“Bild” ist… “niemals Türken feindlich”

In einem offenen Brief an die Leser der türkischen Tageszeitung “Hürryiet” hat “Bild”-Chef Kai Diekmann die “Bild”-Kampagne zum Thema “kriminelle Ausländer” gerechtfertigt.

Wie die “taz” berichtet, war der Anlass für Diekmanns Rechtfertigung die offenbar zunehmende Kritik türkischer Medien und Leser (auch) an der Berichterstattung von “Bild” — und ein Anruf von Ismail Erel, dem Redaktionsleiter der “Hürriyet” in Deutschland.

In seinem Brief, der gestern in der Deutschlandausgabe der “Hürriyet” auf Türkisch und Deutsch erschien, betont Diekmann (der selbst im “Hürriyet”-Beirat sitzt) “ausdrücklich”, dass “BILD nicht Türken feindlich gesonnen” und “niemals Türken feindlich” sei. Im Gegenteil: “BILD will auch im Namen der überwiegend türkischen Bevölkerung in Deutschland, dass Kriminelle aus dem Verkehr gezogen werden.” Ansonsten aber ist die “Bild”-Berichterstattung (wir erinnern uns) in Diekmanns Brief kein Thema. Lieber erklärt der “Bild”-Chef den “Hürriyet”-Lesern “die gegenwärtige Debatte in Deutschland”, die sich um zwei Fragen drehe: “Wieso laufen solche Leute frei herum?” Und: “Warum die Integration der Ausländer in Deutschland so offenkundig versagt hat.”

Mit “Ausländer- oder gar Türkenfeindlichkeit” habe das “nichts zu tun” — denn, so Diekmann mit Blick auf den Übergriff in der Münchner U-Bahn, der die Debatte auslöste:

Dass der ältere Täter Türke ist, der jüngere Grieche, ist blosser Zufall. Genauso hätten es Polen, Russen, Jugoslawen oder Kurden sein können — die Debatte wäre die gleiche gewesen.

Hauptsache Ausländer also? Die (statistisch gesehen nicht unwahrscheinliche) Möglichkeit jedenfalls, dass es genauso auch Deutsche hätten sein können, spart Diekmann in seinen Spekulationen komplett aus. Kein Wunder: Seine “Bild” berichtete ja beispielsweise über die Angriffe auf zwei junge Männer auf der Hamburger Reeperbahn und einen U-Bahn-Fahrer in Frankfurt-Heddernheim (O-Ton “Bild”: “Sieben ausländische Jugendliche schlugen einen Lokführer zusammen”), die alle beide auch von deutschen Jugendlichen (ohne Migrationshintergrund) verübt wurden, im direkten Zusammenhang mit “Ausländer-Kriminalität” und unter Überschriften wie “Kriminelle jugendliche Ausländer”.

Apropos “Ausländer”. Diekmann schreibt den “Hürriyet”-Lesern auch:

Tatsächlich stammen die relativ meisten Gewaltkriminellen beispielsweise in Berlin nicht aus türkischen, sondern arabischen Familien.

Tamam, her şey yolunda.

Mit Dank auch an David D. — und Jürgen G. fürs Türkisch!

6 vor 9

“Google macht dauernd Fehler”
(falter.at, Ingrid Brodnig)
“Jimmy Wales: Das Allerwichtigste, was ich den Menschen bewusst machen will, ist: Die Algorithmen, die Google für seine Suchmaschine verwendet, sind geheim. Das Konzept ist überhaupt nicht transparent. Für eine offene Gesellschaft ist es aber überaus wichtig, dass man nachvollziehen kann, nach welchen Kriterien solche inhaltlichen Entscheidungen getroffen werden. Außerdem glaube ich, dass die Suchmaschinen nachlässig wurden.”

Malware-Banner beim «Blick»
(bloggingtom.ch)
Die Schweizer Tageszeitung «Blick» hat über ihren Online-Auftritt während mindestens einem Tag schädliche Flash-Werbebanner ausgeliefert. Dies berichtet Sandi Hardmeier, Microsoft-?Most Valuable Professional? und Sicherheitsspezialistin in ihrem Blog ?Spyware Sucks?. Der «Blick» befindet sich dabei in guter Gesellschaft, denn das Banner wurde auch via MySpace und Excite verbreitet.

Konferenzen 2.0: Unprofessionell statt cool
(blog.hogenkamp.com)
Langsam gehen mir diese Konferenzen 2.0 echt auf die Nerven. Ich bin ja durchaus auch ein Prokrastinierer und Last-Minute-Man, aber wenn ich eine Konferenz mache und sich die Leute den Tag freihalten und ihre Anreise planen, dann muss ich irgendwann mal delivern, und zwar nicht mit einem nonchalanten Lächeln am Vorabend.

Print is dead: long live print
(technology.timesonline.co.uk, Jonathan Weber)
We all know by now that the future of media is online, and I’d be the last person to deny the significance of the changes wrought by the Internet. But I think one of the most interesting things to emerge in the media business this year will be a comeback of sorts for print.

Wenn ihr wollt, ist es ein Märchen
(nzzfolio.ch)
Yves Kugelmann, Chefredaktor der jüdischen Zeitung «Tachles», plädiert für ein neues Judenland. Eines, in dem Juden wieder sie selbst sind.

a-blogs sind fürn arsch
(wirres.net, Felix Schwenzel)
“wir glauben immer dass dort wo wir hingucken die musik spielt. dabei spielt die musik da, wo die musik spielt. oder anders gesagt: es deutet auf getrübte wahrnehmung hin, wenn man die blase in der man schwimmt als die wichtigste wahrnimmt und die anderen blasen, nur weil man sie gerade nicht sieht oder gerade nicht in ihnen schwimmt, geringschätzt.”

“Bild” macht immer mehr Ausländer kriminell

"Deutschland diskutiert über Jugendkriminalität, die immer häufiger von jungen Ausländern ausgeht."


Auch bei der Gewaltkriminalität von 14- bis 21-Jährigen ist der Anteil der nichtdeutschen Tatverdächtigen in den vergangenen zehn Jahren deutlich zurückgegangen: um ein Viertel.

(Man darf diese Zahlen nicht überinterpretieren: Ein Faktor, der bei dem Rückgang ausländischer Tatverdächtiger eine Rolle — von mehreren — spielen könnte, ist, dass auch die Zahl der Ausländer in Deutschland leicht zurückgegangen ist. Unstrittig ist, dass ausländische Jugendliche überproportional häufig straffällig werden.)

Zé Robertos Geheimnisverrat “in BILD”

Der Brasilianer José Roberto de Olivera alias Zé Roberto spielt demnächst beim Fußballverein Schalke 04 und gab (so steht’s seit gestern beispielsweise im WAZ-Portal DerWesten) “am Montag sein erstes Interview” und zwar (so steht’s seit gestern auf der Schalke-Homepage) “auf der Terrasse des Hotels Kempinski ‘The Dome’ in Belek”, wo er (so steht’s seit gestern im Regionalportal westline) in einer “Fragerunde mit den Journalisten (…) bereitwillig alle Fragen zu seiner Person beantwortet” hatte.

Kurzum: Zé Roberto gab in der Türkei eine Pressekonferenz, von der heute auch “Bild” berichtet.

Und alles, wirklich alles, was sich heute dazu in “Bild” nachlesen lässt, steht auch andernorts — allerdings nicht so, wie es sich in “Bild” nachlesen lässt:

"Ze Roberto - In BILD verrät er seine 11 Geheimnisse (...) Aber BILD verriet er schon seine 11 Geheimnisse."

Mit Dank an Thomas S. und Mike S. für die Hinweise.

6 vor 9

“Datenschutz ist antiquiert”
(zeit.de, Kai Biermann)
Daten werden zwangsläufig überall gesammelt, sagt der Zukunftsforscher Bernd Flessner. Wir sollten deswegen nicht aufhören, gegen die “Observosphäre” zu kämpfen – aber auch lernen, mit ihr zu leben.

“Es ist immer anstrengend, Neues auf die Beine zu stellen”
(persoenlich.com, David Vonplon)
Im November hat die Senderfamilie von Radio DRS mit dem Nonstop-Nachrichtenkanal DRS 4 News Zuwachs erhalten. Laut Medienberichten sorgt das jüngste Kind redaktionsintern für Unruhe: Von Überlastung, Missstimmung und Kündigungen ist die Rede. Im Interview mit “persoenlich.com” räumt Chefredaktor Rudolf Matter strukturelle Probleme in der Abteilung Information ein, spricht aber trotzdem von einem gelungenen Start von DRS 4 News.

Kein Werbeverbot im Kinderprogramm
(taz.de, Reinhard Wolff)
In Schweden darf sich Fernsehwerbung nicht an Konsumenten unter zwölf Jahren richten. Die EU will das ändern. Ein Rechtsstreit ist programmiert.

Comeback eines Moguls
(sueddeutsche.de, Rupert Murdoch)
Rupert Murdoch kauft und kauft. Nach dem Wall Street Journal tätigt er eine Akquisition in Deutschland. Der amerikanische Medienherrscher wird Großgesellschafter im deutschen Fernsehen – bei Premiere.

?Ich glaube noch an Aliens?
(tagesspiegel.de, Torben Waleczek)
Mitte der 1970er Jahre begeisterte er das deutsche Publikum mit Löffel verbiegen durch angeblich übersinnliche Kräfte. Mit dem Tagesspiegel spricht Uri Geller über Wunder, Kritiker, Reichtum und sein Comeback im Fernsehen.

Gute Vorsätze
(moritzleuenberger.blueblog.ch)
“Die anonyme Verfasserin des gestrigen Seitenhiebes in der NZZ am Sonntag (ich ‘missbrauche den Bundescomputer für einen privaten Blog’) sieht korrekte bundesrätliche Arbeit offenbar einzig im Dossierwühlen, jedenfalls nicht in öffentlicher Kommunikation (ausser natürlich wenn es um ein Interview im eigenen Blatt geht).”

Alle Kriminellen sind Ausländer, fast überall

Weil es bei ihrer Kampagne für ein härteres Jugend- und Ausländerstrafrecht und die Wiederwahl von Roland Koch schon vergangene Woche so gut funktioniert hat, benutzt die “Bild”-Zeitung heute einfach noch einmal den Trick mit der Statistik — und erweckt wieder den falschen Eindruck, sämtliche Straftaten in bestimmten Bereichen würden von Ausländern verübt.

Der Artikel ist Teil 1 der neuen Serie: “BILD-Report über kriminelle Ausländer”, und anscheinend geht es auch allein darum:

(…) Sieben Jugendliche, arabischer und türkischer Herkunft, 17 bis 21 Jahre alt, zertrümmern die Scheiben einer U-Bahn. (…) Die Polizei fasst drei Täter: Einen Iraker (17), zwei 16-Jährige aus Gaza. (…) Übergriffe krimineller Ausländer in Deutschland — lange war es ein Tabu-Thema. (…) In einer neuen Serie beleuchtet BILD die Brennpunkte der Ausländer-Kriminalität in Deutschland. (…) Drogendealer meist arabischer Herkunft schleichen umher (…). 2006 gab es allein in Berliner Bussen und Bahnen etwa 22.381 Straftaten. (…) In Münchner U-Bahnen gab es 192 Gewalttaten. In Hamburg waren es im letzten Jahr 195 Prügeleien oder Messerstechereien, in Frankfurt/Main immerhin noch 84. (…)

Haben Sie’s gemerkt? Die Zahlen, die inmitten all dieser Ausländergeschichten stehen — es sind keine Ausländerzahlen. Es ist die Gesamtzahl aller Straf- oder Gewalttaten, egal von welchen Landsleuten sie verübt wurden. “Bild” erwähnt das nicht. Auch die anderen Schilderungen von ängstlichen Wachleuten oder resignierten Busfahrern kommen teilweise ganz ohne konkreten Bezug zur Herkunft der Täter auf, so als sei Jugendgewalt ganz selbstverständlich Ausländergewalt.

Analog dazu hat “Bild” ein Interview mit dem CSU-Politiker Peter Gauweiler zwar laut Überschrift “zur Kriminalität von Ausländern” geführt. Tatsächlich geht es darin aber fast ausschließlich um Gewalt in U- und S-Bahnen allgemein — abgesehen vor allem von diesem Satz Gauweilers:

Deutschland wird in der Münchner U-Bahn verteidigt, am Bahnhof Zoo in Berlin und in der Frankfurter Innenstadt.

Christian Pfeiffer, der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, sagte am Sonntag bei “Anne Will” auf die Frage, ob Roland Koch durch seine Vorstöße die Wahlen gewinnen werde:

“Ich denke, diese Koppelung von überzogenen Forderungen mit einer Hetzkampagne der Bild-Zeitung wird ihm nicht helfen, weil es da einfach zu sehr übertrieben wurde und die Einseitigkeit “Ausländer sind kriminell” und das ständig und über Tage wiederholt, das ging zu weit und das begreifen die Bürger.”

Mit “Hetzkampagne” muss Pfeiffer dies hier meinen:

Andererseits:

  • Die Kriminalität in Deutschland ist in den vergangenen zehn Jahren zurückgegangen.
  • Die Zahl der nichtdeutschen Tatverdächtigen hat deutlich abgenommen.
  • Nach Jahren des Anstiegs geht die Jugendkriminalität seit 1996 zurück.
  • Jugendliche begehen sehr viel weniger Tötungs- und Raubdelikte als noch vor zehn Jahren; die Zahl der von ihnen begangenen Körperverletzungen aber nimmt zu.
  • Bei der Gewaltkriminalität ist der Anteil der Tatverdächtigen, die keine Deutschen sind, gesunken.
  • Ob Jugendgewalt häufiger und schlimmer geworden ist, ist unklar. Möglicherweise nimmt die Zahl der Fälle nur deshalb zu, weil häufiger als früher die Polizei gerufen wird.
  • Jugendliche mit Migrationshintergrund werden häufiger straffällig, aber nicht so viel mehr, wie die Statistiken glauben machen.
  • Christoph Frank, der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, sagt: “Die Formel härtere Strafen gleich höhere Abschreckung gleich weniger Straftaten ist schlicht falsch.”
  • Anders als zwischen Strafmaß und Kriminalität gibt es einen Zusammenhang zwischen Bildung und Kriminalität: In München geht die Mehrzahl der Türken nur auf die Hauptschule, in Hannover nicht mehr; in München werden immer mehr Türken Mehrfachtäter, in Hannover immer weniger.

Umfassende und differenzierte Informationen finden sich in Medien, die nicht auf einem politischen Kreuzzug sind, zum Beispiel auf tagesschau.de sowie in “Telepolis”, das den Bericht der Innenministerkonferenz über die Entwicklung der Gewaltkriminalität junger Menschen (pdf) zusammenfasst.

Mit Dank an Christoph K.!

Gerührt oder geschüttelt

Gestern illustrierte die “Bild am Sonntag” einen Bericht über den tragischen Skiunfall zweier Freundinnen (bei dem die eine schwer und die andere tödlich verletzt worden war) u.a. mit Fotos der beiden Unfallopfer — ohne Unkenntlichmachung und möglicherweise auch ohne Erlaubnis. Das Foto der Toten jedenfalls (und weitere persönliche Angaben zur Person) hatte die “BamS” aus dem Internetangebot von SchülerVZ übernommen. (Wir berichteten.)

Nun hat sich, entsetzt über das Vorgehen der Zeitung, eine Bekannte der Unfallopfer bei uns gemeldet, weil ihr einer der “BamS”-Autoren gestern über ihren SchülerVZ-Account eine Nachricht zukommen ließ, die wir (mit ihrem Einverständnis) hier dokumentieren. Denn so bekommt man eine genauere Vorstellung davon, wie es klingt, wenn “Bild” Witwen schüttelt versucht, an persönliche Informationen zu kommen.

Liebe             , entschuldige bitte, dass ich Dich hier so von der Seite anschreibe. Mein Name ist Sven Kuschel. Ich bin Journalist und bearbeite gerade diesen furchtbar tragischen Ski-Unfall in Österreich. Wir werden für morgen in der BILD noch einmal auf einige Details eingehen (Pistengefahren und was man in Zukunft besser machen kann, um ähnliches zu verhindern: Helme, etc.). Es tut mir sehr leid, dass Eure Freundin so schwer verunglückt ist. Für uns wäre es wichtig, noch einmal einige Details von der Piste zu bekommen. Hast Du denn einen Draht zur            [zweites Unfallopfer]? Gestern haben die Behörden gesagt, sie sei mittlerweile ausgeflogen und es gehe ihr den Umständen entsprechend. Vielleicht kann sie bei all der Tragik zumindest noch dabei helfen, ein Problem mit der Piste oder ähnlichem aufzuklären. Wie gesagt, bitte entschuldige den “Überfall” hier. Ich bin entweder hier erreichbar oder telefonisch in der Redaktion Köln unter 0221            .

Ich wünsch Dir einen nicht ganz so schweren Tag
Sven

PS: Soweit wir wissen, ist Kuschels Service-Artikel über “Pistengefahren und was man in Zukunft besser machen kann” bislang noch nicht in “Bild” erschienen. Der “Bild am Sonntag”-Artikel allerdings wurde am heutigen Nachmittag komplett aus dem Angebot von Bild.de entfernt.

6 vor 9

Dunkle Wolken über neuem NZZ Finanzportal
(presseverein.ch)
Nach der Einstellung von NZZ Finfox gehen die Emotionen hoch. Die User von NZZ Finance lassen am neuen Finanzportal kein gutes Haar. Im Forum wird lauthals die Wiedereinführung von NZZ Finfox gefordert.

Frank Westphal über Rivva
(elektrischer-reporter.de, Mario Sixtus, Video, 8:50 Minuten)
“Die Alpha-Geeks sind die ersten, die diese Informmationsflut spüren und nach Mechanismen suchen, ihr zu entkommen?, sagt Entwickler Frank Westphal. Seine News-Plattform “Rivva” will eben solch ein Mechanismus sein. Rastlos durchstöbert das System die deutschsprachige Blogwelt auf der Suche nach Artikeln und Themen, die gerade besonders intensiv diskutiert werden.”

Retrospektive 2007
(rivva.de)
Die 2007 meist diskutierten Artikel.

Das Lob des Leserbriefs
(berliner-journalisten.com)
“Leserbriefe bieten uns Medienjunkies die gute Gelegenheit, die Wirksamkeit unserer Arbeit am Objekt unserer Begierde – dem Leser – zu überprüfen und gleich auch noch zu schauen, was die Leser wirklich interessiert.”

Mein “Freund”, der Bundesrat
(swissinfo.ch, Scott Capper)
Surferinnen und Surfer können virtuell, wenn auch inoffiziell, der Schweizer Regierung auf den Zahn fühlen. Dank der Netzwerk-Website Facebook. Ein Wirtschafts-Student aus Neuenburg hat die Profile der sieben Regierungsmitglieder veröffentlicht. Der Bundesrat hat noch nicht offiziell darauf reagiert.

Some Brand-Name Bloggers Say Stress of Posting Is a Hazard to Their Health
(nytimes.com, Dan Fost)
“Om Malik?s blog, GigaOm, regularly breaks news about the technology industry. Last week, the journalist turned blogger broke a big story about himself. Mr. Malik, 41, blogged that he had suffered a heart attack on Dec. 28.”

medienlese – der Wochenrückblick

Die volle Wahlfreiheit, der Blogger als Schwein, gute Vorsätze.

Deutschlands Medienwoche war geprägt von einer Debatte um Jugendkriminalität. Weil es in Frankfurt, in München, Berlin und nochmal München zu Gewalttaten in U-Bahnen kam, kümmerten sich die Medien (und dann auch noch die Politik) fast ausschliesslich um diese Fragen. Auf bild.de konnte man dazu Stellung beziehen und entscheiden, was mit den Gewalttätern passieren soll. Abschieben? Wegschliessen? Umerziehen? Vorbildlich auch, dass bild.de ihren Usern die volle Wahlfreiheit liess. Wer wollte, konnte für alle drei Optionen gleichzeitig sein. Was wieder mal beweist, wie sinnlos Umfragen im Internet oft sind.

Die NZZ las ein offenbar schlechtes Journalismus-Lehrbuch über Videojournalismus. SRM. nervte sich über “die Mogelpackung”: “Von herkömmlichem Fernsehjournalismus unterscheidet er [der Videojournalismus] sich vor allem darin, dass der Journalist zu einer Art eierlegender Wollmilchsau mutiert, die nahezu alles kann – er ist zunächst Reporter, Kameramann und Tontechniker und dann auch noch sein eigener Redaktor und Cutter.” Dass das Buch nicht gut ist, kann ja sein, allerdings ist diese angeblich eierlegende Wollmilchsau keine Unmöglichkeit. Einige Blogger beweisen bereits, dass sie solche Schweine sein können.

Read On…

Witwenschütteln 2.0

Was Journalisten mit “Witwenschütteln” meinen, kann vielleicht am besten jemand erklären, der fachkundig ist. Der ehemalige “Bild”-Chefredakteur Udo Röbel zum Beispiel. Dem “Tagesspiegel” sagte er 2002:

Hatte man etwa bei einem Unglück die Adresse von Hinterbliebenen herausgefunden, ist man sofort hingefahren, klar. Beim Abschied aber hat man die Klingelschilder an der Tür heimlich ausgetauscht, um die Konkurrenz zu verwirren. Ich war damals oft mit dem selben Fotografen unterwegs, wir hatten eine perfekte Rollenaufteilung. Er hatte eine Stimme wie ein Pastor und begrüßte die Leute mit einem doppelten Händedruck, herzliches Beileid, Herr… Ich musste dann nur noch zuhören. So kamen wir an die besten Fotos aus den Familienalben.

Die “Bild”-Zeitung ist ohne Frage ganz besonders erfolgreich darin, Fotos von Opfern zu besorgen, mit denen sie ihre Artikel bebildern zu müssen glaubt, und es spricht einiges dafür, dass ihre Mitarbeiter ganz besonders wenig Hemmungen bei diesem Teil ihrer Arbeit haben. Dazu gehört zum Beispiel auch, bei einer Frau zu klingeln, deren Mann gerade mit seinem Auto tödlich verunglückt ist, und sie mit dem Hinweis um die Herausgabe eines Fotos zur Veröffentlichung zu bitten, dass sie doch sicher ein schöneres Bild von ihrem Mann habe als das, was man gerade am Unfallort gemacht habe.

Das sogenannte Web 2.0 hat die Arbeit der Fotobeschaffer von “Bild” zweifellos einfacher gemacht. Vor allem in Netzwerken wie StudiVZ lassen sich schon mit Angaben wie Name und Studienort private Fotos von Opfern von Unfällen oder Verbrechen finden — und unter Missachtung von Urheber- und Persönlichkeitsrecht verwenden. Und jeden Tag kann man in der Zeitung sehen, dass “Bild” nicht einmal ein besonderes öffentliches Interesse voraussetzt, um sich das Recht zu nehmen, die Opfer ohne jegliche Unkenntlichmachung abzubilden.

Ein typischer Fall war der Unfall zweier junger Studentinnen im April 2007, deren Wagen auf der Autobahn in die Leitplanke fuhr und die durch ein nachfolgendes Fahrzeug getötet wurden: “Bild” zeigte die Gesichter beider Toten — mindestens eines der Fotos stammte aus ihren StudiVZ-Profilen. Ob die schockierten Eltern damals eine Genehmigung dafür gaben, wissen wir nicht.

Heute nun berichtet “Bild am Sonntag” über den tragischen Tod eines Mädchens, das nach einem Zusammenstoß auf der Skipiste starb. Sie hatte sowohl bei StudiVZ als auch bei SchülerVZ ein Profil. “Bild am Sonntag” hat nicht nur die Angaben dort zur Recherche genutzt, beschreibt das Mädchen aufgrund ihrer verlinkten Kontakte als “sehr beliebt”, nennt ihr Lieblings- und ihr Hassfach. Die Zeitung hat sich auch eines der auf SchuelerVZ befindlichen Fotos bedient — deutlich zu erkennen an der typischen Markierung im Bild (siehe Ausriss rechts).

Gut, wir können natürlich nicht völlig ausschließen, dass ein “Bild”-Reporter bei den Angehörigen des Mädchens mit der Stimme eines Pastors und doppeltem Händedruck vorbeischaute, um ein Foto aus dem Familienalbum bat und die Antwort bekam: “Nee, das ist uns nicht recht. Aber melden Sie sich doch einfach mal als Schüler bei SchülerVZ an, da hatte unsere Tochter ein Profil mit vielen privaten Fotos von sich und ihren Freunden. Können Sie sich gerne bedienen.”

Mit Dank an Bastian P., Jan K., Dirk S., Christoph, Micha Z., Daniele, Jan, Johannes K., Alexander B., Daniel F. und Philipp W.!

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