedeutungsschwanger schreibt die “BamS” dennoch:
Die Emnid-Zahlen belegen: Einen Linkstrend gibt es bundesweit! Eine rot-rot-grüne Regierungskoalition aus SPD (30%), Linkspartei (11%) und Grünen (11%) hätte gegenwärtig eine rechnerische Mehrheit von 52 Prozent — ein Punkt mehr als bei der vergangenen Bundestagswahl. Die Union liegt bei 34, die FDP bei elf Prozent (2005: 35,2% beziehungsweise 9,8%). Von einer schwarz-gelben Mehrheit keine Spur!
Da kann man ja fast von einem Erdrutsch sprechen: Rot-rot-grün liegt in der sensationellen Umfrage um genau einen Prozentpunkt über dem Wahlergebnis vor eineinhalb Jahren!
Oder um die “BamS”-Aussage “Deutschland färbt sich rot” mal anhand der Umfrageergebnisse anschaulich zu machen:
Ja. Und die “rechnerische Mehrheit” für rot-rot-grün, die die “BamS” so elektrisiert, gibt es im Bundestag nun schon seit neun Jahren: seit der Wahl 1998.
Die “Bild am Sonntag” hat also den Lautstärkeregler ein bisschen überdreht — aus politischem Kalkül, um sich wichtig zu tun oder einfach: weil es die “BamS” ist. Erstaunlicherweise aber scheinen andere Medien sich nicht daran gestört zu haben, wie verzerrt die Interpretation der “BamS” ist.
“Spiegel Online” berichtet über die Emnid-“BamS”-Umfrage unter der Überschrift:
Die Republik rückt nach links
Und staunt ebenfalls über die Prognose längst schon bestehender Realitäten:
Bundesweit ermittelte Emnid eine rechnerische Mehrheit für ein rot-rot-grünes Regierungsbündnis.
Genau wie der Chefredakteur der “Rheinischen Post”, Sven Gösmann (ein ehemaliger “Bild”-Mann), der zudem ein ganzes Essay verfasste. Titel:
Der Links-Ruck
Keine Frage, es gibt ihn, den “Links-Ruck”. Maßstabsgetreu sieht er ungefähr so aus:
Laut der heutigen “Bild”-Zeitung haben “TV-Reporter” des afghanischen Senders Ariana Television vor dem Bomben-Anschlag in Kundus vom Samstag vorab einen Tipp bekommen. Bei dem Anschlag wurden drei Bundeswehrsoldaten getötet. “Bild” schreibt: “Terroristen bestellten Kameras zum Attentats-Ort” und zitiert den Nachrichtenchef von Ariana Television, Abdul Qadeer Merzai:
“Unser Korrespondent hat vorab einen anonymen Tipp bekommen, dass dort auf dem Basar etwas passiert.”
“Spiegel Online” ist der “Bild”-Geschichte nachgegangen und berichtet unter der Überschrift “TV-Sender dementiert Terror-Tipp der Taliban”:
Nachrichtenchef Merzai kann sich überhaupt nicht erklären, wie dieses Zitat von ihm in die Zeitung gelangte: “Das ist alles nicht richtig”, sagte er heute SPIEGEL ONLINE. Es habe keinen Tipp gegeben. (…) Er habe zwar am Sonntag mit einem deutschen Medium gesprochen, das um Informationen über den Anschlag gebeten habe, aber mit Sicherheit habe er dabei nichts von einem Tipp gesagt. (…) Auch der lokale Korrespondent des Senders in Kunduz sagte SPIEGEL ONLINE, er habe keinen Hinweis erhalten. Er sei lediglich, als er die Explosion gehört habe, zum Tatort geeilt. (…) Ein Sprecher der Bundeswehr in Kunduz sagte, man wisse ebenfalls nichts über einen angeblichen Tipp, das über Gerüchte aus der Presse hinausgehe.
Außerdem heißt es bei “Spiegel Online”:
Ein Mitverfasser der “Bild”-Geschichte, mit dem SPIEGEL ONLINE heute sprach, wollte sich nicht zu Merzais Widerspruch äußern.
P.S.:“Bild” illustriert ihre Geschichte übrigens mit dem großen Foto eines Soldaten, der “blutüberströmt” offenbar zwischen “umgestürzten Blechfässern, Eimern, Lampen und Töpfen” liegt und von “Bild” nicht unkenntlich gemacht wurde. Und es stellt sich die Frage, wie groß das öffentliche Informationsinteresse am Gesichtsausdruck des Opfers kurz nach dem Anschlag ist.
wir beide wissen, dass sich Ihre “Bild am Sonntag” im Vergleich zur werktäglichen “Bild” ja gemeinhin etwas wohlerzogener gibt: Statt “Wichsvorlage” will die “BamS” lieber “informativ, enthüllend und hintergründig” sein, “Anwalt des Bürgers und kritischer Beobachter” und “Service-Dienstleister für alle Lebenslagen”. Sogar eine “Korrektur”-Rubrik haben Sie im Blatt — eingeführt, lange bevor Ihr Chefredakteurs-Kollege und Herausgeber Kai Diekmann auf die Idee kam, ähnliches auch für “Bild” zu reanimieren.
Aber ich muss schon sagen: Sonderlich pfleglich scheint Ihre Zeitung mit dem zur Schau getragenen Sonntagsstaat nicht umzugehen. Schauen Sie sich, was etwa die erwähnten “Korrekturen” anbelangt, doch mal an, was die “BamS” in diesem Jahr berichtigte: dass “Vichy-Homme Contrôle” nicht bei Schlecker, sondern “ausschließlich über Apotheken vertrieben” werde (4.3.2007), dass nicht Seelöwinnen, sondern Seemövinnen Eier legen (11.3.2007) und auf einem “Teppich in Holzoptik” keinen Mops, sondern eine Französische Bulldogge abgebildet gewesen sei (8.4.2007). Und seien wir ehrlich, Herr Strunz: Letzte Woche, diese “Berichtigung” zu einem mehr als zwei Monate alten Artikel, die haben Sie doch nicht freiwillig gedruckt, oder?
Andererseits erinnern Sie sich doch bestimmt noch, wie Sie unlängst bereits versäumt hatten, Ihre Leser nachträglich über einen weitaus peinlicheren, aber womöglich nicht einmal selbst verschuldeten Irrtum aufzuklären.
Und nun?
Nun stand vor acht Tagen schon wieder großer Quatsch im Blatt: Da hatte Ihre Zeitung das Opfer eines Gewaltverbrechens ausführlich zu Wort kommen lassen, doch sah sich im Nachhinein nicht nur das Opfer selbst sinnentstellend wiedergegeben. Nein, die ganze Geschichte war nach Polizeiangaben nichts weiter als eine Falschmeldung. Ich weiß das. Und Sie, Herr Strunz, als bekennender BILDblog-Leser, wissen das auch.
In der gestrigen “BamS” aber findet sich dazu kein Wort. Warum eigentlich nicht?
Herzlichst,
Ihre Clarissa
PS: Sollte meine Frage nicht in Ihre Rubrik “Der Chefredakteur antwortet” passen, kann ich alternativ natürlich auch die folgende anbieten: “Wie schaffen Sie es eigentlich, Woche für Woche so eine wunderbare Zeitung zu machen?”
Der Papierkrieg (zeit.de, Willem Marx)
Der britische Student Willem Marx machte ein Praktikum im Irak und manipulierte einen Sommer lang irakische Zeitungen in Bagdad – im Auftrag der Amerikaner. Ein etwas anderer Praktikumsbericht.
Das Leichte und das Seichte (tagesspiegel.de, Bernd Gäbler)
Wie unser Fernsehen wieder besser werden kann als sein Ruf: Zehn Thesen zur TV-Unterhaltung.
Strategien – Fehlanzeige (verdi.de, Christiane Schulzki-Haddouti)
Die Zeitungskrise spitzt sich mit dem ungeheuren Erfolg von Web 2.0-Diensten zu. Sie gewinnen binnen weniger Monate Millionen von Mitgliedern, die untereinander Kontakte knüpfen und ausbauen, Inhalte wie Texte, Bilder und Videos bereitstellen, materielle und immaterielle Güter tauschen, kaufen und verkaufen – und die Plattformen verdienen kräftig mit Online-Werbung.
Audi, “Stern” (blog.handelsblatt.de, Thomas Knüwer)
In den vergangengen Tagen lobpreisten einige hochrangige Herren – und auch eine Dame – der Medienwelt die wundervollen Qualitäten des Print-Journalismus. Im Gegensatz zum Internet, das fügen sie eiligst hinzu.
Eine Love-Story, die das Drehbuch (“Control”) schrieb, macht gerade Schlagzeilen bei uns: Alexandra Maria Lara (“Der Untergang”) outete ihre Liebe zu Filmpartner Sam Riley, früher Sänger der Brit-Band “Joy Division”.
Dendler hält das “für gelungene Film-PR” — hat aber an entscheidender Stelle den Unterschied zwischen Film und Realität übersehen. Sam Riley war wenige Monate alt, als sich die Band Joy Division im Mai 1980 auflöste. Und aufgelöst hat sie sich, weil ihr Sänger Ian Curtis Selbstmord beging. In dem Film “Control”spielt Frau Laras angeblicher neuer Freund den Joy-Division-Sänger.
Danke an Kate B. und Phillipp S. für die Hinweise!
Man muss das kurz rekapitulieren: Khaledal-Masri ist nach eigenen Angaben Silvester 2003 in Mazedonien verhaftet, mehrere Wochen verhört, von der CIA nach Afghanistan verschleppt und dort misshandelt, gefoltert und monatelang festgehalten worden. Zeugenaussagen und Dokumente bestätigenzentrale Aussagen al-Masris; das Amtsgericht München hat im Januar Haftbefehl gegen 13 Agenten der CIA wegen Freiheitsberaubung und gefährlicher Körperverletzung erlassen. Die Rolle der deutschen Bundesregierung und der deutschen Geheimdienste ist umstritten, ungeklärt ist vor allem, wer der Deutsche gewesen ist, der sich nach al-Masris Angaben als “Sam” vorstellte und ihn in Afghanistan vernahm. Der Fall beschäftigt Gerichte und Untersuchungsausschüsse.
Man muss das kurz rekapitulieren. Und dann muss man sich den Satz durchlesen, mit dem die “Bild”-Zeitung die Versuche al-Masris beschreibt, die Wahrheit herauszufinden und Recht zu bekommen. Er lautet so:
Monatelang terrorisierte der Islamist als angebliches CIA-Folteropfer die Bundesregierung, Parlament und Öffentlichkeit!
Wenn ein Entführungsopfer, dem nach Meinung von Regierung und Opposition schweres Unrecht geschehen ist, von rechtlichen und publizistischen Mitteln Gebrauch macht, ist das “Terror”? Für “Bild” ja:
Anlass für den Bericht ist, dass al-Masri in dieser Woche einen Großmarkt anzündete und in die Psychiatrie eingewiesen wurde. Die “Bild”-Redakteure Ulrike Brendlin und Hans-Jörg Vehlewald fassen es so zusammen:
Nun stellt sich raus: Al-Masri ist ein durchgeknallter Schläger, Querulant und Brandstifter. Auch ein Lügner?
Dass al-Masris psychische Probleme und wiederholte Ausfälle eine Folge seiner traumatischen Erfahrungen gewesen sein könnten, kommt bei “Bild” nicht einmal als nicht ganz auszuschließende Möglichkeit vor. Systematisch diskreditiert sie seine Aussagen und spielt seine Qualen herunter. “Bild” schreibt:
Fest steht bis heute nur, dass al-Masri Silvester 2003 versehentlich in Mazedonien verschleppt und für fünf Monate inhaftiert wurde.
Die wochenlang vorbereitete Entführung von al-Masri durch Agenten der CIA in Mazedonien wird fast zu einer Lappalie heruntergeschrieben, “versehentlich”, kann ja mal passieren. “Bild” weiter:
Zum Skandal wurde seine Geschichte erst, als Masri behauptete, während der Haft misshandelt und auch von deutschen BND-Agenten (“Sam”) verhört worden zu sein.
So spielt “Bild” die monatelange Peinigung in einem afghanischen Gefängnis herunter, Hungerstreik und Todesangst inklusive. Und ein “Skandal” war al-Masris “Geschichte” natürlich ohnehin schon: AmerikanischeMedienfandenes — anders als offenbar “Bild” — durchaus bemerkenswert, dass im Krieg gegen den Terror irgendwelche Leute von der CIA entführt und in Länder wie Afghanistan verbracht werden, insbesondere wenn es sich nicht einmal um die richtigen Leute handelte.
Bei “Bild” ist al-Masri nicht Opfer, sondern (auch ohne die Brandstiftung) in vielfacher Weise Täter. Die Zeitung nennt ihn zum Beispiel den “Verursacher des ganzen Chaos” und meint damit den Streit in der Bundesregierung und die Untersuchungsausschüsse. Als Indiz dafür, dass al-Masri “auch ein Lügner” sein könnte, schreibt “Bild”:
Gleich mehrere Ausschüsse, sogar ein eigener “BND-Ausschuss” nahmen die ehemaligen und amtierenden Bundesminister (u. a. Otto Schily, Joschka Fischer) ins Kreuzverhör — ohne greifbare Ergebnisse.
“Bild” suggeriert in einem logischen Kurzschluss: Wenn den politischen Verantwortlichen kein Fehlverhalten nachgewiesen wurde, muss wohl der “Verursacher des ganzen Chaos” im Unrecht sein.
Hans Leyendecker, Leitender Redakteur der “Süddeutschen Zeitung” und für seine Recherchen im Fall al-Masri gerade mit dem Wächterpreis der Tagespresse ausgezeichnet, nennt die “Bild”-Berichterstattung gegenüber BILDblog “niederträchtig und verworfen”. Er widerspricht auch der “Bild”-Formulierung, al-Masri habe behauptet, “von deutschen BND-Agenten (‘Sam’) verhört worden” zu sein:
Al-Masri hat nicht von mehreren deutschen Vernehmern gesprochen, sondern nur von einem Mann, der sich Sam genannt habe. Dass es sich, wie “Bild” bedeutet, um einen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes gehandelt habe, hat Al-Masri nie gesagt. Er weiß nicht, ob der Mann von einer deutschen Behörde kam und deshalb behauptet er es nicht.
Er hat ein anderes Verhältnis zur Wahrheit als “Bild”.
Nachtrag, 15.30 Uhr. Die “Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung” nennt den “Bild”-Artikel über al-Masri heute ein “publizistisches Eintreten auf einen, der am Boden liegt” und findet die “Entgleisung selbst für ‘Bild’-Standards beachtlich”. “FAS”-Redakteur Nils Minkmar schreibt:
“Noch nie aber hat mich ein Artikel in irgendeiner Zeitung so alarmiert und beunruhigt wie der Text des Blattes über Khaled El Masri (…). Offenbar hält man dort die Spannung nicht aus, die sich daraus ergibt, dass eine offene Gesellschaft eben auch ihre Verfehlungen offen und ehrlich diskutiert. (…) ‘Bild’ ist das wohl alles zu komplex. Daher verfällt man dort in eine regressive, eine Kinderreaktion: Das Opfer ist selber schuld. Für ‘so einen’ gilt auch kein Grundgesetz.”
Nachtrag, 21. Mai. Hans Leyendecker schreibt in der heutigen Ausgabe der “Süddeutschen Zeitung” über den “Bild”-Bericht:
“Die immer noch vorhandene hetzerische Gewalt des Blattes, die von Heinrich Böll meisterlich beschrieben wurde, bekommt wieder einen neuen Namen. Die Erklärungen von Springer-Spitzenleuten über sauberen Journalismus, über Qualität erweisen sich angesichts dieses Falles als Konfetti.”