Noch ‘ne “Nazi”-Überschrift

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So stand es gestern in der “Bild”-Zeitung. Mit “Briten” ist die “Sunday Times” gemeint. Die hatte tatsächlich geschrieben, wie “Bild” korrekt wiedergibt, dass Eva Herman Frauen dazu auffordere, “ihren Arbeitsplatz zu verlassen und vorfeministischen Idealen zu folgen: Hausarbeiten, Kuchenbacken, Kinder großziehen.”

Der Vorwurf allerdings, dass die “Sunday Times” Eva Herman “verhöhnt”, der ist doch recht weit hergeholt. Die Zeitung berichtet lediglich (und etwas spät) über die Diskussion, die Eva Hermans Buch “Das Eva Prinzip” in Deutschland ausgelöst hat. Das wird bereits im ersten Absatz des “Sunday Times”-Artikels deutlich:

Einer ehemaligen deutschen Top-Nachrichtensprecherin wird vorgeworfen, die Nazi-Zeit heraufzubeschwören mit einer Kampagne, die Frauen ermutigt, sich für die Mutterschaft zu entscheiden statt für Emanzipation und ehrgeizige Karrieren.

Insoweit gibt die Überschrift der “Sunday Times” (“Be a hausfrau for Germany? That’s Nazi-Talk”), die “Bild” als Beleg für die “Briten verhöhnen”-Überschrift heranzieht, nur den Vorwurf Alice Schwarzers an Eva Herman wieder.

Aber was “Bild” schreibt, ist nicht bloß abwegig, sondern auch alt. Der Artikel erschien bereits vor über drei Wochen in der “Sunday Times”.

Mit Dank an B. für den sachdienlichen Hinweis.

P.S.: Die “Rheinische Post” übernahm übrigens gestern die irreführende Meldung der “Bild”-Zeitung in ihrem Online-Angebot, und anstatt selbst nachzulesen, schreibt sie absurderweise: “Wie die ‘Bild’ berichtet, ‘verhöhnten’ die Briten die ehemalige Tagesschau-Sprecherin sogar. Die ‘Sunday Times’ schreibe (…)”

Nachtrag, 18.36 Uhr: Die “Rheinische Post” hat den Artikel inzwischen offenbar aus dem Online-Angebot entfernt.

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Klicks, Quoten, Reizwörter
(werkkanon.blogspot.com)
Wenn der Online-Journalismus einem seichten Massengeschmack zum Durchbruch verhilft, wenn am Ende dieser Entwicklung formatierte, verwechselbare, gleichgeschaltete Nachrichten-Sites stehen, die sich überwiegend aus Agenturen speisen, so muss dies gesagt werden. Die komplette Studie kann hier abgerufen werden als PDF-Dokument (2300 kb).

Doppelmoral hält besser
(zuender.zeit.de, Nico Semsrott)
In einer ?noch nie dagewesenen Kooperation? wollen drei Umweltorganisationen ihre Ziele gemeinsam mit der Bild-Zeitung erreichen. Damit verlieren Greenpeace & Co ihre Glaubwürdigkeit.

Wann braucht man Google nicht mehr?
(basicthinking.de, Robert Basic)
Prinzipiell kann man sich fragen, wie lange die User noch Suchmaschinen im stetig wachsenden Netz noch brauchen? Wachsen heißt ja eigentlich, dass immer mehr Informationen hinzukommen. Also liegt es doch nahe, dass man Suchmaschinen benötigt, die diese Informationen finden und in ihren Datenbanken ablegen, mit Keywords passend zur Information assoziieren und über einen eigenen Sortiermechanismus bei einer Suchanfrage ausspucken. Richtig? Eigentlich ja. Eigentlich. Denken wir doch mal weiter.

Bedrohung oder Ergänzung der professionellen Medien?
(medienheft.ch, Mirjam Kopp und Philomen Schönhagen)
Seit die neuen, interaktiven Medien eine beachtliche Verbreitung haben, betätigen sich immer mehr Bürger als Journalisten. Und nicht wenige Massenmedien versuchen diesen Trend für sich zu nutzen, indem sie Amateurfotografen und -reporter als Zulieferer ermuntern. Wie jedoch eine aktuelle Studie zeigt, unterscheiden sich die Motive und Vorgehensweisen der Bürgerjournalisten stark von professionellen journalistischen Routinen.

“Web 2.0 massenfähig”
(turi-2.blog.de, Peter Turi)
Matthias Greve, Gründer von Web.de und Matthias Ehrlich, Vermarkter von Web.de/United Internet, über Web 2.0 für alle (am Dienstag, 24. April 2007 um 19 Uhr startet unddu.de) und die Zukunft der Werbung im Internet – Interview aus “Markenwelten” vom 19. April 2007.

Boris Jelzin und Bill Clinton 1995
(youtube.com, Video, 0:50 Minuten)

Allgemein  

“Eine furchtbare Instanz” II

Wir müssen noch mal darauf zurückkommen, was für eine “furchtbare Instanz” die “Bild”-Zeitung darstellen kann. Die “Frankfurter Rundschau” hatte (wir berichteten) am vergangenen Freitag über einen Mann berichtet, der gelegentlich auch im Fernsehen zu sehen war und wegen exhibitionistischer Handlungen zu einer Geldbuße verurteilt wurde:

Dass er mit einer verhältnismäßig geringen Strafe davonkommt, hat einen Grund. Die Höchststrafe hat bereits eine andere, eine furchtbare Instanz verhängt: die Bild.

Was die “Frankfurter Rundschau” schreibt, ist nicht bloß Rhetorik. Tatsächlich hatte der Anwalt des Mannes im Prozess geltend gemacht, dass dem Angeklagten als Folge der Berichterstattung durch die Medien sämtliche freie Arbeitsverträge gekündigt wurden. Der Anwalt bezog sich hierbei explizit auf die Berichterstattung der “Bild”-Zeitung. “Bild” war, soweit wir wissen, das einzige Medium, dass bereits einen Tag vor dem Prozess über den Fall berichtet hatte.

Außerdem ging auch die zuständige Staatsanwältin in ihrem Plädoyer explizit auf die Tatsache ein, dass dem Angeklagten durch die Berichterstattung in den Medien erheblicher Schaden entstanden war, weshalb sie eine relativ geringe Strafe forderte, wie sie uns sagt.

Und auch der vorsitzende Richter bestätigt uns, dass er bei der Strafzumessung berücksichtigt habe, dass die bürgerliche Existenz des Angeklagten als Folge der medialen Berichterstattung quasi zerstört wurde.

Das ist nicht ungewöhnlich. Ein Sprecher des Amtsgerichts Frankfurt:

Wenn ein Angeklagter durch Veröffentlichungen der Presse erheblich Schaden genommen hat, kann und muss das bei der Strafzumessung berücksichtigt werden.

"Der Onanierer aus dem TV"Die “Bild”-Zeitung hatte dann ja (wie berichtet) nach dem Prozess zum zweiten Mal groß über den Fall berichtet (siehe Ausriss). Dabei zitierte sie ausführlich den Richter, die Staatsanwältin und den Verteidiger und gab so noch einmal in allen Einzelheiten wieder, was dem Angeklagten vorgeworfen wurde. Zusammenfassend hieß es in “Bild” dazu:

ES IST DER PEINLICHSTE PROZESS DES JAHRES!
(Hervorhebung von “Bild”)

Über die unrühmliche und peinliche Rolle, die “Bild” in diesem Prozess spielte, verlor “Bild” kein Wort.

Mehr dazu hier.

Schimanski lässt “Bild” alt aussehen

Heute fragt “Bild”:

Ist Götz George (68) zu alt für Schimanski?

Kann man ja mal fragen (obwohl Schimanski gestern abend in der ARD eindeutig so alt war wie Zudem sinken Schimanskis Quoten von Mal zu Mal: Hatte er 2002 mit „Asyl“ noch 6,1 Millionen Zuschauer, warenGötz George, aber egal). Ein bisschen gewagt ist es allerdings, als ein Indiz für die These, Götz George könnte zu alt sein für Schimanski, die schlechte Quotenentwicklung zu nehmen (siehe Ausriss rechts). Denn welche Quoten Schimanski gestern hatte, konnte die “Bild”-Autorin ja noch nicht wissen, als sie ihren Text schrieb.

Tja. Inzwischen wissen wir: “Schimanski” hatte gestern 6,81 Millionen Zuschauer. Das ist die höchste Zahl seit 1999.

Danke an Sebastian V.!

Wie blöd kann man eigentlich sein?

Nur zur Erinnerung: Die TV-Entertainerin Charlotte Roche (29) ist eine Frau, über die in den vergangenen Jahren verschiedene Medien schrieben, sie sei von “Bild”-Mitarbeitern “erpresst” worden und über die (nachdem sich “Bild” gegen diese Behauptung juristisch gewehrt hatte) man immerhin behaupten darf, dass sie von mehreren Menschen, die sich als “Bild”-Mitarbeiter ausgaben, “erpresst” worden sei. Charlotte Roche ist jene Frau, die, weil sie sich von “Bild”-Mitarbeitern “erpresst” fühlte, dem Vorstandsvorsitzenden der Axel Springer AG, Mathias Döpfner, ins Gesicht sagte, dass sie ihn “für einen schlechten Menschen halte — wegen der ‘Bild’-Zeitung”. Charlotte Roche kam mal mit einem BILDblog-Schriftzug auf dem Kleid in die “Harald Schmidt Show” und wurde u.a. vom “Stern” mit dem Satz zitiert:

“Man muss ein Zeichen setzen gegen die Angst vor ‘Bild’.”

Heute nun berichtet “Bild” über Boris Becker und schreibt:

"Mit Tänzerin Charlotte Roche (30) jettet Boris auch gern durch die Gegend, führte sie zuletzt zu den

Wir halten das, gelinde gesagt, für unwahrscheinlich.*

*) Bild.de inzwischen übrigens auch.

Mit Dank an Astrid K., Anne-Kirstin K., Andrea E., Rainer F. und Thomas M.

Nachtrag, 26.4.2007: “Bild” hat den Fehler tags drauf in einer Sonderausgabe ihrer Korrekturspalte ausführlichst korrigiert und bedauert.

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Wer hat Angst vor Google?
(arte.tv, Video, 87 Minuten)
Sehen Sie den Dokumentarfilm “Wer hat Angst vor Google?” in der Gesamtlänge. Das Video steht Ihnen während 7 Tagen nach der Ausstrahlung zur Verfügung.

Mercedes Bunz über das Internet als Waldspaziergang (+)
(elektrischer-reporter.de, Video, 11 Minuten)
“Man wird dieser Informationsüberflutung überhaupt nicht Herr?, sagt Mercedes Bunz und meint damit nicht die unendlichen Weiten des Webs, sondern die Eindrücke während eines Waldspaziergangs.

Der Großstadt-Indianer
(taz.de, Alexander Kühn)
Seine Briefe an die “Bild”-Leserschaft sind so unberechenbar wie seine ganze Karriere. Die Legenden über ihn sind wie Wanderdünen. Sagt er. Wie tickt Franz Josef Wagner?

10 Gründe, warum man Joost mögen muss
(zweinull.cc, Martin)
Noch befindet sich die Internet-TV-Software Joost in der geschlossenen Beta-Phase. Der offizielle Start steht jedoch kurz bevor.

dpa kauft youtube
(popkulturjunkie.de)
Mittlerweile haben 45 Nachrichten-Websites eine dpa-Meldung übernommen, ohne sie zu lesen. Darin heißt es zu einem “Spiegel”-Interview mit RTL-Boss Gerhard Zeiler: “Er hätte auch ‘niemals YouTube für so viel Geld gekauft’ wie der Medienriese Rupert Murdoch.” YouTube? Murdoch? Da passt doch etwas augenscheinlich nicht zusammen.

Werder Bremen – Alemannia Aachen 3-1 Diego goal
(youtube.com, Video, 1:08 Minuten)
Diegos Tor des Wochenendes, ein Treffer aus 60 Metern.

What’s new, Pussycat?

Man glaubt ja gar nicht, was für das Internetmedium Bild.de so alles eine Nachricht ist. Zum Beispiel die Tatsache, dass die Popgruppe Pussycat Dolls “für Verwirrung” sorge, weil sie auf der Single “I don’t need a man” behaupteten, “dass sie gar keinen Mann brauchen” — und das “ausgerechnet mit ihrem neuen superheißen Video, das am 18. April auf MTV Premiere hatte”, beweisen wollen würden.

Irgendwie hat man bei der Lektüre des Bild.de-“Artikels” allerdings den Eindruck, sein Verfasser war beim Schreiben nicht so ganz bei sich. Denn das fragliche Musikvideo läuft in Großbritannien immerhin schon seit August 2006 (und findet sich seitdem auch bei YouTube), in Kanada wird es seit September 2006 gezeigt, und in Deutschland sind die Pussycat Dolls mit ihrem “neuen superheißen Video”, das ja laut Bild.de “am 18. April auf MTV Premiere hatte”, immerhin auch schon spätestens seit November 2006 auf MTV und Viva zu sehen, wie uns MTV Deutschland und die Plattenfirma Universal bestätigen.

Am 18. April hingegen war bloß die auf MTV.com (und von den Pussycat Dolls selbst) angekündigte, verspätete Premiere im US-amerikanischen MTV.

Mit Dank an Sven W., Stephan, Lisa, Michael B., Patrizio V. und Florian S. für den Hinweis, sowie Peer S. für die Unterstützung.

In “Bild” heißen die Chos alle Cho

Die Eltern des Amokläufers von Virginia heißen Cho Sung und Cho Hyang. Seine Schwester heißt Cho Sun Kyung. Und der Amokläufer selbst heißt Cho Seung Hui. All diese Namen tauchen heute in einem Artikel der “Bild”-Zeitung auf, in dem auch Cho Seung Huis Großvater und seine Großtante zitiert werden. Der Großvater sagte laut “Bild” über seinen Enkel:

“Aber Cho war brav.”

Und die Großtante sagte laut “Bild” über Cho Seung Hui:

“Cho war ein zurückhaltendes Kind: Er war hübsch, aber er wollte nicht sprechen. Wenn ich ihn gedrückt habe und mit ihm reden wollte, hat er nicht geantwortet.”

Komisch, dass Verwandte von Cho Seung Hui ihn in “Bild” beim Familiennamen nennen — zumal sich ganz ähnliche Zitate in einer Reuters-Meldung etwas anders lesen:

Der Großvater (…) erinnere sich aber, dass Seung Hui seinen Eltern in jungen Jahren Sorgen gemacht habe, weil er nicht reden wollte. “Aber er war ein braves Kind.” (…) Auch die Großtante des Täters (…) schilderte Seung Hui als ein zurückhaltendes Kind: “Er war hübsch, aber er wollte nicht sprechen. Wenn ich ihn gedrückt habe und mit ihm reden wollte, hat er nicht geantwortet”, sagte sie Reuters-TV.

Mit Dank an Andreas H. für den sachdienlichen Hinweis.

Allgemein  

“Eine furchtbare Instanz”

“Exhibitionist wird zu einer Geldbuße verurteilt”, steht heute zusammenfassend über einem Artikel in der “Frankfurter Rundschau”, in dem es weiter heißt:

Der Fall an sich ist eher lapidar, wenn auch bizarr. (…)

Das Frankfurter Landgericht verurteilt den Mann zu einer Geldbuße von 800 Euro, die er an das Frankfurter Männerzentrum zahlen muss.

Eine Geldstrafe von 2000 Euro wird zur Bewährung ausgesetzt — er muss sie nur zahlen, wenn er keine Therapie macht. Doch dazu ist er — und seine Lebenspartnerin — durchaus bereit. (…) Er bereut seine Taten und entschuldigt sich ausdrücklich bei seinen Opfern.

Dass er mit einer verhältnismäßig geringen Strafe davonkommt, hat einen Grund. Die Höchststrafe hat bereits eine andere, eine furchtbare Instanz verhängt: die Bild.
(Hervorhebung von uns.)

Denn die “Bild”-Zeitung hatte vorgestern über den Mann berichtet, hatte ein großes Foto von ihm gezeigt, seinen vollständigen Namen danebengeschrieben und ihn “TV-Moderator” genannt, weil er gelegentlich als “Schaltgast” im Programm eines Spartensenders aufgetaucht war. Die “Frankfurter Rundschau” vermutet, dass “Bild” den Mann “für eine Person des öffentlichen Interesses” halte, und fragt, “was an dem Mann, dessen Namen kaum jemand kennt, von öffentlichem Interesse sein soll”.

Leider ist die Geschichte damit noch nicht zu Ende.

Heute nämlich berichtet “Bild” wieder über den Mann (siehe Ausriss), nennt ihn “Börsenstar” — und illustriert den Artikel u.a. mit einem "Der Onanierer aus dem TV"großen Foto, auf dem die Augenpartie des Mannes halbherzig verpixelt wurde. Keine 20 Zentimeter neben diesem Foto jedoch zeigt “Bild” (und Bild.de auch) noch eines, auf dem der Mann ohne jede Unkenntlichmachung zu sehen ist und eine entwürdigende Zeichnung (“So sieht der BILD-Zeichner die ‘privaten’ Auftritte von TV-Experte [Name des ‘Börsenstars’] — mit heruntergelassener Hose”), auf dem das Gesicht des Mannes ebenfalls wiedererkennbar ist.

Die “Frankfurter Rundschau” schließt mit der “Erkenntnis”, dass sich bei “Bild” offenbar “am sorglosen Vernichten von Existenzen seit Wallraff-Zeiten nichts, aber auch gar nichts geändert hat”.

Mit Dank an die zahlreichen Hinweisgeber.

Mehr dazu hier und hier.

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