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“‘Bild’ ist entschieden schlimmer geworden”

In einem Interview mit dem “Tagesspiegel” kommt Michael Nauman, Herausgeber der “Zeit” (die wie der “Tagesspiegel” zum Holtzbrinck-Konzern gehört), auch auf “Bild” zu sprechen:

“Die Enträtselung und Entwürdigung von Frauen durch Reklame macht immer neue Fortschritte. Wenn ich das ergänze mit einer der Haupteinnahmequellen der ‘Bild’, mit Zuhältereien in den so genannten Kontaktanzeigen, die dem Verlag jedes Jahr Millionen bringen – also, ich stehe fassungslos davor. (…) Meine Verachtung richtet sich gegen die altbekannten publizistischen Schweinereien. Inklusive dieser frauenverachtenden Unterstützung von Zwangsprostitution, die vorne als Skandal vorgeführt und hinten verkauft wird. ‘Bild’ ist entschieden schlimmer geworden. Darum verliert sie Auflage.”

Im selben Interview sagt Michael Naumann über den “Bild”-Chefredakteur und -Herausgeber Kai Diekmann:

“Herr Diekmann ist ja offenkundig nur zu zwei Gefühlsregungen in der Lage: Enthusiasmus – ‘Wir sind Papst’ – und Verachtung: vor allem für seine Leser und vielleicht auch für seine Kritiker.”
(Link von uns.)

Allgemein  

Humbug heißt Humbug

“Nee, lassma”, rief der “Bild”-Redakteur, als man ihm das Wörterbuch bringen wollte, “ich kann das auch so.”

Bestimmt arbeiten auch bei “Bild” Leute, die des Englischen mächtig sind. In der Buchhaltung zum Beispiel. Oder im Layout. Vielleicht sogar in der Anzeigenabteilung. Aber es scheint ein ungeschriebenes (und sehr streng befolgtes) Gesetz zu geben, diese Menschen von allen Artikeln fernzuhalten, in denen “Bild” Englischkenntnisse gebrauchen könnte. Artikeln, zum Beispiel, in denen die Zeitung anderen die englische Sprache erklären will.

Wie heute Jan Ullrich. Angeblich muss der gerade einen Intensivkurs belegen, weil Englisch als Sprache seines Tour-de-France-Teams eingeführt wurde. Die “Bild”-Zeitung tut so, als könnte sie helfen, und hat deshalb diesen kleinen Kasten rechts gebaut, bei dem allerdings schon das große “Y” in der Überschrift nicht korrekt ist.

“Trennkost ist besser” übersetzt “Bild” mit “Seperation food is better”, und das ist falsch, denn auf Englisch heißt “Trennkost” verwirrenderweise “food combining”.

Der Satz “Ich habe ein Problem mit einem Reifen” lautet nach Ansicht von “Bild” auf englisch: “I have a problem with a wheel”, und das ist falsch, denn wheel ist nicht der Reifen, sondern das (Vorder- oder Hinter-) Rad. Das englische Wort für Reifen ist tyre (oder amerikanisch tire).

Und die beste Übersetzung für “Was für ein steiler Berg” soll — laut “Bild” — “What a cliffy mountain” sein, und auch das ist humbug. Denn cliffy heißt soviel wie felsig oder schroff, wo ein steiler Berg doch durchaus glatt sein kann, weshalb man ihn am besten einfach steep nennt, was alles sein kann, Hauptsache steil.

Danke an Armin S. für den Hinweis!

Nachtrag, 1. Dezember, 9.15 Uhr: Und selbst wenn “Trennkost” auf englisch so etwas wie “seperation food” hieße, was es nicht tut, schriebe es sich nicht “seperation”, sondern separation.

Fusionshindernis “Bild”

Das Kartellamt hat massive Bedenken gegen die geplante Fusion der Axel Springer AG mit ProSiebenSat.1. Nach jetzigem Stand ist sie nicht genehmigungsfähig. Es geht um den drohenden mangelnden Wettbewerb im Fernsehwerbemarkt und im Anzeigenmarkt der überregionalen Zeitungen, vor allem aber um das Fast-Monopol der “Bild”-Zeitung im Markt der Boulevardzeitungen.

Kartellamts-Präsident Ulf Böge sagt im “Tagesspiegel”:

Bei Straßenverkaufszeitungen hat Springer mit „Bild“ 80 Prozent Marktanteil. Diese Position darf nicht durch redaktionelle oder werbliche Unterstützung des Fernsehens verstärkt werden.

Springer hatte behauptet, der Konzern gebe sich mit der Übernahme eine vergleichbare Struktur wie der Konkurrent Bertelsmann (“Stern”, RTL). Dem widerspricht Böge in der “FTD” heftig:

“Das ist der Unterschied vom Springer-Fall zu Bertelsmann, dass Springer mit der “Bild”-Zeitung eine marktbeherrschende Stellung einnimmt. Daher wäre es eine falsche Betrachtungsweise, wenn man sagen würde: Was Bertelsmann darf, muss Springer auch dürfen. (…) Die “Bild”-Zeitung könnte durch entsprechende werbliche Maßnahmen mehr Aufmerksamkeit erhalten, etwa durch Hinweise im Fernsehen darauf, was in “Bild” steht, Das würde eine sehr weit reichende Absicherung der ,Bild‘-Zeitung im Lesermarkt bedeuten – mit der Folge, dass dort noch weniger Wettbewerb herrscht.”

Der Medienkonzentrationsforscher Horst Röper erläutert in der “Frankfurter Rundschau”:

“Bild hat als die Milchkuh des Konzerns immer schon eine zentrale Stellung gehabt. Und verbunden mit der Marke Bild sind ja noch etliche weitere Aktivitäten von Springer. Die Verbundmöglichkeiten zwischen Bild und den TV-Sendern stellen die eigentliche Hürde im Fusionsverfahren dar. Diese zu entkräften, dürfte für Springer schwierig werden.”

Die “Berliner Zeitung” kommentiert:

Zwölf Millionen Menschen lesen täglich die Bild-Zeitung. Ihr Chefredakteur, Kai Diekmann, triumphierte zuletzt, “Bild” sei das neue Leitmedium der Republik. Gemeinsam mit den anderen Zeitungen und Zeitschriften aus dem Hause Springer dominiert sie nicht nur den Meinungs-, sondern auch den Anzeigenmarkt. Darf ein derart mächtiger Verlag auch noch die größte TV-Senderkette des Landes besitzen?

Nein, hat nun das Bundeskartellamt geurteilt. (…)

Erstmals hat das Kartellamt im Fall Springer/ProSiebenSat.1 medienübergreifende Aspekte bei der Beurteilung eines Fusionsvorhabens zu Grunde gelegt. Zu Recht. (…) Crossmediale Vermarktungsstrategien sind ebenso denkbar wie redaktionelle Verflechtungen und PR-Kampagnen für das jeweilige Schwesterunternehmen.

Springer wird nun also etwas von seiner Macht abgeben müssen. Das ist nicht nur gut für den Wettbewerb, sondern auch für die Meinungsvielfalt.

Offener Brief an Dr. Mathias Döpfner

Berlin, den 10. Oktober 2005

Herrn Dr. Mathias Döpfner
Axel Springer AG
Axel-Springer-Straße 65
10888 Berlin

Sehr geehrter Herr Dr. Döpfner,

in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa haben Sie in der vergangenen Woche die Vermischung kommerzieller und redaktioneller Inhalte “brandgefährlich” genannt. Sie sagten, Medien, die die Grenzen aufweichten, drohten sich damit selbst den Ast abzusägen. Sie plädierten für eine “sehr strikte” Trennung.

Herr Döpfner, kennen Sie das Internetangebot von Bild.T-Online? Es handelt sich dabei um ein Joint Venture, an dem das von Ihnen geführte Unternehmen Axel Springer 63 Prozent der Anteile hält. Es gibt dort eine Rubrik namens “Erotik”, die sich in ihrer Aufmachung in keiner Weise von Rubriken wie “Nachrichten” oder “Sport” unterscheidet. Die einzelnen Menüpunkte sind wie redaktionelle Menüpunkte gestaltet; die einzelnen Teaser in diesem Ressort sehen exakt so aus wie Teaser, die in anderen Ressorts zu redaktionellen Beiträgen führen.

Der “Aufmacher” im Ressort Erotik heißt aktuell (10. Oktober, 21 Uhr): “Richtig dicke Möpse! Dicke HUPEN”. Ein Klick führt zum gleichnamigen Angebot der Firma Telecall unter der Adresse “sexdate.de”, das unter anderem “heißen Livesex” verspricht.

Der im Stil eines Artikelanreißers gestaltete Teaser daneben zeigt eine Frau, die unter der Überschrift “Das Privatcam-Portal” verspricht: “Ich schenk’ Dir bis zu 40 Euro!” Ein Klick führt zum Angebot “Sex and the Web” der Schweizer Firma Aximus, die unter anderem “aufwendig produzierte Erotikfilme in der Hardcore-Version: ungeschnitten und unzensiert” verkauft.

Der scheinbar redaktionelle Teaser darunter lockt mit einer “Neuen Erotik-Videothek: XXX-Movies — 40.000 Filme online”. Er führt zu einem kostenpflichtigen Angebot von Telecall.
Wer auf den Teaser “Nur ein Klick zum Seitensprung” klickt, bleibt zunächst auf den Seiten von Bild.T-Online. In der Aufmachung eines redaktionellen Artikels heißt es dort: “Weil’s so schön anonym ist… Seitensprung bei Bild.T-Online! (…) Mit dem neuen Seitensprung-Service auf Bild.T-Online geht’s jetzt ganz einfach, sicher und unbemerkt!” Das Wort “Werbung” oder “Anzeige” steht nicht auf dieser Seite. Auch nicht über dem Link, mit dem man “zu deinem Seitensprung” kommt. Er führt zum kostenpflichtigen Angebot flirtpub.de der Firma Bosner Onlineservice.

Der Teaser mit den Worten “Neue Reality-Serie: Frauen ab 30 wollen mehr” führt zur “Babeslounge.de” mit kostenpflichtigen Videos. Wer auf “Brandaktuell: Bundesweite Kontaktanzeigen” klickt, gelangt zur “Erotik-Online-Zeitung” “Ladies.de”, deren “Topmeldung” aktuell lautet: “Am 11. Oktober Gang-Bang mit Kyra Shade”.

Die weiteren “Überschriften”, die im redaktionellen “Erotik”-Ressort von Bild.T-Online zu finden sind, führen unter anderem zu den sämtlich kostenpflichtigen Angeboten “stripfun.com”, “Lesbenspecial Chrissy & Mia” (Beate Uhse), “Sex Trainingskamp” und “videodevil.de”. Die redaktionell wirkende “Seitensprung-Suche”, bei der der Nutzer eingeben kann, ob er männlich oder weiblich ist, einen Mann oder eine Frau sucht und er Wert auf ein Bild legt — sie führt ebenfalls zu flirtpub.de.

Keiner der genannten Teaser und Artikel ist an irgendeiner Stelle auf Bild.T-Online mit den Worten “Anzeige”, “Werbung”, “Shop” o.ä. gekennzeichnet. Es gibt bei Bild.T-Online keine Trennung von redaktionellen und werblichen Inhalten. Einige Werbelinks sind zwar mit dem Wort “Anzeige” gekennzeichnet. Das führt allerdings dazu, dass die vielen Werbelinks, die nicht mit dem Wort “Anzeige” gekennzeichnet sind, in ihrer Gestaltung noch irreführender sind.

Beim “Erotik”-Ressort handelt es sich übrigens, anders als bei der Rubrik “Shopping”, nicht um ein reines Werbeportal. Einige der redaktionell gestalteten Teaser führen nicht zu kommerziellen Angeboten, sondern tatsächlich zu redaktionellen Texten, etwa über Themen wie “Welche Sex-Pille soll man(n) nehmen?” oder: “Was Männer im Bett wirklich wollen”. Ähnlich vollständig ist die Vermischung im Ressort “Singles”, das gerade eine redaktionell gestaltete “neue Serie” über “Sexy Singles” begonnen hat, hinter der sich in Wahrheit Werbung für “Friendscout24” verbirgt. Auch hier gibt es keine Möglichkeit, Werbung und Redaktion voneinander zu unterscheiden.

Auf den Seiten, mit denen der “Verband Deutscher Zeitschriftenverleger” (VDZ) für “Crossmedia”-Werbung wirbt, finden sich unter anderem die Kampagnen “Kochbuch für Deutschland” und “Küche für Deutschland” von Bild.T-Online mit jeweils einem Werbepartner. Dort wird als einer der Vorteile dieser Aktionen genannt:

“Aktionen für Deutschland” werden im Stil redaktioneller Beiträge erklärt und beworben.

In der “Animation der Kampagnenmechanik” wird die Grenzen verwischende Technik detailliert demonstriert. Zum Angebot gehört ein “Online-Special mit eigener Subnavigation” — gemeint ist ein Menüpunkt in der Seitennavigation, der nicht als Anzeige gekennzeichnet ist, sondern wie ein Menüpunkt aussieht, der zu redaktionellen Angeboten führt. Als Teil der Werbekampagne führte Bild.de (im redaktionellen Teil) ein “Gewinnspiel” durch, bei dem die Bild.T-Online-Leser in einem “großen Foto-Wettbewerb” “Deutschlands schönstes Küchengirl” wählten.

In der Demonstration, wie für das “Kochbuch für Deutschland” geworben werden konnte, ist von der “Anbindung an redaktionell gestaltete, werbliche Artikel zum Thema” die Rede. Das Internetportal Bild.T-Online verwischt also nicht nur die Grenzen zwischen redaktionellen und werblichen Artikeln, sondern wirbt auch noch damit, dass und wie es die Grenzen verwischt.

Herr Döpfner, weil wir gerne glauben wollen, dass es sich bei Ihren Aussagen vergangene Woche gegenüber dpa nicht nur um wohlfeile Worte handelt, die keine Bedeutung für die tatsächliche Arbeit in der Axel Springer AG haben, möchten wir Sie fragen:

  • Gilt der Trennungsgrundsatz von Werbung und Redaktion, der auch in den “journalistischen Leitlinien” von Axel Springer festgelegt ist, nicht für Online-Angebote?
  • Inwiefern entsprechen die oben geschilderten Beispiele Ihrer Vorstellung davon, wie Werbung und Redaktion “sehr strikt” getrennt werden?
  • Wie lässt es sich mit Ihren Vorgaben vereinbaren, dass bei Bild.T-Online nicht nur einzelne Werbebotschaften nicht als Werbung gekennzeichnet sind, sondern anscheinend ganze Bereiche des Angebotes auf einer systematischen Verwechselbarkeit von werblichen und redaktionellen Botschaften aufgebaut sind?

Mit freundlichen Grüßen
BILDblog.de

Der Trip-Tip

Es ist ja nicht so, dass sich nichts ändert. Bild.de zum Beispiel hat inzwischen eingesehen, dass es besser ist, Teaser, die zu Werbeseiten führen, durch das Wort “Anzeige” zu kennzeichnen.

Gut, vielleicht ist eingesehen das falsche Wort. Vielleicht hat es eher mit einem verlorenen Prozess in dieser Sache zu tun. Jedenfalls ist Werbung auf Bild.de wirklich häufiger als noch vor Monaten mit dem Wort “Anzeige” gekennzeichnet. Wie hier zum Beispiel:

Aber auch wenn der lustige Pressesprecher von “Bild” so Sätze schreibt wie: “Bild.T-Online wird weiterhin gemäß der journalistischen Leitlinien von Axel Springer großen Wert darauf legen, daß Werbung auch als solche klar erkennbar ist”, heißt das keineswegs, dass Bild.T-Online nun gemäß der journalistischen Leitlinien von Axel Springer Werbung als solche klar erkennbar mache. Vielleicht wäre es zu einfach, Anzeigen einfach immer durch das Wort “Anzeige” zu kennzeichnen.

Dieser Teaser auf der heutigen Startseite jedenfalls (Ausriss rechts) ist wieder genau so ein Fall, den das Berliner Landgericht für rechtswidrig erklärt hatte. Er sieht aus wie ein Teaser für einen redaktionellen Beitrag, führt aber zu Werbung für den Reiseanbieter FlyLoco.

Übrigens gibt es dort nicht einmal, wie von Bild.de angekündigt, “Wien — 3 Tage ab 99 Euro. Das günstigste Angebot auf der verlinkten Seite beläuft sich im Moment auf 129 Euro.

Danke an Daniel R. für den sachdienlichen Hinweis!

Die große Verwandtschaft von “Bild”

Der Präsident des Bundeskartellamtes Ulf Böge sieht Gefahren in dem Plan von Axel Springer, ProSiebenSat.1 vollständig zu schlucken. In der “Süddeutschen Zeitung” sagte er:

Böge: Mit der Möglichkeit für Springer, nun weit stärker als bisher ins TV-Geschäft einzusteigen, könnte sich die Stellung von Bild durch eine gegenseitige Unterstützung dieser Medien noch verstärken. (…)

SZ: Bild hat schon früher für Sat1 geworben, als der ehemalige Springer-Großaktionär Leo Kirch die Bundesliga zu dem von ihm und Springer dominierten Privatsendern holte. Spielen solche Erfahrungen eine Rolle?

Böge: Dass solche Erfahrungswerte einbezogen werden, liegt auf der Hand.

SZ: Bild und die Pro-Sieben-Gruppe könnten gemeinsame Werbeangebote mit schönen Rabatten machen, um so mehr Anzeigenkunden anzulocken. Spielt das auch eine Rolle?

Böge: Bei Bild kann das natürlich dazu führen, dass die marktbeherrschende Stellung bei Kaufzeitungen weiter verstärkt wird. Diese Gefahr wird jedenfalls von Medienexperten gesehen. Mehr Anzeigen könnten dazu führen, dass Bild mehr in das Blatt investieren und so mehr Leser anziehen kann. Solche eine Spirale zwischen Lesern und Anzeigen ist durchaus vorstellbar.

Nach den Plänen von Springer wäre eine Hälfte des deutschen Privatfernsehens mit “Bild” verschwistert. Mehr als zwei Dutzend private Hörfunksender und viele Zeitschriften und Zeitungen gehören ohnehin schon zum Imperium von Axel Springer.

Ein Überblick über die große Verwandtschaft von “Bild”.

Gericht verbietet Bild.de Schleichwerbung

Schleichwerbung ist eine schlimme Sache, findet die “Bild”-Zeitung. Wenn die ARD sie betreibt. In ihrem Online-Angebot Bild.de, das die Axel Springer AG gemeinsam mit T-Online betreibt, findet sie die Vermischung von Werbung und redaktionellen Inhalten dagegen unproblematisch.

Weil man das den Seiten von Bild.de ansieht, hatte der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) in einem konkreten Fall gegen Bild.T-Online geklagt: Die Schleichwerbepraxis verstoße gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und den Mediendienstestaatsvertrag.

Vor dem Berliner Landgericht argumentierte Bild.T-Online nach Darstellung des VZBV, gerade jüngere Internetnutzer gingen von einem generellen Werbecharakter des Internet aus. Eine klare Abgrenzung zwischen Werbung und redaktionellen Beiträgen sei deshalb nicht erforderlich. Folgt man einem Gespräch des damaligen Vorstandsvorsitzenden von Bild.T-Online, Peter Württemberger, im Dezember 2004 mit der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung”, beruht das Geschäftsmodell von Bild.T-Online wesentlich auf dieser Annahme.

Das Landgericht Berlin erklärte die Praxis am vergangenen Dienstag für rechtswidrig: Werbung müsse als “Anzeige” gekennzeichnet oder eindeutig zu erkennen sein. Auch ein sogenannter “Teaser” zwischen redaktionellen Inhalten müsse den Lesern eindeutig klarmachen, dass er zu einem Werbeangebot führt — er dürfe dies nicht erst nach dem Klick erfahren. Der VZBV fasst das Urteil so zusammen: Eine Internetseite sei so zu gestalten, dass der Nutzer die Wahl hat, ob er sich mit Werbung beschäftigen will oder nicht.

Wenn Bild.de in Zukunft bei Schleichwerbung ertappt werde, wie sie sich auch vorgestern noch fand, könnte das nach diesem Urteil teuer werden, heißt es bei den Verbraucherzentralen.

Eine Sprecherin von Bild.T-Online sagte, sie könne das Urteil nicht kommentieren, da es dem Unternehmen noch nicht vorliege.

Nachtrag, 30. Juli: Inzwischen gibt es eine Stellungnahme von Bild.T-Online. Das Unternehmen widerspricht “entschieden” der Darstellung der Verbraucherzentralen. Es sei in dem Verfahren nicht um “Schleichwerbung” gegangen, sondern um die Frage, ob eine nicht als Werbung gekennzeichnete Werbe-Ankündigung als Werbung erkennbar gewesen sei. Bild.T-Online habe ausdrücklich auf die “Notwendigkeit einer eindeutigen Trennung von Redaktion und Anzeigen” hingewiesen, es sei lediglich darum gegangen, wann eine Werbung im Internet klar erkennbar sei.

Die Pressemitteilung von Bild.T-Online endet mit den Worten: “Bild.T-Online wird weiterhin gemäß der journalistischen Leitlinien von Axel Springer großen Wert darauf legen, daß Werbung auch als solche klar erkennbar ist.” Zur genaueren Bedeutung des Wortes “weiterhin” klicken Sie bitte hier,
hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier oder hier.

C?

Frage: Worin unterscheiden sich die folgenden drei Teaser, die heute bei Bild.de im “Geld & Job”-Ressort stehen?



Antwort A: Einer ist mit Foto.
Antwort B: Zwei haben eine dreizeilige Überschrift.
Antwort C: Alle drei sind Anzeigen, die für eine (uns bereits einschlägig bekannte) Online-Rechtsberatung werben.

Mit Dank an Ingo S., der im Übrigen darauf hinweist, dass es viele der via Bild.de kostenpflichtig angebotenen “Mustertexte von Profis” andernorts natürlich auch gratis gibt…

Neuer Schleichweg

Ende März hat der Verbraucherzentrale Bundesverband Bild.de wegen unzulässiger Schleichwerbung verklagt. In einer Pressemitteilung hieß es:

Der Verbraucherzentrale Bundesverband hatte BILD.de zunächst aufgefordert, die beanstandete Werbung zu unterlassen. Nachdem das Unternehmen dazu nicht bereit war, reichte der Verband Klage beim Landgericht Berlin ein.

Nach Bekanntwerden der Klage wuchs mit einem Mal die Bereitschaft bei Bild.de, Anzeigen, die aussehen wie redaktionelle Beiträge, auch als „Anzeige“ zu kennzeichnen. Jedenfalls öfter als vorher. Das ändert nichts daran, dass die Klage des Verbraucherzentrale Bundesverband am 26. Juli vor dem Berliner Landgericht verhandelt wird…

…und scheint Bild.de nicht weiter zu stören. Mit der Ankündigung „Gratis Rechts-Info: Führerschein weg! Was muß ich wissen?“ (siehe Ausriss) werden Nutzer derzeit von der Startseite auf eine Seite im Ressort „Geld & Leben“ gelockt, auf der tatsächlich eine „kostenlose Info-Broschüre“ heruntergeladen werden kann.

Wer weiter scrollt, erfährt aber schnell, worum es „Bild“ eigentlich geht: die Empfehlung des Partners „Janolaw“, einer Online-Rechtsberatung, deren Dienste dann nicht mehr kostenlos sind.

Für den Verbraucherzentrale Bundesverband ist diese „Kostenlos“-Masche ebenfalls ein Verstoß gegen den Trennungsgrundsatz von Redaktion und Werbung. Der Verweis auf die kostenlose Infobroschüre diene lediglich dazu, die Dienste des Bild.de-Partners zu verkaufen, glaubt Pressesprecher Carel Mohn.

Mit Dank an Ulrich P. für die Aufmerksamkeit.

Nachtrag, 1.7.: Inzwischen hat Bild.de sowohl den Teaser als auch den Beitrag mit dem Hinweis “Anzeige” gekennzeichnet.

  

Alte Produkte, neu verpackt

Wie “Bild” zunehmend Einfluss darauf gewinnt, was in Deutschland zum Verkaufsschlager wird

(Mai 2005) Das Jahr hat gut begonnen für den Autohersteller Seat. Im Januar und Februar verzeichnete die VW-Tochter im Vergleich zum Vorjahr das Dreifache an Aufträgen für ihren Kleinwagen “Ibiza”, meldete Seat Deutschland im März. Dass das Modell urplötzlich so beliebt war, lag nicht etwa daran, dass der schon etwas betagte “Ibiza” mit exklusiven Extras angeboten oder mit einer besonders flotten Kampagne beworben wurde – sondern vor allem an einer Kooperation mit der “Bild”-Zeitung. Zwei Monate bot Seat das Sondermodell “Ibiza Sport Edition” als “Volks-Seat” an. “Bild” und Bild.T-Online warben kräftig für die Aktion – und erzielten offenbar den erwünschten Erfolg.

Längst nutzt “Bild” den eigenen Namen nicht mehr nur für Zeitschriften-Ableger wie “Computer-Bild” oder “Audio-Video-Foto-Bild”. Mit den “Volks”-Produkten will das Boulevardblatt von der Spülmaschine über die Zahnbürste bis hin zur Bettdecke nun auch allerlei Gebrauchsgegenstände verkaufen.

Deutschlandweit bekannt

Die produziert “Bild” natürlich nicht selbst. Die Zeitung, genauer: deren Internet-Ableger Bild.T-Online, kooperiert lediglich mit den Herstellern der Waren, die es in der Regel auch ohne “Volks”-Label längst im Handel zu kaufen gibt. Die Unternehmen profitieren davon, dass “Bild” ihr “Volks”-Produkt innerhalb kürzester Zeit deutschlandweit bekannt macht. Entsprechend gut verkaufen sich viele der angebotenen Waren.

Begonnen hat alles mit dem Volks-PC im September 2002. Mit der Handelskette Plus brachte “Bild” einen PC in die Läden, der von jedem Nutzer einfach zu bedienen und auch für jeden erschwinglich sein sollte. Die Aktion lief so gut, dass man sich entschied, sie fortzuführen. Inzwischen gibt es über 25 “Volks”-Produkte. Partner waren oder sind Unternehmen wie Seat, Quelle, Deichmann, Talkline und Deutsche Bank. Bild.T-Online verkauft den Herstellern Werbe-“Packages”, die prominent platzierte Online-Beiträge auf Bild.de, Sonderbeilagen in der Printausgabe sowie Anzeigen in “Bild” und “Bild am Sonntag” beinhalten. Als Eye-Catcher werben Promis für die Angebote (manchmal sogar ohne ihr Wissen). Die Kooperationen machen bei Bild.T-Online schon jetzt 30 bis 40 Prozent des Umsatzes aus, der laut “FAZ” im Dezember 2004 bei rund 30 Millionen Euro lag.

Keine “Stiftung Warentest”

Im Prinzip ist gegen eine solche Vermarktungsstrategie nichts einzuwenden. Nicht nur “Bild”, sondern auch viele andere Zeitungen mussten sich in den vergangenen Jahren überlegen, wie sie sich zukünftig finanzieren würden. In der Medienkrise waren den Verlagen die Einnahmen weggebrochen, die sie bisher mit Rubrikenanzeigen und Werbebuchungen erzielten.

Problematisch ist jedoch, dass die “Volks”-Produkte leicht als Empfehlung der “Bild”-Redaktion missverstanden werden können. Die “Volks-Waschmaschine” “hat ordentlich Wasch-Power in der Trommel” und zahlreiche “Finessen”, sie “geht dem Schmutz gehörig an den Kragen”, ist einfach “Spitzenklasse”. Das “Volks-Fahrrad” “rostet nicht (…), es ist sicher (…) und hat tolle Extras”, “das Licht ist besonders hell” und “mit dem aktiven Bremssystem (ABS) brauchen Sie weniger Kraft zum Bremsen”. So steht es bei Bild.de.

Die rein werblichen Beiträge sind inzwischen zwar korrekt als “Anzeige” gekennzeichnet, suggerieren aber dennoch, dass es sich um ein besonderes Schnäppchen oder ein besonders hochwertiges Produkt handelt, das die Redaktion womöglich ganz besonders schätzt.

Schlechter als die Basisversion

Das muss nicht immer auch der Fall sein. Hanno S. Ritter vom Online-Portal Autokiste.de nennt das kürzlich von “Bild” und Blaupunkt angebotene “Volks-Navi” als Beispiel: “Das beworbene Gerät war schlechter als die ihm zu Grunde liegende Basisversion, etwa weil ein Tacho-Anschluss fehlte.” In der Produktbeschreibung von Blaupunkt sei darauf verwiesen worden, dieser wäre nicht nötig. Das stimmt zwar. Ritter meint aber: “Richtig wäre gewesen: Ein Tacho-Anschluss ist bei diesem Gerät nicht möglich.” Zudem sei das bessere Basisgerät mit Tacho-Anschluss im Handel bereits für denselben Preis wie das “Volks-Navi” angeboten worden.

Nicht alles, was aggressiv als Schnäppchen beworben wird, ist automatisch auch eins. Die “Volks”-Produkte-Strategie ist dennoch so erfolgreich, weil sie Vertrauen aufbaut – das Vertrauen der Leser in “Bild”, einer Zeitung, die immerzu von sich behauptet, für den kleinen Mann zu kämpfen. Wieso sollte man deren Empfehlungen nicht trauen? Ob die Kunden mit dem gekauften Produkt zufrieden sind, muss “Bild” erst einmal nicht weiter interessieren. Die Sache ist erledigt, sobald der Kunde das Produkt bestellt hat – es sei denn, Beschwerden häufen sich und der eigene Name könnte beschädigt werden. Damit das gar nicht erst passiere, würden sämtliche Produkte intensiv überprüft und von externen Experten bewertet, bevor sie beworben werden, heißt es bei Bild.T-Online. (Hier ein interessantes Gegenbeispiel.)

Zweifelhafte Markenmacht

Verbraucher können oft nur schwer nachprüfen, ob die angebotenen Waren tatsächlich so günstig sind, wie die “Volks”-Werbung suggeriert – zumindest, wenn es dabei um Produkte mit zahlreichen Funktionen geht, die nicht so einfach zu überblicken sind. Mag sein, dass das ein oder andere Angebot tatsächlich einige Euro günstiger ist als im Handel.

Viel wichtiger ist jedoch, dass “Bild” nicht mehr nur Einfluss darauf nimmt, was in Politik und Gesellschaft diskussionswürdig erscheint, sondern mit zunehmendem Erfolg der “Volks”-Produkte auch darauf, welche Waren welches Herstellers die Verkaufsschlager von morgen werden – egal ob Waschmaschine, Fahrrad oder Computer. Ob eine solche Markenmacht auf Dauer tatsächlich im Sinne von Herstellern und Verbrauchern sein kann?

Datum Produkt Partner
September 2002 Volks-PC Plus
November 2002 Volks-Notebook Plus
Dezember 2002 Volks-PC Plus
Februar 2003 Volks-PC Plus
April 2003 Volks-Notebook Plus
Mai 2003 Volks-Spüler Media-Markt
Juni 2003 Volks-Kamera Media-Markt
September 2003 Kaffee-Vol(l)ks-Automat Media-Markt
September 2003 Volks-PC Plus
November 2003 Volks-Notebook Plus
November 2003 Volks-Dekoder More TV
November 2003 Volks-Navigator T-Mobile
Dezember 2003 Volks-PC Plus
März 2004 Volks-Notebook Media-Markt
März 2004 Volks-LCD-Fernseher Media-Markt
April 2004 Volks-DVD-Rekorder Media-Markt
Mai 2004 Volks-Fahrrad Otto
Mai 2004 Volks-Kamera Media-Markt
Juni 2004 Volks-Handy Talkline
Juni 2004 Volks-Schuh Otto
Juli 2004 Volks-Fotodrucker Media-Markt
Juli 2004 Volks-Notebook Media-Markt
August 2004 Volks-Fernseher Media-Markt
August 2004 Volks-PC Media-Markt
August 2004 Volks-Sparkonto Diba
September 2004 Volks-Matratze Otto
September 2004 Volks-Zahnbürste Media-Markt
Oktober 2004 Volks-Notebook Media-Markt
Oktober 2004 Volks-Fonds DWS
November 2004 Volks-Trainer Otto
November 2004 Volks-Kamera Media-Markt
Dezember 2004 Volks-Rekorder Media-Markt
Januar 2005 Volks-Seat Seat
Februar 2005 Volks-Zinssparen Deutsche Bank
Februar 2005 Volks-Handy Talkline
März 2005 Volks-Laufschuh Deichmann
April 2005 Volks-Bett Quelle
April 2005 Volks-Kredit Creditplus
April 2005 Volks-Navi Blaupunkt
Mai 2005 Volks-Fahrrad Quelle
Mai 2005 Volks-Waschmaschine Quelle
Mai 2005 Volks-Tarif Payback/Vodafone
Mai 2005 Volks-Bausparen BHW
Mai 2005 Volks-Caddy VW
Juni 2005 Volks-Notebook Fujitsu-Siemens
Juni 2005 Volks-Seat Seat
Juni 2005 Volks-Kamera Panasonic
Juni 2005 Volks-Gefrierschrank Quelle
August 2005 Volks-Kredit Creditplus
September 2005 Volks-Rente Dresdner/Allianz
September 2005 Volks-Bus Volkswagen
September 2005 Volks-Burger Burger King
Oktober 2005 Volks-Handy Talkline
Oktober 2005 Volks-Notebook Fujitsu-Siemens
November 2005 Volks-Fonds Union Investment
Februar 2006 Volks-Tigra Opel
März 2006 Volks-Handy Talkline
April 2006 Volks-Laufschuh Deichmann

Was fehlt? Mail schicken.

Außer Konkurrenz: die Volks-Bibel (Oktober 2004, direkte Verlagskooperation mit Weltbild, neu aufgelegt als “Goldbibel” im Dezember 2005).

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