Abschiedsbrief

Lieber Claus Strunz,

wenn ich ehrlich bin, würde meine Mutter Sie vermutlich einen Sonnyboy nennen (also eigentlich “Sanniboi”), wenn sie Sie mal wieder in einer dieser Polit-Talkshows gesehen hätte, in denen besser Ihr Kollege Kai Diekmann von der “Bild”-Zeitung hätte gesessen haben sollen. Aber dann saßen doch immer Sie da – mit der zweifellos telegeneren Frisur und… diesem Lächeln. Das immer so aussieht, als wären die Zeitungen, die man jeden Sonntag kaufen kann, “informativ, enthüllend und hintergründig”, ein “Anwalt des Bürgers und kritischer Beobachter” und “Service-Dienstleister für alle Lebenslagen” bzw. so wie Ihr Lächeln: vertrauenswürdig, wohlwollend, selbstkritisch, zugänglich, selbstgewiss (naja, Sie kennen das ja aus dem Badezimmerspiegel) – so, als wären Sie eben nur Chef der “Bild am Sonntag“, der sonntagslächelnd Leserfragen beantwortet (siehe Kasten).

Worauf der Chefredakteur antwortet:

“Warum hat BamS einen so breiten Rand, Herr Strunz?”

“Gibt es zur EM wieder eine DVD-Reihe, Herr Strunz?”

“Muss es denn immer Hitler sein, Herr Strunz?”

“Wie komme ich noch an ein BamS-Panini-Abo, Herr Strunz?”

“Kann ich aus BamS ein T-Shirt machen, Herr Strunz?”

“Wo gibt es meine Geburtstags-BamS, Herr Strunz?”

“Wo ist unser Grill, Herr Strunz?”

“Haben Sie uns im TV gesehen, Herr Strunz?”

“Wo sind meine Togo-Fotos, Herr Strunz?”

“Wo sind die Panini-Bilder, Herr Strunz?”

“Wo kriege ich Ihr Sudoku-Heft, Herr Strunz?”

“Warum sind Sie so feige, Herr Strunz?”

“Warum hetzen Sie das Volk auf, Herr Sonntag Strunz?”

“Schenken Sie auch mir nächsten Sonntag eine DVD, Herr Strunz?”

“Wo war denn mein Panini-Album, Herr Strunz?”

“Wie kriege ich diesen Vogel los, Herr Strunz?”

“Wollten Sie Ihre Leser verar…, Herr Strunz?”

“Was ist des Rätsels Lösung, Herr Strunz?”

(halbwillkürliche Auswahl)

Jetzt hab’ ich aber irgendwo gelesen, dass Sie’s bald nicht mehr sind, “BamS”-Chef — und anderswo was von “unüberbrückbaren Differenzen” zwischen Ihnen und dem Diekmann.

Ganz ehrlich, Claus? Ich glaub’ das nicht. Immerhin ähnelt Ihre “BamS” Diekmanns “Bild” schon seit geraumer Zeit nicht nur im Auflagentrend, den Sie und Diekmann Ihren Blättern seit Amtsantritt verpasst haben, sondern jede Woche auch sonst so. Und vielleicht hält man sich ja wirklich für was besseres, bloß weil man besser aussieht. Was weiß denn ich.

Aber das mit den unüberbrückbaren Differenzen passt natürlich prima. Weil’s sowieso schon immer alle denken: dass Sie so’n stiller Querkopf sind. “Seine Unterschrift fehlt regelmäßig unter den rührenden Manifestationen konzerninterner Geschlossenheit, die alle Springer-Titel treu und diensteifrig abdrucken”, schrieb mal einer, der Ihnen offenbar derart auf den Leim gegangen war, dass er sogar öffentlich behauptete, Sie gölten “bei Springer als der vermutlich wichtigste Chefredakteur des Hauses”. Und wenn ich sehe, dass es Ihnen schon als Errungenschaft ausgelegt wird, wenn sich in Ihrer Zeitung auch mal ein kritisches Wort über Dieter Bohlen oder ein Argument für die Rechtschreibreform fand, dann klappt(e) der Trick mit dem “Good Guy der ‘Bild-Zeitung'” offenbar ganz gut. So gut, dass Leute wie Anke Engelke, die “Bild” vermutlich nicht mal mit dem A**** angucken, der “Bild am Sonntag” 2-seitige Interviews geben und ein Trittin bei Ihnen einfach mal den Gastautor macht. Claus Strunz, das unbeugsame Feigenblatt – da hatten irgendwie alle was davon.

Dooferweise hab’ ich Sie schon ganz anders erlebt. Als einen, der lügt. Oder als einen, der lügt. Oder die Unwahrheit sagt. Oder zulässt. Oder oder oder oder. Oder als einen, den meine Mutter ‘ne fiese Möpp nennen würde. Wollte ich nur mal sagen.

Viel Spaß in Hamburg,
Ihre Clarissa

P.S.: Ihr Nachfolger kommt ja, wie man hört, von der “B.Z.”, dem schmuddeligen kleinen Schwesterblatt der “Bild”. Womit nach acht Jahren wenigstens die Heuchelei ein Ende haben dürfte – und ich mich frage, wer wohl demnächst an Diekmanns Stelle in den Talkshows sitzt.

Kurz korrigiert (470-471)

Der neunte Punkt der dieswöchigen persönlichen “Top10” von “Bild”-Kolumnist Mainhardt Graf Nayhauß (oder “Nayhaus”, wie Bild.de ihn nennt) lautet:

Im schönsten Glanz ... soll der Reichstag ab 23. Mai 2009, dem 50. Gründungstag der Bundesrepublik, mittels einer "dauerhaften Gesamtillumination" (offizielle Mitteilung) erstrahlen. Für Vorschläge wird ein Wettbewerb ausgeschrieben.

Und jetzt können Sie sich aussuchen, welcher Fehler in diesem Satz Ihre persönliche Top-1 ist: Dass die Bundesrepublik Deutschland am 23. Mai 2009 selbstverständlich schon ihren 60. Geburtstag feiert. Oder dass die Einsendefrist für den Wettbewerb Mitte Juni abgelaufen ist und der Bundestag den Gewinner (Michael Batz) bereits am Dienstag vergangener Woche bekanntgegeben hat.

Mit Dank an Jason M.!

Nachtrag, 14. Juli. Die “Bild”-Zeitung hat beide Fehler am Samstag in ihrer Korrekturspalte berichtigt; bei Bild.de hat man sich immerhin zu einer Teilkorrektur durchringen können (und schreibt den Namen des Kolumnisten jetzt anders).

Seuche blöden Fehler!

"Neue Panne im ARD:

Oh Gott! Womöglich hat der ARD sich beim Bild.de mit dem Suche, äh, Seuche angesteckt – dann geht das so schnell nich’ mehr weg.

Mit Dank an Simone K., Sven Z. und Philip H. für den Hinweis.

Nachtrag, 18.40 Uhr: Bild.de hat noch ein “e” auftreiben können und eine risikoarme Lösung für die Dachzeile gefunden.

Benzin-Schwindel ist eigentlich super

Manchmal ist es wirklich nicht leicht, der Logik von “Bild” zu folgen. Es ist nicht so, dass wir es nicht versuchen würden, aber angesichts einer Schlagzeile wie der heutigen, will es einfach nicht gelingen:

"Benzin-Schwindel: Was an der Zapfsäule draufsteht ist oft nicht drin!"

Was passiert da? Kriegt man bei Aral Benzin von Shell, bei Esso Benzin von Total? Kommt statt Sprit Magermilch aus den Zapfsäulen? Weder noch. “Bild” schreibt:

"Schwindel an der Zapfsäule! Öl-Multis verkaufen Super als Normalbenzin"

Der seltsame Benzin-Schwindel an unseren Tankstellen! Wo Normalbenzin dran steht, kommt noch lange nicht Normalbenzin raus – sondern immer öfter Super!

Das hat AUTO BILD mit einem Treibstoff-Test an Tankstellen in Köln und Hamburg herausgefunden. Dabei floss an vier von sechs Normalbenzin-Tanksäulen Super – obwohl Normal an der Säule stand. Klarer Etikettenschwindel!

Moment. Für gewöhnlich versteht man unter Etikettenschwindel ja, dass minderwertige Ware als Qualitätsware angeboten wird. Wir waren bislang aber der Auffassung, dass “Super”, wie der Name schon suggeriert, hochwertiger sei als “Normal”. Wo ist dann das Problem? Stimmt das am Ende gar nicht? Doch, wie “Bild” bestätigt:

Super statt Normal – macht das den Motor meines Autos kaputt? AUTO BILD-Experte Claudius Maintz: “Nein, denn Super ist qualitativ hochwertiger als Normal.”

Öhm, okay. Und wo ist dann bitteschön das Problem? Wieso die Aufregung? Dafür hat der “AUTO BILD-Experte” offenbar auch keine Erklärung. “Bild” zitiert ihn weiter:

“Doch seitdem die Konzerne beide Spritsorten zum selben Preis verkaufen, gibt es nicht mehr die Möglichkeit, Spritkosten zu sparen.”

Schön und gut, aber was hat das damit zu tun, dass man statt Normal Super bekommt? Illegal ist es jedenfalls nicht, Normal-Benzin mit einer höheren Qualität als nötig anzubieten. Wo ist also das Problem?

Hilft der Kommentar von Oliver Santen womöglich weiter? Leider auch nicht. Aber in der verqueren Logik von “Bild” muss das Problem irgendwie damit zusammen hängen, dass das “Ende des ‘Benzins des kleinen Mannes’ (…) längst beschlossen” sei, wie Santen schreibt. Der “Mischmasch an der Zapfsäule” beweise, dass das “früher günstigere Normal still und heimlich abgeschafft werden soll”.

Ja, nee, ist klar. “Früher” war sowieso alles besser, aber da das “Benzin des kleinen Mannes” heute genauso viel kostet wie das bessere Super, wäre es ja eher das Benzin des dummen Mannes. Könnte man da nicht froh sein, dass man fürs gleiche Geld wenigstens gleich gutes Benzin bekommt?

Wir würden sagen, ja, und fürchten uns schon vor “Bild”-Schlagzeilen wie: “Schaumwein-Schwindel: Rotkäppchen so gut wie Veuve Clicquot!”

Mit Dank auch an Valentin L. und Friedrich E. für den Hinweis.

Goldene Zeiten für “Zeit”-Chefredakteur

Weil Charlotte Roches Bestseller “Feuchtgebiete” offenbar auch ein Theaterstück werden soll, stellt “Bild” die Frage:

Aber wer soll in diesem Stück bloß die Hauptrolle spielen?

Unberufen hat “Bild” sich auch gleich “6 mögliche Kandidatinnen überlegt”, über die man online sogar abstimmen soll. Kandidatin Nr. 6 sieht, wenn man mit der Maus drüber fährt, dort übrigens so aus:

Mit Dank an Marcel W. für den Hinweis.

Nachtrag, 16.25 Uhr: Bild.de hat den Alternativtext, der angezeigt wird, wenn man mit der Maus über das Foto fährt, nun in “Lorenzo” geändert.

6 vor 9

Dr. Blog
(blog.tagesschau.de, Dr. Kai Gniffke)
Der Chefredakteur der ARD-Tagesschau fordert andere Chefredakteure zum Bloggen auf: “Die Bloggerei ist meiner Meinung nach eine Grundsatzentscheidung für Transparenz. Das gilt für die spannenden Tage, an denen wir eine brauchbare Schneise durch?s Nachrichtendickicht geschlagen haben, aber auch für Phasen, in denen wir die Seuche haben. So eine Kultur der Offenheit ist nicht risikofrei, ein Schönwetter-blog geht nicht. Aber man stelle sich vor, andere Chefredakteure steigen mit ein, reden offen über Versäumnisse und kleine liebenswerte Pannen in ihren Medien. Jungs, habt Mut! Es gibt zwar gelegentlich auf die Schnauze, aber es ist die Sache wert.”

interview2: Dirk Ippen, Verleger
(turi-2.blog.de, Video, 5:23 Minuten, Peter Turi)
Auch Verleger Dirk Ippen rät, keine Angst zu haben vor dem Web 2.0, sondern die Tatsache der durch das Internet demokratisierten Medien zu akzeptieren.

Wie die SVP auf Sendung geht
(tagesanzeiger.ch, Maurice Thiriet)
“Privat-TV-Sender bieten der SVP zunehmend Plattformen, von denen sie ihre Botschaft verbreiten kann. Sie nehmen dafür kein Geld – und profitieren trotzdem.”

Kopf der Woche: Der Realisator
(werbewoche.ch, Andreas Panzeri)
“Beat Knecht bietet mit Zattoo eine Plattform, die neben Millionen von TV-Usern auch für immer mehr Werber zum Programm gehören wird.”

No Photos! No Photos?
(woz.ch, Florian Bachmann)
“Der fotografierende Mensch ist ein Problem. Als Einziger muss er sowohl von Polizisten in Handschellen gelegt als auch von den BesetzerInnen an seiner Arbeit gehindert werden. Weil das Verhalten der Polizei öffentlich werden könnte. Weil die Polizei anhand seiner Bilder Leute identifizieren könnte. Weil er mit seinem Blitz nervt, und vielleicht klaut er dir ja sogar die Seele. Eigentlich aber macht er ein ehrliches Handwerk. Was kann er dafür, dass diesem Handwerk niemand mehr traut?”

“Hundsgewöhnliche Proletarier”
(spiegel.de, Lothar Gorris und Dirk Kurbjuweit)
Philosoph Peter Sloterdijk denkt, sehr lesenswert, über die Tour de France nach: “In den nächsten 100 Jahren werden wir immer Doppelsport haben. Zuerst den Wettkampf selbst und dann die Enttarnung der Schwindler. Auf diese Weise kriegen wir zwei Programme gleichzeitig geboten. Auch deswegen erinnert die Situation der Anti-Doping-Partei an die der Christen in der römischen Arena. Sie werden zwar weiterhin zum Vergnügen des Publikums von den Löwen gefressen, aber aus dem Maul des besten Löwen hängt schon ein Arm mit erhobenem Zeigefinger heraus – mit einer unangenehmen Botschaft: Wenn ihr so etwas sehen wollt, dann seid ihr moralisch am Ende!”

Das Santenmännchen ist wieder da

Was bedeutet es eigentlich, wenn “RWI-Experte Manuel Frondel” in “Bild” sagt:

"Durch eine Verschiebung des Atomausstiegs um 20 Jahre könnten uns Kosten von 50 Milliarden Euro und mehr erspart bleiben."

Bedeutet das wirklich, dass mit einer “Milliarden-Ersparnis für Wirtschaft und Verbraucher” zu rechnen sei, wie “Bild” behauptet (und “Focus Online” weiterverbreitet)?

Nicht unbedingt. Wie der “Klima-Lügendetektor” berichtet, räume sogar “RWI-Experte” Frondel auf Nachfrage ein, dass “die Erzeugungskosten erstmal nichts mit dem Endpreis des Stroms zu tun” hätten. Die errechnete Ersparnis falle vielmehr bei den Stromkonzernen an und müsse von denen natürlich nicht an die Verbraucher weitergegeben werden – was Frondel “so auch nie gesagt” haben will, offenbar nicht mal zu “Bild”.

Die 7 “Bild”-Wahrheiten über unsere Kernkraft:

1. “Kernkraft ist sicher”

2. “Kernenergie gehört zum Energiemix der Zukunft”

3. “Kernkraft dämpft den Preisanstieg beim Strom”

4. “Der Ausstieg schadet dem Standort Deutschland”

5. “Kernkraft ist gut für den Klimaschutz”

6. “Das Problem mit dem Atomabfall ist ungelöst”

7. “Die Zustimmung zur Kernenergie wächst”

Der “Klima-Lügendetektor” schließt aber nicht mal aus, dass Frondel in seinem “Bild”-O-Ton mit “uns” ohnehin nicht “Wirtschaft und Verbraucher” (also uns) gemeint hat, sondern bloß seine unsere Energiewirtschaft.

Und die dürfte sich dann nicht nur über die via “Bild” in Aussicht gestellte “Milliarden-Ersparnis” freuen, sondern auch über den “Bild”-Artikel drumherum mit der Überschrift: “7 Wahrheiten über Kernkraft”. Immerhin sechs der sieben “Wahrheiten” fallen da für die Kernkraft überraschend positiv aus (siehe Kasten) – und achtens steht oben drüber als Autor: “Oliver Santen”.
 

“Bild” erklärt Mann für tot

Bei einem schweren Autounfall kamen vor etwa anderthalb Wochen bei Augsburg vier junge Menschen ums Leben (“Bild” berichtete). Dann wurden zwei der Leichen vertauscht, wodurch das falsche Unfallopfer eingeäschert wurde (“Bild” berichtete). Wie es zu der Verwechslung kam, ist bislang ungeklärt (“Bild” berichtete). Der gestrige “Bild”-Artikel endet mit dem lapidaren Satz:

"Derweil starb Rudolf K. (53), der herzkranke Vater des Unglücksfahrers Mathias (†25)."

Derweil schreibt die “Wertinger Zeitung”:

Und dann das: Gestern las der Vater des Unfallfahrers Mathias K. in Münchner Boulevardzeitungen von seinem eigenen Tod. Er war geschockt. Da stand: Er sei an einem Herzinfarkt gestorben. Angehörige aus ganz Deutschland riefen an und fragten besorgt, was denn passiert sei. (…)

Der Vater, der vor ziemlich genau einem Jahr einen Herzinfarkt gehabt habe, sei, als er die Nachricht von dem schrecklichen Unfall erfuhr, mit akuten Herzproblemen ins Klinikum gebracht worden. Inzwischen ist er aber wieder zuhause. “Wie kommen die Boulevard-Journalisten nur auf solch eine falsche Berichterstattung”, fragen sich Angehörige (…). “Was die Familie in den letzten Tagen mit der Regenbogenpresse mitmachen musste, grenzt an Terror.” So würden die Eltern nahezu rund um die Uhr mit Anrufen von Medienvertretern bombardiert.

Mit Dank an die zahlreichen Hinweisgeber.

Deutschlands schnellste Meinungsmache

Seit gestern kann man im Online-Angebot der “Bild”-Zeitung darüber abstimmen, ob man die “Urteile gegen die U-Bahn-Schläger für gerecht” halte.

Wem diese Frage zu kompliziert ist, oder wer beispielsweise mit Begriffen wie Gerechtigkeit nicht so viel anfangen kann, dem bietet “Deutschlands schnellste Meinung” die Möglichkeit, die Frage gar nicht zu beantworten und sich für die Option “D” zu entscheiden. Eine Mehrheit der Leser (derzeit 47 Prozent) hat das getan:

"Halten Sie die Urteil gegen die U-Bahn-Schläger für gerecht? Ausländische Straftäter immer ausweisen!"

Passend dazu fragt “Bild” heute:

"Wann werden die Schläger abgeschoben?"

Gut möglich, dass das genau die Frage ist, die “Bild”-Leser heute bewegt. Aber sie ist falsch gestellt – und die Antwort, die “Bild” gibt, auch deshalb wenig hilfreich:

Die Täter müssen einen Teil der Strafe in Deutschland absitzen, erklärt die zuständige Behörde. Mindestens die Hälfte, möglicherweise aber auch drei Viertel der Haft. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) kündigte erneut an, an der Abschiebung nach der Haft festzuhalten.

Das hatte Herrmann schon gestern gefordert – in “Bild”. Doch was “Bild” offenbar nicht wahrhaben will: Herrmann kann das überhaupt nicht entscheiden, sondern die “zuständige” Ausländerbehörde (gegen deren Entscheidung wiederum vor dem Verwaltungsgericht geklagt werden kann). Und die müsste erstmal klären, ob die “Schläger” überhaupt ausgewiesen werden dürfen. Anders als “Bild” offenbar meint, ist das keineswegs sicher.

Zwar steht in Paragraph 53 Aufenthaltsgesetz, ein Ausländer “wird ausgewiesen”, wenn er zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Aber EU-Bürger genießen einen erhöhten Ausweisungsschutz (einer der Verurteilten ist Grieche). Und der Paragraph 56 schränkt die “zwingende Ausweisung” aus Paragraph 53 unter bestimmten Voraussetzungen ein. So zum Beispiel für Leute, die längere Zeit rechtmäßig in Deutschland leben oder “mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft” leben (der andere Verurteilte wurde in Deutschland geboren, ist mit einer Deutschen verlobt und hat ein Kind mit ihr). Gemäß Paragraph 56 Aufenthaltsgesetz genießt ein Ausländer in diesen Fällen einen “besonderen Ausweisungsschutz”:

Er wird nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen.

Bei Verurteilungen zu Haftstrafen von über drei Jahren liegen diese Gründe zwar “in der Regel” vor – aber eben nur “in der Regel”. Und das Bundesverfassungsgericht entschied im August 2007, dass es bei sogenannten “faktischen Inländern” (Ausländer, die seit vielen Jahren rechtmäßig in Deutschland leben) immer auf deren “individuelle Lebensumstände” ankommt.

Auch wenn die “Bild”-Zeitung und ihre Leser es offenbar gerne anders hätten, müsste die korrekte Frage auch nach der Verurteilung der beiden “U-Bahn-Schläger” noch immer lauten:

"Werden die Schläger abgeschoben?"

Mit Dank an die zahlreichen Hinweisgeber.

Allgemein  

Das konnt’ ja echt keiner ahnen!

Aus der heutigen BILD-Zeitung: Berichtigung
Am 17. Juni veröffentlichte BILD die Meldung "Dorfbewohner schreddern Vergewaltiger". Quelle war die fast ganzseitige Berichterstattung der englischen Sonntagszeitung "Sunday Sports".* Nachrecherchen ergaben jetzt, dass der britische Artikel erfunden war.

*) [D]ie “Sunday Sport” ist weltweit bekannt und berüchtigt als Quasi-Parodie auf die Exzesse des Boulevardjournalismus.

Schlagzeilen wie “Hitler war eine Frau”, “Außerirdische haben unseren Sohn in ein Fischstäbchen verwandelt”, “Esel raubt Bank aus” sowie ausführliche Berichte über schlüpfrige Gerichtsfälle und Sex-Blödsinn haben mit dazu beigetragen, dass sich das Blatt am Kiosk hält (…).

Die Zeitung legt es darauf an, ihre Leser mit Geschichten über Prominenz, Sex und Abseitigkeiten zu schockieren, anzuregen und zu unterhalten. (…) Zu den wohl finstersten Geschichten zählen die über eine 394 Kilo schwere, deutsche Pornodarstellerin, einen Londoner Doppeldeckerbus, der im Eis der Antarktis entdeckt worden sei, einen auf dem Mond aufgetauchten Bomber aus dem Zweiten Weltkrieg, eine auf dem Mars gefundene Elvis-Statue (…) sowie zahllose Entführungen durch Außerirdische. (…)
(Aus: “The Independent” vom 17.8.2006)

P.S.: “Bild” hatte in der ursprünglichen Meldung auf eine Quellenangabe verzichtet.

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