Ganz ungeniert berichtet “Bild” seit gestern über “BILDmobil”, das “Bild”-eigene Prepaid-Angebot fürs Handy. Und man muss sicherlich kein Medienexperte sein, um zu verstehen, dass das keine unabhängige redaktionelle Berichterstattung im eigentlichen Sinne ist — sondern eben Werbung(siehe Ausriss): Neuer, besser, schöner, billiger!
Und so hieß es gestern in der Überschrift auf der Titelseite:
kostenlos im Internet surfen
Das ist irreführend. Tatsächlich kann man bloß “unbegrenzt auf dem BILD-Mobil-Portal surfen. Für null Euro!”, wie “Bild” denn auch korrekt im Kleingedruckten im Text schreibt.
Und im großen “BILDmobil”-Artikel von heute heißt es:
BILDmobil ist das einzige Prepaid-Angebot mit UMTS-Zugang.
Das ist sogar falsch*. Tatsächlich gibt es auch andere Prepaid-Anbieter mit UMTS-Zugang, wie man beispielsweise auf teltarif.de nachlesen kann. (Dort wird übrigens grundsätzlich die von “Bild” zitierte Aussage eines Verbraucherschützers, dass das “ein gutes Angebot” sei, bestätigt — solange man kaum ins Ausland telefoniert, auf einen “Community-Tarif” verzichten kann, sich beim Surfen auf das “Bild”-Portal beschränkt und nur wenige Kurzmitteilungen verschickt.)
Man sollte sich also besser woanders über “BILDmobil” informieren als ausgerechnet in “Bild”. Und das liegt erstaunlicherweise gar nicht daran, dass die “Bild”-Texte dazu Werbung wären, sondern daran, dass sie im Grunde bloß typische “Bild”-Artikel sind.
?Kerner ist die Situation entglitten? (bild.t-online.de, Martin Heidemanns)
Es war der TV-Eklat des Jahres! Vor sieben Tagen warf Johannes B. Kerner (42) seine TV-Kollegin Eva Herman (48) aus seiner Sendung. 50 Minuten hatten der Moderator und seine Gäste mit Eva Herman über deren missverständliche Äußerungen zu Hitlers Familienpolitik gestritten. Seitdem hat die ehemalige ?Tagesschau?-Sprecherin geschwiegen. Exklusiv in BILD spricht Eva Herman jetzt über ihren Rauswurf, die schweren Stunden danach – und über einen abendlichen Anruf von Johannes B. Kerner.
Plötzlich geht es auch mit weniger Honorar (tages-anzeiger.ch, Iwan Städler)
Nach heftigem politischem Protest verzichtet der SRG- Präsident auf eine Erhöhung seines Honorars ? als «Geste ans Personal». Dieses sagt, es habe gar nie einen Verzicht verlangt.
Ist Fernsehen gut für Kinder? (novo-magazin.de, Wendy Earle) Der Einfluss der Medien auf Kinder ist, seit das Fernsehen in den 50er-Jahren weite Verbreitung fand, eines der vorrangigen Themen öffentlicher Debatten.
Facebook-Gründer: Zuckerberg (faz.net, Roland Lindner)
Er ist 23 und misst sich an Bill Gates. Seine Internetfirma Facebook taxiert er auf 10 Milliarden und bei öffentlichen Auftritten schwankt er zwischen Übermut und Schüchternheit. Sein Markenzeichen sind Badelatschen.
Der alte neue Mann (zeit.de, Patrick Kremers)
Wer sind sie, die neuen Männer? Vor Kurzem nannte man sie schwul, metrosexuell oder postschwul. Jetzt versucht ein neues Magazin, diese Zielgruppe mit Konsum zu gewinnen.
“Ihr Monopolisten: Jetzt kommt die Stunde der Wahrheit” (persoenlich.com, Roger Schawinski)
Frage: Gibt es eine grössere Pervertierung der Marktwirtschaft als das Monopol? Im Prinzip nein. Doch die Schweizer Medienpolitik lehrt uns anderes. Sie erfand das Monster des privaten regionalen Monopols, das zusätzlich staatlich subventioniert wird. Und das in einem besonders sensitiven Bereich: demjenigen der Meinungsvielfalt bzw. der verhinderten Meinungsvielfalt.
Die Kehrseite der Medaille (nzz.ch, Andreas Hirstein)
Der Nobelpreis macht aus Forschern Medienstars. Ihre Unterstützung verhilft politischen Anliegen zu medialer Aufmerksamkeit.
“Der Kreml versteht die Aufgabe der Medien nicht” (krusenstern.ch)
Der russische Botschafter in Berlin wirft den Medien “ein verzerrtes Russland-Bild” vor. Die “Deutsche Welle” fragte Journalisten, Blogger sowie Medienforscher und kommt zum Schluss: Die deutschsprachigen Medien erfüllen ihre Aufgabe der Informationsvermittlung zur Meinungsbildung – nur der Kreml versteht das nicht.
Kongress der Weißwäscher (telepolis.de, Dietmar Jazbinsek)
In Berlin diskutierten Pressesprecher und Unternehmensberater über Strategien zur Abwehr von Negativschlagzeilen.
Gut aussehen bei Google (zuender.zeit.de, Chris Köver)
Früher im BDSM-Verein, heute im Controlling? Wenn nur die Bilder nicht im Netz stünden! Eine Reihe von Firmen macht aus solchen Problemen ein Geschäftsmodell. Ein Überblick über die neuen Rufmanager im Netz.
Eva Herman dominierte die Woche, weil sie kurz vor Ablauf einer Talksendung verabschiedet und sozusagen herausgeschickt wurde – der Moderator wollte sich mit seinen drei Gästen unterhalten. Reaktionen gab es zuhauf – unter anderem erinnerte man sich an Jehova (1/2). Spreeblick.com analysierte Hermans Aussagen genauenstens in linguistischer Hinsicht. Und über 2500 Kommentare gingen allein auf den welt.de-Artikel “Die öffentliche Hinrichtung der Eva Herman” ein. Mehrere Blogger hielten Eva Herman schlicht für dumm: Ninja Thoughts und Stefan Niggemeier zum Beispiel. Don Dahlmann meinte, sie sei von einer ziemlich umfassenden Schlichtheit beseelt (was aber so auch nicht stimmt). Eine Bloggerin vom Focus fand ihre Thesen “so dumm, dass man an Ihre Bücher sofort mit dem Feuerzeug dran möchte. So ein bisschen anbrennen will”.
Der Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung, der 63jährige Hans-Werner Kilz, verlängerte für ein paar Jahre und sagte: “Wir müssen nach Wegen suchen, die Inhalte im Internet kostenpflichtig zu machen.” Jens Petersen schrieb, er kämpfe “mit dem Vorwurf, seine Redaktion genauso zu führen, wie einst Leonid Breschnew in der Endphase seiner Regierungszeit”.
Höhöö… witzisch: Am Tag, an dem die Fußballnationalmannschaften von Irland und Deutschland in Dublin in einem EM-Qualifikationsspiel gegeneinander antreten, berichtet “Bild” über den irischen Nationalspieler Stephen Ireland (O-Ton “Bild”: “heißt wirklich so”, höhöö). Ireland hatte nämlich kürzlich, als er beruflich in der Slowakei war, behauptet, seine Oma sei gestorben und war abgereist. Dabei war Oma gar nicht tot, höh. Und als das rauskam, hatte er gesagt, er habe ja auch seine andere Oma gemeint. Dabei war die… auch nicht tot. Und jetzt? Jetzt spielt der “Irrsins-Typ (wird nun von einem Psychologen betreut)” nicht mal beim heutigen Länderspiel mit:
Er sagt, er fühle sich nicht so gut. Die Reise vom Klub Manchester City nach Dublin (278 Kilometer) wäre zu weit!
Echt voll irre, dieser Ire Ireland! Oder um’s mit “Bild” zu sagen: “So einen hat Jogi Löw zum Glück nicht im Team…” Oder?
Oder auch nicht: Die Story mit den Omas stimmt zwar. Allerdings vergisst “Bild” vor lauter “Irrsin” [sic], auch nur ansatzweise zu erwähnen, warum Ireland gelogen hatte. Dabei steht das Warum in so ziemlich jedem Artikel, der IrelandsGeschichte erzählt — und in einem ausführlichen Statement Irelands:
Meine Freundin war verzweifelt und teilte mir mit, dass sie gerade eine Fehlgeburt gehabt habe. (…) Die Fehlgeburt hat uns viel Kummer gemacht und uns beide in Panik versetzt.
Der irische Fußballverband und der irische Team-Manager zeigten im Nachhinein großes Verständnis für Irelands “traumatische Situation”, Team-Kollegen bekundeten ihr “Mitgefühl”: Dass eine Fehlgeburt eine ernste Sache sei, wisse schließlich jeder.
Jeder, scheint es, außer “Bild”.
PS: Die Info, dass Ireland heute deshalb nicht in Dublin sei, weil ihm die Reise zu weit wäre, hat “Bild” offenbar ganz exklusiv — oder erfunden.
Das ist Unsinn. Laut US-Nachrichtensender CNN ging die kalifornische Justiz nie von einem Selbstmord des Ex-Playmates aus.* Im Gegenteil heißt es auf CNN.com ausdrücklich, dass Smith an einer unbeabsichtigten Überdosis Medikamente (“accidental drug overdose”) gestorben sei. Und anschließend beschreibt CNN sogar noch einmal ausführlich die längstbekannten Obduktionsergebnisse, aus denen der Leichenbeschauer folgert, Smith habe “nicht, wie manche behauptet hatten, versucht, sich umzubringen”.
*) Dass nun im Zusammenhang mit Anna Nicole Smiths Tod einige Arztpraxen durchsucht wurden, hat deshalb auch nichts damit zu tun, ob Smith Selbstmord begangen habe, sondern offenbar (nur) mit der Frage, wer ihr verbotene Medikamente verschrieben/besorgt hat — und anders als Bild.de gelingtesanderenMedien (wenngleich nichtallen) sogar mühelos, diesen Sachverhalt korrekt wiederzugeben.
Was bisher geschah: Die ehemalige Fernsehmoderatorin Eva Herman hat sich mehrmals mindestens missverständlich, wenn nichtpositiv über die Familienpolitik der Nazis geäußert. In der Sendung von Johannes B. Kerner am Dienstag sorgte sie für Aufregung, weil sie nicht bereit war, Fehler zuzugeben und behauptete: “Man kann nicht über den Verlauf unserer Geschichte sprechen, ohne in Gefahr zu geraten.” Als sie dafür kritisiert wurde, ausgerechnet von einer “gleichgeschalteten Presse” gesprochen zu haben, obwohl auch der Ausdruck der Gleichschaltung von den Nationalsozialistenstammt, verteidigte sie sich mit den Worten: “Natürlich ist er da [im Dritten Reich] benutzt worden, aber es sind auch Autobahnen damals gebaut worden und wir fahren heute drauf.” Auf Wunsch des Moderators und der Mitdiskutanten verließ Eva Herman wenig später das Studio.
Aber in einer großen Zahl von Leserbriefen, Anrufen bei Hotlines, heftigen Diskussionen im Internet und Kommentaren bei Online-Medien wird deutlich, dass viele Menschen der Meinung sind, Eva Herman sei Unrecht geschehen. Und, was wichtiger ist: Sie sind offenbar der Meinung, man dürfe in Deutschland nur über die deutsche Geschichte reden, wenn man samt und sonders alles, was mit dem Dritten Reich zu tun hat, als böse und verwerflich verurteile. Der teils bizarre Verlauf der “Kerner”-Sendung scheint bei vielen den Eindruck erweckt zu haben, es genüge, im Zusammenhang mit dem Dritten Reich die Autobahnen zu erwähnen, um eine Art Redeverbot zu erhalten.
Und damit zur “Bild”-Zeitung: Wir können nur erahnen, mit welcher Zahl an Leserreaktionen sie überschwemmt wurde, und wir wissen nicht, wie viele davon sich mit Eva Herman solidarisierten oder sinngemäß betonten, es sei ja nicht alles schlecht gewesen, damals.
Aber es ist offenkundig, dass der heutige Artikel “Darum ist es so gefährlich, Hitlers Autobahn zu loben”(siehe Ausriss) weniger mit Eva Herman zu tun hat und mehr mit den Reaktionen vieler Menschen in Deutschland. “Bild” tut Herman zweifellos auch Unrecht, wenn sie die folgende Geschichtsstunde an ihr aufhängt und fragt: “Was ist falsch an Hermans Thesen und ähnlichen Sprüchen über die Nazis?”
Und doch ist die dann folgende Lektion eine Sternstunde des Boulevardjournalismus, denn in knappster und sehr pädagogischer Form lässt “Bild” den Historiker Wolfgang Wippermann (der auch in der Kerner-Sendung als Experte geladen war) gängige Klischees über den Nationalsozialismus zurecht rücken und scheut dabei auch nicht davor zurück, besonders heikle Punkte anzusprechen:
(…)
AUFSCHWUNG
Viele sagen: “Der Wirtschaft ging es damals besser.”
Prof. Wippermann: “Das trifft allenfalls auf einige zu, und keineswegs für das gesamte Dritte Reich. Der Aufschwung der ersten Jahre unter Hitler wurde durch die Aufrüstung und dann durch den Krieg erkauft. Am Ende des Krieges verloren dann die meisten alles.”
HOLOCAUST
Viele sagen: “Man hat damals nichts gewusst von der Sache mit den Juden.”
Prof. Wippermann: “Falsch! Die meisten wussten und sahen vieles (Judensterne, “Reichskristallnacht”, Deportationen in die Lager). Es gab auch Berichte über Verbrechen an der Front, die Soldaten auf Heimaturlaub erzählten. Die meisten Deutschen haben weggesehen und verdrängt.”
SCHULD
Viele sagen: “Das Böse haben nur Nazis und SS getan.”
Prof. Wippermann: “Stimmt nicht! Einige (nicht alle) Angehörige der Wehrmacht waren an Verbrechen beteiligt. Das gilt auch für Mitglieder der normalen Polizei.”
WIDERSTAND
Viele sagen: “Der kleine Mann konnte nichts tun gegen Hitler.”
Prof. Wippermann: “Kleine Leute haben generell wenig Einfluss. Aber: Gerade im Dritten Reich war der Widerstand auch der Widerstand kleiner Leute. Es gab nicht nur den 20. Juli 1944 (Putschversuch hoher Offiziere, Attentat auf Hitler), sondern auch Menschen, die z. B. Juden bei sich versteckten.”
(…)
In “Bild” steht alle paar Tage groß das Wort “Hitler”, meistens über Artikeln, die in fast frivoler Weise mit dem Grusel und Kitzel des Nationalsozialismus spielen. Heute steht darunter ein Stück Aufklärung.
“Bild” berichtet heute bundesweit unter der Überschrift “Illegales Autorennen — Beifahrer filmte seinen eigenen Tod!” folgendes:
Der Beifahrer des aufgemotzten Golfs filmt den Porsche rechts neben sich. Beide Wagen rasen über die Bundesstraße. Plötzlich wackelt das Video, der Film bricht ab …
Das Drama hinter den Bildern: Hier hat ein junger Mann (20) seinen eigenen Tod gefilmt!
Die Tragödie geschah bei Konstanz (Baden-Württemberg), abends um 18.40 Uhr. Vier junge Männer lieferten sich ein illegales Rennen. (…) Die Autos jagen mit 220 km/h über die Straße, erlaubt sind nur 120. Der Porsche fällt auf der rechten Spur zurück. Doch dann [usw. usf. Ach, lesen Sie selbst…]
Und jetzt die Preisfrage: Wann geschah der Unfall?
a) abends um 18.40 Uhr b) gestern c) am 30.3.2007 (Mehrfachantworten sind möglich.)
Machen wir’s kurz. Bekanntermaßen gehört Bruce Darnell nicht mehr zum Team der nächsten Staffel von “Germany’s Next Topmodel”. Und “Bild” schreibt heute:
Und was steht seit vorgestern bei vanityfair.de über Bruce Darnell?
Über die Gründe seines Ausscheidens (…) sprach er mit VANITY FAIR ONLINE.
Und, nein, in “Bild” sagt Darnell weder irgendwas Neues noch irgendwas anderes als zuvor schon zu vanityfair.de.