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Verleger dürfen in den Presserat
(werbewoche.ch)
“Nach langer Bedenkzeit hat der Journalisten-Berufsverband Impressum dem Beitritt der Arbeitgeber zum Presserat zugestimmt.” Jetzt hofft Impressum, dass die Verlegerschaft einen Gesamtarbeitsvertrag für die Deutschschweizer und Tessiner Pressejournalisten akzeptiert.

Wider die Gratiskultur
(Financial Times, Edwy Plenel)
“Wenn journalistische Inhalte verschenkt werden, dominieren überall dieselben Agenturformate, schnelle Wegwerftexte ohne Haltbarkeit und ohne Hintergrund”, schreibt der Gründer der französischen Online-Zeitung Mediapart und ehemalige Leiter der Le-Monde-Redaktion.

Blog auf Augenhöhe
(Tagesspiegel, Leonard Novy)
“Die ‘Huffington Post’ entwickelt sich zur zentralen Informationsquelle für Millionen Amerikaner, und auch die Politik kommt nicht mehr an ihr vorbei. Als Obama sich nach öffentlichem Druck von seinem Ex-Pastor distanzieren musste, tat er dies in der ‘Huffington Post’.”

Vanity Fair kippt Anspruch
(Medienrauschen, Thomas Gigold)
“Von einem Magazin mit Inhalt ist man zum Magazin zum Durchblättern geworden.” Übrig bleibt “eine Kopie von Gala und Bunte“.

Filmzensur 1968
(SF 1 Kulturplatz, Markus Imhoof)
“In meinem zweiten Studentenfilm ‘Rondo’ rekonstruierte ich mit Strafgefangenen den Alltag im Zuchthaus (…) Der Regierungsrat des Kanons Zürich verbot nach der Premiere öffentliche Vorführungen des Films mit der Begründung, ein Studentenfilm sei nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.”

Amok (Lesetipp)
(Das Magazin, David Grann)
“Ein Mann, ein Buch, ein Mord. Ist der Autor der Täter? Wie ein Kommissar einen Fall zu seiner Obsession macht.” Übersetzung aus dem New Yorker.

medienlese – der Wochenrückblick

Geburtstag bei Ringier und Tessiner Zeitung, Freude bei Oliver Gehrs Dummy-Verlag, harte Kritik an den Mediatheken der ARD, beliebter Link auf Bildquellen.

Feierte mit über tausend Gästen in Luzern: Michael Ringier auf der Feier zum 175. Firmenjubiläum (Bild Keystone/Urs Flueeler)Ringier feierte in Luzern 175. Geburtstag. In der NZZ gab es anlässlich einen Rückblick auf die Firmengeschichte und einen (kleinen) Ausblick auf die digitale Zukunft. Wer alles zu Gast bei dem größten Medienunternehmen der Schweiz war, lässt sich beim Durchklicken der Bildstrecke auf persoenlich.com erahnen. Auch der bei Ringier als Berater unter Vertrag stehende Ex-Kanzler Gerhard Schröder kam zur Feier – dafür war die Investition also gut.

Read On…

Kurz korrigiert (462)

Gesucht hat Bild.de eigentlich “12 gute Gründe, jetzt Schweiz-Urlaub zu buchen” — und dann doch noch einen gefunden, an der (reise)journalistische Kompetenz von Bild.de zu zweifeln.

Grund Nummer 8 lautet nämlich:

"8. Ardennen-Käse verkosten -- Bei der Käse-Herstellung macht den Schweizern keiner was vor! Aus dem mittelalterlichen Städtchen Gruyères in den Ardennen kommt ein besonders kräftiger. Tipp: Die Käserei „Maison du Gruyère“ (Familienpauschale 6,20 Euro) besuchen! Infos: www.lamaisondugruyere.de"
“Ardennen-Käse”? Da wird doch wohl nicht jemand das Alpenstädtchen Gruyères in “Heidiland” (Bild.de) mit seinem französischen Namensvetter im rund 600 Kilometer entfernten Westteil des rheinischen Schiefergebirges verwechselt haben?!

Doch.

P.S.: Die angegebene Internetadresse endet natürlich eigentlich auf .ch.

Mit Dank an Lars M. für den Hinweis.

Nachtrag, 19.5.2008: Wie blöd kann man eigentlich sein? Offenbar hat sich doch noch jemand bei Bild.de erbarmt und sich den “Ardennen-Käse” nochmals vorgeknöpft. Naja, eigentlich hat jemand bei Bild.de nur die “de”-Endung der Internetadresse in “ch” geändert, die falschen “Ardennen” aber weiterhin falsch dastehen lassen. Ach ja: Und klickt man auf den “ch”-Link, gelangt man nach wie vor auf die falsche “de”-Website.

2. Nachtrag, 0.31 Uhr: Ach, und beim Korrigieren von Fehlern macht Bild.de keiner was vor. Inzwischen hat sich offenbar noch mal jemand an den Käse gewagt, den Link wirklich korrigiert und sogar die “Ardennen” aus dem Textchen entfernt. Leider hatte der Korrektor aber wohl keine Überschriftenberechtigung, weswegen da nach wie vor der berühmte “Ardennen-Käse” angepriesen wird. Echt wahr.

Fortsetzung folgt?

Fortsetzung folgt!

3. Nachtrag, 20.5.2008: Der Überschriftenberechtigte hat im Reise-Ressort vorbeigeschaut und viereinhalb Tage nach Veröffentlichung “Käse” aus dem “Ardennen-Käse” gemacht.

4. Nachtrag, 15.39 Uhr: BILDblog-Leser Mathias W. weist uns soeben darauf hin, dass die Familienpauschale im Maison du Gruyère offenbar nicht “6,20 Euro” (Quelle: Bild.de) sondern “8 Euro” (Quelle: lamaisondugruyere.ch) beträgt.

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Ringier feiert Geburtstag
(NZZ, Rainer Stadler)
“Heavy Metal, Volkstümliches, Stars und Sternchen: Die ungewöhnliche 175-jährige Geschichte des Medienhauses Ringier.” Gleich daneben (Isabelle Imhof): “Zum Geburtstag schenkt sich die Firma ein Kompetenzzentrum für digitale Medien. Das ‘Medialab’, offizielle Lancierung ist am 16. Mai, will die Möglichkeiten bestehender und künftiger Technologien dazu nutzen, Inhalte digital aufzubereiten und zu vermitteln.”

Aggression gegen “Systemjournaille”
(taz, Andreas Speit)
“Die rechte Gewalt gegen Journalisten habe besorgniserregende Brutalität erreicht, berichtet der DJV. In Hamburg ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen gezielter Übergriffe am 1. Mai.”

Die Kunst des Hintergrunddetails
(Goncourt’s Blog)
Die Medien über Ausschreitungen gegen Einwanderer in Italien: “Wird ein illegales Flüchtlingsboot entdeckt, ist von Menschenhändlern die Rede, es wird quasi aus humanitären Gründen empfohlen, den Flüchtlingen in ihrem eigenen Interesse das Ankommen an der italienischen Küste mit allen Mitteln zu verweigern, um ‘Schleuserbanden’ das Handwerk zu legen.”

The World?s Most Dangerous Gangs
(Foreign Policy)
“Their darkest dealings often go unreported and unnoticed. But from Nairobi to São Paulo, many urban gangs are becoming more sophisticated, more brutal, and more powerful than ever.”

Jesus Made Me Puke (Lesetipp)
(Rolling Stone, Matt Taibbi)
“I had joined Cornerstone ? a megachurch in the Texas Hill Country ? to get a look inside the evangelical mind-set that gave the country eight years of George W. Bush.”

Roger Willemsen über das Reisen
(Gotorio, Thomas Knüwer)
Der “toll begabte Tausendsassa, nervensägende Brausekopf und genialische Scharlatan”, so nannte ihn der Spiegel, im kurzen Videointerview über das Reisen, Essen, Nächtigen – und schlimme Erlebnisse.

Echte Rechercheprofis!

Toll, die Mitarbeiter von Bild.de scheuen wirklich keine Kosten und Mühen, um ihre Leser exklusiv und umfassend zu informieren.

Laut Bild.de lacht momentan “ganz Deutschland” über eine Frau mit starkem Dialekt, die vor drei Jahren bei der Polizei anrief, um sich über ihren Nachbarn zu beschweren. Ein Mitschnitt des Telefonats sei schon “mehr als 100.000 Mal” bei YouTube abgerufen worden und Bild.de verkündet stolz:

Wobei diese Rechercheleistung vielleicht etwas dadurch geschmälert wird, dass die Frau am Telefon ihre volle Adresse nennt und mehrmals ihren Namen. Ihr starker Dialekt stellt kein Problem dar, denn die hochdeutsche Übersetzung wird mitgeliefert:

Und weil Bild.de das Video auch auf der eigenen Seite zeigt, können sich jetzt zusätzlich zu den YouTube-Nutzern auch noch ein paar Millionen Bild.de-Leser darüber informieren, wie eigentlich der Nachbar heißt und wo genau er wohnt. Echt toll:

Mit Dank an Christian R., Alexander, Falk R. und Nogger für den Hinweis.

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Diekmann, der schreibende Trau-Reporter
(sueddeutsche.de, Hans-Jürgen Jakobs)
Kohl, Kirch, Kai: “Ein Kanzler a. D., ein Medienmogul a. D. und ein Chefredakteur im Dienst – Helmut Kohl heiratete noch einmal”, die Bild-Zeitung berichtet. “Sehr matt glänzte der Journalismus an diesem Tag.”

Hört die Signale
(Weltwoche, Roger Köppel)
Roger Köppel hat Angst: “Politiker und Journalisten warnen vor ‘Volksabsolutismus’ und ‘Pöbelherrschaft’, wenn abweichende Meinungen erklingen. … Die Aushöhlung der Demokratie ist im vollen Gang.”

Das ganze Elend des Systems ARD
(JakBlog, Christian Jakubetz)
Die Inhalte der Mediathek seien “ziemlich eindeutig föderalistischen Missbildungen” geschuldet, nur so könne “ein eher kümmerlicher 9-Minuten-Beitrag über ‘Balkonpflanzentrends- und Pflege’ aus der ‘Landesschau Rheinland-Pfalz’ auf der Startseite online” stehen.

Vom YouTube-Hit zur Fernsehsendung
(Tages-Anzeiger, Walter Niederberger)
National Geographic hat aus einem YouTube-Clip eine ganze Sendung gestrickt. “Der Erfolg der Tieraufnahme ist ungewöhnlich, weil Youtube in erster Linie wegen der Musikclips und der teils peinlichen, teils erheiternden Selbstdarsteller bekannt ist.”

Out With the Boys for a Night of Numbering (Lesetipp)
(New York Times, Katherine Zoepf)
“I?d seen groups of young Saudi men out ‘numbering’ – chasing cars containing young girls and trying to give the girls their phone numbers via Bluetooth, or by holding written phone numbers up to their car windows. When a Saudi girl I knew told me that her friend?s older brother would be willing to take me out numbering with his friends, I leaped at the chance.”

The Day There Was No News
(Flickr, Pixelsurgeon)
“Today there was no news. And here is the proof.” Video-Collage aus BBC-Nachrichtensendungen.

So grob stimmt’s

Wenn die “Bild”-Zeitung versucht, ihre Leser in einer Serie über Schlaganfall aufzuklären und dabei Ärzte und Betroffene zu Wort kommen lässt, dann ist daran eigentlich gar nichts auszusetzen. Das ist gut gemeint.

Und wenn heute “drei junge Schlaganfall-Patienten berichten, wie der Blitz im Hirn ihr Leben verändert hat”, dann ist das auf den ersten Blick auch gar nicht schlecht gemacht. Es ist jedenfalls nicht anzunehmen, dass der Text über die 44-jährige Simona Foller den “Bild”-Lesern irgendwie unangenehm aufstößt.

Aber Simona Foller selbst ist trotzdem nicht glücklich über den Artikel, wie sie uns sagt. Weil diverse Kleinigkeiten* darin nicht stimmen, und weil “Bild” fälschlicherweise den Eindruck erweckt, Simona Foller müsse bis zum heutigen Tag von ihrer Mutter gewickelt werden:

Seitdem ist sie ein Pflegefall: “Es gibt nichts Schlimmeres, als als Erwachsene wieder gewickelt werden zu müssen”, sagt sie. (…) Wie es ist, die 40-jährige Tochter wickeln zu müssen? Was sein wird, wenn sie Simona nicht mehr pflegen kann? [Mutter] Hannelore schweigt, fast verlegen. Sie weint.

Man muss schon verdammt gut aufpassen, um erahnen zu können, dass Simona Foller schon seit “drei bis vier Jahren nicht mehr” gewickelt werde, wie sie sagt. Eigentlich sei das nur während der vier Wochen, als sie im Koma lag, notwendig gewesen. Und demnächst ziehe sie ins betreute Wohnen – ohne die Mutter natürlich.

Simona Foller hat übrigens darum gebeten, den “Bild”-Artikel vor Veröffentlichung noch einmal lesen zu dürfen, und das sei ihr auch zugesagt worden, erzählt sie. In diesem Fall wäre das offenbar eine gute Idee gewesen.

*) Anders als “Bild” schreibt, sei Simona Foller nicht 40 gewesen, als sie den Schlaganfall bekam, sondern 39. Anders, als “Bild” schreibt, war Foller auch nicht “Maklerin”, sondern habe alles mögliche gemacht. Zuletzt sei sie Vermieterin bei einer Hausverwaltung gewesen. Anders als “Bild” schreibt, habe sie auch sehr wohl den Notarzt gerufen, als sie plötzlich “furchtbare Kopfschmerzen” bekommen habe, der habe sie aber am nächsten Tag zum Hausarzt geschickt. Anders als “Bild” schreibt, habe sie zunächst eine Hirnblutung gehabt, auf die dann eine Not-OP gefolgt sei, als sie danach im Koma lag, habe sie einen weiteren Schlaganfall erlitten.

Trauzeugenjournalismus

Helmut Kohl hat am vergangenen Donnerstag seine Lebensgefährtin Maike Richter geheiratet. Und “Bild” war dabei. Daniel Biskup, Kohls Lieblingsfotograf, hat Fotos gemacht. Und “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann berichtet. Diekmann war, neben Leo Kirch, Trauzeuge. So wie Kohl Trauzeuge bei Diekmanns Hochzeit war.

“Bild” zeigt von dieser Hochzeit keine unscharfen Fotos, auf denen irgendeiner der Beteiligten in unglücklicher Pose zu sehen ist. “Bild” hat den Wunsch Kohls nach strengster Verschwiegenheit über die Planungen und die Zeremonie selbst respektiert und erst berichtet, nachdem Kohls Büro einen Artikel der “Rheinpfalz” am Dienstag bestätigte. “Bild” hat aus den ungewöhnlichen Umständen der Hochzeit keine spektakuläre Überschrift gemacht wie: “Blitzhochzeit in Klinik — Wie krank ist Kohl wirklich?” “Bild” hat trotz des Altersunterschieds des Brautpaares keine anzüglichen Witze gemacht oder neben ein Foto der Braut einen Pfeil gesetzt und geschrieben: “Drama um Erbschaft: Holt sie sich Kohls Vermögen?” “Bild” hat nicht mit einer großen Schlagzeile aufgemacht wie: “Familienkrach? Kohl-Söhne boykottieren Trauung!”

Es ist also nicht so, dass die “Bild”-Zeitung nicht anders könnte. Sie muss es nur wollen.

Mit Dank an Stefan W. für die Idee!

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