Die folgende Geschichte beginnt mit einer ungewöhnlichen Pressemitteilung der Berliner Polizei und endet damit, dass der Axel Springer Verlag 5.000 Euro an die 30-jährige Petra B. [Name von uns geändert] zahlt. Es ist eine Geschichte über die beunruhigenden Arbeitsmethoden der “Bild”-Zeitung.
Aber beginnen wir mit der Polizeimeldung vom 13. Mai:
Ein kleines Mädchen ist am Abend des 12.5. von einer 30-jährigen Frau in Hohenschönhausen geschlagen worden. Gegen 19 Uhr 30 kam es auf einem Spielplatz zu einem Streit unter Kindern. Die 30-Jährige schlug in dessen Verlauf zweimal mit der Faust gegen den Kopf des zehnjährigen Mädchens. Außerdem beleidigte sie das Kind auf Grund seiner Hautfarbe. Polizeibeamte nahmen eine Anzeige auf, der Polizeiliche Staatsschutz hat die Ermittlungen übernommen.
Deutliche Worte für eine polizeiliche Pressemitteilung. Kein “wird verdächtigt”, kein “soll”, kein Konjunktiv weit und breit. Man könnte also sagen: eine gute Vorlage für die “Bild”-Zeitung.

Petra B. jedoch schildert den Vorfall anders:
Am Abend des 12. Mai sitzt sie mit ihrer türkischen Freundin auf dem Balkon und sieht, wie ein größeres Mädchen ihre Tochter auf dem nahegelegenen Spielplatz gegen einen Zaun drückt. Petra B. läuft zum Spielplatz, stellt dort aber fest, dass der Streit schon beendet ist. Dennoch greift sie das afghanische Mädchen am Handgelenk und sagt ihm, es soll ihre Tochter, die vor einiger Zeit eine schwere Wirbelsäulenverletzung hatte, in Ruhe lassen. Kurze Zeit später trifft die Polizei ein, die von der Familie des afghanischen Mädchens gerufen wurde. Die Polizei nimmt die Zeugenaussagen auf – auch die von Petra B.s Freundin, die aussagt, dass B. das Mädchen weder geschlagen noch rassistisch beleidigt hat.
Am nächsten Tag steht ein Mann vor dem Haus, in dem Petra B. wohnt, und sagt, er sei von der Polizei. Petra B. wundert sich, da sie doch schon am Abend vorher mit der Polizei gesprochen hatte. Als sie jedoch sieht, dass sich in einem Gebüsch im Hintergrund ein weiterer Mann mit Kamera versteckt hält, ahnt sie, dass der Mann kein Polizist, sondern ein Reporter ist. Aufgebracht beschimpft Petra B. die beiden – und muss tags drauf feststellen, dass ihre Beschimpfungen mitgefilmt worden und (eingebaut in den “Schäm dich”-Artikel und ohne Hinweis auf den Anlass ihrer Empörung) auf Bild.de als Video zu sehen waren.
Soweit also Petra B.s Version, wie sie weder in der Pressemitteilung der Polizei noch in “Bild” vorkommt.
Aufgebracht über den einseitigen “Bild”-Artikel und das irreführende Video nahm sich Petra B. einen Anwalt, der von “Bild” eine Gegendarstellung verlangte. Am 3. Juli kam es deswegen zur Verhandlung vor dem Landgericht Berlin, an deren Ende der Axel Springer Verlag und Petra B. sich jedoch darauf einigten, dass der Verlag der Frau 5.000 Euro Entschädigung zahlt und das Video aus dem Netz nimmt. Im Gegenzug verzichtete Petra B. nicht nur auf den Abdruck einer Gegendarstellung, sondern auch auf eine Anzeige gegen den Reporter, der sich als Polizist ausgegeben habe – was eine Nachbarin bestätigen könne.
Zumindest für “Bild” und den falschen Polizisten ist die Geschichte damit erledigt.
Und weil Bild.de nicht ausdrücklich verpflichtet wurde, den Artikel zu löschen, ist er dort (ohne das Video) nach wie vor online.
Ein rudimentäres Protokoll der Gerichtsverhandlung gibt es auf buskeismus.de.
Okay, als die “Bild”-Zeitung damals, im Januar 2007, ein Hochzeitsfoto des “im Irak verstümmelten US-Soldaten” Ty Ziegel und seiner Ehefrau Renée zeigte, war sie auch schon ein Vierteljahr zu spät dran. Aber immerhin schrieb “Bild” damals selbst, dass die Hochzeit bereits im Oktober 2006 stattgefunden hatte.


