Kehraus 2008

… und wieder ist es an der Zeit, schnell noch ein wenig Gerümpel wegzuräumen, das während unseres Winterschlafs liegengeblieben ist.

Denn dass Dieter Althaus kein “CSU-Ministerpräsident” ist, hat man bei “Bild” inzwischen immerhin selbst gemerkt. Ob Britney Spears, wie Bild.de behauptet, wirklich über Weihnachten in Indien war, ist zumindest fraglich; so fraglich wie die Bild.de-Behauptung, DJ Tommek DJ Tomekk habe 2007 “auf RTL” mit einem Hitlergruß geschockt. (Soweit wir uns erinnern, schockte “Bild” damit.) Doch wenn es auf Bild.de heißt…

"Sexy Schlamm-Grätschen - Der schärfste Kick des Jahres als Video"

Pünktlich zum Jahresende in der bundesligafreien Zeit begeistert uns die US-Sportseite dbbsports.com mit dem heißesten Kick des Jahres!

… dann wollen wir an der Begeisterung der Bild.de-Redaktion nicht zweifeln. Die 14-teilige Screenshot-Galerie zum Thema und eine Bild.de-Version des Videos (“Es ist das schärfste Fußballspiel des Jahres, was das amerikanische Sport-Portal dbbsports.com seinen Lesern zum Ende des Jahres beschert!”) sprechen für sich. Weshalb wir nur mal kurz darauf hinweisen wollen, dass es sich, wenn überhaupt, um den schärfsten/heißesten Kick des Jahres 2007 handelt – genauer: um ein vor anderthalb Jahren veröffentlichtes Musikvideo, das nun von dbbsports.com bloß wiederverwertet wurde.

Und dann war da noch der Versuch der “Bild”-Zeitung, eine “Spiegel”-Geschichte zu entkräften, die den Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier in Schwierigkeiten brachte. Im “Spiegel” hatte der ehemalige US-General James Marks gesagt, dass zwei deutsche Geheimagenten im Irak-Krieg den Amerikanern mit Wissen des Kanzleramtes wertvolle Informationen für ihre Kriegsführung geliefert hätten. Eine solche “aktive Unterstützung” hat Steinmeier, der das Kanzleramt damals leitete, immer bestritten.

Rolf Kleine, Leiter des “Bild”-Hauptstadtbüros und so etwas wie Pressesprecher, Schönfärber und Ausputzer für Steinmeier, veröffentlichte daraufhin in “Bild” und auf Bild.de einen Artikel, in denen er dem “Spiegel” vorwarf, “offenbar einem bezahlten Propagandisten des Pentagon aufgesessen” zu sein. Marks Aussagen seien deshalb nicht ernst zu nehmen. Kleine nahm damit exakt die Verteidigung Steinmeiers am selben Tag vor dem Bundestags-Untersuchungsausschuss zur Rolle der BND-Agenten vorweg (und erklärte schon vorab: “Jetzt deutet alles darauf hin, dass der SPD-Kanzlerkandidat unbeschadet aus der Affäre herauskommt”).

Auf den “Bild”-Artikel antwortet in der aktuellen Ausgabe nun wieder der “Spiegel” — mit einem “Münchhausen-Test”. Unter Berufung auf detaillierte Aussagen mehrerer Journalisten, des Pentagons und von Marks selbst kommt der “Spiegel” zu dem nüchternen Ergebnis: “Es finden sich keine Belege, dass Marks ein ‘bezahlter Propagandist’ des Pentagon ist.”

Mit Dank an diverse Hinweisgeber und kleinefragen.de.

Nekrolog, Paviane, Nuhr

1. “Nekrolog 2008”
(retromedia.de, Jens Schröder)
Der/das jährliche Nekrolog der nicht mehr erscheinenden Zeitschriften ist da, mit einem neuen Rekord von 95 verstorbenen Publikumszeitschriften. Darunter die Revue, die nach 62 Jahren eingestellt wurde. Ebenfalls eingestellt wurden einige auf medienlese.com getestete Zeitschriften, nämlich das Second Life Magazin SLM (Test), IQ Style (Test), Matador (Test) und blond (Test).

2. Interview mit Mitchell Stephens
(sueddeutsche.de, S. Weichert, A. Matschke und L. Kramp)
“Blogs gibt es etwa erst seit knapp sieben Jahren, ihr Potenzial ist noch lange nicht ausgeschöpft! Wir haben eigentlich keine Ahnung, was das Internet an journalistischen Möglichkeiten in Zukunft noch alles bereithalten wird. Junge Menschen sind diejenigen, denen es obliegt, neue Ausdrucks- und Vermittlungsformen selbst zu entwickeln und auszuprobieren. Wir müssen also Lehre mit Pioniergeist verbinden und darüber grübeln, wie sich der Journalismus neu erfinden könnte.”

3. “SPIEGEL-Artikel über rechte Gewaltdelikte inhaltlich fern der Fakten und rhetorisch fragwürdig”
(spiegelblog.info, DHH)
Spiegel Online entfernt den Artikel “Gewaltdelikte in Deutschland – Zahl rechtsextremer Straftaten steigt drastisch” und ersetzt ihn mit einer kurzen Korrektur. Auslöser war wohl die Kritik auf spiegelblog.info: “Jeder von einem Neonazi gezeigte Hitlergruß wird seit Frühjar 2008 genauso als rechtsextreme Straftat gewertet wie jedes von einem Linksradikalen auf ein CDU-Wahlplakat gepinseltes Hakenkreuz oder von einem Türken aus Jux an die Wand gesprühte SS-Runen. Dass diese Veränderung in der statistischen Zählweise auch einen Einfluss auf eine von SPIEGEL Online deklarierte ‘drastische Steigerung’ haben könnte, liegt auf der Hand. SPIEGEL Online teilt seinen Lesern diese wesentliche Information aber nicht mit.”

Nachtrag: Über Engelbrecht und seine “journalistische” und “wissenschaftliche” Arbeit gibt es mehrere kritische Berichte – zum Beispiel bei ScienceBlogs und bei Esowatch. Mit dem Spiegelblog und der Argumentation des Autors hat sich Torsten Dewi ausführlich beschäftigt, erst mittels Kommentaren im Spiegelblog, jetzt in einem ausführlichen Beitrag in seinem Blog. (19.1.2009, ore)

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Recherchieren Sie mit!

– Von Peter Knorr und Elsemarie Maletzke –

Déjà Vu?


Im August 1970 erschien das Satiremagazin “Pardon” mit einem 12-seitigen “Sonderdruck” zur “Bild”-Zeitung, aus dem wir unter dem Titel “BILDblog vor 40 Jahren” in den vergangenen Tagen (mit herzlichem Dank an den Ex-“Pardon”-Macher Gerhard Kromschröder!) wesentliche Teile dokumentieren durften.

Zum Abschluss (und bevor wir morgen wieder aus unserem alljährlichen Winterschlaf zurückkehren und uns wie gehabt über sachdienliche Hinweise freuen) gibt’s heute noch einige “Arbeitshilfen” der “Pardon”-Redaktion für die Suche nach der Wahrheit in “Bild”.

Aber auch da scheint es, als hätte sich über die Jahre bei “Bild” nicht wirklich viel geändert…

Wenn Sie schon Springers BILD lesen – jeder macht mal was Dummes – dann ärgern Sie sich nicht hinterher und sagen “Sowieso alles erstunken und erlogen!”, sondern schaun Sie doch mal genauer hin! (…) Aber Vorsicht! Übernehmen Sie sich nicht! (…) Suchen Sie erst mal nach dem berühmten Körnchen Wahrheit. Bei all den Vergewaltigungen, Studentendemonstrationen, Raubüberfällen, Politikerworten, Geheimdokumenten, Selbstmorden und Boenisch-Kommentaren, da muß doch mal was Wahres dransein!

Hier ein paar Tips aus unserer BILD-Erfahrung:

  • In Schlagzeilen und Vorspännen ist die Suche nahezu hoffnungslos!
  • Suchen Sie nach Zitaten!
    Steht die wörtliche Rede nicht in Anführungszeichen? Dann hat sich BILD nicht getraut, das verdrehte Zitat seinem Urheber wieder zuzusprechen.
    Wenn dahinter ein voller Name steht, kommt es vor, daß das Zitat stimmt. Ein schöner Fund!
    Steht dagegen eine Abkürzung (“Herr K. aus B.”) bei dem Zitat, so dient das dem Schutz der Persönlichkeit, gleichgültig, ob diese frei erfunden ist oder nicht.
  • Nicht jede Abkürzung ist erfunden! Es gibt ganze Stories, in denen nur die Abkürzungen stimmen.
  • Es gibt BILD-Geschichten, an denen was Wahres* dran ist. (…) Finden Sie in BILD etwa die Nachricht, dass bei Ihrem Nachbarn Herrmann Kuffler der Weihnachtsbaum, die Gardinen sowie das Kleinkind verbrannt sind, obwohl der Mann kinderlos und über Weihnachten auf Mallorca ist, so sollten Sie immerhin positiv registrieren, daß Adresse sowie Vor- und Nachname richtig vermeldet sind. Immer, wenn Sie so auf ein Körnchen Wahrheit stoßen, haben Sie etwas Seltenes, Rares gefunden.
  • Wenn Sie und Ihre Familie in einem Bericht vorkommen, wissen Sie ohnehin, was erstunken und erlogen ist.

*) Was dabei nicht zählt: Toto- und Lotto-Zahlen und Sportereignisse. Auch das jeweilige Erscheinungsdatum und das Impressum dürfen als wahr unterstellt werden. Und schließlich stimmt der Wetterbericht auch in anderen Zeitungen manchmal.

Eigentor made by BILD

Déjà Vu?

Im August 1970 erschien das Satiremagazin “Pardon” mit einem 12-seitigen “Extra” zur “Bild”-Zeitung. Den “Pardon”-Machern (darunter Eckhard Henscheid, Wilhelm Genazino, Peter Knorr – und der spätere “Stern”-Redakteur Gerhard Kromschröder, der wie Günter Wallraff u.a. mit Undercover-Reportagen für Aufsehen und Skandale sorgte und dem wir es verdanken, überhaupt von diesem “Pardon Extra” erfahren zu haben) ging es in ihrem “Sonderdruck” vorrangig darum, humorvoll und doch ernsthaft “Bild” auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und “BILD-Lügen” zu entlarven; ungefähr das also, was – knapp 40 Jahre später – auch wir versuchen…

Wir dokumentieren (mit herzlichem Dank an Kromschröder!) jeden Tag eine der “BILD-Lügen” aus dem “Pardon” von damals.

Es scheint, als hätte sich über die Jahre bei “Bild” nicht wirklich viel geändert…

"Fußballer vom Blitz erschlagen"

"Seine Länge wurde sein Verhängnis"
 
Lesen Sie morgen: Hilfreiche Tipps der “Pardon”-Redaktion für die Suche nach der Wahrheit in “Bild” (“Was dabei nicht zählt: Toto- und Lotto-Zahlen”). Die BILDblogger erwachen derweil – wie üblich – allmählich wieder aus ihrem Winterschlaf.

Trittbrettfahrer, Stalin, Cobra 11

Stalin ist wieder chic, RTL verschenkt Nachrichten und verkauft Entertainment im Internet und Techblogger kopieren sich selbst – unsere Presseschau.

1. “Schlagzeilenindex 2009: No, We Can’t”
(Badische-Zeitung.de, Peter Disch)
Schlimme Wirtschaftsprognosen, Obamas “Yes, we can”: Auf der Website der Badischen Zeitung zählt Peter Disch auf, welche Schlagzeilen er im nächsten Jahr nicht mehr lesen will. Inklusive Appell an die Kollegen: “Liebe Journalisten, haben sie was gemerkt? Ohne Sie und uns gäbe es all die Schlagzeilen gar nicht …” Ob der Badischen Zeitung diese Selbstverpflichtung in geharnischten Leserbriefen um die Ohren fliegt?

2. “A Chill on ‘The Guardian'”
(The New York Review of Books, Alan Rusbridger)
Der Guardian berichtet, dass Tesco Steuern hinterzieht – und macht dabei handwerkliche Fehler. Die Zeitung entschuldigt sich, ein Magazin berichtet über tatsächliche Steuertricks des Unternehmens – und Tesco verwickelt den Guardian trotzdem in einen millionenschweren Rechtsstreit. Guardian-Redakteur Alan Rusbridger beschreibt, wie schwierig es für Zeitungen ist, über Steuerhinterziehung von großen Konzernen zu berichten und wie das britische Rechtssystem eine Berichterstattung behindert.

3. “NBC Universal vergibt Humorpunkte an Diktatoren”
(medienpiraen.tv, Peer Schader)
“Als Weihnachtsgeschenk für seine Geschäftspartner hat sich das deutsche NBC Universal in diesem Jahr etwas besonders Schönes einfallen lassen: ein Quartett mit den Protagonisten seiner Sender 13th Street, Scifi, History Channel und Biography Channel.” Mit dabei auch Diktator Josef Stalin, der im russischen Staatsfernsehen gerade zum drittgrößten Russen aller Zeiten gewählt wurde.

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Der böse Inspektor und die liebe BILD-Zeitung

– Von Elsemarie Maletzke –

Déjà Vu?


Im August 1970 erschien das Satiremagazin “Pardon” mit einem 12-seitigen “Extra” zur “Bild”-Zeitung. Den “Pardon”-Machern (darunter Eckhard Henscheid, Wilhelm Genazino, Peter Knorr – und der spätere “Stern”-Redakteur Gerhard Kromschröder, der wie Günter Wallraff u.a. mit Undercover-Reportagen für Aufsehen und Skandale sorgte und dem wir es verdanken, überhaupt von diesem “Pardon Extra” erfahren zu haben) ging es in ihrem “Sonderdruck” vorrangig darum, humorvoll und doch ernsthaft “Bild” auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und “BILD-Lügen” zu entlarven; ungefähr das also, was – knapp 40 Jahre später – auch wir versuchen…

Wir dokumentieren (mit herzlichem Dank an Kromschröder!) jeden Tag eine der “BILD-Lügen” aus dem “Pardon” von damals.

Es scheint, als hätte sich über die Jahre bei “Bild” nicht wirklich viel geändert…

Erst erschreckte BILD am 8. August seine Leser mit einem bösen Mann:

Ein sturer Beamter vom Jugendamt Hannover hat einem Jungen verboten, mit seiner Mutter Ferien zu machen!

Dann weckte BILD Mitleid:

… Franziska W. (23) aus Hannover hatte ihren Sohn Thomas (3) in ein Kinderheim gegeben … An jedem Wochenende holte Franziska W. den Jungen nach Hause. Nie hatte es dabei Schwierigkeiten gegeben. Jetzt wollte Franziska W. ihren Thomas mit in den Urlaub nehmen. Aber der Sozialinspektor Günter Wicke (30) schickte die junge Frau wieder fort: Er bleibt im Heim. Es reicht, wenn die Mutter ihr Kind einmal in der Woche sieht.

Und dann bewies BILD wieder einmal Herz:

Erst als sich BILD einschaltete, gab das Jugendamt gestern grünes Licht für die gemeinsamen Ferien.

Diese Geschichte ist so herzig, daß BILD sie einfach bringen musste. Obwohl sie falsch ist und obwohl BILD dies auch wußte. Denn die Sache hatte sich ganz anders abgespielt.

Inspektor Wicke zu PARDON: Das Jugendamt könne grundsätzlich nicht verbieten, daß die Mutter ihr Kind mit in Urlaub nehme. Wicke: “Ich habe weder ein Verbot der Beurlaubung ausgesprochen, noch habe ich gesagt ‘Er bleibt im Heim, es reicht, wenn die Mutter ihr Kind einmal in der Woche sieht’.” Das Jugendamt frage in Urlaubsfällen lediglich, wohin es gehe, wie lange, wer das Kind versorge, ob der Heimplatz reserviert bleiben solle.

Um diese Fragen mit Franziska W. zu klären, hatte Wicke die Mutter angerufen, die im Heim auf das Kind wartete. Franziska W., die ihren Sohn sonst ohne Formalitäten mit ins Wochenende nehmen durfte, brach verschreckt das Gespräch ab, in der Annahme, das Amt wolle das Kind nicht beurlauben.

Auf eine schriftliche Einladung der Behörde erschien sie gemeinsam mit BILD-Reporter Ulrich Berger, den sie in Angst und Sorge alamiert hatte. Im Jugendamt klärte sich das Mißverständnis jedoch auf. Stadtoberamtmann Sensmeyer, der Leiter der Abteilung Vormundschaften und Pflegeschaften: “Herr Berger sah, daß er hier mit einem anderen Sachverhalt als erwartet zu tun hatte.”

Franziska W. fuhr mit Thomas in Urlaub. Berger setzte sich an die Schreibmaschine und tippte. Dann stand in BILD:

Sie wollen mit ihrem Kind in den Urlaub? Kommt nicht in Frage!

Und dann dachte Berger sich noch das schöne Zitat vom kategorischen Sozialinspektor aus:

Das Kind bleibt im Heim …

Sensmeyer: “Wie Herr Berger nach dem klärenden Gespräch im Amt diese Behauptung aufrechterhalten konnte, obwohl er gemerkt hatte, daß es sich um ein Mißverständnis handelte, das ist mir unerfindlich!”

Uns auch.
 
Lesen Sie morgen: Wie “Bild” sich selber einer Lüge überführte. Die BILDblogger sind derweil – wie üblich – noch im Winterschlaf.

Recherchen, Boxer, Medienrevolutionen

1. “Vertrag von Lissabon – Londons Presse und Irlands Nein”
(faz.net, Henning Hoff)
“Im Juni haben die Iren den Vertrag von Lissabon abgelehnt. Ein EU-Papier macht dafür den wachsenden Einfluss europaskeptischer Medien aus Großbritannien verantwortlich. Der Vorsitzende der Journalistengewerkschaft in Irland warnt vor einer ‘simplen’ Schuldzuweisung.”

2. “Wo steht der Recherchejournalismus in Deutschland?”
(dradio.de, Michael Meyer)
“Recherche gilt als Grundtugend und wichtigstes Werkzeug eines jeden Journalisten: Je gründlicher, desto besser. Doch in den letzten Jahren hat gerade die Recherche in den Redaktionen gelitten: Knapper werdende Budgets, personelle Ausdünnung und größer werdender Zeitdruck sorgen dafür, dass die Recherche zunehmend in den Hintergrund tritt.”

3. “SPIEGEL-Beitrag ‘Freispruch für Gen-Baumwolle’ liest sich wie eine Pressemitteilung von Monsanto”
(spiegelblog.info, T. Engelbrecht)
Das Spiegel-Blog beschäftigt sich mit dem Spiegel-Artikel “Freispruch für Gen-Baumwolle” vom 17.11.2008 und beleuchtet einige Hintergründe.

Nachtrag: Über Engelbrecht und seine “journalistische” und “wissenschaftliche” Arbeit gibt es mehrere kritische Berichte – zum Beispiel bei ScienceBlogs und bei Esowatch. Mit dem Spiegelblog und der Argumentation des Autors hat sich Torsten Dewi ausführlich beschäftigt, erst mittels Kommentaren im Spiegelblog, jetzt in einem ausführlichen Beitrag in seinem Blog. (19.1.2009, ore)

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Mit Absicht ungenau (2)

– Von Wilhelm Genazino –

Déjà Vu?

Im August 1970 erschien das Satiremagazin “Pardon” mit einem 12-seitigen “Extra” zur “Bild”-Zeitung. Den “Pardon”-Machern (darunter Eckhard Henscheid, Wilhelm Genazino, Peter Knorr – und der spätere “Stern”-Redakteur Gerhard Kromschröder, der wie Günter Wallraff u.a. mit Undercover-Reportagen für Aufsehen und Skandale sorgte und dem wir es verdanken, überhaupt von diesem “Pardon Extra” erfahren zu haben) ging es in ihrem “Sonderdruck” vorrangig darum, humorvoll und doch ernsthaft “Bild” auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und “BILD-Lügen” zu entlarven; ungefähr das also, was – knapp 40 Jahre später – auch wir versuchen…

Wir dokumentieren (mit herzlichem Dank an Kromschröder!) jeden Tag eine der “BILD-Lügen” aus dem “Pardon” von damals.

Es scheint, als hätte sich über die Jahre bei “Bild” nicht wirklich viel geändert…

Es gibt eine besondere Spezies von BILD-Artikeln: sie brillieren mit einem hohen Grad von Unwahrscheinlichkeit und Kuriosität. Dementsprechend fehlen in den Berichten fast alle konkreten Daten wie z.B. Zeitangaben oder Namen der Personen. So sichert sich BILD vor Nachprüfungen von erfundenen oder halberfundenen Geschichten.

Ein Beispiel von vielen:

[…] Am 21. Juli brachte BILD die Story: “Chef entließ Sex-Protz”. In der Geschichte ging es um einen Angestellten der Städtischen Sparkasse Köln, dem gekündigt worden sei, weil er mit permanenten Erzählungen aus seinem Liebesleben den Betrieb aufgehalten habe.

Ergebnis der PARDON-Recherchen:

  • Der Sprecher der Personalabteilung der Städtischen Sparkasse Köln: “Das hat sich ganz bestimmt nicht bei uns zugetragen. Ein derartiger Fall ist mir nicht bekannt, und ich müßte es eigentlich wissen, denn wir sind auch für die Filialen zuständig.”

Zur Sicherheit rief PARDON auch bei der Kölner Kreissparkasse an.

  • Ergebnis: “Der Fall ist total unbekannt.”
  • Und auch die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen in Köln, die sich berufsmäßig mit gekündigten Angestellten aus der Branche befaßt, kann nur passen: “Der Fall ist uns nicht bekannt.”

 
Lesen Sie morgen: Wie “Bild” einer jungen Mutter zum Urlaub mit ihrem Sohn verhalf – oder auch nicht. Die BILDblogger sind derweil – wie üblich – noch im Winterschlaf.

Schwetzingen dementiert

– Von Horst Dreif –

Déjà Vu?


Im August 1970 erschien das Satiremagazin “Pardon” mit einem 12-seitigen “Extra” zur “Bild”-Zeitung. Den “Pardon”-Machern (darunter Eckhard Henscheid, Wilhelm Genazino, Peter Knorr – und der spätere “Stern”-Redakteur Gerhard Kromschröder, der wie Günter Wallraff u.a. mit Undercover-Reportagen für Aufsehen und Skandale sorgte und dem wir es verdanken, überhaupt von diesem “Pardon Extra” erfahren zu haben) ging es in ihrem “Sonderdruck” vorrangig darum, humorvoll und doch ernsthaft “Bild” auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und “BILD-Lügen” zu entlarven; ungefähr das also, was – knapp 40 Jahre später – auch wir versuchen…

Wir dokumentieren (mit herzlichem Dank an Kromschröder!) jeden Tag eine der “BILD-Lügen” aus dem “Pardon” von damals.

Es scheint, als hätte sich über die Jahre bei “Bild” nicht wirklich viel geändert…

Das ist ein Skandal – so richtig hergerichtet fürs empörte Herz der großen BILD-Familie: Zu Hause in Schwetzingen können die Schwerverletzten nicht operiert werden, weil der Herr Chefarzt den Schlüssel zum OP-Saal mit in den Urlaub genommen hat.

Aber es war halt wieder mal alles ganz anders. Denn richtig an diesem Artikel sind nur sein Anfang (“Fünf schwerverletzte Unfallopfer wurden ins Städtische Krankenhaus Schwetzingen gebracht. Aber sie konnten nicht operiert werden.”) und die Nachricht, daß sich Chefarzt Dr. Voll im Urlaub befand.

Die BILD-Behauptung jedoch, Dr. Voll habe den Schlüssel zum OP-Saal mit an den Gardasee genommen, bezeichnete Schwetzingens Bürgermeister Kurt Waibel schlicht als “Treppenwitz”. Denn der Schlüssel habe dort gehangen, wo er immer hänge, nämlich in einem für ihn angebrachten Kasten.

Aber das ganze Schlüssel-Problem hat mit der Operation von Unfallopfern hier gar nichts zu tun. Denn die Schwerverletzten werden in der Schwetzinger Klinik ohnehin nur zwischenbehandelt (Erste Hilfe; Narkose etc.) und dann entweder in die jeweils etwa zehn Kilometer entfernten Kliniken von Heidelberg oder Mannheim weitertransportiert.

Denn die Schwetzinger Klinik ist für große Operationen überhaupt nicht eingerichtet. Sie tritt nur, und “das seit neun Jahren” (Bürgermeister Waibel) als Zwischenstation in der Versorgung von Unfallverletzten auf. Herr Hoffmann, Geschäftsführer des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Schwetzingen: “Wir dürfen Verletzte nicht gleich nach Heidelberg oder Mannheim fahren. Denn wenn sie unterwegs sterben, wäre unser Fahrer schuld oder mindestens mitschuldig.”

Mit anderen Worten: In Schwetzingen ist nichts anderes passiert als das, was dort immer passiert. Das ist den BILD-Journalisten, wie Frau Moos, Personalbearbeiterin im Schwetzinger Bürgermeisteramt, PARDON gegenüber sagt, auch erklärt worden. Trotzdem lasen sie und das Personal des Krankenhauses am nächsten Morgen eine ganz andere Geschichte: wie gehabt.
 
Lesen Sie morgen: Die Wahrheit über den “Sex-Protz” der Städtischen Sparkasse Köln. Die BILDblogger sind derweil – wie üblich – noch im Winterschlaf.

Mit Absicht ungenau (1)

– Von Wilhelm Genazino –

Déjà Vu?

Im August 1970 erschien das Satiremagazin “Pardon” mit einem 12-seitigen “Extra” zur “Bild”-Zeitung. Den “Pardon”-Machern (darunter Eckhard Henscheid, Wilhelm Genazino, Peter Knorr – und der spätere “Stern”-Redakteur Gerhard Kromschröder, der wie Günter Wallraff u.a. mit Undercover-Reportagen für Aufsehen und Skandale sorgte und dem wir es verdanken, überhaupt von diesem “Pardon Extra” erfahren zu haben) ging es in ihrem “Sonderdruck” vorrangig darum, humorvoll und doch ernsthaft “Bild” auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und “BILD-Lügen” zu entlarven; ungefähr das also, was – knapp 40 Jahre später – auch wir versuchen…

Wir dokumentieren (mit herzlichem Dank an Kromschröder!) jeden Tag eine der “BILD-Lügen” aus dem “Pardon” von damals.

Es scheint, als hätte sich über die Jahre bei “Bild” nicht wirklich viel geändert…

Es gibt eine besondere Spezies von BILD-Artikeln: sie brillieren mit einem hohen Grad von Unwahrscheinlichkeit und Kuriosität. Dementsprechend fehlen in den Berichten fast alle konkreten Daten wie z.B. Zeitangaben oder Namen der Personen. So sichert sich BILD vor Nachprüfungen von erfundenen oder halberfundenen Geschichten.

Ein Beispiel von vielen:

Am 8. Juli veröffentlichte die Zeitung folgende Story: Einem Kölner Autofahrer sei auf der Autobahn nach Frankfurt der Wagen stehengeblieben; der Fahrer habe den ADAC zu Hilfe gerufen. Als jedoch der ADAC-Helfer nicht ganz so schnell gekommen sei, habe sich der Autofahrer derweil mit einer Anhalterin angefreundet. Die Frau sei schwanger geworden. Der Kölner Autofahrer habe daraufhin den ADAC verklagt. Grund: wenn der ADAC-Helfer früher erschienen wäre, wäre das Ganze nicht passiert.

Ergebnis der PARDON-Recherchen zu diesem seltsamen Fall.

  • Der Kölner und der Frankfurter ADAC wissen nichts davon!
  • Auch der Leiter der Juristischen Zentrale des ADAC in München, Dr. Johann Seehon, der sich mit allen Rechtssachen des ADAC befaßt, weiß nichts von einer solchen Klage, obwohl “ich davon hätte erfahren müssen” (Dr. Seehon).

 
Lesen Sie morgen: Warum laut “Bild” ein Krankenhaus fünf Schwerverletzte nicht operieren konnte – und wie’s wohl wirklich war. Die BILDblogger sind derweil – wie üblich – noch im Winterschlaf.

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