Mit der PlayStation vorwärts in die Vergangenheit

“Bild”-Chefredakteur und Bild-Digital-Geschäftsführer Kai Diekmann hat dem “kress report” erklärt, worauf es bei Online-Videos ankommt:

“Online-Videos erfordern eine ganz neue Form des Storytelling — schnell, emotional, subjektiv, selbst produziert, nicht zu akkurat.”

Zumindest der letzte Punkt ist für Bild.de nun wirklich eine Leichtigkeit. Geradezu vorbildlich ist da der aktuelle Bild.de-Video-Bericht von der Spielemesse E3, die heute in Los Angeles zuende geht, in dem es heißt:

Auch bei Sony gibt es viel Neues. Bald wird es die PlayStation 3 mit eingebautem Modem geben.

Wir wollen der hörbar erregten Bild.de-Sprecherin nicht die Vorfreude nehmen, aber “bald” ist hier im Sinne von “seit 16 Monaten” zu verstehen. Die Playstation 3 kam im März 2007 auf den europäischen Markt, und einen Internetanschluss hatte sie damals auch schon.

Aber was ist schon ein Jahr in der schnelllebigen Computerspielwelt? Gut: sehr viel, richtig. Aber doch immerhin weniger als vier Jahre. Der Bild.de-Bericht endet nämlich mit den Worten:

Ob nun “Halo 2”, “Half Life 2” oder “Doom 3” — Spielfans aus Deutschland dürfen schon mal gespannt sein, mit welchen Games sie bald die Nächte durchzocken können.

Halo 2, Half Life 2 und Doom 3 sind 2004 erschienen. Das könnte der Spannung ein bisschen Abbruch tun.

Nachtrag, 16:05 Uhr. Das neue Geschwindigkeits-Postulat bedeutet offenbar, dass alles work in progress ist bei den Bild.de-Videos. Kurz vor der Veröffentlichung dieses Eintrages hat Bild.de den Text geändert. Nun heißt es:

Auch bei Sony gibt es viel Neues. Bald wird es die PlayStation 3 mit 80 Gigabyte Festplatte geben.

Und:

Ob nun “God of War 3”, “Wii Sports Resort” oder “Final Fantasy 13” — Spielfans aus Deutschland dürfen schon mal gespannt sein, mit welchen Games sie bald die Nächte durchzocken können.

In einer ersten Version des Videos, die bis heute Mittag online war, hatte Bild.de sogar noch eine “PlayStation 4 mit eingebautem Modem” angekündigt.

Mit Dank an Marvin S., Matthias L., André L., Martin K., Florian R., Gilbert S., Matthias W., Matthias N., Roman, Andreas K. und Christoph A.

6 vor 9

Bitte hier klicken!
(stefan-niggemeier.de)
Brillanter FAS-Artikel, in dem Stefan Niggemeier das Problem, das die Messung mit Page Impressions im Online-Journalismus mit sich bringt, festnagelt: “Sollen wir die schönsten Zahlen zwischen 1 und 10 000 bringen? Oder hundert Bauchnabel? Wie der Online-Journalismus seine Autorität verspielt.” Lesen!

Verändern Blogs das Leben?
(debatte.welt.de, Don Dahlmann)
“Das Internet ist nun eine ganz nette Nummer für kontaktschwache Menschen wie mich. Man kann Kontakt halten, ohne dass man sich sehen muss. Und Blogs ermöglichen einen die neuesten Dinge zu berichten, ohne dass man reden muss. Ich mag es am Leben anderer auf diesen Weg teilzunehmen, ich mag es etwas von mir zu berichten. Ich mag es, dass ich das nicht am Telefon tun muss, denn ich telefoniere nicht so gern wenn es nichts dringendes ist und bin sowieso besser, wenn ich es aufschreiben kann.”

Medien-Ausverkauf
(medienspiegel.ch, Martin Hitz)
“Nicht nur Finanztitel scheinen das Vertrauen der Anleger verloren zu haben. Auch Medienunternehmen stehen – zumindest in den USA – derzeit nicht hoch im Kurs. So ist etwa die Marktkapitalisierung der untenstehenden zehn amerikanischen Medienunternehmen laut Alan D. Mutter inzwischen auf 3,6 Mia. US Dollar abgesunken.”

ARD und ZDF denken nicht an erneuten Boykott der Tour de France
(neues-deutschland.de, Oliver Händler)
“Die üblichen Dopingbeiträge sendet die ARD nun auch nicht mehr am Anfang der Sendung, sondern nach dem Zieleinlauf, um die vom Dopingthema müde gewordenen Fans nicht sofort an Eurosport zu verlieren. Das führte zu so skurrilen Momenten, als etwa der Zuschauer nach dem Sturz von Stefan Schumacher auf der 6. Etappe rätselte, ob sich nun der Deutsche oder Kim Kirchen aus Luxemburg das Gelbe Trikot überstreifen darf, das Erste aber eine Reportage aus einem Jugendcamp ausstrahlte, in dem französische und deutsche Talente über Doping aufgeklärt wurden.”

Zensur: Der kleine Unterschied
(ef-magazin.de, Marco Kanne)
“Es grenzt fast an Comedy. Ausgerechnet Mitglieder der SPD krähen ‘Zensur, Zensur!’ in einem der wirklich wenigen Fälle, in denen ihre Partei mal nichts mit mit der staatlichen Einschränkung der Meinungsfreiheit zu tun hat.”

Simon’s Cat ‘TV Dinner’
(youtube.com, Video, 2:35 Minuten)
Simons grausame Katze hat wieder zugeschlagen. Diesmal guckt sie mit ihrem Ernährer gemeinsam TV.

6 vor 9

Klickdoping mit 16 Buchstaben
(stefan-niggemeier.de)
“Mit allen Mitteln versuchen die Online-Medien die Zahl ihrer PageImpressions künstlich in die Höhe zu treiben, denn diese Zahl wird gerne fälschlicherweise für eine Messgröße für Erfolg und gar Qualität gehalten.”

Entsorgung Gratiszeitungen
(sf.tv, Video, 2:14 Minuten)
“Gratisblätter sollen die Kosten für die Entsorgung ihrer Zeitungen übernehmen. Dies schlägt Preisüberwacher Rudolf Strahm Umweltminister Moritz Leuenberger vor. Auch Take-Aways sollen künftig für Abfälle zahlen, die ihre Kunden liegenlassen.”

Die Medien als Buhmann
(zeit.de, Sebastian Moll)
“Team Gerolsteiner gehört zu den besten Teams der Tour. Einen Sponsor sucht die Mannschaft aber vergeblich. Das Moralisieren der deutschen Medien soll daran schuld sein.”

Ups, verzahnt
(bildblog.de, Clarissa)
Bild.de kopiert fast einen ganzen Artikel aus der Süddeutschen Zeitung.

Media Top 100 2008
(guardian.co.uk)
MediaGuardian kürt, wie jedes Jahr, die Top 100 Medienleute.

The web is the most conservative force on Earth
(spectator.co.uk, Charles Leadbeater)
“Digital technology has made us a society of mass archivers, says Charles Leadbeater. Far from rotting our brains, the web enables us to preserve all our memories.”

Allgemein  

Ups, verzahnt

Wie schon vor einem Monat mal pfeifen wir auch heute wieder aufs Urheberrecht und zeigen hier einen kompletten Bild.de-Artikel, veröffentlicht gestern gegen 13.30 Uhr:


Denn alle gelb angestrichenen Passagen stammen (zum Großteil sogar wortwörtlich) aus einem Artikel der “Süddeutschen Zeitung” vom gestrigen Montag.* Oder, um es mit Bild.de-Chefredakteur Manfred Hart zu sagen:

Was ist bislang das Erfolgsgeheimnis von Bild.de?
Wie bereits gesagt, guter Journalismus und eine perfekte Verzahnung der großen Print-Redaktion mit den Online-Kollegen.

Immerhin wissen wir jetzt, was für den Bild.de-Chef “guter Journalismus” ist — und welche “große Print-Redaktion” er wohl gemeint hat.

*) außer natürlich der falsch geschriebene Name im dritten Absatz

Katzen würden Hausmüll tanken

Da hat der Ex-Bundesverkehrsminister Krause aber noch mal Glück gehabt. Denn ebenso gut hätte über ihn in der heutigen Berlin-Brandenburg-Ausgabe der “Bild”-Zeitung Folgendes stehen können:

"Ex-Bundesverkehrsminister Günther Krause  Aus toten Katzen mache ich Benzin"

Stattdessen steht heute über Krause in “Bild” jedoch bloß:

"Ex-Bundesverkehrsminister Günther Krause  Ich mach jetzt aus Müll Erdöl"

Wobei auch das nichts heißen muss. Denn vor ein paar Jahren berichtete “Bild” ja schon einmal über einen Mann, der offensichtlich mit einer überaus ähnlichen Technik arbeitet wie Günther Krause. “Bild” entschied sich damals, sie bundesweit dahingehend, ähm, zusammenzufassen, dass er “aus Katzen Benzin” mache. In einer “Bild”-Regionalausgabe aber hatte die Sache zunächst auch ganz harmlos angefangen:

"Spritwunder von Freiberg: Ich mache aus Müll bissigen Diesel"

Erstaunlich an dem heutigen “Bild”-Bericht ist aber auch, dass Krause dort über sein Erdöl-Rohöl-aus-Müll-Projekt behaupten darf, er sei “der Erste, der das schafft!” — und dafür kein Moment mal! oder Mal sachte! von “Bild” erntet, sondern bloß ein aufmunterndes:

“Schöne Idee, warum hatten sie nicht andere?”

Kurz korrigiert (473 – 477)

Manche lesen “Bild” ja nur wegen der Sport-Berichterstattung. Wir würden abraten, denn…

  • … “Bild” berichtet aus dem Trainingslager von Mainz 05 und macht dabei den Norweger Jörn Andersen zum Dänen. Außerdem lautet der Nachname von Elkin Soto immer “Soto” – und nicht manchmal “Sotos”.
  • … im Artikel über die “Aftershow-VIP-Party” nach dem Boxkampf von Wladimir Klitschko wird Tim Mälzer mit den Worten zitiert, er sei beim “Charity-Fußball-Cup von Christoph Metzelder” von Metzelder “umgeruppt”worden. Das ist eher unwahrscheinlich, da das Benefizspiel von Per Mertesacker initiiert worden war (was man theoretisch auch bei “Bild” wusste) – und Christoph Metzelder gar nicht mitgespielt hat.
  • … anders als Bild.de behauptet, hat Werder Bremen auch nicht gegen Oldesloe 5:0 gewonnen, sondern gegen den VfL Oldenburg.
  • … und dann ist da natürlich noch diese Meldung aus dem “News-Ticker” von Bild.de:

    Der Italiener Leonardo Piepoli (36) vom spanischen Team Saunier Duval hat die erste Hochgebirgsankunft der 95. Frankreich-Rundfahrt für sich entschieden. Der Giro-Berg-König von 2007 setzte sich im Finale der 10. Etappe nach 156 km von Pau zur Ski-Arena Hautacam im Ziel auf dem 1520-m-Pass im Schlusspurt vor seinem spanischen Landsmann Juan Jose Cobo durch.
    (Hervorhebung von uns)

Mit Dank an Timo B., Tobias D., Benni K., Olaf K., Tanja K., Peter S. und Konni!

6 vor 9

Hooligans zünden Fussballgoal an – eine Mediengeschichte
(klartext.ch, Bettina Büsser)
Fans des FC Basel und von Borussia Dortmund geraten am Uhren-Cup in Grenchen (Fussball) aneinander. Die Wahrnehmung der Ereignisse ist unterschiedlich. Liest man die Sicht von Zeitungen und Agenturen, so muss es sich um eine wilde Schlacht gehandelt haben. Liest man die Sicht des Veranstalters, so war alles recht harmlos.

Die BLM und das bayrische Internet
(off-the-record.de)
Die Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) versucht das Internet zu kontrollieren. Sollte das nicht gelingen: “Wohin dann mit all den beruhigenden Nachrichtenfilmen, die Köhler bei Abschreiten von Ehrenformationen mit Phantasieuniformen zeigen? Stattdessen plötzlich womöglich überall im Web Menschen, die die Welt zeigen, wie sie ist und über Inhalte reden.”

Das ? muss ? ich ? sofort ? bloggen!
(blog.kooptech.de, Christiane Schulzki-Haddouti)
Eine Journalistin holt Statements bei Bloggern ein und muss zusehen, wie ihre Exklusiv-Informationen gleich verbloggt werden. Unser Tipp: Erst veröffentlichen, dann Statements einholen.

“Natürlich ist das auch eine PR-Nummer”
(sueddeutsche.de, Ruth Schneeberger)
Dummy-Chefredakteur Oliver Gehrs macht erste negative Erfahrungen mit Bloggern: “Ich hätte nicht gedacht, dass wir als links orientiertes Magazin einmal in den Verdacht geraten könnten, rassistisch zu sein. Wir dachten, dass jedem klar ist, dass wir eine politische Diskussion darüber anstoßen wollen, ob man ‘Neger’ sagen darf. Im Blog haben wir es aber offenbar auch mit manchen recht soziopathischen Persönlichkeiten zu tun. Wer setzt sich denn von 16 bis 24 Uhr an den Computer und kommentiert wie wild? Teilweise ist das auch Verschwendung von Intellekt, denn das sind manchmal ganz luzide Kommentare.”

“Ich bin überhaupt kein Opfer”
(jetzt.sueddeutsche.de, Uli Karg)
Carla Bruni-Sarkozy im Interview: “Ich hatte nie ein Problem mit der Presse. Ich respektiere die Medien. Was auch immer geschrieben wird, es stört mich nicht. Es gibt keine Möglichkeit die Medien zu kontrollieren, also gibt es auch keinen Grund, es zu versuchen. Die Aufgabe der Medien ist es, zu informieren. Und das machen sie, sogar wenn sie kritisieren oder negativ berichten. Und das ist wichtig. Die Medien sind wie ein Fenster zur Welt.”

Der König der Fremdschämer
(faz.net, Marie Katharina Wagner)
“Singen kann er nicht, seltsam ausschauen tut er auch: Alexander Marcus hat trotzdem seine Nische gefunden. Er nennt sich selbst den ‘King of Electrolore’ und hat eine neue Etappe in der Musikgeschichte angebrochen: ‘Schlager 2.0’.”

Allgemein  

Die “miese Schlägerin” und der falsche Polizist

Die folgende Geschichte beginnt mit einer ungewöhnlichen Pressemitteilung der Berliner Polizei und endet damit, dass der Axel Springer Verlag 5.000 Euro an die 30-jährige Petra B. [Name von uns geändert] zahlt. Es ist eine Geschichte über die beunruhigenden Arbeitsmethoden der “Bild”-Zeitung.

Aber beginnen wir mit der Polizeimeldung vom 13. Mai:

Ein kleines Mädchen ist am Abend des 12.5. von einer 30-jährigen Frau in Hohenschönhausen geschlagen worden. Gegen 19 Uhr 30 kam es auf einem Spielplatz zu einem Streit unter Kindern. Die 30-Jährige schlug in dessen Verlauf zweimal mit der Faust gegen den Kopf des zehnjährigen Mädchens. Außerdem beleidigte sie das Kind auf Grund seiner Hautfarbe. Polizeibeamte nahmen eine Anzeige auf, der Polizeiliche Staatsschutz hat die Ermittlungen übernommen.

Deutliche Worte für eine polizeiliche Pressemitteilung. Kein “wird verdächtigt”, kein “soll”, kein Konjunktiv weit und breit. Man könnte also sagen: eine gute Vorlage für die “Bild”-Zeitung.

"Schäm dich, du miese Schlägerin"Die berichtete am 14. Mai unter der Überschrift “Schäm dich, du miese Schlägerin” über den Vorfall (siehe Ausriss). Sie druckte einen Ausriss der Pressemitteilung ab und zitierte einen “Polizeisprecher” mit den Worten: “Die Frau schlug zweimal mit der Faust gegen den Kopf des Mädchens. Außerdem beleidigte sie das Kind aufgrund seiner Hautfarbe”. Über ein notdürftig anonymisiertes Foto von Petra B. schrieb “Bild”: “Die Täterin”. Kurzum: “Bild” machte aus der vorverurteilenden Polizeimeldung einen eigenen vorverurteilenden Bericht. Außerdem wies “Bild” auf ein Bild.de-Video hin, das Petra B. zeigte, wie sie einen Mann beschimpft und ihm Schläge androht, falls er sie nicht in Ruhe lässt.

Petra B. jedoch schildert den Vorfall anders:

Am Abend des 12. Mai sitzt sie mit ihrer türkischen Freundin auf dem Balkon und sieht, wie ein größeres Mädchen ihre Tochter auf dem nahegelegenen Spielplatz gegen einen Zaun drückt. Petra B. läuft zum Spielplatz, stellt dort aber fest, dass der Streit schon beendet ist. Dennoch greift sie das afghanische Mädchen am Handgelenk und sagt ihm, es soll ihre Tochter, die vor einiger Zeit eine schwere Wirbelsäulenverletzung hatte, in Ruhe lassen. Kurze Zeit später trifft die Polizei ein, die von der Familie des afghanischen Mädchens gerufen wurde. Die Polizei nimmt die Zeugenaussagen auf – auch die von Petra B.s Freundin, die aussagt, dass B. das Mädchen weder geschlagen noch rassistisch beleidigt hat.

Am nächsten Tag steht ein Mann vor dem Haus, in dem Petra B. wohnt, und sagt, er sei von der Polizei. Petra B. wundert sich, da sie doch schon am Abend vorher mit der Polizei gesprochen hatte. Als sie jedoch sieht, dass sich in einem Gebüsch im Hintergrund ein weiterer Mann mit Kamera versteckt hält, ahnt sie, dass der Mann kein Polizist, sondern ein Reporter ist. Aufgebracht beschimpft Petra B. die beiden – und muss tags drauf feststellen, dass ihre Beschimpfungen mitgefilmt worden und (eingebaut in den “Schäm dich”-Artikel und ohne Hinweis auf den Anlass ihrer Empörung) auf Bild.de als Video zu sehen waren.

Soweit also Petra B.s Version, wie sie weder in der Pressemitteilung der Polizei noch in “Bild” vorkommt.

Aufgebracht über den einseitigen “Bild”-Artikel und das irreführende Video nahm sich Petra B. einen Anwalt, der von “Bild” eine Gegendarstellung verlangte. Am 3. Juli kam es deswegen zur Verhandlung vor dem Landgericht Berlin, an deren Ende der Axel Springer Verlag und Petra B. sich jedoch darauf einigten, dass der Verlag der Frau 5.000 Euro Entschädigung zahlt und das Video aus dem Netz nimmt. Im Gegenzug verzichtete Petra B. nicht nur auf den Abdruck einer Gegendarstellung, sondern auch auf eine Anzeige gegen den Reporter, der sich als Polizist ausgegeben habe – was eine Nachbarin bestätigen könne.

Zumindest für “Bild” und den falschen Polizisten ist die Geschichte damit erledigt.

Und weil Bild.de nicht ausdrücklich verpflichtet wurde, den Artikel zu löschen, ist er dort (ohne das Video) nach wie vor online.

Ein rudimentäres Protokoll der Gerichtsverhandlung gibt es auf buskeismus.de.

Bloß früher VI

Okay, als die “Bild”-Zeitung damals, im Januar 2007, ein Hochzeitsfoto des “im Irak verstümmelten US-Soldaten” Ty Ziegel und seiner Ehefrau Renée zeigte, war sie auch schon ein Vierteljahr zu spät dran. Aber immerhin schrieb “Bild” damals selbst, dass die Hochzeit bereits im Oktober 2006 stattgefunden hatte.

Am vergangenen Samstag schrieb “Bild” zwar wieder, dass Ziegel Renée “im Oktober 2006” geheiratet hatte, zeigte das Hochzeitsfoto von damals noch einmal, verkündete aber (unter Berufung auf das “Sunday Times Magazine”):

Ehe-Aus nach 15 Monaten

Dass allerdings der Artikel im “Sunday Times Magazine” bereits im Mai erschienen war, enthielt die “Bild”-Zeitung ihren Lesern ebenso vor, wie sie die Tatsache verschleierte, dass Ty und Renée (Oktober ’06 + 15 Monate) bereits seit Januar dieses Jahres geschieden sind. Soviel dazu.

Doch wer sich jetzt fragt, wieso “Bild” überhaupt erst sechs Monate nach der Scheidung und zwei Monate nach Erscheinen des “Sunday Times Magazine”-Artikels berichtete, hat vermutlich das aktuelle Magazin der “Süddeutschen Zeitung” noch nicht gesehen. Erschienen zwei Tage vor dem “Bild”-Artikel, findet sich darin als Titelgeschichte (siehe Abb.) eine Übersetzung des Originals vom Mai. Und auch dort heißt es natürlich unumwunden, dass sich die beiden bereits “im Januar 2008” hatten scheiden lassen.

Offenbar hat das “SZ-Magazin” aber ohnehin keiner bei “Bild” wenigstens halbwegs aufmerksam gelesen. Denn der “Bild”-Artikel endet mit den Worten:

Geweint hat Ty um Renée nicht. Er hat keine Tränenkanäle mehr.

Klingt krass, ist aber Quatsch.*

*) In “Sunday Times Magazine” und “SZ-Magazin” heißt es: “(…) Tyler neigt den Kopf nach links und schüttelt sich eine Träne aus dem Auge. ‘Mir fehlte der Tränenkanal, der die Flüssigkeit ablaufen lässt, also haben sie mir einen aus Glas eingesetzt’, erzählt er. ‘Aber mit dem bin ich nicht zurechtgekommen, da hab ich ihn wieder rausgezogen.’ Wenn ihm wie jetzt in der Kälte die Augen tränen, muss er den Kopf neigen, um die salzige Flüssigkeit ablaufen zu lassen. (…)” Ob Ty Ziegel um Renée geweint hat oder nicht, weiß erstaunlicherweise nur “Bild”.

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Blogger – Machtergreifung der Machtlosen
(ejo.ch, Marcello Foa)
Ein bemerkenswerter, von Oliver Heinemann übersetzter Text, der zuerst im Il Giornale vom 15.06.2008 erschien: “Es gab eine Zeit, da führten New York Times, Washington Post und Wall Street Journal die Politiker dieser Welt quasi am Gängelband, derart gross waren Macht und Einfluss dieser Blätter. Heute ist das definitiv nicht mehr so. Oder besser: nicht mehr ganz so.”

Kasperletheater auf der Oberahornalm
(welt.de, Antje Hildebrandt)
Politische Sommerinterviews im ZDF: “Tatsächlich muss man sich diese Treffen wie ein Kasperletheater vorstellen. Quer durch alle Fraktionen versuchen die Strippenzieher der Politik den Anschein zu erwecken, als würden sie sogar noch in der Sommerpause die Nähe zum Bürger suchen: ‘Seid Ihr alle da?'”

Journalisten vs. Teams
(racingblog.de, Don Dahlmann)
“Die meisten bekannteren Journalisten im Automobilbereich sind ziemlich fest mit der Industrie verwoben. Manche machen es geschickt, andere kokettieren offen mit ihren Verbindungen zu wem auch immer. Andere wiederum geben offen zu, dass die Weihnachtsfeier irgendeines Rennsportzulieferes moderieren oder auch mal bei der Präsentation eines neuen Autos zum Mikrofon greifen.”

Endemol vermisst mutige Sender
(ftd.de, Lutz Knappmann und Andrew Edgecliffe-Johnson)
“Der Deutschlandchef der TV-Produktionsgesellschaft Endemol warnt vor einer übertriebenen Renditeorientierung im Fernsehgeschäft. Man könne ‘die Zitrone nicht ewig quetschen’, sagte Borris Brandt im FTD-Interview. Vielen TV-Sendern fehle der Mut.”

Ich bin das Sommerloch
(moritzleuenberger.blueblog.ch, Moritz Leuenberger)
Der schweizer Medienminister füllt unfreiwillig das Sommerloch gewisser Medien. Dabei hat er doch nur abgenommen.

Endlich!
(achtmilliarden.wordpress.com, Oskar Piegsa)
“Der endgültige Kanon der allerallerbesten Zeitschriften der Welt.”

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