Der/Die/Das iPad im Wandel der Zeit

Gestern Abend unserer Zeit hat die Computerfirma Apple ihr “iPad” vorgestellt, ein nach Meinung einiger Beobachter revolutionäres Gerät. Dieser historische Moment musste auf der Startseite von Bild.de natürlich gebührend gewürdigt werden.

Die folgende Galerie von Teaser-Grafiken, die alle (nacheinander) auf Bild.de zu sehen waren, ist möglicherweise unvollständig:

Apple-Präsentation im LIVE-Ticker: Tablet-PC wird iPad heißen! ... und gewinnen Sie eins der spektakulären Geräte!

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Apple-Präsentation im LIVE-Ticker: Steve Jobs zeigt den iPad - Mitspielen und den neuen Tablet-Computer gewinnen!

Apple-Präsentation im LIVE-Ticker: Steve Jobs zeigt das revolutionäre iPad - Mitspielen und den neuen Tablet-Computer gewinnen!

Apple-Präsentation: Steve Jobs zeigt das revolutionäre iPad - Mitspielen und den neuen Tablet-Computer gewinnen!

Apple präsentiert Tablet-Computer: Was der magische iPad alles kann - Mitmachen und den neuen Tablet-Computer gewinnen!

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Mit großem Dank an Marcus!

Verletzung der Rückpassregel

Zoran Tosic spielt ab sofort für den 1. FC Köln. Die Verhandlung zwischen dem serbischen Nationalspieler, dem Bundesligaverein und Tosics Club Manchester United, der ihn bis Saisonende ausleiht, waren allem Anschein nach kompliziert und langwierig — und somit Anlass für allerlei Spekulationen. Und an denen beteiligten sich die Medien mal wieder, als gehe es im Journalismus ausschließlich um Schnelligkeit und nicht um Zielgenauigkeit.

Es begann vergangenen Montag damit, dass klar war, dass nichts klar war. So meldete der Kölner “Express” in seinem Internetauftritt:

Der Serbe mit dem lustigen Spitznamen “Bambi” (so tauften ihn in Belgrad einst die Mitspieler, weil er Kekse in Form der Disney-Figur verschenkte) soll sich Gerüchten zufolge schon in Köln aufhalten.

Bestätigen will das beim FC aber noch niemand. Co-Trainer Michael Henke beim Training zum EXPRESS: “Nein, dazu gibt es noch nichts zu sagen.”

Am Dienstag vermeldete Bild.de dann “exklusiv“:

Köln klar mit Tosic: BILD.de exklusiv: Der 1. FC Köln wird Zoran Tosic (22) von Manchester United ausleihen. Der serbische Nationalspieler wird bis Saisonende für 500 000 Euro ausgeliehen. Die Kölner haben sich eine Kaufoption für Tosic gesichert.

Während Express.de auf den Zug aufsprang, taten die im selben Verlag und selben Haus arbeitenden Kollegen des Kölner Stadtanzeigers etwas sehr Ungewöhnliches — und befragten einfach die Verantwortlichen des 1. FC Köln zum Stand des Tosic-Transfers.

Das Ergebnis des Gesprächs klang dann auch gleich – wie vor Vertragsunterzeichnungen allgemein üblich – ein bisschen weniger euphorisch als die Meldungen von Bild.de und Express.de:

“Es wird noch immer zäh verhandelt”, sagte ein Sprecher des 1. FC Köln dem “Kölner Stadt-Anzeiger”. Einer der umstrittenen Punkte ist offenbar die Kauf-Option. Falsch seien Berichte, wonach Tosic 500.000 Euro Leihgebühr bis zum Saisonende koste.

Auch die Deutsche Presse-Agentur bekam vom FC eher zurückhaltende Antworten, berichtete unter Berufung auf den “Express” aber schon mal:

Nach Informationen der Zeitung “Express” wechselt Fußball-Profi Zoran Tosic von Manchester United zum Bundesligisten 1. FC Köln. FC-Vereinssprecher Christopher Lymberopoulos sagte am Dienstag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur dpa allerdings, das könne nicht bestätigt werden.

Diese Meldung landete ironischerweise auch bei Bild.de, wo man den Wechsel ja ursprünglich als Erstes und “exklusiv” verkündet hatte:

Zeitung: Fußball-Profi Tosic kommt nach Köln

Am Mittwoch schließlich bestätigte der 1. FC Köln den Transfer tatsächlich.

Die Erleichterung bei den Mitarbeitern von Express.de muss groß gewesen sein — im Gegensatz zum Schuldbewusstsein jedenfalls. Denn aus Sicht des “Express” hatte das Hin- und Her über den Transfer von Tosic nichts mit der unbedingten Jagd nach der schnellsten Schlagzeile zu tun.

Und so hieß es auf Express.de:

Das Verwirrspiel um Zoran Tosic – Mittwoch hatte es ein Ende. Um 14.03 vermeldete der FC das Leihgeschäft offiziell. Bis zuletzt wurde um eine Kaufoption im Sommer gefeilscht – die Manchester aber letztlich ablehnte.

Oder wie Express.de selbst am Vortag gemeldet hatte:

FC-Manager Michael Meier sicherte sich zudem eine Kaufoption für das Balkan-Juwel.

Mit Dank an Dominik H. und Christoph W.

Apple, Afghanistan, Augstein

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Steve Jobs als Messias einer Branche”
(netzwertig.com, Peter Sennhauser)
Peter Sennhauser hat schon viele Ankündigungen der Firma Apple miterlebt, so nun auch das iPad: “Was mich immer befremdet hat, war das Verhalten der Presseleute – meiner Kollegen und Kolleginnen. Wenn die auf eine der sorgfältig inszenierten Ankündigungen von Steve Jobs mit Applaus oder sogar Jubel reagierten (“Boom! Copy, und Paste! Auf dem iPhone!”), als ob gerade ein Impfstoff gegen Krebs und nicht die längst überfällige Korrektur an einem Produkt präsentiert worden wäre, dann lief es mir jedesmal kalt den Rücken runter: Das sind Leute, die (größtenteils) dafür bezahlt werden, kritisch zu denken. Dinge zu hinterfragen. Die Vergangenheit im Kopf zu haben und die Relationen zu wahren.”

2. “Schweinegrippe – ein großer Bluff?”
(tagesschau.de, Martin Durm)
Martin Durm berichtet von einer Anhörung im Europarat zur Frage, wie es möglich war, “wegen eines offenkundig harmlosen Grippevirus die Weltbevölkerung in die größte Impfkampagne aller Zeiten zu schicken”.

3. “Vertuschen in Afghanistan”
(ndr.de, Video, 7:40 Minuten)
Unter Verteidigungsminister zu Guttenberg setzt sich teilweise fort, was sein Vorgänger Jung forderte, nämlich, nur “gute” Nachrichten aus Afghanistan zu verbreiten. Journalisten werden von Presseoffizieren begleitet, die unter dem Druck stehen, ihren Job zu verlieren, wenn “schlechte” Nachrichten an die Öffentlichkeit gelangen.

4. “Schlecht abgeschrieben, Mitteldeutsche Zeitung”
(blog.beliebte-vornamen.de, Knud Bielefeld)
Knud Bielefeld entdeckt in der “Mitteldeutschen Zeitung” Passagen aus Texten, die er für seine Homepage verfasste. Online ist der MZ-Artikel inzwischen nicht mehr abrufbar.

5. Interview mit Jakob Augstein
(derstandard.at, Michael Kremmel)
Jakob Augstein, Verleger von “der Freitag”, glaubt, dass von Amateuren noch zu wenige Themen abgedeckt werden. “Wenn ich mir überlege, wie viele Leute an spannenden Sachen arbeiten, oder spannende Dinge erleben, sei es bei ihrer Arbeit, bei Reisen, oder mit grenzüberschreitenden Projekten in Unternehmen und Universitäten. Oder sie entdecken Missstände in Behörden und Abteilungen. Das sind doch alles Themen, die mich als Leser unheimlich interessieren würden.”

6. “Rund um Bilderstürmer”
(kaidiekmann.de)
“Bild”-Chef Kai Diekmann fragt sich nach der Lektüre eines Artikels im “Tagesspiegel”, warum dem TV-Zuschauer Bilder von “Leichen und Leichenbergen” zuzumuten seien, dem Leser von Printprodukten aber nicht.

Bild  

Verpulverschnee von heute

Für die Axel Springer AG ist die ARD im Internet plötzlich ein Konkurrent. Der Verlag schäumt, dass der Senderverbund mit seinen “kostenlosen”, durch die Rundfunkgebühren finanzierten Angeboten Springers eigene Versuche erschwert, Geld für informationen zu nehmen.

Deshalb arbeitet sich “Bild” gerade mal wieder an den öffentlich-rechtlichen Sendern ab — heute z.B. mit der Schlagzeile:

So werden unsere TVGebühren verpulvert - 1 Minute "Anne Will" kostet 3164 Euro - 610 Millionen Euro für Online-Portale - 2,3 Milliarden Euro für Pensionen

Am Montag hatte die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) ihren 17. Prüfbericht (PDF) vorgestellt und “Bild” hat sich für die heutige Ausgabe viel Mühe gegeben, “die wichtigsten und skurrilsten Fakten” des Berichts herauszusuchen — also, die öffentlich-rechtlichen Sender in einem möglichst schlechten Licht erscheinen zu lassen:

So erwähnt “Bild”, dass die KEF die Reduzierung der Personalkosten bei der ARD als “völlig unzureichend” betrachtet, unterschlägt aber im Gegenzug dazu den Hinweis, dass das ZDF die Vorgaben “durch Reduzierung des Personalaufwands um 18 Mio. Euro im Aufwand vollen Umfangs” umgesetzt hat.

Völlig unerwähnt bleibt, dass die Kommission davon ausgeht, “dass die Anstalten zusätzliche Einsparungen in einem Umfang erwirtschaften, der ausreicht, zum Ende 2012 ein ausgeglichenes Finanzergebnis zu realisieren”. “Bild” fasst die 388 Seiten des Berichts lieber in einem Satz zusammen:

Besonders die ARD wird von den Prüfern für ihren geringen Sparwillen gerügt.

Den Begriff “Grundversorgung”, den das Bundesverfassungsgericht 1986 als Anforderung an die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten geprägt hatte, versteht “Bild” – wie alle anderen Kritiker des öffentlich-rechtlichen Systems – sowieso nicht im Sinne einer alles umfassenden Versorgung, sondern einer Minimalversorgung. Dass der von “Bild” kritisierten Verdreifachung der Kosten für die ZDF-Digitalkanäle eine Reduzierung der Kosten bei 3sat und Kinderkanal gegenübersteht, erfährt nur, wer in den Bericht schaut. “Bild” unterschlägt auch dieses Faktum.

Laut “Bild” explodieren die Online-Kosten und “verdoppeln sich auf mehr als 610 Millionen Euro”. Von einer Verdopplung ist auch im Bericht die Rede, allerdings ist die Summe vielleicht schon nicht mehr ganz so beeindruckend, wenn man weiß, dass sie sich über einen Vierjahreszeitraum erstreckt — oder, dass die Zahl der Visits (Besuche) bei ARD Online beispielsweise “sogar um 119,1 % ” angestiegen ist.

Die Behauptung von “Bild”, dass der ARD-Videotext “den Gebührenzahler in diesem Jahr stolze 78 Mio. Euro.” koste, ist gleich völlig falsch, denn die Zahl von 78 Millionen Euro bezieht sich auf die Kosten für “Telemediendienste” (etwa die Streaming-Angebote) der einzelnen Landesrundfunkanstalten. Für Radio- und Videotexte wollen diese Landesrundfunkanstalten dieses Jahr 12,3 Millionen Euro ausgeben — knapp 300.000 Euro mehr als im Vorjahr.

Dass die Kosten pro Sendeminute bei “Anne Will” doppelt so hoch sind wie bei “Menschen bei Maischberger” kann man natürlich “merkwürdig” finden und auch noch mal in die Überschrift auf Seite 10 schreiben:

SO WERDEN UNSERE GEBÜHREN VERPULVERT: Anne Will kostet doppelt so viel wie Maischberger!

Mindestens ebenso merkwürdig ist aber wohl, dass “Bild”-Autor Nikolaus Harbusch gestern beim NDR nachgefragt hat, warum die Minutenkosten so unterschiedlich seien, auf die Verwendung der Antwort des Pressesprechers dann aber doch verzichtete.

Zur Erhellung veröffentlichen wir sie gerne an dieser Stelle:

1. “Anne Will” ist eine komplette Auftragsproduktion, während “Menschen bei Maischberger” in WDR-eigenen Studios mit eigener Technik produziert wird. Die internen Produktionskosten sind in dem Ihnen vorliegenden Minutenvergleich nicht berücksichtigt.

2. “Menschen bei Maischberger” ist 75 Minuten lang, “Anne Will” nur 60 Minuten. Die Fixkosten schlagen bei längerer Sendezeit naturgemäß geringer zu Buche.

Stattdessen darf SWR-Intendant Peter Boudgoust, derzeit ARD-Vorsitzender, im “Bild”-Interview die Frage beantworten:

Bei den Fragen liegt die Erklärung nicht nur in völlig unterschiedlichen redaktionellen Konzepten, die einen unterschiedlichen Programmaufwand erfordern, sondern auch in der völlig unterschiedlichen Herstellung, manche Sendungen werden komplett eigen- andere komplett fremdproduziert. Anders gesagt: Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen.
(Hervorhebung von uns.)

Auf tagesschau.de sagt Peter Boudgoust heute über die “Bild”-Titelgeschichte:

Das ist ein Stück Kampagnenjournalismus. Ich finde das sehr schade, weil es auch alte Vorurteile bestätigt, was die Seriosität dieser Zeitung angeht.

Mit Dank auch an Christoph.

Zu viele Klischees

In Dortmund wurde gestern ein Bordell zwangsversteigert — etwas, was man nicht alle Tage erlebt:

Seltene Zwangsversteigerung: Ein Bordell unter dem Hammer

Reporter Dirk Berger besuchte für die “Westfälische Rundschau” den Gerichtssaal und formulierte stellenweise so salopp, dass ihm dabei mitunter die sprachlichen Bilder entglitten:

Die Geschäfte laufen schlecht, die Wirtschaftskrise geht den Freiern wohl zunehmend auf die Hardware, sozusagen.

Reicht es, wenn der Autor selbst den Zusammenhang zwischen der Wirtschaftskrise und der “Hardware” von Freiern versteht?

Nicht verstanden zu haben scheint Herr Berger, dass es die Freiheit jeder Person ist, sich tätowieren zu lassen oder die Haare zu färben. Ins Solarium oder zum Krafttraining zu gehen. Oder Uhren zu tragen. Sogar im Gerichtssaal.

Sonst hätte er kein Urteil darüber gefällt, was zu viel ist an Körperschmuck, Haarfarbe, Hautfärbung, Körperstatur und Accessoires einzelner an der Versteigerung beteiligten Personen:

Das Wörtchen "zu" umschreibt das Alleinstellungsmerkmal von Mitgliedern des Milieus: Zu tätowiert, zu blond, zu brauner Teint für 10 Grad minus, zu breite Schultern, zu fette Uhren. Das Klischee ist der Feind genauer Beobachtung, aber es gab zu viel "zu", als dass man dem Klischee nicht erliegen konnte.

Es fragt sich, wie sehr der den Klischees Erlegene “frei von Vorurteilen” ist, wie es Ziffer 13 des Pressekodex für die “Berichterstattung über Ermittlungsverfahren, Strafverfahren und sonstige förmliche Verfahren” fordert.

Mit Dank an Julian.

Focus, iPad, Frage-Phrase-Schema

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Die arschlochfreie Kette – oder: Was der Focus nicht hat”
(print-wuergt.de, Michalis Pantelouris)
Gar keine Freude am neuen “Focus” hat Michalis Pantelouris: “Wenn dies die besten Ideen von drei verschiedenen Teams zusammenführt, die neun Monate Zeit hatten, sich Gedanken zu machen, dann ist das Ende der Zeitschriften in diesem Land besiegelt. Zumindest die erste Ausgabe ist eine unvorstellbar preiswert anmutende Mischung aus Designelementen der Mitbewerber – aber nicht einmal gut geklaut.”

2. “Apple iPad ab 499,- Euro bei Media Markt: ‘Tut mir leid, ist ein super Fake.'”
(basicthinking.de/blog, André Vatter)
Die Website netbooknews.de beruft sich auf einen (inzwischen gelöschten) Tweet und schreibt, die Firma Media Markt verkaufe ab dem 1. März 2010 ein Apple iPad – was eine Media-Markt-Sprecherin dementiert; beim besagten Twitter-Konto handle es sich nicht um ein firmeneigenes. “Die News verbreitete sich wie ein Lauffeuer und schaffte in Windeseile auch den Sprung über den Atlantik, so dass kurze Zeit später sogar MacRumors und CrunchGear darüber berichteten. ‘Media Markt kündigt Apple iPad für 899 Euro an’, titelte auch Golem.”

3. “Freie sind die, die es geschafft haben …”
(freischreiber.de)
Gabriele Fischer, Chefredakteurin von “Brand Eins”, sagt, wie viel ihr Magazin freien Journalisten zahlt und glaubt, dass es viele Freie geschafft haben – nämlich unternehmerisch zu arbeiten. “Das kann nicht jeder. Viele unserer Freien bei ‘Brand Eins’ sind auch Überzeugungstäter, die feste Jobs ablehnen, wenn man sie ihnen anbietet. Und: Freie sind meist unabhängige Köpfe. Sie schielen nicht ständig auf ihren Chef, sondern haben eine Vielzahl von Auftraggebern. Diese Unabhängigkeit ist gut für sie – und für uns. ”

4. “Hat gesagt und hat passiert”
(spox.com, wunderkind)
Ein Blogeintrag zu den Interviews mit professionellen Fußballern: “Die meisten Interviews führen nun mal kein Eigenleben mehr, sondern folgen statt dem Frage-Antwort-Schema eher dem Frage-Phrase-Schema. Aussagen haben ihre Aussage verloren, weil man als Zuschauer genau so schlau ist wie vorher, wenn Spieler X oder Trainer Y sagt, dass man nur auf sich und von Spiel zu Spiel schauen müsse. Das wurde ihm im Interviewtraining eingeprügelt und daran hält er sich, nicht ohne verschmitzt zu lächeln, weil er weiß, dass alle wissen: Er hat keine Wahl, etwas anderes zu sagen.”

5. “Unsere Pressevielfalt oder: Der vierfache Stefan Raab”
(dwdl.de, Thomas Lückerath)
Ein Vergleich von vier Interviews mit Stefan Raab in den Zeitschriften “TV Digital”, “TV Spielfilm”, “TV Movie” und “TV Direkt”.

6. “Blogg besser”
(fr-online.de, Marin Majica)
Marin Majica empfiehlt einem eifrigen Leserbriefschreiber, zu bloggen oder zu twittern.

Mangelndes All-Wissen

Wann immer die Frage aufkommt, was die Menschheit eigentlich von der Raumfahrt habe, wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das Wort “Teflon” fallen.

Bild.de tat gut daran, in der Auflistung “Diese Nasa-Erfindungen erleichtern uns den Alltag” auf Bratpfannenbeschichtungen zu verzichten, denn bekanntlich wurde das Zeugs schon 1938 entdeckt.

Trotzdem hat Bild.de noch genug hilfreiche Nasa-Erfindungen auftreiben können, um nicht nur einen Aufhänger (Infrarot-Ohr-Thermometer) für den Artikel zu haben, sondern auch gleich noch eine 13-teilige Klickstrecke füllen zu können.

Neun der 13 Objekte finden sich – in der gleichen Reihenfolge – in der Liste “10 NASA Inventions You Might Use Every Day”, die die amerikanische Website HowStuffWorks am 12. Mai 2008 veröffentlicht hat. (Die titelgebende zehnte Erfindung dort ist übrigens das Infrarot-Ohr-Thermometer.)

Zu den vier restlichen “Nasa-Erfindungen” zählt Bild.de unter anderem:

Strichcode: Eine weitere Erfindung, die den Weg vom Mond in die Einkaufszentren geschafft habt, ist der Strichcode. Die Nasa benutzte die schwarz-weißen Streifen, um die Übersicht über die Tausenden Teile nicht zu verlieren. Heute wird der Strichcode bei nahezu allen Produkten verwendet.

Das wäre schon insofern beeindruckend, als das erste Patent für den Strichcode im Oktober 1952 erteilt wurde — gut sechs Jahre vor Gründung der NASA.

Aber die NASA selbst schreibt auf ihrer Website:

Strichcodes wurden nicht von der NASA erfunden. Die NASA entwickelte eine besondere Form des Strichcodes zur Inventarisierung von Space-Shuttle- und anderen Weltraum-System-Komponenten, der harte Umgebungen aushalten konnte, aber dieser sollte nicht mit dem originalen Strichcode verwechselt werden.
(Übersetzung von uns)

Mit Dank an Malte L.

Nachtrag, 27. Januar: Bild.de hat den Strichcode aus der Klickstrecke entfernt (in der Dachzeile steht er noch) und bei Texttafel 12 von 12 ein “Quelle: howstuffworks.com” hinzugefügt.

Wintersport, Photoshop, Hertha

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Wintersport-Fernseh-Test – Werbung am laufenden Band”
(faz.net, Christian Eichler)
Christian Eichler schaut sich auf ARD acht Stunden Wintersport an und stösst auf viel Werbung: “12.50 Uhr, Innsbruck, Skeleton der Frauen, endlich ein deutscher Erfolgssport. Er wird auf dem Bauch betrieben, weswegen die Werbung am Gesäß klebt.”

2. “Wein-Presse: Gibt es noch einen Ausweg?”
(weinakademie-berlin.de, Michael W. Pleitgen)
Ein langer Artikel zum aktuellen Zustand des Weinjournalismus: “Die Öffentlichkeit fragt sich nicht, warum Weinzeitschriften so oft über in unseren Landen unbedeutende Herkünfte wie Griechenland und Portugal schreiben. Haben die Zeitschriften etwas Neues entdeckt? Gilt es sensationelle neue Weine aufzuspüren? Viel einfacher: meist stand am Anfang eine PR Agentur und eine bezahlte Journalisten-Reise!”

3. “Unsinn”
(pixelfehler.nicolas-neubauer.de)
Nicolas Neubauer analysiert den “Spiegel Online”-Artikel “Wunderflunder mit Schnick und Schnack”, in dem über die Ankündigung eines neuen Produkts der Firma Apple spekuliert wird.

4. “In Haiti werden Journalisten selbst zu Helfern”
(evangelisch.de, Corinna Blümel)
“Helfen oder Berichten – vor diesem Dilemma stehen Journalisten bei jeder Katastrophenlage, seien es Erdebeben wie jetzt in Haiti oder der Tsunami von 2004, seien es Hungersnöte, kriegerische Auseinandersetzungen oder das Flüchtlingselend in Darfur.”

5. “Zu digital, um wirklich schön zu sein”
(tagesspiegel.de, Sonja Pohlmann)
Sonja Pohlmann über den Einsatz von Photoshop und anderen die Realität verändernden Techniken: “In der Regel wird kein Bild unbearbeitet in Magazinen und auf Plakaten abgedruckt.”

6. “Entschiedenes Dementi”
(herthabsc.de)
Werner Gegenbauer, Präsident des Fußballvereins Hertha BSC Berlin, “dementiert entschieden, dass ein Präsidiumsbeschluss gefasst worden sei, wonach die Hertha-Profis Arne Friedrich, Gojko Kacar und Raffael im Fall einer Niederlage im Heimspiel am kommenden Samstag gegen den VfL Bochum verkauft werden sollen. Dies hatte die Berliner Boulevard-Zeitung B.Z. am Sonntag auf ihrer Internet-Seite berichtet.”

Bild  

Es ist etwas faul …

Ganz Deutschland diskutiert über Hartz IV.

erklärte “Bild” am vergangenen Freitag mit dem üblichen Understatement und ließ es sich nicht nehmen, einen eigenen Beitrag zur Diskussion zu liefern, der knapp ein Viertel der Titelseite einnahm:

Macht Hartz IV faul?

Diese Frage war für “Bild” ungefähr so rhetorisch wie die, mit denen der große Seite-2-Artikel begann:

Muss es eine verschärfte Arbeitspflicht für Arbeitslose geben, wie Hessens Ministerpräsident Roland Koch fordert? Haben Hartz-IV-Empfänger keine Lust zu arbeiten? Oder lohnt es sich schlicht für viele nicht mehr, überhaupt eine Arbeit anzunehmen?

Gleich drei O-Töne hat die Zeitung eingesammelt (von Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt, CDU-Wirtschaftsexperte Michael Fuchs und FDP-Sozialexperte Pascal Kober), die alle der Meinung zu sein scheinen, dass die Menschen die Lust am Arbeiten verlieren, wenn die Hartz-IV-Bezüge zu hoch sind bzw. jemand, der arbeitet, nicht “wirklich mehr” verdient.

Um dieses “wirklich mehr” zu qualifizieren, hat “Bild” drei Beispielfamilien erfunden und für sie verglichen, was sie als Berufstätige und als Bezieher von Arbeitslosengeld II bekommen. Wenig überraschendes Ergebnis: Laut “Bild” bekommt, wer arbeitet, nur wenig mehr — oder gar gleich weniger — als der vergleichbare Hartz-IV-Empfänger.

Allein: “Bild” rechnet falsch. Der Paritätische Wohlfahrtsverband wirft “Bild” vor, bei den Arbeitnehmern Wohngeld und Kinderzuschlag “systematisch unterschlagen” zu haben. Familien, die so wenig verdienen, hätten darauf allesamt Anspruch und damit durch die Bank rund 500 Euro mehr zur Verfügung als mit ALG II.

“Bild” widersprach, nannte den Vorwurf “grob irreführend” und wies darauf hin, dass jemand, der die “Aufstockung” seines Gehaltes mit Arbeitslosengeld II beantrage, Wohngeld und Kinderzuschlag nicht mehr beantragen dürfe. Was “Bild” aber dabei unterschlägt: Mit diesen zusätzlichen Einnahmequellen erreichen die Beispielfamilien auch ohne diese “Aufstockung” (die ihnen dann ohnehin nicht zustünde) höhere Summen als von “Bild” angegeben. Der Wohlfahrtsverband nennt die Verteidigung von “Bild” daher “wiederum völlig falsch und damit bewusst irreführend”.

“Bild” gibt das Einkommen der Beispielfälle nach den Berechnungen des Wohlfahrtsverbandes um jeweils mindestens 200 bis 250 Euro zu niedrig an. Bei richtiger Berechnung wüchse der Abstand der Einnahmen der arbeitenden Familien gegenüber denen, die nur von Hartz IV leben, auf jeweils rund 500 Euro im Monat.

Doch die “Bild”-Zeitung blieb auch am Samstag ihrer Linie treu: Sie ließ “Betroffene” zu Wort kommen, die erklären, dass sie arbeiten gehen, obwohl sie “läppische 52 Euro mehr” bekommen als ihnen bei Hartz IV zustünden. Passend dazu veröffentlichte das Blatt einen angeblichen Leserbrief mit folgendem Inhalt:

Ich bin 40, Krankenpfleger, Langzeitarbeitsloser aus gesundheitlichen Gründen (Psyche). Ich warte jetzt erst mal die Neuregelungen ab. Nach 10 Jahren lohnt es sich für mich nicht, wieder einzusteigen. Im Juni war ich eine Woche auf Helgoland. Im September und Dezember auf Mallorca. April-Urlaub ist schon gebucht. Also, geht doch!
H. R., Hamburg (E-Mail)

Am Montag dürfen sich Hartz-IV-Empfänger in “Bild” “wehren”:

Dass Hartz-IV-Empfänger “NICHT allesamt faul” seien, hatte Nikolaus Blome aus dem Hauptstadtbüro von “Bild” schon am Freitag in seinem Kommentar geschrieben.

Blome und “Bild” wünschen sich aber offenbar eine Reduzierung der Hartz-IV-Sätze:

Die Ansprüche zu erhöhen, unter dem Strich also mehr Geld für Hartz-IV-Haushalte zu geben, das ist keine Lösung. Sondern das Gegenteil.

Dafür rechnen sie auch schon mal falsch.

Mit Dank an Ceggis, Joachim R., Kristin H. und Andreas.

Flaschmeldung

Es ist ein Klassiker des Mathematikunterrichts und der prähistorischen Witzbücher:

Vor allem Mineralwasser wird zunehmend in Plastikflaschen verkauft. Nur noch jede dritte Wasserflasche ist aus Glas. 2003 war es noch jede siebte.

Zur Verdeutlichung der Situation:

So viele Flaschen sind “jede dritte” …

Jede dritte Flasche

… und so viele “jede siebte”.

Jede siebte Flasche

An dem Satz von Bild.de ist übrigens so ziemlich alles falsch — nicht nur die Mathematik, sondern auch die Kernaussage. Es geht nämlich gar nicht um Glas- oder Plastikflaschen, sondern um Einweg und Mehrweg:

Laut der Allianz für Mehrweg ist die Mehrwegquote bei Mineralwasser von 73 Prozent bei Einführung der Pfandpflicht auf knapp 32 Prozent im dritten Quartal 2009 gesunken.

Mit Dank an jeden dritten Hinweisgeber!

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