Fußball, Verschwörungstheoretiker, CNN

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Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “10 Randbemerkungen zum Thema Fußball im Fernsehen”
(fernsehkritik.tv, Video, 18 Minuten)
Fernsehkritik.tv lässt einige bemerkenswerte Momente der Fußball-Europameisterschaft im Fernsehen Revue passieren.

2. “ARD und ZDF machen den Fußball lächerlich”
(focus.de, Alexander Kissler)
Bei den Interviews mit Fußballern am Spielfeldrand hat Alexander Kissler “noch keine journalistisch relevante Frage” gehört. “Hier wie dort triumphiert die Verwandlung erwachsener Menschen in Wohlfühlautomaten. (…) Es geht einzig darum, auf täppische Weise Emotionen zu inszenieren und Psychologie zu simulieren.”

3. “Ich war Weltmeister”
(tageswoche.ch, Carmelo Policicchio)
Carmelo Policicchio, als Sohn eines italienischen Schweissers in Deutschland aufgewachsen, erinnert sich an Spiele zwischen Deutschland und Italien 1970 und 1982. Siehe dazu auch “Warum Özil die Hymne nicht mitsingt – Fußball, Integration und Nationalgefühl” (dradio.de, Martin Hyun).

4. “CNN, Fox News Bungle Supreme Court Coverage”
(talkingpointsmemo.com, Video, 2:26 Minuten, englisch)
CNN und Fox News berichten, der Oberste Gerichtshofs habe die Gesundheitsreform der Regierung Obama für verfassungswidrig erklärt – um wenige Minuten später das Gegenteil zu vermelden. Siehe dazu auch die Statements der Sender (poynter.org) und die Unzufriedenheit anderer CNN-Mitarbeiter (buzzfeed.com).

5. “Wer ernsthaft für seine Zeitung arbeiten will, arbeitet gegen sie”
(blog.tagesanzeiger.ch, Constantin Seibt)
“Eine kluge Zeitung, eigentlich jede mit Format, zeichnet sich fast definitionsgemäss dadurch aus, dass in ihr möglichst viele Angestellte immer wieder in Opposition gehen: Das garantiert ihre Weite, ihre Neugier, ihre Entwicklung. So sind etwa berühmte bürgerliche Blätter nie durchgehend bürgerlich: die ‘Frankfurter Allgemeine’ etwa leistet sich ein meist linksliberales, verspieltes Feuilleton; die ‘NZZ’ einen oft unideologischen Auslandsteil.”

6. “Alle unter Kontrolle”
(datum.at, Julia Niemann und Thomas Trescher)
Ein Bericht über Verschwörungstheoretiker in Österreich: “Was die Protagonisten aber gemeinsam haben, ist ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber Politik und Staat. Kevin Mohr glaubt nicht daran, innerhalb des politischen Systems etwas bewegen zu können. Wählen war er noch nie, weil er keine Möglichkeit sieht, dass sich im Großen und Ganzen etwas ändert. Was ihn von vielen anderen unterscheidet, ist der fixe Glaube, dass hinter Trash-TV, der Wirtschaftskrise und der Europäischen Union ein komplexer Masterplan steckt, ausgeheckt von Bösewichten, die die Menschheit unterjochen wollen.”

Ihr EUmel! (5)

Es ist ja nicht so, dass wir Spaß daran hätten, den gleichen Fehler immer und immer wieder aufzuschreiben.

Wir dachten gestern also, wir erledigen das unbürokratisch:

Vielleicht wollten die Leute von “Focus Online” uns aber auch einfach zwingen, es wieder aufzuschreiben. Jedenfalls steht da immer noch:

Schutz des Eigentums verletztEU-Gerichtshof schränkt deutsches Jagdrecht ein. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat einen Prozessmarathon über das deutsche Jagdrecht beendet. Ein Landbesitzer hatte Jagden auf seinem Grund geklagt. Jetzt haben Tausende Jäger das Nachsehen.

Und jetzt alle im Chor: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ist kein “EU-Gerichtshof”!

Mit Dank an Gerald.

Bild  

Der Mann, der in “Bild” das “Schwein” war

Es war eine der lustigen Schlagzeilen, für die Leute, die “Bild” lieben, “Bild” lieben:

Hat dieses Schwein einen Menschen ermordet?

Sie stand vor zwei Jahren in “Bild” (BILDblog berichtete). Die Polizei verdächtigte den Mann damals, gemeinsam mit seinem Lebensgefährten einen Bekannten auf einem Autobahnparkplatz erschossen zu haben. Das Foto war natürlich bei einem ganz anderen Anlass entstanden, war für “Bild” aber natürlich ein Geschenk.

Das Blatt schrieb dazu:

BILD erfuhr: Wahrscheinlich war es ein Mord im Homosexuellen-Milieu! Der Tatort ist in der Schwulenszene als Sex-Treffpunkt bekannt. Detlef S. war lange Vizechef der Deutschen Aids-Stiftung, ist Diplom-Sozialpädagoge. Nach Angaben der Fahnder ist die Beweislage gegen ihn und seinen Freund erdrückend.

Zehn Tage später wurden beide aus der Untersuchungshaft entlassen. Der Tatverdacht hatte sich nicht bestätigt (BILDblog berichtete).

Die mediale Hinrichtung durch “Bild” war nur ein kleines, furchtbares Detail in einer schrecklichen Geschichte, die die “Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung” jetzt aufgeschrieben hat:

Fachblatt für Geschmacklosigkeiten

Ein Mann hat offenbar versucht, auf verschiedenen Internetplattformen ein Auto zu verkaufen, das sich seiner Ansicht nach dadurch hervortat, dass es früher dem Fußballer Robert Enke gehört hatte, der sich im Jahr 2009 das Leben genommen hatte.

“Bild” kommentiert das heute so:

Geschmacklos! Auto-Verkäufer warb mit totem Enke
Man kann sich diesem Urteil natürlich anschließen — sollte dann andererseits dringend noch einmal daran erinnern, wie “Bild” vier Tage nach Enkes Tod bei Facebook für ihren Online-Auftritt geworben hatte (in dem damals u.a. viele Paparazzi-Fotos von der trauernden Witwe, unter anderem am Grab ihrer Tochter zu sehen waren):


Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

Albrecht Müller, taz, Frauenzeitschriften

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1. “Thilo Sarrazin geht gegen ‘taz’ vor”
(spiegel.de, Felix Bayer und Thorsten Dörting)
Christian Schertz, Anwalt von Thilo Sarrazin, fordert eine Unterlassungserklärung von der “taz”. Beanstandet wird der am 18. Juni in der Rubrik “Die Wahrheit” erschienene Text “Thilo Sarrazin: Südländer als Untermenschen”.

2. “Offener Brief an Albrecht Müller”
(freitag.de, Jakob Augstein)
Jakob Augstein, Herausgeber von “Der Freitag”, schreibt an Albrecht Müller, Herausgeber der “Nachdenkseiten”: “Sie lesen offenbar nicht den Text, der vor Ihren Augen steht, sondern Sie suchen in dem Text Ihre eigenen Vorurteile – und wenn Sie die nicht finden, macht es Ihnen auch nichts aus.” Anlass für die Replik ist diese Kritik (Nachtrag).

3. “How do you tell when the news is biased? It depends on how you see yourself”
(niemanlab.org, Jonathan Stray, englisch)
Die Frage, welcher Gruppe man sich zugehörig fühlt, ist entscheidend bei der Beurteilung der Unvoreingenommenheit einer Nachricht. “The same story can make everyone on all sides think the media is attacking them. (…) We might like to think of ourselves as impartial judges of credibility and fairness, but the evidence says otherwise.”

4. “Vorsicht vor der Politik, wenn alles jubelt”
(tagesschau.de, Video, 2:41 Minuten)
Die “Tagesthemen” blicken zurück auf wichtige Politikentscheide, die während großer Fußballturniere vorgenommen wurden, “politische Grausamkeiten im Schatten der Spiele”. So zum Beispiel die Erhöhung der Mehrwertsteuer während der WM 2006 oder aktuell die Entscheidungen zum Fiskalpakt und zum ESM.

5. “Das Schweizer Fernsehen diskriminiert die Jungen”
(infosperber.ch, Christof Moser)
Christof Moser prüft den Altersdurchschnitt der eingeladenen Gäste verschiedener Sendungen des Schweizer Fernsehens.

6. “Blond, ledig testet … Frauenzeitschriften”
(zdf.de, Video, 29:52 Minuten)
Die 29-jährige Redakteurin Inga Weßling testet während einer Woche aus, was Frauenzeitschriften empfehlen: Sie macht eine Obstdiät, konsultiert eine Astrologin, übt strippen, geht zu einer Tantra-Massage und lässt sich Haare mit Wachs entfernen.

Coke Triplezero

Dieser Mann hat allen Grund, bedröppelt dreinzublicken:

Vorstandsvorsitzender von Coca-Cola Muhtar Kent nimmt an einem Treffen in Neu-Delhi teil. Coca-Cola, der größte Getränkeproduzent weltweit, plant fünf Billionen US-Dollar in den indischen Markt zu investieren.

Es ist Muhtar Kent, Vorstandsvorsitzender der Coca-Cola Company, und eigentlich wollte er gerade nur erklären, dass sein Unternehmen bis zum Jahr 2020 fünf Milliarden US-Dollar in Indien investieren will.

Doch nun schreibt sueddeutsche.de:

Vorstandsvorsitzender von Coca-Cola Muhtar Kent nimmt an einem Treffen in Neu-Delhi teil. Coca-Cola, der größte Getränkeproduzent weltweit, plant fünf Billionen US-Dollar in den indischen Markt zu investieren.

Die gute Nachricht für Mr. Kent: Er muss doch nicht tausendmal so viel ausgeben, wie ursprünglich geplant. Die Leute bei sueddeutsche.de haben nur den klassischen Denkfehler begangen und das englische Wort “billion” (auf Deutsch: “Milliarde”) mit dem deutschen Wort “Billion” (im Englischen: “trillion”) gleichgesetzt.

Mit Dank an Falk G.

Nachtrag, 28. Juni: sueddeutsche.de (wo das Foto in der Bildergalerie immer weiter nach hinten rutscht und aktuell hier zu finden ist) hat den Fehler korrigiert und hinzugefügt:

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version hieß es, Coca-Cola investiere fünf Billionen US-Dollar in Indien. Das ist falsch.

Wir haben dem Markennamen Coca-Cola in unserem ursprünglichen Eintrag unterdessen einen Bindestrich spendiert, damit auch hier alles seine Ordnung hat.

Niveau ist keine Hautcreme (4)

Im vergangenen Jahr wurde die Marke Nivea 100 Jahre alt und ließ sich in verschiedenen Medien feiern.

Und auch wenn es nach so einem runden Geburtstag häufig ruhiger wird um den Jubilar, braucht sich die Beiersdorf AG keine großen Sorgen zu machen, solange sie Werbeträger wie Joachim Löw hat, die von Journalisten explizit auf ihre Tätigkeit angesprochen werden:

Erschienen ist dieses Interview vergangene Woche in der “Leipziger Volkszeitung”. Bebildert war es dabei so:

Die Veröffentlichung des Interviews war offenbar die Zweitverwertung eines Interviews, das so ähnlich schon Anfang Juni in der “Schweriner Volkszeitung” erschienen war.

Die oben zitierte Passage sah dort ein bisschen anders aus, aber ganz ohne Nivea kam das Gespräch auch nicht aus:

Neben Ihrem Job sind Sie auch “Pflegecoach” einer Männerkosmetik-Marke. Der 54er-Weltmeistermacher Sepp Herberger wäre in einer solchen Rolle schwer vorstellbar…

[…]

Früher reiste man im Trainingsanzug und Turnschuhen, heute ist es wichtig, dass eine Mannschaft als Repräsentant verschiedener Institutionen geschlossen und gut angezogen auftritt.

Sie achten sehr auf Ihr Äußeres, wie eitel darf ein Fußball-Mann sein?

Fußball hat in den vergangenen Jahren eine solche Stellung eingenommen, dass gepflegtes Auftreten und ein wenig Eitelkeit einfach dazugehört. Ich persönlich nehme jeden Tag Gesichtspflege, Männerprodukte sind ja lange nicht mehr uncool.

Wenn ein Sponsor aus der Wirtschaft an Sie herantritt, wonach entscheiden Sie, ob Sie zusammenarbeiten werden?

Ich muss mich zu 100 Prozent mit der Marke identifizieren, sie im Alltag selbst benutzen und Vertrauen in die Produkte haben. Mit Nivea bin ich quasi aufgewachsen. Wir Jungs wurden immer damit eingecremt. Ein wenig erinnert mich die blaue Dose daher auch an meine Kindheit.

Mit Dank an Sebastian S.

Für sie am Ball

Für diese Schlagzeile auf Bild.de gilt das gleiche wie für die Momente, in denen man unbekleidet vom eigenen Partner mit einer anderen Person im heimischen Schlafzimmer überrascht wird: Es ist nicht, wonach es aussieht.

Martin wollte Casillas-Freundin abschießen

Zum einen ist da der Vorwurf des “Abschießenwollens”, den Bild.de so beschreibt:

Vor dem Anstoß versuchte Marvin Martin (24) die spanische TV-Reporterin Sara Carbonero (28) abzuschießen.

Die Verlobte von Spaniens Torhüter Casillas moderierte gerade am Spielfeldrand, als Martin Maß nahm.

Warum er nur Auswechselspieler ist, bewies der Mittelfeldmann eindrucksvoll: Sein Schuss verfehlte die schöne Moderatorin.

Es bedarf schon einigen bösen Willens, in dieser Aktion Absicht zu erkennen — und nicht einfach ein verunglückte Volley-Annahme:

(Auch die Behauptung, Frau Carbonero habe “im letzten Moment zur Seite springen” können, dürfte angesichts des Videos leicht übertrieben wirken. Aber eine frontal getroffene Kamera ist offenbar nicht so spektakulär, wie eine beinahe getroffene “schöne Moderatorin”.)

Zum anderen lautete die Überschrift ursprünglich “Nasri wollte Casillas-Freundin abschießen”, weil die Sportexperten von “Bild” Marvin Martin zunächst für Samir Nasri gehalten hatten.

Nachdem einige Leser in den Kommentaren auf diese Verwechslung hingewiesen hatten, überarbeitete Bild.de unauffällig den gesamten Artikel — und sorgte dafür, dass die Kommentare unter dem Artikel nicht mehr angezeigt werden.

In der gedruckten “Bild” allerdings kann man die ursprüngliche Verwechslung noch in aller Pracht nachlesen:

Nasri wollte Casillas-Freundin abschießen

Mit Dank an Jan David Sch., Moritz S., Arno W., Thomas Sch. und S.K.

Antiwählerfrühstück, Prinzessin, Euro

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1. “Ankara: Syrien hat weiteres Flugzeug beschossen”
(tagesspiegel.de, Andrea Nüsse)
In Syrien habe sich eine “Art Medienkrieg zwischen staatlicher syrischer Propaganda und Leitmedien wie den arabischen Sendern ‘Al Dschasira’ und ‘Al Arabija’ etabliert”, schreibt Andrea Nüsse. “Am Anfang des Konfliktes wiesen Medien noch oft darauf hin, dass es schwer sei, objektive Nachrichten zu erhalten, weil keine ausländischen Reporter ins Land gelassen würden. Mittlerweile übernimmt die westliche Politik und Presse oft ohne Einschränkung die Darstellungen bewaffneter Kämpfer vor Ort und der ‘citizen reporter’.”

2. “Ein bisschen Tratsch muss sein”
(sueddeutsche.de, Ekkehard Müller-Jentsch)
Vor dem Landgericht München stritten am Montag die Anwälte von Roberto Blanco, “Bunte” und “Bild am Sonntag” um die Berichterstattung zu einer Hochzeit und um einen zwischen Blanco und “Bunte” geschlossenen Exklusivvertrag.

3. “Tausche Hirn gegen Verantwortung”
(fernsehkritik.tv, Fernsehkritiker)
Zur am 1. Juli stattfindenden Wahl eines Oberbürgermeisters in Halle lädt die MDR-Sendung “Querformat” zu einem “Antiwählerfrühstück” ein und offeriert ihren Zusehern “palettenweise belegte Brötchen und Kaffee”. “Diejenigen, die nicht wählen wollen, werden nur vorbei kommen, um sich ein kostenloses Frühstück abzuholen. Und schlimmer noch: Möglicherweise werden manche Bürger, die eigentlich zur Wahl entschlossen sind, nun durch die Aussicht auf Kaffee und Brötchen davon abgehalten.”

4. “Mehr Kitsch geht nicht”
(faz.net, Jonathan Schaake)
Die ZDF-Dokumentation “Endlich Prinzessin” (zdf.de, Video, 44 Minuten) über Kate Middleton und Charlene Wittstock in der Kritik: “Der Film von Ulrike Grunewald und Annette Tewes bietet flaches Royaltainment, das auf jeglichen Blick hinter die Fassaden verzichtet.”

5. “Liebe Noch-Euro-Mitbürger!”
(ftd.de, Horst von Buttlar)
Horst von Buttlar macht sich Gedanken über die optische Gestaltung der Krise des Euro.

6. “Der Mann in unserer Garage”
(tagesanzeiger.ch, Michael Hermann)

Bild  

Freibrief für unerlaubte Fotos von Unfallopfern?

Im Oktober 2005 kam eine 32-jährige schwangere Frau bei einem schweren Verkehrsunfall ums Leben, den sie nicht verschuldet hatte. Weil im Fahrzeug des Unfallverursachers der Musiker Max Mutzke saß, hielten Boulevardmedien wie “Bild” den Unfall für besonders relevant.

Zwei Tage nach dem Unfall suchte ein “Bild”-Mitarbeiter die Eltern der Verstorbenen auf und bat an der Haustür um Informationen über die Getötete und ein Foto von ihr. Die Eltern verweigerten jegliche Angaben und erklärten ausdrücklich, dass sie kein Foto
zur Verfügung stellen wollten und mit einer Veröffentlichung eines Fotos ihrer Tochter in “Bild” nicht einverstanden seien. “Bild” ignorierte dies und beschaffte sich von einem unbekannten Dritten ein Porträtfoto der jungen Frau und druckte es nebst diversen Einzelheiten aus dem Privatleben der Getöteten.

Für “Bild” eine nahezu alltägliche Geschichte.

Doch die Eltern der jungen Frau taten etwas, wozu die meisten Angehörigen in so einer Situation gar nicht in der Lage sind: sie gingen juristisch gegen “Bild” vor. Die Zeitung musste sich in einer Unterlassungserklärung verpflichten, das Foto nicht erneut zu verbreiten.

Zusätzlich forderten die Eltern Schadensersatz in Höhe von 15.000 Euro von der Axel Springer AG. Nach einem ursprünglichen Urteil des Landgerichts Berlin, das Springer zu einer Zahlung von 3.000 Euro und der Übernahme der Anwaltskosten der Eltern verurteilt hatte, ging der Fall durch die Instanzen, bis der Bundesgerichtshof im März den Schadensersatzanspruch der Eltern zurückwies: “Bild” habe weder die Persönlichkeitsrechte der Eltern noch die der verstorbenen Tochter verletzt, die Eltern hätten auch keinen Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr.

Das Internetportal “Datenschutz Praxis” hat sich die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vorgenommen und kommt zu dem Schluss, sie sei “ein Freibrief für Zeitungen, Fotos von Unfallopfern auch dann risikolos veröffentlichen zu können, wenn die Angehörigen sich strikt gegen eine Veröffentlichung aussprechen”:

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