Die Bundesrepublik Deutschland ist ein so genannter Rechtsstaat. Das bedeutet unter anderem, dass nicht Polizei oder Staatsanwaltschaft über Schuld und Unschuld eines Verdächtigen entscheiden (und schon gar nicht eine Boulevardzeitung), sondern ein Gericht. Und es bedeutet, dass jemand, der einer Straftat angeklagt ist, sich verteidigen darf. Kurzum: Egal, was jemand getan haben mag, er genießt so genannte Rechte.
“Bild”, die meistgelesene Zeitung in der Bundesrepublik Deutschland, nennt solche Rechte gerne “Tricks”. Das war vor kurzem so, als bekannt wurde, dass ein “U-Bahn-Schläger” seine langjährige Freundin und Mutter seines Kindes heiraten wollte – “um die drohende Abschiebung zu verhindern?”, wie “Bild” suggestiv fragte (BILDblog berichtete).

Am 4. November beginnt der Prozess gegen Brücken-Teufel Nikolai H. (30). Unfassbar: Sein Anwalt will Freispruch fordern!
Und so “unfassbar” das auch für die Angehörigen der Getöteten, den juristischen Laien und die “Bild”-Autoren Maike Klebl und Sebastian Rösener sein mag: Es ist sein gutes Recht.
Zwar hatte Nikolai H. die Tat “zunächst” gestanden, wie “Bild” schreibt. Aber – und das schreibt “Bild” nicht – er hat sein Geständnis inzwischen widerrufen. Sein Anwalt Matthias B. Koch sagt, Nikolai H. sei unschuldig und erklärte der “Nordwest-Zeitung” (“NWZ”) gegenüber, seine Verteidigungsstrategie: Das Geständnis sei mit “Foltermethoden” erlangt worden, weil man dem drogenabhängigen Nikolai H. bei der Vernehmung gesagt habe, er bekomme erst die Droge, wenn er gestehe. Zudem stamme die Tatwaffe, also der Holzklotz, nicht aus dem Garten des Angeklagten und jeder habe ihn sich nehmen können. Und außerdem könne man ohnehin keinen Tötungsvorsatz annehmen, weil man “bei Dunkelheit, der Höhe der Brücke und der Geschwindigkeit der Fahrzeuge gar kein Auto bewusst treffen könne”, wie die “NWZ” den Anwalt wiedergibt.
Für “Bild” ist die juristische Argumentation des Anwalts indes schlicht:
Und ein weiteres Detail des Artikels in der “NWZ” unterschlägt “Bild”:
Der Anwalt hat das Leben seines Mandanten recherchiert und will fündig geworden sein. 1998 habe [Nikolai H.] gestanden, den Verkehrstod von zwei Landsleuten verursacht zu haben. Später habe sich herausgestellt, dass [H.] nichts damit zu tun gehabt habe. Auch vor diesem Hintergrund müsse das “Holzklotz-Geständnis” anders bewertet werden.
Und mit all diesen “Tricks” und “Winkelzügen” wird sich das Gericht, wenn es ab November den Fall verhandelt, sicher auseinandersetzen. Das ist nun mal eines der wesentlichen Prinzipien in unserem Rechtsstaat: Die Staatsanwaltschaft klagt an, der Angeklagte verteidigt sich, und das Gericht fällt darauf basierend ein Urteil.
Wie “unfassbar” es wäre, wenn man sich das alles sparen würde, wird deutlich, wenn man sieht, dass RTL.de offenbar (auf Grundlage der “Bild”-Meldung) das Urteil über den dringend Tatverdächtigen schon gefällt hat:
Mit Dank an Marcel G. für den sachdienlichen Hinweis.








Auch in diesem Fall war es die “Bild”-Zeitung, die den Verdacht geäußert hatte (natürlich auch in diesem Fall als Tatsachenbehauptung) und die Ermittlungen des DFB auslöste. Sie 
Im Juni 1989 durfte “Zigaretten-Präsident” Günter Wille via “Bild”-Zeitung “Bonn den Krieg” erklären, Raucher zum Wahlboykott aufrufen (siehe Ausriss) und sich in einem längeren Interview mit Tiedje und einem Kollegen darüber echauffieren, dass “Bonn und die EG” die Zigarettenhersteller dazu zwingen wollten, “künftig quer über jede Zigarettenschachtel eine Raucher-Warnung” zu drucken. Wille, damals Vorsitzender des Verbandes der Cigarettenindustrie (VdC) und Chef von Philip Morris, sagte im Interview unwidersprochen:
Die nächste Ausweitung kam mit der Veröffentlichung einer Umfrage unter Lufthansa-Passagieren durch das angesehen Meinungsforschungsinstitut “infas”. Diese offenbarte, dass nicht 90 Prozent [der Passagiere], wie Lufthansa behauptete, sondern nur 30 Prozent für das Verbot waren. (…) Die “Bild”-Zeitung machte daraus eine Geschichte auf der Titelseite mit der Überschrift: “Raucherlüge der Lufthansa”. (…)
