Ein Wintermärchen für Roland Koch (2)

Es steht kein Wort wie “Berichtigung” über dem Artikel; es fehlt überhaupt jeder Hinweis, dass er in irgendeiner Weise das korrigiert, was “Bild” gestern behauptet hat (wir berichteten), aber immerhin: Der heutige Text über den Gießener Jugendlichen, der für neun Monate in Sibirien lebt, rückt einiges gerade, was “Bild” gestern behauptet oder angedeutet hatte. Unter anderem erwähnt “Bild” nun (“BILD erfuhr, warum er wirklich nach Sibirien kam”), dass es sich um eine freiwillige Aktion handelt, und erweckt nicht mehr den Eindruck, es sei eine “Strafmaßnahme”, eine besonders strenge noch dazu. Auch der teils falsche, teils grob irreführende Artikel auf Bild.de wurde unauffällig entschärft.

Am Ende des heutigen “Bild”-Artikel kommt etwas unvermittelt noch ein Politiker zu Wort:

Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) zu BILD: “Wenn Psychologen der Meinung sind, dass eine solche Maßnahme geeignet ist, den Jugendlichen von seinem Tun abzubringen, dann ist schon die Hoffnung, dass es keine weiteren Opfer gibt, den Aufenthalt wert.”

Wie schon gestern erweckt “Bild” den Eindruck, das von Koch regierte Bundesland, in dem in zehn Tagen gewählt wird, stehe hinter der Maßnahme. Das ist gleich doppelt irreführend: Erstens ist es konkret der Landkreis Gießen. Und zweitens hat sich das Land Hessen nach den Worten von Sozialministeriumssprecher Franz-Josef Gemein aus der Finanzierung solcher erlebnispädagogischer Projekte sogar zurückgezogen.

Auch wir müssen uns korrigieren: Betreut wird der 16-Jährige, anders als wir berichtet haben, sehr wohl vom Verein “Pfad ins Leben”.

6 vor 9

Privatfernsehen pro
(rbb-online.de/polylux, Videos)
… und contra.

“Sollen die doch mal ermitteln”
(persoenlich.com, David Vonplon)
Die Zürcher Staatsanwaltschaft nimmt die “Weltwoche” ins Visier. Sie klärt ab, ob sich das Blatt gegen den Rassendiskriminierungs-Artikel strafbar gemacht hat mit dem Abdruck eines Artikels von Norman Stone. Der britische Historiker bestreitet den Genozid an den Armeniern. Im Interview mit “persoenlich.com” sagt “Weltwoche”-Chefredaktor Roger Köppel, weshalb er den Rassismusvorwurf für absurd hält.

Grabschen erwünscht
(nzz.ch, ras.)
Der Mann als Trottel im Schweizer Fernsehen.

Ich weiß nicht, warum ich hier bin
(faz.net, Stefan Niggemeier)
Seit gestern läuft bei RTL wieder die Dschungelshow. Sie ist nicht nur eine Zirkusveranstaltung, sondern auch ein soziales Experiment mit Menschen, die glauben, keine Wahl zu haben. Was uns das Dschungelcamp über ?B-Promis?, das Fernsehen und uns selbst lehrt.

Hesse sucht Frau
(fr-online.de, Antje Hildebrandt)
Witzfigur Maddin hat es mit seinem Gebabbel zur eigenen TV-Serie geschafft – warum nur?

Der Einbau des Zünders in eine Bombe (Lesetipp)
(freitag.de, Götz Eisenberg)
“Unlängst suchte ich einen Gefangenen auf, der mir schriftlich mitgeteilt hatte, dass er gern am Anti-Aggressions-Training (AAT) teilnehmen würde. Dabei stellte ich fest, dass er gerade Resident Evil spielte, ein Computerspiel, das einen hohen ‘Killfaktor’ aufweist. ‘Sie wollen also am Anti-Aggressions-Training teilnehmen, trainieren aber eben noch mal intensiv das Töten’, sagte ich. ‘Das ist doch nur ein Spiel, mit dem ich mir die Zeit vertreibe’, erwiderte der Gefangene sichtlich verlegen.”

“Bild” will Christian Wulff nicht mit der SPD teilen

Bunte: Aber Ministerpräsident Wulff ist äußerst beliebt, hat das “Schwiegersohn”-Image…

Jüttner-Hötker: […] aber wie Herr Wulff sich zum Teil politisch und privat verhält, da bin ich froh, dass er nicht mein Schwiegersohn ist!

Jüttner: Da gilt auch das Prinzip: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Er hat sich für seine Wahlniederlagen gegen Gerhard Schröder damit gerächt, dass er Schröders Trennung von Ehefrau Hilu hämisch kommentierte: “Die Wähler werden sich über Schröders persönliche und politische Unzuverlässigkeit Gedanken machen.”

Bunte: Jetzt hat er sich selbst von seiner Ehefrau getrennt.

Jüttner-Hötker: Ja, für sich setzt er nun andere Maßstäbe. Er hat kein Problem, sich von seiner Frau “Knall auf Fall” zu trennen und gleichzeitig eine neue Frau zu präsentieren – die jetzt ein Kind erwartet, obwohl er nicht geschieden ist. Persönlich fand ich es auch unangemessen, wenige Tage nach der Trennung schon mit der neuen Lebensgefährtin zum Galaempfang der Ministerpräsidentenkonferenz einzuladen.

Marion Jüttner-Hötker, die Ehefrau des SPD-Spitzenkandidaten in Niedersachsen, hat sich in der “Bunten” über den CDU-Ministerpräsidenten Christian Wulff geäußert (siehe Kasten rechts). Sie kritisierte unter anderem, dass Wulff ein Kind mit seiner neuen Freundin erwartet, von seiner Frau aber noch nicht geschieden ist.

Die “Bild”-Zeitung ist empört, sieht darin einen Angriff unter der Gürtellinie und einen Widerspruch zu Jüttners Versprechen, einen “fairen Wahlkampf” zu führen. Bild.de spricht gar von einer “Schmutzkampagne”, einem “Schmutz-Wahlkampf” und einem “Tiefschlag” und fasst den Skandal in einem Satz zusammen:

Zehn Tage vor der Landtagswahl hat SPD-Kandidat Wolfgang Jüttner das Privatleben von Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) in die Öffentlichkeit gezerrt.

Das ist ja ungeheuerlich.

“Bild” will Gaby Kösters Privatsphäre zurück

Noch einmal zum Mitschreiben:

  • Die Komikerin Gaby Köster ist erkrankt.
  • Und “Bild” berichtet.
  • Gaby Köster bittet darum, von weiterer derartiger Berichterstattung Abstand zu nehmen.
  • Aber “Bild” berichtet erneut.
  • Ein Gericht erklärt die “Bild”-Berichterstattung für rechtswidrig und Gaby Köster bittet erneut, von entsprechender Berichterstattung Abstand zu nehmen.
  • “Bild” löscht die bisherigen Berichte aus dem Online-Angebot, veröffentlicht aber einen neuen (“Fans beten für Gaby Köster”), der u.a. dadurch besonders perfide erscheint, dass “Bild” selbst nur noch vage von einer “schweren Erkrankung” schreibt, aber auch einen Genesungswunsch zitiert, der dann doch detaillierter auf die Erkrankung eingeht…

Anders gesagt: Warum lässt “Bild” Köster nicht einfach in Ruhe?!

Wem würde es schaden, wenn “Bild” Kösters Wunsch respektieren würde? Die Frau ist krank und möchte nicht, dass darüber berichtet wird. Das ist ihr gutes Recht, das “Bild” ohne Not missachtet. Nach der gestrigen Titelschlagzeile sagte Kösters Anwalt dem Fachdienst epd, “Bild” versuche mit Artikeln über ein persönliches Schicksal Auflage zu machen. Für den vergleichsweise kleinen “Fans beten”-Artikel heute kann das kaum noch gelten. Warum also steht er überhaupt in “Bild”? Aus Trotz? — Kösters Anwalt jedenfalls will auch dagegen juristisch vorgehen.

Ein Wintermärchen für Roland Koch

Was mag der “Bild”-Leser denken, wenn er die heutige “Bild”-Schlagzeile sieht?

  • Endlich passiert mal was!
  • Hat die “Bild”-Debatte um Jugendkriminalität doch Wirkung gezeigt!
  • Roland Koch greift hart durch, den wähl ich!

Man muss unterstellen, dass die Schlagzeile — passend zur aktuellen “Bild”-Kampagne und rechtzeitig vor der Landtagswahl in Hessen — genau diesen Eindruck erwecken soll.

Der Eindruck ist falsch.

“Bild” schreibt:

Es geht offenbar auch anders! Das Jugendamt des Landkreises Gießen (Hessen) hat einen jugendlichen Gewalttäter nach Sibirien geschickt! (…)

KNALLHARTE STRAFMAßNAHME STATT KUSCHELPÄDAGOGIK!

Richtig ist: Das Land Hessen hat mit dem Fall direkt nichts zu tun; niemand hat den Jungen gezwungen, nach Sibirien zu fahren; es handelt sich nicht um eine Strafe, sondern um eine erlebnispädagogische Maßnahme.

Sämtliche Informationen in dem “Bild”-Artikel stammen aus zwei Artikeln in “Welt” und “Gießener Anzeiger” und einem Bericht des Hessischen Rundfunks; die Fakten hat die “Bild”-Zeitung allerdings ihren eigenen Vorstellungen angepasst. Die “Welt” berichtet zum Beispiel (anders als “Bild”), dass solche Maßnahmen nur auf freiwilliger Basis funktionierten: Auch der 16-Jährige und seine Mutter hätten dem Aufenthalt zugestimmt. Und der “Gießener Anzeiger” schreibt unter Berufung auf den zuständigen Jugendamtsleiter Peter Heidt:

Es geht weder in der einen Richtung darum, einem schwierigen Jugendlichen einen Abenteuer-Auslandsaufenthalt zu finanzieren, noch in der anderen Richtung darum, ihn mit Sibirien zu bestrafen, das im kollektiven Gedächtnis der Deutschen mit der Assoziation von lebensbedrohlichen Arbeitslagern verbunden ist.

Noch weiter von der Wahrheit entfernt hat sich Bild.de mit einem gestern veröffentlichten Artikel zum selben Thema:

Hessen schickt ersten Teenager nach Sibirien

Letzter Ausweg Nowosibirsk. Das Jugendamt Gießen hat jetzt den ersten jugendlichen Straftäter in die russische Einöde geschickt.

Erstens hat ihn das Jugendamt Gießen keineswegs “jetzt” nach Sibirien geschickt, sondern bereits vor einem halben Jahr. Und der 16-jährige ist (anders als auch “Bild” nahelegt) keineswegs der erste Teenager, der diese Art Therapie bekommt. Der Verein “Pfad ins Leben” zum Beispiel hat bereits vor über zehn Jahren damit begonnen, kriminelle oder labile Jugendliche nach Sedelnikowo zu bringen und dort unter ähnlichen Umständen zu betreuen wie der 16-jährige, mit dem “Bild” heute aufmacht. “Bild” illustriert den Artikel sogar mit einem Foto von “Pfad ins Leben”, obwohl der Verein selbst seit zwei Jahren keine Jugendlichen dort mehr betreut.

Das Projekt ist den Medien nicht verborgen geblieben; ausführlich berichteten unter anderem 1999 die “Thüringer Allgemeine”, 2001 der MDR, 2002 die (inzwischen eingestellte) “Woche” und 2002 die “Welt am Sonntag”.

Wie flexibel “Bild” beim Umgang mit der Realität ist, zeigt der Schluss des Artikels heute. Voller Lob schreibt der ungenannte Autor:

Das Erziehungscamp (…) kostet 150 Euro täglich — nur ein Drittel der Kosten, die bei einer Unterbringung in einem geschlossenen Heim in Deutschland anfallen würden.

Gestern kritisierte “Bild” die Hamburger Jugendpolitik, weil dort Problemkinder “auf noble Privat-Schulen gesteckt [sic]” werden, und empörte sich:

Kostet pro Monat 2290 Euro allein an Schulgeld!

2290 Euro im Monat sind 76 Euro täglich.

Vielen Dank an Sven J., Jens J., Stefan K., Andreas und die anderen Hinweisgeber!

Nachtrag, 18.1.2008. Fortsetzung hier.

“Bild” soll für geklauten “FAZ”-Artikel zahlen

Im Feuilleton der “FAZ” hat sich Mit-Herausgeber Frank Schirrmacher vorgestern mit der “Debatte über ausländische Jugendkriminalität” befasst. Man könnte Schirrmachers Beitrag (ähnlich wie die “Bild”-Kampagne) alarmistisch und gefährlich nennen, “Bild” nannte ihn gestern “dramatisch” und “bemerkenswert” — und:

BILD zitiert die wichtigsten Passagen.

Zur Verdeutlichung dessen, was “Bild” “die wichtigsten Passagen” nennt, haben wir mal alles, was “Bild” zitierte, in Schirrmachers “FAZ”-Text gelb markiert (siehe Ausriss).

In dem rosafarben abgesetzten, längeren Passus in der rechten Spalte referiert und kritisiert Schirrmacher übrigens einen Videoblog-Beitrag des “Zeit”-Feuilletonchefs Jens Jessen”. Diese Kritik Schirrmachers zitierte “Bild” zwar nicht, machte sie sich aber in einem weiteren Artikel (“Der feine Kultur-Chef der ‘Zeit’ verhöhnt verprügelten Rentner”, siehe auch hier) kurzerhand selbst zueigen.

Bei der “FAZ” ist man nicht sonderlich erfreut darüber, dass “Bild” Schirrmachers Text quasi komplett nachgedruckt hat. Um Erlaubnis gefragt habe “Bild” nämlich nicht. Wie “FAZ”-Geschäftsführer Roland Gerschermann gegenüber BILDblog bestätigt, habe die “FAZ” deshalb in einem Brief an “Bild”-Chef Kai Diekmann deutlich gemacht, dass es sich bei der Artikel-Übernahme um eine unzulässige Urheberrechtsverletzung handele und Unterlassung (also u.a. ein Entfernen des Artikels aus dem Angebot von Bild.de) sowie Schadenersatz (5000 Euro an die Stiftung “F.A.Z.-Leser helfen”) gefordert.

Nachtrag, 20 Uhr: So schnell geht das. FAZ.net berichtet inzwischen:

Die “Bild”-Chefredaktion erklärte sich bereit, den Artikel nicht erneut ohne Nachdruckgenehmigung zu veröffentlichen und ihn unverzüglich aus dem eigenen Internetangebot zu entfernen.

Zudem wurde vereinbart, dass “Bild” für den unerlaubten Nachdruck eine Spende von fünftausend Euro an die Initiative “F.A.Z.-Leser helfen” entrichtet.

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Wettstreit der besten Argumente
(werbewoche.ch, Josefa Haas)
Der Journalismus steht im Wettbewerb der Informationsvermittlung – eine sportliche Herausforderung, findet Josefa Haas.

Der «Blick» soll dicker werden (+)
(sf.tv, Video, 5:23 Minuten)
Mehr Seiten, ein neues Layout und eine Frauenzeitschrift als Beilage: Am Ringier-Hauptsitz in Zürich wird mit Hochdruck an der neuen Ausrichtung der Tageszeitung «Blick» gefeilt. Das Vorgaben sind klar: Mehr exklusive Geschichten.

Ringier – 175 Jahre Abenteuer
(tagesanzeiger.ch, Constantin Seibt)
Zum Geburtstag des Verlags erscheint morgen ein Buch – es ist ein Alptraum für jeden Unternehmensberater.

Radio Tropic ade
(nzz.ch, ras.)
Start von Radio 1 – zurück zu mehr Einfalt.

Neu! “Bild” bringt Qualitätsjournalismus!
(perlentaucher.de, Thierry Chervel)
Die Bild-Zeitung druckt Frank Schirrmachers “dramatischen Beitrag” zu Jugendgewalt nach. Und basht Schirrmachers Kollegen Jens Jessen: “Muss er Konsequenzen fürchten?”

Zwischen Befindlichkeit und Quote
(taz.de, Meike Laaff)
Inzwischen haben klassische Medien auf die Neuerungen des Web 2.0 reagiert. Inhaltlich rümpfen Journalisten aber noch die Nase über Blogger.

Ein Mitesser weniger im “Dschungelcamp”

“Bild” berichtet derzeit immer wieder ausführlich über das, was sich bei der RTL-Show “Ich bin ein Star, holt mich hier raus” so tut: Der Auftritt der Busch-Bewohnerin Julia Biedermann im “Playboy” wurde mit einer Bildergalerie begleitet, Ex-Kandidat Daniel Küblböck darf bei Bild.de sein “Dschungelbuch” in eine Kamera sprechen — und heute fragt “Bild” bange und beinahe seitenfüllend (siehe rechts):

Wann platzt Dirk Bach?

(…) Im Gegensatz zu den Kandidaten, die sich täglich von Reis und Bohnen und ab und zu von Rattenschwänzen und Kakerlaken ernähren müssen, bekommen die Moderatoren aber auch feinste Menüs im australischen Busch serviert.

Und augenscheinlich gut informiert präsentiert “Bild” auch eine lange Gegenüberstellung dessen, was den Kandidaten vorgesetzt und was den Moderatoren serviert wurde:

“Bild” kommentiert die doch recht unterschiedlichen Speisepläne so:

Kein Wunder, dass Dirk Bach ablehnte, als Barbara Herzsprung (54) ihm bei der Dschungel-Prüfung etwas von ihren Tierchen anbot. Bach: “Nein danke, ich bin nicht wahnsinnig.”

Dass Dirk Bach ablehnte, ist allerdings echt “kein Wunder” — egal, ob Rattenschwanz, Lammkarree oder sonstige “Tierchen”: Bach ist seit Jahren bekanntermaßen Vegetarier.

Allgemein  

Unter Ausschluss der “Bild”-Zeitung (2)

Vergangene Woche hatte das Bremer Landgericht, das derzeit über den Tod des zweijährigen Kevin verhandelt, angekündigt, zu prüfen, ob “Bild” von dem Prozess ausgeschlossen werden soll. “Bild” hatte nämlich im Dezember trotz der ausdrücklichen Aufforderung des Gerichts, die Persönlichkeitsrechte des Angeklagten zu achten, im Dezember ein unverfremdetes Foto des Angeklagten abgedruckt (wir berichteten).

Ganz so schlimm ist es für “Bild” nun doch nicht gekommen. “Bild”-Mitarbeiter dürfen weiter bei dem Prozess dabei sein. Allerdings untersagte der Vorsitzende ihnen “weiter Bild-Aufnahmen anzufertigen”, und sie dürfen auch, anders als Vertreter anderer Medien, “keine Bild-Aufnahmegeräte mit sich führen”, wie es in dem heute verkündeten Beschluss heißt. Das gilt für alle, die für “Bild” tätig sind, also auch für freie Mitarbeiter.

Der Vorsitzende hat davon Abstand genommen, auch Wortredakteure auszuschließen, um nicht den Eindruck zu erwecken, ein Medium werde wegen unliebsamer Berichterstattung “abgestraft”.

In der Begründung (die laut einer Sprecherin des Bremer Landgerichts “ungewöhnlich ausführlich” ausfiel) betont der Richter, dass er zu Beginn des Prozesses “in teils drastischen Worten” auf die Anonymisierungspflicht hingewiesen habe. Dagegen habe “Bild” außerdem in ähnlich gelagerten Fällen schon zwei mal verstoßen.

Eine bloße Entschuldigung für das “technische Versehen” (“Bild”) reichte dem Vorsitzenden nicht aus.

Allgemein  

“Bild” gibt “dubioser Sekte” Recht

Erinnern Sie sich noch an Tamera? “Bild” hatte die “dubiose deutsche Sekte” im Mai vergangenen Jahres fälschlicherweise mit dem Verschwinden von Madeleine McCann in Verbindung gebracht. Angeblich sei die Polizei mit “Durchsuchungsbefehl” auf dem Tamera-Anwesen in Portugal angerückt und “verschaffte sich Zutritt”. “Bild” schrieb von einer “Razzia”, und dass die Polizei “Zelte, Baracken, Wohnwagen und Hütten” durchstöbert habe:

"Vermisste Madeleine: Razzia bei deutscher Sekte"

Nach einer juristischen Auseinandersetzung, die über zwei Instanzen ging*, musste “Bild” im Oktober 2007 wegen dieser Behauptungen eine Gegendarstellung des Tamera-Gründers Dieter Duhm abdrucken (wir berichteten), in der er feststellte:

Die Polizei ist nicht mit einem Durchsuchungsbefehle gekommen und hat das Anwesen von Tamera (…) nicht durchsucht.

Und insofern war es schon etwas überraschend, dass sich vergangenen Sonnabend ein Text ganz ähnlichen Inhalts in “Bild” fand. Diesmal stand aber nicht “Gegendarstellung” sondern “Richtigstellung” drüber:

Eine Richtigstellung setzt, anders als eine Gegendarstellung, voraus, dass die darin behaupteten Tatsachen auch wahr sind. Wie uns der Anwalt Tameras sagt, habe man sich entschlossen, diese zusätzlich zur Gegendarstellung zu verlangen, weil die “Bild”-Berichterstattung Tamera damals zunächst sehr geschadet habe. Außerdem sei sie alles andere als nur “knapp an der Wahrheit vorbei” gewesen.

Vor Gericht musste Tamera dafür allerdings nicht noch einmal ziehen. Die Richtigstellung beruht auf einer außergerichtlichen Einigung zwischen “Bild” und Tamera. Man habe einige Zeit lang mit “Bild” darüber verhandelt, wie sie aussehen könne, sich jedoch nicht einigen können, sagt der Tamera-Anwalt. Die jetzt abgedruckte Form entspreche jedoch den rechtlichen Anforderungen.

*) Die “Bild”-Zeitung hatte bestritten, dass der Tamera-Gründer Dieter Duhm (den sie mehrfach im Text erwähnte und von dem sie ein Foto abdruckte) von der Berichterstattung über Tamera betroffen sei, und ihn deshalb als nicht klageberechtigt angesehen.

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