1. “Wozu noch Zeitungen?” (sueddeutsche.de)
Sueddeutsche.de findet drei “Preisträger”, die erklären, warum “die Print-Branche wird auch morgen noch dringend benötigt” wird. Seltsame Oden an raschelndes, totes Holz und an schwarze Fingerkuppen – liest man denn Zeitungen nicht wegen dem Inhalt?
2. Bullshit-Erkennung mit Alan Posener (welt.de, Video, 3:34 Minuten)
Alan Posener hat seit einiger Zeit bei Welt Online eine neue, eigene Blattkritik-Videokolumne, in der er Zeitungsschlagzeilen auf Bullshit abcheckt. Findet er welchen, drückt er den Bullshit-Button. Und dann wirft er die Zeitung ordentlich neben sich zu Boden.
3. “Die Deutschen schnappen uns die Frauen weg” (madial.blogspot.com)
“Die Deutschen, so heisst es in Anführungsstrichen im Titel [tagesanzeiger.ch], schnappen uns die Frauen weg! Was dann folgt, ist eine einzige Demontage des im Titel angedeuteten Problems.”
Wenn man das Gerät an einen Computer anschließt, öffnet sich automatisch ein Programm mit dem die Filme zum Online-Portal von BILD geschickt werden können.
Der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten Verbands Michael Konken sagte der Nachrichtenagentur dpa dazu:
“Das bringt uns im Journalismus nicht weiter und es ist eine Aufforderung, Grenzen zu überschreiten (…). Viele werden unter Missachtung aller Persönlichkeitsrechte versuchen, Prominenten aufzulauern.” Diese Art von Sensationsjournalismus könne leicht außer Kontrolle geraten.
Bei Autounfällen würden zu allererst Kameras gezückt und damit Hilfskräfte sowie professionelle Journalisten behindert.
Tatsächlich sind die eindringlichsten Bilder der letzten Ereignisse allesamt von Laien aufgenommen worden. Egal ob 09/11 oder der Tsunami 2004, egal ob Abu Ghraib oder die Hinrichtung Saddam Husseins, es waren private Aufnahmen, die Geschichte geschrieben haben. Und ja, diese Entwicklung muss man ernst nehmen. (…)
Kai Diekmann ist für “Bild” vorgeprescht und hat sich an die Spitze einer Bewegung gesetzt, die nun einmal existiert. Und gerade weil im Journalismus bestimmte Standards gelten sollen: An dieser Front darf man Diekmann auf keinen Fall alleine lassen.
Wortvogel zieht unter der Überschrift “Jedem Arschloch seine Kamera” Vergleiche zu Orwell (“BILD Brother is watching you”) und schreibt:
Das Recht am eigenen Bild, es stirbt nicht durch Paragraphen, sondern durch Schulterzucken: “Wir haben gedacht, das sei okay – und außerdem: das Video stammt von einem Leser, WIR zeigen es ja nur”. (…)
Dann sehen wir endlich im Bewegtbild, wie der psychisch Kranke nackt über die Straße kriecht. Haben wir schließlich ein Recht drauf. Und wäre doch gelacht, wenn nicht auch ein paar “Busenblitzer” vorkommen. (…) Schwenk zum Lastwagen, der einen Golf zermalmt hat: “Hier stirbt gerade ein Mensch”. Schlimm, sowas. (…) Dann lieber weiter zu Oliver Kahn, der doch tatsächlich bei der Filmpremiere in der Seitenstraße an die Mülltonne gepinkelt hat. Konnte man genau sehen. BILD fragt einen prominenten Urologen: Sieht das Genital des Titans eigentlich gesund aus?
Spießige Frage: Gab es bei Lidl nicht schon mal Überwachungskameras…? Und wer war es, der damals den Lidls publizistischaus der Klemme geholfen hat…? (Links von uns)
1. “Sind Blogger doch Journalisten?” (gesundheit.blogger.de, strappato)
Sowohl bild.de als auch tagesanzeiger.ch berichteten über eine Studie, die herausgefunden hat, dass das Internet im Vergleich mit dem Fernsehen als die glaubwürdigere Informationsquelle angesehen wird. Strappato hat die Studie (pdf) ausgegraben. Fazit nach dem Vergleich: Die am Fall beteiligten etablierten Medien vereinfachen, sind ungenau und intransparent. Und Blogger schreiben das dann ab.
2. “New Journalism? Shoot!” (carta.info, Mercedes Bunz)
Mercedes Bunz schreibt über die für BILD.de optimierte Vado-Pocketcam von Creative, die bald für 69.99 Euro bei Lidl zu kaufen sein wird: “Das bedeutet nicht, dass man den Leser Bild-alike mit schlechtem Billigmaterial ausstatten muss. Es bedeutet aber auch keine Entwertung der professionellen Arbeit, wie der Deutsche Journalisten Verband (DJV) umgehend klagte. Diekmann hat erkannt, was schon lange Fakt ist: Dass Leser nicht nur Information lesen, sondern auch welche besitzen – und dass darunter auch Information ist, die für Journalisten interessant sein könnte.”
3. “DJV warnt vor Leser-Reportern” (csommer.de)
Auch Claudia Sommer äussert sich zum Fall und stört sich an “unqualifizierten Äußerungen” von Michael Konken vom DJV: “Welche Grenzen Herr Konken? Darf das Wort oder Bild nur die schreibende Elite ergreifen? Wir leben in einem Land der Meinungsfreiheit, falls sie dies noch nicht bemerkt haben.”
1. “Sind Journalisten Blogger?” (feynsinn.org)
Sowohl sueddeutsche.de (“1:0 für Blogger“) als auch spiegel.de (“Wie Blogger den DFB bloßstellten“) berichten über den Fall Weinreich/Zwanziger. Das Blog “Feynsinn” meint, “Blogger müssen nicht über ihre ‘Chancen’ belehrt werden”, denn die “noch kleine Öffentlichkeit” gibt es längst. “Wenn ‘Print’ aus Geldmangel nicht völlig untergehen soll, weil sich nur noch Titten-und Hitlerjournaille verkaufen läßt, muß es einen dritten Weg geben. Eine Kooperation von noch-Bloggern und noch-Journalisten bis hin zur Unkenntlichkeit der Clubfarben und völlig neue Formen der medialen Öffentlichkeit werden die Zukunft sein.”
2. “newsnetz klaut bilder bei blogger bö” (benkoe.ch, Thomas Benkö)
Statt Screenshots selbst zu machen, bedient sich das hinter tagesanzeiger.ch stehende Newsnetz bei Bloggern, ohne Verweis. Der Blogger schickt eine Rechnung, doch beim Newsnetz ist man sich keiner Schuld bewusst: “Urheberrechtlich geschützt sind im Internet nur Werke, Screenshots gehören nicht dazu.” Doch der Screenshot ist bearbeitet – ist ein Werk von Sekunden kein Werk?
3. “Faux-Pas” (sauglattismus.blogspot.com, Köbi Bünzli)
Roger Köppel spricht beim just zur Bekanntgabe der UBS-Staatsunterstützung erschienenen Cover “La crise n’existe pas” von einem “Faux-Pas”: “Fuer einmal hat die Weltwoche, was sie sonst nicht macht, den Aussagen unseres Bundespraesidenten, der NZZ und dem UBS-VR sowie dem Economiesuisse-Chef vertraut. Wird nicht mehr vorkommen.”
Wie sehr mit “Bild” die Fantasie durchgeht, weil erstmals ein türkischstämmiger Deutscher einer großen Partei vorsteht, zeigt auch diese Frage, die Hanno Kautz und Rolf Kleine in ihrem Interview Cem Özdemir gestellt haben:
Eine schlaue Antwort an die beiden “Bild”-Redakteure wäre gewesen:
Nein. Genauso wenig, wie ich mir vorstellen kann, dass vielleicht ein Bundeskanzler, ein Bundesminister oder der Bundespräsident seinen Amtseid auf die Bibel schwört. Sie etwa?
“Ich schwöre, daß ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.”
Der Eid kann auch ohne religiöse Beteuerung geleistet werden.
Denn anders als in den Vereinigten Staaten wird im deutschen Parlament, wie uns ein Sprecher des Bundestages auf Anfrage erklärt, “auf gar kein Buch geschworen” — im wörtlichen Sinne nicht einmal auf das Grundgesetz. Das ist allerdings, im Gegensatz zur Bibel, bei der Vereidigung wenigstens anwesend, weil die Eidesformel aus ihm zitiert wird. Und auf das Grundgesetz bezieht sich auch der Eid, den Minister, Kanzler und Präsident ablegen.
In diesem Eid (siehe Kasten rechts) gibt es zwar eine “religiöse Beteuerung”, die der zu Vereidigende auch weglassen kann (wie es Gerhard Schröder getan hat). Diese Formel bezieht sich aber nicht auf die Bibel, sondern allgemein: auf “Gott”.
Es dürfte ein doppelter Schock für “Bild” und ihre entsetzten Leser sein: Das Abendland, das gerade unterzugehen droht, hat es nie gegeben.
Als Cem Özdemir vor einer Woche in die Parteispitze der Grünen gewählt wurde, war die Religionszugehörigkeit des Deutsch-Türken für “Bild” ein derart wichtiges Detail, dass sie es sogar in die Überschrift geschafft hatte:
In anderen Medien war zwar eher die Rede davon, dass die Grünen erstmals einen “Türkischstämmigen”, “türkischstämmigen Politiker”, “Politiker türkischer Abstammung” und “Politiker mit ‘Migrationhintergrund'” oder (wie es die “Frankfurter Rundschau” formulierte) “ein deutsch-türkisches Gastarbeiterkind” zum Parteichef wählten. Aber bei “Bild” passte dergleichen wahrscheinlich einfach nicht ins Konzept in die Überschrift…
Heute nun druckt “Bild” ein Interview mit Özdemir — und eine große Schlagzeile:
BILD:In deutschen Schulen werden alle möglichen Fremdsprachen unterrichtet – aber kaum Türkisch. Ein Fehler? Özdemir: Auf jeden Fall. Zweisprachigkeit ist in der globalisierten Welt ein großes Plus und ein Potenzial, das wir stärker nutzen müssen. Deutsch muss für Kinder, die hier leben und aufwachsen, immer die wichtigste Sprache sein. Aber wir müssen auch dafür sorgen, dass Kinder mit Migrationshintergrund ihre Mehrsprachigkeit entfalten können. Warum soll an deutschen Schulen neben Englisch, Französisch, Spanisch und Russisch nicht auch mehr Türkisch angeboten werden?
BILD:Könnten Sie sich einen türkischstämmigen Kanzler vorstellen, einen Minister, der vielleicht seinen Amtseid auf den Koran schwört … Özdemir: Genau das sollte sich ändern, dass vor allem gefragt wird, worauf ein Minister seinen Amtseid ablegt. Ich wünsche mir, dass unsere Gesellschaft farbenblind wird. Dass es völlig unerheblich ist, woran jemand glaubt. Entscheidend muss doch sein, wie gut, qualifiziert und überzeugend ein Politiker ist. Wichtig ist doch, wo ein Politiker hin will – nicht, wo er herkommt. In diesem Sinne wünsche ich mir, dass es in Deutschland bald die erste Ministerin mit Migrationshintergrund gibt, bei der genau das keine Rolle spielt.
Wobei die große Schlagzeile einen großen Haken hat: Sie stimmt nicht. Wer das Interview liest, muss nach einer Forderung Özdemirs lange (und vergeblich) suchen (siehe Kasten).
Noch falscher allerdings ist, was die Nachrichtenagenturen ddp, AFP*, epd und AP über das “Bild”-Interview zu vermelden wissen. In mehr oder weniger identischem Wortlaut heißt es dort:
Özdemir äußerte die Hoffnung, dass möglichst bald ein Muslim oder eine Muslimin in Deutschland ein Ministeramt bekleidet (…).
Dabei ist die Religionszugehörigkeit zukünftiger Minister in Özdemirs “Bild”-Interview selbst nirgends ein Thema (siehe Kasten). Und AP hat die Meldung inzwischen sogar korrigiert (“Er äußerte zugleich die Hoffnung, dass es möglichst bald die erste Ministerin mit Migrationshintergrund in Deutschland geben werde”).
Doch was kann “Bild” dafür? Oder anders: Woher hatten die Agenturen bloß ihre “ein Muslim oder eine Muslimin”-Behauptung, wenn doch das Interview selbst bereits komplett bei Bild.de nachzulesen war, als sie daraus eine Meldung machten?
Na, von “Bild”.
Wortwörtlich stehen Muslim und Muslimin in einer “Bild”-Vorabmeldung, verschickt von “Thomas Drechsler, BILD-Zeitung, Chefredaktion Politik”. Und niemand bei den genannten Agenturen sah sich offenbar veranlasst, daran zu zweifeln (oder zu überprüfen), was “Bild” behauptete – und nun auch fröhlich in den Online-Ausgaben der “Zeit”, des “Tagesspiegels”, des “Kölner Stadtanzeigers” sowie (naturgemäß noch abwegiger) unter Islamophobikern weiterverbreitet wird.
P.S.: Dass es auch anders geht, zeigt immerhin die Nachrichtenagentur dpa. Die nämlich fasst Özdemirs “Bild”-Aussage wie folgt zusammen: “Die Karriere von Politikern sollte nach Özdemirs Ansicht nicht vom Glaubensbekenntnis oder der Abstammung abhängen.”
Nachtrag, 18.16 Uhr: Özdemir antwortet uns auf Nachfrage, dass die “fordert”-Formulierung auf der “Bild”-Titelseite (“eine Entscheidung der Redaktion”) zwar “in der Sache nicht ganz falsch” sei, aber: “Die Kernaussage meines Interviews war (…) eine andere: Es geht mir darum, wie die immer noch existierenden Spaltungen in unserer Gesellschaft überwunden werden können. Da zielt so ein Aufmacher-Titel doch eher in eine andere Richtung.” Bezüglich seiner angeblichen Hoffnung auf eine muslimische Ministerin findet Özdemir indes klare Worte:
Das war nun wirklich eine Ente, die da offenbar an die Agenturen gegeben wurde.
*) Ach ja: Sechs Stunden nach der ungeprüften Übernahme der “Bild”-Vorabmeldung (und 16 Stunden nach Veröffentlichung des Interviews auf Bild.de) hat auch AFP festgestellt, dass da was nicht stimmte, und sich korrigiert.
1. “RSS: Beginnt das Umdenken?” (georgholzer.at)
Georg Holzer fordert von den Medienhäusern brauchbare RSS-Feeds. Statt “verkrüppelt, verkürzt, auf den Titel und höchstens noch einem kurzen Teaser reduziert”, sollen sie vollständig sein. Werbung nimmt er dabei gerne in Kauf, solange sie nicht blinkt: “Dann hilft nämlich das ganze RSS-Zeugs nicht, weil man den eigentlichen Text dann schwerer lesen kann.”
2. “Freie beim Fernsehen” (taz.de, Eckart Lottmann)
“Wer ist ärmer dran? Der unterbezahlte Fernsehautor oder der überarbeitete Fernsehredakteur? Eine Tagung in Stuttgart widmete sich dieser ‘schwierigen Liebe’.”
3. “Immer mehr Gift-Spritzen aus dem virtuellen Hinterhalt” (onlinereports.ch, Peter Knechtli)
Peter Knechtli sorgt sich in einem langen Artikel um das Internet, das, so meint er, immer brutaler zur Kampfzone wird. Mit ihren Waffen, den “Buchstaben ihrer Tastatur”, würden “Schützen aus dem Hinterhalt” “gezielt Personen ins Visier” nehmen, “mit dem Ziel, sich über sie systematisch lustig zu machen, sie zu denunzieren, über sie gezielt Unwahrheiten zu verbreiten oder gar Psychoterror auszuüben”. Angegriffen werden im Text auch seit Jahren bloggende Journalisten auf dem Antville-Blog infam.antville.org. Die sind der Meinung, so anonym doch gar nicht zu sein.
1. “Sperrfrist für PR-Meldung” (blogmedien.de)
“Thomas Gottschalk hat irgendwann beim ‘Prominenten-Special’ von ‘Wer wird Millionär?’ eine Million Euro gewonnen. Nach den Vorstellungen der RTL-Öffentlichkeitsarbeiter soll’s aber erst am späten Donnerstagabend passiert sein.”
2. “Kleines Einmaleins der Filmkritik” (zeit.de, Christoph Hochhäusler)
“Ich bin Filmemacher, der durstig auf dem langen Weg zwischen Film und Film 2006 angefangen hat, einen Blog zu betreiben. Parallelfilm heißt es. Ich notiere mir Gedanken, Ideen, berichte von meiner Arbeit und von Aktivitäten anderer. Das alles ohne Zwang, ohne Regelmäßigkeit und ohne ein klares Bewusstsein von einem Gegenüber. Manchmal kommt es zu Berührungen, ein Eintrag zieht Kreise, jedes Mal unerwartet eigentlich. Wenn sich nach besonders schönen Einträgen niemand rührt, schmolle ich und mache lange nichts.”
3. “Das Schweigen der Weblogs wird unterbewertet” (newfilmkritik.de, Volker Pantenburg)
“Bei der new filmkritik fließt kein Geld, es gibt keine Werbung (außer von uns für Menschen und Dinge, die wir mögen) und niemand hat je ein Honorar bekommen. Das ist zu konstatieren, nicht zu glorifizieren. Ich bin nicht so naiv, damit irgendein Außerhalb zu den beschriebenen Markt- und Verwertungslogiken zu verbinden. Aber in bescheidenem Maße kann man natürlich versuchen, nicht mitzumachen beim abstrakten Linktausch, beim Werbebannerwettlauf oder beim USERCONTENTSERVICE-Rennen. Das geht nur, wenn man nicht davon leben muss, ganz klar.”
Während andere noch über die Aussagekraft der neuen Pisa-Studie streiten oder nach Ursachen für ihre Ergebnisse suchen, ist “Bild” heute schon einen Schritt weiter und präsentiert eine mögliche Lösung, wie man das Abschneiden Deutschlands verbessern kann:
Würden nur die Schüler, die deutsche Eltern haben, gemessen werden, schnitten alle Bundesländer im internationalen Bildungsvergleich deutlich besser ab — sieben wären unter den PISA-Top-Ten bei Naturwissenschaften (beim Lesen ist das Bild ähnlich).
“Bild” illustriert das mit einer Grafik (Ausriss rechts), die die deutlich schlechteren Ergebnisse von Kindern mit Migrationshintergrund noch extremer wirken lässt, weil die Skala nicht beil null beginnt, und stellt angesichts dessen die scheinbar naheliegende Frage:
Die deutschen SchülerInnen würden bessere PISA-Noten holen, und die Welt würde entzückt auf die Nation Goethens blicken. Außerdem könnte man in kleineren Klassen unterrichten, die Kosten für den Schulbetrieb würden sinken, und kein Mehmed würde mehr einem Fritz das Pausenbrot auf erpresserische Art und Weise entwenden.
In dieser idyllischen, rein deutschen Welt müsste man nurmehr das Problem lösen, was man mit den zahllosen Ausländerkindern macht. Sie in reine Ausländerklassen zu stecken brächte nichts – denn bei PISA wären sie wieder dabei und würden den Schnitt drücken. Alternativ könnte man ihnen einfach kategorisch den Zugang zur allgemeinen Schulbildung verwehren. Dann würden sie analphabetisch auf der Straße rumhängen, kiffen und alte Omas ausrauben — und die Boulevardpresse hätte eine neue Schlagzeile: “Brauchen wir eine Ausländer-Quote für alle deutschen Straßen?”.
“Ein schlechter Schüler”, sei er gewesen, und “nie bei der Sache”, schreibt “Bild”-Kolumnist Franz Josef Wagner heute anlässlich der PISA-Ergebnisse an die “lieben klugen Sachsenschüler”, und wer möchte das bezweifeln?
Herr Wagner, wir haben eine gute und eine schlechte Nachricht.
Die schlechte: Auch mit der gestrigen Kolumne wäre Ihre Versetzung wieder gefährdet. Bei aller Euphorie, in die Sie sich angesichts der vielen sächsischen Erfindungen schreiben — die erste Lokomotive der Welt wurde nicht 1839 in Sachsen gebaut, wie Sie behaupten, sondern schon 35 Jahre zuvor in Großbritannien. Und den ersten modernen Büstenhalter ließ 1889 Herminie Cadolle patentieren — nicht in Sachsen, sondern in Frankreich.
Die gute: Sie sind aus der Schule raus, Sie dürfen spicken! Lassen Sie sich erklären, was ein Nachschlagewerk ist, oder suchen Sie sich eine Zeitung, die noch einmal über die Texte drüberguckt, die Sie schreiben. Doch, das ist erlaubt, und es tut gar nicht weh.
PS: Ist nicht schlimm, dass Sie “Klugscheißer” hassen. Wir mögen Sie auch nicht.
Mit Dank an Peter K. und — für den Nachtrag mit dem BH — Daniel, JMM, Yannick S. und Pawel S.!