Leichenfledderei im Zigeunergrab

– Von Eckhard Henscheid –

Déjà Vu?


Im August 1970 erschien das Satiremagazin “Pardon” mit einem 12-seitigen “Extra” zur “Bild”-Zeitung. Den “Pardon”-Machern (darunter Eckhard Henscheid, Wilhelm Genazino, Peter Knorr – und der spätere “Stern”-Redakteur Gerhard Kromschröder, der wie Günter Wallraff u.a. mit Undercover-Reportagen für Aufsehen und Skandale sorgte und dem wir es verdanken, überhaupt von diesem “Pardon Extra” erfahren zu haben) ging es in ihrem “Sonderdruck” vorrangig darum, humorvoll und doch ernsthaft “Bild” auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und “BILD-Lügen” zu entlarven; ungefähr das also, was – knapp 40 Jahre später – auch wir versuchen…

Wir dokumentieren (mit herzlichem Dank an Kromschröder!) jeden Tag eine der “BILD-Lügen” aus dem “Pardon” von damals.

Es scheint, als hätte sich über die Jahre bei “Bild” nicht wirklich viel geändert…

In der Nacht vom 17. zum 18. Juli 1970 wurde in Magstadt bei Sindelfingen (Württemberg) das Grab des zwei Tage vorher beerdigten Rentners Anton Lauster, Mitglied einer ortsansässigen Zigeunergruppe von Unbekannten geöffnet. Aus dem Sarg wurde eine goldene Uhr gestohlen. Ursache der Leichenfledderei war ein Artikel, der am 17. Juni in der BILD-Zeitung erschienen war. Überschrift:

Im Zigeunergrab liegen 45 000 Mark

BILD hatte berichtet, im Grab des “Zigeunerbarons” Lauster befänden sich nach dessen testamentarischem Willen außer den 45 000 Mark Bargeld auch noch Schmuck im Wert von 15 000 Mark, das Bett, in dem Lauster gestorben sei, und sein Lieblingsmantel aus Schafsfell.

Dazu Magstadts Bürgermeister Bohlinger, der alle rechtlichen Angelegenheiten der Familie Lauster betreute und also auch das Testament kannte: Im Grab waren lediglich der Mantel des Toten, ein Ring, zwei Kissen und eine Uhr.

Bohlinger weiter: Rentner Lauster, Vater von 11 Kindern zwischen 3 und 22 Jahren, habe keineswegs über die Geldsummen verfügt, die man ihm angedichtet habe. Es sei völlig absurd, daß er so viel Geld mit ins Grab genommen habe.

Die Witwe des Verstorbenen hatte schon am 17. Juli – noch vor der Grabschändung – gegen die BILD-Zeitung eine Zivilklage wegen Verleumdung und wegen Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener eingereicht.

Ein Sohn des Verstorbenen nach der Grabschändung: “Hier in der Gegend weiß jeder, daß wir so viel Geld nicht haben.”

Urheber des Berichts, der zu der Leichenfledderei geführt hat, ist das mit BILD zusammenarbeitende Pressebüro Teichmann aus Stuttgart.

Teichmann auf Anfrage von PARDON, woher er seine Informationen bezogen habe: “Das Gerücht geht durch die Straßen von Magstadt.”

Nach der Grabschändung, am 20. Juli, veröffentlichte BILD eine Richtigstellung (siehe Faksimile), die für den Uneingeweihten als solche nicht erkennbar ist.

Der BILD-Chef von Baden-Württemberg, Reinhold Stimpert, auf den BILD-Türken angesprochen:

“Was soll’s? Das gibt allenfalls ‘ne Rüge vom Presserat”.

 
Lesen Sie morgen: “Bild” über eine Autopanne mit Folgen – und was der ADAC dazu sagte. Die BILDblogger sind derweil – wie üblich – noch im Winterschlaf.

Nicht vergewaltigt! Märchen zu einem Foto

– Von Wilhelm Genazino –

Déjà Vu?


Im August 1970 erschien das Satiremagazin “Pardon” mit einem 12-seitigen “Extra” zur “Bild”-Zeitung. Den “Pardon”-Machern (darunter Eckhard Henscheid, Wilhelm Genazino, Peter Knorr – und der spätere “Stern”-Redakteur Gerhard Kromschröder, der wie Günter Wallraff u.a. mit Undercover-Reportagen für Aufsehen und Skandale sorgte und dem wir es verdanken, überhaupt von diesem “Pardon Extra” erfahren zu haben) ging es in ihrem “Sonderdruck” vorrangig darum, humorvoll und doch ernsthaft “Bild” auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und “BILD-Lügen” zu entlarven; ungefähr das also, was – knapp 40 Jahre später – auch wir versuchen…

Wir dokumentieren (mit herzlichem Dank an Kromschröder!) jeden Tag eine der “BILD-Lügen” aus dem “Pardon” von damals.

Es scheint, als hätte sich über die Jahre bei “Bild” nicht wirklich viel geändert…

Wahr an der wüsten Vergewaltigungsgeschichte [oben] sind nur ihre ersten beiden Sätze:

Eine Frau liegt nackt zwischen Büschen und Bäumen auf dem Boden eines Parks im Hamburger Villenvorort Othmarschen. Polizeibeamte haben sie notdürftig mit einem Mantel zugedeckt.

Diese beiden Sätze allerdings sind nichts weiter als eine schlichte Fotobeschreibung. Eine Vergewaltigung läßt sich daraus nicht ableiten. Trotzdem heißt es in dem BILD-Artikel weiter:

Vor Scham wagt die Frau nicht ihre Augen zu öffnen: Drei Männer haben sie kurz vorher vergewaltigt!

Haben sie das?

Harry Benze, Kriminalbeamter in der Pressestelle der Hamburger Polizei: Die Frau war, als die Polizei sie im Park liegend antraf, zunächst einmal “restlos voll” (Benze). Sie war zusammen mit einer anderen Frau und drei Männern auf St. Pauli gewesen. Die fünf müssen dort “ganz schon reingeblasen haben” (Benze).

Und dann?

Noch immer ist keine Vergewaltigung in Sicht. Die Wahrheit sieht friedlicher und sogar lustvoller aus; denn “Liebesgelüste” (Benze) überkamen die fünf fröhlichen Zecher. Also zogen sie – durchaus in “gegenseitigem Einvernehmen” – in einen Park in Othmarschen und verzogen sich ins Gebüsch.

Kripomann Harry Benze: “Die Frau hat sich selbst ausgezogen” und sei dann, als das St. Pauli-Abenteuer endgültig in dem Gebüsch sein Ende gefunden habe, einfach liegen geblieben und eingeschlafen. “Als unsere Beamten in den Park zu ihr kamen, sagte sie nur: ‘Laßt mich doch liegen…'”

Aber der Kripomann wollte selbst erfahren, wie die BILD-Zeitung zu ihrer groß aufgemachten Vergewaltigungs-Version gekommen war. “Ich habe bei BILD angerufen und mich erkundigt. Da haben die mir gesagt: Das ist doch so ein herrliches Foto, das müssen wir doch irgendwie verkaufen…”
 
Lesen Sie morgen: Wie “Bild” für eine Leichenfledderei sorgte. Die BILDblogger sind derweil – wie üblich – noch im Winterschlaf.

BILDblog hält Winterschlaf (3)

Gerade wollten wir uns – wie üblich – über die Feiertage in einen energetischen Sparzustand (Topor) versetzen, da erreichte uns folgende Nachricht:

Nun ja. Wie die von uns gewählte Aufmachung vielleicht schon vermuten lässt, stimmt das zwar nicht wirklich. Aber erstaunlich ist es schon, was die legendäre Satirezeitschrift “Pardon” da im August 1970 für einen 12-seitigen “Sonderdruck” angestellt hatte! Nämlich quasi dasselbe, was auch wir knapp 40 Jahre später ebenfalls versuchen: die kleinen Merkwürdigkeiten und das große Schlimme in einer großen deutschen Boulevardzeitung öffentlich zu machen. Oder, um es mit “Pardon” zu sagen:

Also: Wenn Sie schon Springers BILD lesen – jeder macht mal was Dummes – dann ärgern Sie sich nicht hinterher und sagen: “Sowieso alles erstunken und erlogen!”, sondern schauen Sich doch mal genauer hin! Vielleicht finden Sie ja etwas Wahres. (…)

Aber Vorsicht! Übernehmen Sie sich nicht!

Anlass für den “PARDON-Lesewettbewerb” war offenbar folgende Aussage des ehemaligen “Spiegel”-Redakteurs und damaligen Regierungssprecher Conrad Ahlers vom Februar 1970:

Die Springer-Zeitungen – die “Bild”-Zeltung allen voran – sind heute das, was man Kampfpresse nennt. Es ist eine Presse, die Nachrichten verfälscht und die eine Art von Polemik betreibt, die nach meinem Eindruck mit dem, was wir in Artikel 5 unter der Meinungsfreiheit im demokratischen Staat verstehen, kaum noch zu vereinbaren ist.

Dass Ahlers wiederum zwei Monate später … Ach, was! Das würd’ jetzt echt zu weit führen. “Pardon” jedenfalls schrieb vor fast 40 Jahren wegen Ahlers:

Zugegeben, es sieht nicht mehr originell aus, die BILD-Zeitung der Nachrichtenverfälschung zu beschuldigen.

(…) Dennoch sind die oft banal-dummen BILD-Lügen von entscheidender Wichtigkeit. Zum einen natürlich, weil sie gerade die Art von Meldungen darstellen, von denen diese Zeitung lebt. Zum anderen, weil sie ein Methode dokumentieren, nach der zu arbeiten bisher erbittert – und mit Erfolg – abgestritten worden ist.

Denn (…) BILD hat kaum einen Hehl daraus gemacht, in der Nachrichtenauswahl ausschließlich BILD-Interessen in den Vordergrund zu stellen. Nur eines behauptet diese Zeitung noch immer mit Vehemenz: Daß zumindest die Nachrichten, die von ihr veröffentlicht werden, den Tatsachen entsprechen.

Und anschließend erbrachte das Satireblatt dann den Beweis des Gegenteils: ein halbes Dutzend “Nachweise von BILD-Lügen”, die (auch das stand damals in “Pardon”) “mehr als die Richtigstellung möglicherweise nicht sehr wichtiger Meldungen” sind:

Sie sind Modellfälle für Fälschungen, die sich beliebig auf den politischen Rahmen übertragen lassen, weil sie das letzte journalistische Credo, das BILD noch zu bieten versucht, außer Kraft setzen.

Nun ja… In welchem Maße die “Pardon”-Macher mit ihrer “Modellfälle”-Behauptung Recht behalten sollten, wissen wir vielleicht erst heute.

Und weil wir selbst bislang nichts wussten von diesem BILDblog-Vorläufer, machen wir diesmal aus unseren Winterschlaf ein Nickerchen – und dokumentieren hier ab morgen jeden Tag eine der “BILD-Lügen” von damals im “Pardon”-O-Ton.

P.S.: Aufmerksam gemacht auf diesen BILDblog-Vorläufer hat uns übrigens kürzlich Gerhard Kromschröder, damals selbst als “Pardon”-Redakteur an dem “Sonderdruck” beteiligt. Wir danken ihm herzlich – auch dafür, dass wir das alles einfach mal nachdrucken dürfen!
 
Und natürlich danken wir für die sachdienlichen Hinweise des Jahres 2008 auch A.J., A.T., A.W., Adam L., Adrian C., Alexander, Alexander B., Alexander D., Alexander F., Alexander H., Alexander K., Alexander T., Alexander W., Alexander Z., Alfons S., Alice, Andeas K., Andre L., Andre M., Andreas, Andreas B., Andreas F., Andreas H., Andreas K., Andreas M., Andreas R., Andreas S., Andy, Anke, Annette Z., Annika, Arndt P., Arne B., Arne K., Arne V., Axel F., Axel K., Axel L., B.H., B.S., Balin, Bastian D., Bastian P., Ben, Bene F., Benedikt G., Benjamin B., Benjamin H., Benni K., Benno K., Bernd K., Bernd V., Berthold, Bgd, Björn G., Björn L., Björn M., Björn P., Boerries K., Boris H., Branko F., Bruno B., Carsten F., Carsten K., Carsten P., Carsten W., Casey J., Chris, Chris B., Christian, Christian E., Christian H., Christian K., Christian L., Christian R., Christian S., Christian W., Christian Z., Christoph, Christoph A., Christoph C., Christoph G., Christoph H., Christoph K., Christoph S., Christoph von G., Christopher, Claudius L., Claudius R., Daniel, Daniel D., Daniel E., Daniel F., Daniel J., Daniel K., Daniel N., Daniel R., Daniel W., Daniela L., Daniele, David A., David D., David K., Denis K., Dennis, Dennis S., Denny W., Derossi, Desponia, Dieter S., Diggernansy, Dirk, Dirk B., Dirk H., Dirk S., Dirty Harry, Dominic G., Dominic I., Dominik M., Eagleeye, Ekkart K., Ekkehard V., Eko, Ellen L., Eric H., Erich D., Esther T., Eugen, F.S., F.W.H., Fabian , Fackelmann, Falk F., Falk R., Felix, Felix F., Fish000r, FKTozz, Flo F., Florian, Florian A., Florian C., Florian E., Florian R., Florian S., Florian Z., Frank, Frank E., Frank G., Frank L., Frank M., Frank N., Frank T., Frauke M., Frederic S., Friedrich E., Gabi, Gambit, Gecko78, Georg, Georg H., Gerald S., Gerd S., Gerhard M., Gerion H., Gerold, Gerrit C., Gesine G., Gila M., Gilbert S., Gingi, Götz N., Gowinda G., Gregor G., Gustav, Gustav L., H.-D., Hagen M., Haitol Seth, Han Delong, Hannes M., Hanno L., Hanns K., Hauke H., Heiko, Heiko F., Heiko R., Heiko S., Heiko Z., Heinz B., Heinz-Gerd R., Helge J.G., Hendic, Hendric S., Henning K., Henning S., Henry W., Herbert F., Heribert, HerrSalami, Hoi Polloi, Holger, Holger K., Holger P., Holger S., Holger W., Horst E., Hubert S., Ilo, Ina L., Inga J., Ingo W. H., Irene, Ivo B., ix, Jacob, Jadawin, Jan, Jan B., Jan D., Jan E., Jan F., Jan K., Jan Marco S., Jan W., Jan-Dirk S., Jan-Henning S., Janis S., Jannick S., Jason, Jason M., Jens, Jens B., Jens D., Jens G., Jens J., Jens K., Jens L., Jens N., Jens T., Jens V., Jens W., Jerome H., Jings, JMM, Joachim, Joachim W., Jochen S., Joerg G., Joern T., Johannes B., Johannes K., Jonas D., Jonas G., Jonas I., Jörg F., Jörg H., Jose-Antonio G., Josef D., Judith S., Julian P., Jürgen G., Jürgen K., Jürgen L., Kai B., Kai D., Kai Z., Karim A., Katharina P., Kathrin B., Katrin E., Kauf, Kermit, Kerstin, Kim D.S., King K., Kirstin M., Klaus, Konni, Konstantin, Konstantin M., Kr51-2, Lars H., Lars K., Lars M., Lasse P., Lennart F., Lennart S., Leo, Leon B., Linus K., Lorenz S., Lothar S., Lothar W., Ludwig H., Lukas B., Lukas H., Lukas R., Lukas S., Lutz A., Lutz K., M.M., M.P., Maik, Maik L., Malte, Malte L., Mandy, Manfred L., Manu B., Manuel, Manuel B., Manuel G., Manuel L., Map, Map, Marc A., Marc B., Marc D., Marc L., Marcel B., Marcel E., Marcel G., Marcel H., Marcel M., Marcel W., Marco F., Marco P., Marcus H., Maren, Mario G., Markus, Markus, Markus F., Markus H., Markus S., Markus W., Marlon K., Maro, Martin, Martin A., Martin B., Martin F., Martin G., Martin K., Martin L., Martin M., Martin N., Martin S., Marvin, Marvin S., Mathias, Mathias B., Mathias N., Matthias B., Matthias K., Matthias L., Matthias S., Matthias von S., Matthias W., Max M., Max S., Meik J., Micha, Micha Z., Michael B., Michael D., Michael F., Michael H., Michael K., Michael L., Michael M., Michael P., Michael R., Michael S., Michael Z., Mick, Mike S., Monika, Moritz E., Moritz S., Murat B., Mustafa, Mutlu Y, N., Nat, Nicky S., Nico D., Nico van G., Nico W., Nicolas G., Niels D., Niklas P., Niklas V., Nils, Nils F., Nils-Christian C., Nina S., Nogger, Noir, Norbert, Norbert P., Olaf, Olaf K., Olaf N., Olaf S., Olaf T., Oliver D., Oliver H., Oliver K., Oliver M., Oliver O., Oliver S., Pascal J., Patrick B., Patrick G., Pawel S., Peer S., Pekka R., Pelzer, Peter, Peter K., Peter M., Peter R., Peter S., Phil, Philet, Philip H., Philip M., Philipp A., Philipp S., Philipp W., Phillipp S., Pierre, Piet W., R.B., Rainer G., Rainer S., Ralf B., Ralf D., Ralf H.K., Ralf M., Ralph A., Reiner, Rene G., Rene K., Rene R., Renke B., Robert, Robert H., Robin D., Roland, Roland R., Roland S., Roman, Sabine B., Sabine R., Sarah K., Sascha, Sascha K., Sascha P., Sascha S., Sebastian D., Sebastian F., Sebastian G. und seiner Freundin, Sebastian H., Sebastian M., Sebastian P., Sebastian T., Sebastian W., Sedat P., Silvio G., Simon P., Simon S., Simon W., Simone G., Simone K., Stefan B., Stefan F., Stefan H., Stefan J., Stefan K., Stefan P., Stefan R., Stefan W., Stefanie, Steffen, Steffen B., Steffen H., Steffen K., Steffen U., Stephan B., Stephan L., Sven, Sven D., Sven G., Sven J., Sven P., Sven Z., Tanja K., Thomaas D., Thomas, Thomas B., Thomas L., Thomas P., Thomas S., Thomas W., Thori, Thorsten D., Thorsten F., Thorsten M., Tim, Tim H., Tim R., Timm S., Timo B., Timo G., Tina B., Tobi R., Tobias, Tobias D., Tobias L., Tobias R., Tobias S., Tobias V., Tobito, Tom, Tomchen, Torben A., Torsten B, Torsten D., Torsten K., Torsten R., Torsten S., Torsten W., Udo, Udo G., Ulf, Ulf H., Ulrike, Uwe S., Valentin L., Veet, Veit, Vengo, Verena D., Virgile D., Volker B., Volker K., Volkmar D., W.S., Waldemar K., Walter K., Werner W., Willi, Wolfgang A., Wolfgang S., Yasemin Y., Yme S. – und allen anderen, auch den vielen, deren sachdienliche Hinweise wir nicht berücksichtigen konnten!

Genauer, als die Polizei erlaubt

Kommen wir noch einmal zurück auf die beiden “Autodiebe”, denen n-tv ein “standesgemäßes Ende” bescheinigt hatte – allerdings in einem etwas anderen Zusammenhang.

Die “Bild”-Zeitung berichtete gestern nämlich in ziemlich großer Aufmachung in ihrer Berliner Ausgabe über denselben Fall:

"Zwei Einbrecher rasen in den Tod"

Der Artikel ist garniert mit diversen Fotos einer Drogerie (Polizeiauto vor der Drogerie, der aufgehebelte Rolladen der Drogerie, Blick in die Drogerie auf ein umgestürztes Regal). Und fast als wären sie dabei gewesen, berichten Jörg Bergmann und Matthias Lukaschewitsch, wie sich die Geschichte zugetragen haben soll:

Sie hatten es auf Parfumflacons, Scheren und Kosmetikartikel abgesehen – ein paar Minuten später waren die beiden Einbrecher tot!

0.15 Uhr. In die Drogerie “Rittmeier” in Blankenfelde (Teltow-Fläming) wird eingebrochen, die Diebe steigen durch ein Fenster an der Vorderseite des Ladens ein. Sie kippen ein Regal mit Parfumflaschen, Kosmetik und hochwertigen Scheren um. Sie breiten ein Laken aus, wollen die Sachen mitgehen lassen.

Eine Zeugin ruft die Polizei. Als die Täter die Sirenen hören, flüchten sie ohne Beute aus dem Laden. Sie steigen in einen Mercedes, den sie vor Wochen in Berlin geklaut hatten* – und geben Vollgas.

Das Ende ist bekannt: Beide Insassen des Mercedes sterben, als der Wagen gegen einen Baum prallt.

Und das ist auch so ziemlich das Einzige, was bisher sicher ist. Alles, was Bergmann und Lukaschewitsch sich da sonst noch so zusammenreimten und als Tatsachen darstellten, ist unbestätigt. Der Stand der Ermittlungen lässt sich im Grunde auch heute noch so zusammenfassen, wie die Nachrichtenagentur ddp am Sonntag schrieb:

Parallel zu dem Verkehrsunfall wurde bei der Polizei ein Einbruch in einen Laden in Blankenfelde gemeldet. Ein Zusammenhang zu dem Verkehrsunfall wird nicht ausgeschlossen. Die Ermittlungen der Kriminalpolizei des Schutzbereiches Teltow-Fläming dauern an.

Es gibt allerdings Hinweise, nach denen die beiden Getöteten, anders als “Bild” schrieb, gar nicht selbst in der Drogerie waren, sondern womöglich zwei Komplizen dort abgesetzt hatten. Wie uns eine Polizei-Sprecherin bestätigt (und die Nachrichtenagentur dpa gestern berichtete), will eine Zeugin gesehen haben, wie aus dem später verunglückten Mercedes zwei Männer ausstiegen, deren Beschreibung nicht auf die Getöteten passt.

Wohl deswegen klingt das, was “Bild” gestern noch so genau zu wissen schien, in einem “Bild”-Artikel von heute denn auch sehr viel weniger präzise:

In ihrer Todesnacht waren die Brüder an einem Einbruch in einen Drogeriemarkt in Blankenfelde (Teltow-Fläming) beteiligt.

*) Tatsächlich war der Wagen entgegen einer ersten Pressemitteilung der Polizei doch nicht gestohlen gewesen.

Mit Dank für den Hinweis an Phil.

W&V, Wanzen, Wedel, Weihnachten

1. “Die ‘Wanze’ im Nationalratssaal”
(medienspiegel.ch, Peter Studer)
Für eine Hintergrundreportage wird bei den Bundesratswahlen ein Parteipräsident mit einem Ansteckmikrophon ausgestattet. Weil er damit den Parlamentssaal betritt und andere Parlamentarier und Medienleute, die darüber nur zum Teil informiert sind, aufnimmt, sieht sich das Schweizer Fernsehen und sein “Hilfsreporter” Klagen gegenüber. Peter Studer, ehemaliger Chefredaktor des Schweizer Fernsehens und ehemaliger Präsident des Schweizer Presserats, klärt über die rechtliche Lage auf.

2. “ZDF wirbt in ‘Vanity Fair’ für vergangene Sendungen”
(dwdl.de, Thomas Lückerath)
“In der neuesten Ausgabe der ‘Vanity Fair’ wirbt das ZDF mit ganzseitiger Anzeige für zwei Fernsehsendungen, die vor dem Erscheinungstag der Zeitschrift ausgestrahlt wurden. Was ist da denn schief gelaufen? “

3. Interview mit Dieter Wedel
(tagesspiegel.de, Thomas Eckert und Joachim Huber)
Regisseur Dieter Wedel fordert mehr Bissigkeit: “Ich finde, die Definition von Erfolg muss bei den öffentlich-rechtlichen Sendern eine andere sein als bei den Privaten. Für die kann nur die Quote der einzige Maßstab sein, Öffentlich-Rechtliche sollten auch dafür sorgen, dass den Zuschauern nicht die Zähne ausfallen. Immer nur Breichen macht das Gebiss kaputt. Es muss auch mal kräftig gekaut werden. Wenn er zu faul dazu ist, muss man den Zuschauer dazu zwingen, sonst haben wir irgendwann ein zahnloses Publikum. Wenn es denn nicht schon so weit ist.”

Read On…

Bild.de rechnet sich einen Bruch

Was viele nicht wissen: BILDblog wird auch in der Schule eingesetzt. Es gibt Mathelehrer, die in ihrem Unterricht zum Beispiel auf unseren Eintrag “Machen Tortendiagramme eigentlich dick?” zurückgreifen, der im Kern auf der schönen “Bild”-Formulierung vom August 2007 beruhte:

Denn mittlerweile ist jedes sechste Kind in Deutschland zu dick! Mitte der 90er-Jahre war es nur jedes dritte.

Dass BILDblog auch “Bild”-intern zur Fortbildung eingesetzt wird, ist dagegen eher unwahrscheinlich. Oder wie Bild.de heute schreibt:

Eingeschlafene Autofahrer verursachen im Schnitt jeden vierten tödlichen Verkehrsunfall. Bei Lkw-Fahrern sind übermüdete Lenker sogar an jedem sechsten schweren Unfall schuld.

Mit Dank an Ludwig H.!

Topp, die Meldung gilt!

"Sender-Schlacht um Wetten dass..?"

So stand es gestern in der “Bild am Sonntag”. Und das mit der “Sender-Schlacht” ist sicher etwas übergeigt (tatsächlich kann man die neue RTL-Show nämlich auch ziemlich unbrisant finden, wie sich bei DWDL.de nachlesen lässt). Aber darum geht es gar nicht, sondern um das, was die Nachrichtenagentur AP daraus machte:

"RTL plant show wie Wetten dass...?"

Diese AP-Überschrift fasst in etwa den Nachrichtenwert der “BamS”-Geschichte zusammen. Doch AP verbreitete die “BamS”-Geschichte nicht nur mehr oder weniger unkritisch weiter, sondern auch noch falsch. In der AP-Meldung heißt es nämlich:

In der niederländischen Sendung von RTL4 war im November laut “Bild am Sonntag” schon Peter Siener zu sehen, der bei “Wetten dass…?” mit einem durch die Nase eingezogenen Wasserstrahl aus seiner Tränendrüse zehn Kerzen gelöscht hatte.

Und dieser Satz findet sich nun unter anderem bei Standard.at, bei Stern.de, bei der Netzeitung oder natürlich bei RP-Online. Auf Welt.de und bei Spiegel-Online sogar ohne Hinweis auf die Agentur AP.

Dabei hätte ein flüchtiger Blick in die “BamS” offenbart, dass die das gar nicht behauptet. Dort heißt es nämlich:

Im Februar 2004 lieferte Kandidat Peter Siener (35) einen der schrägsten Momente in der 27-jährigen “Wetten, dass..?”-Geschichte: Er löschte mit einem Wasserstrahl aus seiner Tränendrüse zehn Kerzen (…). Am 9. November 2008 sehen Millionen holländische Zuschauer dieselbe Wette in “Ik Wed Dat Ik Het Kann” – durchgeführt durch einen anderen Mann!
(Hervorhebung von uns)

Bei AP hat man das in der Aufregung um die “Sender-Schlacht” offenbar überlesen – und die anderen haben sich nicht mal die Mühe gemacht, das zu merken.

Aber bei AP scheint man in diesen besinnlichen Tagen ohnehin etwas zur Aufgeregtheit zu neigen. Vorgestern schrieb AP über den Fehlstart eines Flugzeugs in Denver:

Die Boeing 737 der Continental Airlines kam beim Beschleunigen von der Startbahn ab, stürzte in eine Schlucht und fing Feuer.

Auch diese AP-Meldung findet sich nun in diversen Medien, und zum Teil haben die “Schlucht” und das “stürzen” es sogar in die Überschrift geschafft (siehe Scrrenshots). Andere nennen die “Schlucht” hingegen wesentlich unaufgeregter “Graben” (oder auf Englisch: “ditch”) oder schreiben schlicht, die Maschine sei von der Startbahn abgekommen. Das scheint den Vorfall dann doch etwas präziser zu beschreiben.

Mit Dank für den sachdienlichen Hinweis an Sebastian M.

Verloren im Queensberry-Wirbel

Viel Platz ist ja nicht in der täglichen “Gewinner/Verlierer”-Rubrik auf der “Bild”-Titelseite. Umso erstaunlicher, wie viele Fehler da an einem Tag wie heute so rein passen (siehe Ausriss)

Schon die Formulierung “soll es vorher schon zweimal gegeben haben”, auf die “Bild” das “Verlierer”-Dasein der deutschen Retorten-Girlband Queensberry stützt, ist ein bisschen untertrieben. Man kann sich u.a. bei YouTube anschauen, dass der Song ganz bestimmt bereits von anderen gesungen wurde: Im Sommer Ende Oktober erschien er auf dem Album der Kanadierin Eva Avila – und unter dem Titel “Game over” nahm das Lied 2008 für Holland in Belgien am “Eurovision Song Contest” an einem nationalen Vorentscheid für den diesjährigen “Eurovision Song Contest” teil.

Und wir haben gehört: Das alles soll schon seit mehr als einer Woche völlig korrekt auf einer belgischen “Song Contest”-Website namens Belgovision.com nachzulesen sein.

Schmidt, vergreiste ARD, Mosley

1. “Schmidteinander in den Medien”
(dradio.de, Brigitte Baetz)
Neben Jopi Heesters ist er DER Liebling der sterbenden Medien (weil er sie an die guten Zeiten erinnert): Altkanzler Helmut Schmidt, der ohne Amt und ohne Lächeln, aber mit Zigarette und Grandezza die Medien an der Nase herumführt: “90 Jahre wird er am Tag vor Weihnachten, ein Grund zum Feiern, ohne Frage, und schon seit seinem 80. Ehrentag scheint Helmut Schmidt machen zu können, was er will, von Rundfunk und Presse wird es mit Wohlwollen kommentiert. Während sich Deutschlands Raucher aus den Kneipen ins zugige Freie schleichen müssen, um ihrem Laster zu frönen, quarzt der Altkanzler unter dem entzückten Beifall der Journaille wo er nur geht und steht.”

2. “Hier werden Sie ins Grab geschunkelt!”
(stern.de, Alexander Kühn)
“Das Programm der ARD ist für junge Zuschauer ungefähr so attraktiv wie Blasentee und Treppenlifter – von Ausnahmen wie Sport einmal abgesehen. Und dem einzigen Vorzeigejugendlichen: Oliver Pocher. Bericht über eine Anstalt, die mit ihrem Publikum vergreist.”

3. “Die fetten Jahre kommen”
(faz.net, Michael Hanfeld)
“Die Folgen der Weltwirtschaftskrise kennt das öffentlich-rechtliche Fernsehen nur vom Hörensagen. Es ist bei den Gebühren und im Internet auf Wachstumskurs und wird dabei von der Politik, anders als in England, nicht gebremst. So lässt es sich leben – nur auf wessen Kosten?”

Read On…

Blättern:  1 ... 807 808 809 ... 1159