Suchergebnisse für ‘anzeigen’

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Jeder Fehltritt landet im Netz
(welt.de, Torsten Krauel)
Amerikas Politiker stecken im Wahlkampf und touren durch das Land. Doch die wichtigste Schlacht wird virtuell ausgefochten. Dort wird über das Wohl oder Wehe eines Kandidaten entschieden.

Pressefreiheit: Deutschland fällt zurück
(faz.net, Olaf Sundermeyer)
Nur noch auf Platz 23 liegt Deutschland in der neu vorgestellten Rangliste der Pressefreiheit. Weit ärger aber sieht die Lage für Journalisten in Rußland aus – und auch in Polen registriert man “verstärkte Zensur”..

Der Teufel sammelt Jeff Koons
(taz.de, Isabell Graw)
In der Mode kann die Chefredakteurin der “Vogue” über Karrieren von Designern entscheiden. Solche Autorität gibt es in der Kunst nirgends. Trotzdem erinnert Kritik oft an Werbetexte nach dem Klischee vom Fashionmagazin.

Der gemeine Poster
(standard.at, Doris Priesching)
Journalisten fürchten ihn, denn er zeichnet sich durch Gnadenlosigkeit aus – Tendenz zum Nörgeln?

Der Troll als Leser
(telepolis.de, Volker König)
Rache-“Rezensionen” im Online-Bücherladen.

Wir nennen es Arbeit – und lieben es sogar
(jetzt.de, Sascha Lobo)
Der Berliner Autor Sascha Lobo erklärt, wie intelligentes Leben auch ohne Festanstellung möglich ist – mit Internet und selbstgewählter Arbeit.

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Moselcoast-Ghetto-Rap-Geschwader: Die Presseschau der Subkultur
(jetzt.de, Tobias Wullert)
Wie prächtig das Angebot in den Hauptbahnhofsbuchhandlungen doch ist. Jedem Interesse ist ein Heft gewidmet. Was steht da eigentlich immer so drin? jetzt.de hat sich fünf Exemplare gegriffen und geblättert.

Ein Ehrenkodex von 50 Seiten
(fr-aktuell.de, Bernd Buder)
Dazwischen zurechtkommen: Im Kosovo bemüht sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk um die journalistische Ethik.

Termin mit dem Tod
(zeit.de, Auszug aus dem Buch “Douloureuse Russie”)
Wie die russische Journalistin Anna Politkowskaja den Mann traf, den viele für ihren wahren Mörder halten. Eine Reportage aus ihrem letzten Buch.

In einem Blog über die verlorene Zeit
(taz.de, Detlef Kuhlbrodt)
Die “Recherche” lesend sich selbst lesen: Der Schriftsteller Jochen Schmidt arbeitet täglich 20 Seiten Marcel Proust durch und schreibt darüber ein Internet-Tagebuch.

“Um gelesen zu werden”
(tink.ch, Janosch Szabo)
Im Juni startete die deutsche Netzeitung die Plattform Readers Edition. Der Moderator Gerd Stodiek über Bürgerjournalismus und die nicht mehr ganz neue Projektidee.

Über Google, YouTube und eine strahlende Zukunft
(approx.antville.org)
Vor genau sechs Jahren schrieb die Zeit unter der Überschrift “Fernsehen à la Carte” einen recht euphorischen Artikel über CanalWeb. Kennt eigentlich noch jemand diese Firma?

Kai Diekmann arbeitet mit “Bild”-Methoden

Nein, das Verhältnis von “Bild”-Zeitung und Heide Simonis ist wahrlich kein entspanntes.

Aktuell hat Simonis nun einen Prozess gegen “Bild” vor dem Berliner Landgericht verloren. Simonis verlangte 50.000 Euro Schmerzensgeld für den Abdruck einiger Fotomontagen, die “Bild” am 2. Mai auf der Titelseite und im Blattinneren veröffentlicht hatte. Die Montagen zeigten u.a. das Gesicht der Politikerin mit Maden übersät sowie ihren Kopf auf einem mit Jauche besudelten Bikinikörper und stellten — so Simonis’ Anwalt — eine “Verletzung der Menschenwürde” dar.

“Bild” reagierte auf das Gerichtsurteil mit einer Pressemitteilung. Darin heißt es korrekt:

“Eine ein Schmerzensgeld rechtfertigende Persönlichkeitsverletzung konnte das Landgericht (…) nicht erkennen.”

Unter der Überschrift “Kein Geld für Hoppel-Heide” äußert sich in der Mitteilung jedoch auch “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann wie folgt:

“Heide Simonis hat mit ihrer Tanzshow ihr Ansehen nachhaltig beschädigt. An einer lächerlichen Show teilnehmen wollte sie, aber darüber lachen sollte man nicht. Sie hat als Unicef-Botschafterin das Vergleichsangebot einer großzügigen Spende und von Anzeigenraum für Unicef abgelehnt und auf Zahlung einer Geldentschädigung an sich selbst bestanden. Nun hat sie vor dem Landgericht die Quittung erhalten. Und wieder ein schwerer Ausrutscher!”

Allerdings sind Diekmanns hämische Äußerungen mehr als irreführend: Nicht nur verschweigt der “Bild”-Chef, dass Simonis wegen desselben “Bild”-Berichts vor Gericht bereits eine “Aufsehen erregende Gegendarstellung” (AP) hatte durchsetzen können; der “Bild”-Chef erweckt darüber hinaus den Eindruck, Simonis’ “Geldentschädigung an sich selbst” und das “Vergleichsangebot einer großzügigen Spende und von Anzeigenraum für Unicef” stünden in irgendeinem direkten Zusammenhang. (Immerhin sind beide Sachverhalte in Diekmanns Statement durch ein schlichtes “und” miteinander verbunden.)

Doch der Eindruck trügt: Medienberichten zufolge bezog sich das “Vergleichsangebot” von “Bild” nämlich gar nicht auf Simonis’ (erfolglose) Schadensersatzklage, sondern auf ihr (erfolgreiches) Gegendarstellungsbegehren, gegen das sich “Bild” über Monate vehement gewehrt hatte.

  

“Bild”-Pressemitteilung im Wortlaut

Kein Geld für Hoppel-Heide — Simonis unterliegt BILD

Das Landgericht Berlin hat die Klage von Heide Simonis gegen BILD auf Schmerzensgeld in Höhe von 50 000 Euro im vollen Umfang abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens wurden der Klägerin auferlegt.

Anlass der gerichtlichen Auseinandersetzung war die Berichterstattung von BILD über eine Tanzshow, an der die gut ein Jahr zuvor gestürzte Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein mit großer Hingabe teilnahm. Obwohl Heide Simonis öfter betont hatte, für weitere Sendungen nicht zur Verfügung zu stehen, legte der überwältigende Erfolg der Tanzshow die Vermutung vergleichbarer Engagements — beispielsweise in der bekannten “Dschungelshow” — nahe, was BILD mit einer Fotomontage illustrierte, die Heide Simonis überhäuft von Maden zeigte. Eine ein Schmerzensgeld rechtfertigende Persönlichkeitsverletzung konnte das Landgericht allerdings in dieser Fotomontage nicht erkennen.

BILD-Chefredakteur Kai Diekmann: “Heide Simonis hat mit ihrer Tanzshow ihr Ansehen nachhaltig beschädigt. An einer lächerlichen Show teilnehmen wollte sie, aber darüber lachen sollte man nicht. Sie hat als Unicef-Botschafterin das Vergleichsangebot einer großzügigen Spende und von Anzeigenraum für Unicef abgelehnt und auf Zahlung einer Geldentschädigung an sich selbst bestanden. Nun hat sie vor dem Landgericht die Quittung erhalten. Und wieder ein schwerer Ausrutscher!”

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Die Peitschen-Borchert
(taz.de, Johannes Gernert)
Fünf Jahre lang hat sie ihr Privatleben öffentlich gemacht, in einer Sexkolumne und im eigenen Internetblog – so erfolgreich, dass sie WAZ-Online-Chefin wurde. Jetzt fehlt ihr zum Schreiben die Zeit und vor allem das Material. Die Ex-Kollegen aus der Blogger-Szene schmähen die “Verräterin”.

Der Heels Angel
(weltwoche.ch, Beatrice Schlag)
Ohne Anna Wintour, die Chefin der amerikanischen Vogue, läuft nichts – keine Karriere, kein Model, keine Angestellte in flachen Schuhen durch den Verlag. Seit 18 Jahren ist diese Frau: die Mode. Daran kann auch das schlechte Buch eines ihrer Opfer nichts ändern, das jetzt erfreulich verfilmt wurde.

“Die Weltwoche ist keine Fremdenlegion”
(persoenlich.com, Stefan Wyss)
Seit letzter Woche amtet Roger Köppel wieder als Chefredaktor der Weltwoche. Bereits seit der Bekanntgabe seiner Rückkehr ist ihm die Aufmerksamkeit der Branche sicher. Wie er mit der speziellen Beobachtung umgeht und welche Vorgaben der künftige Verleger Köppel dem Chefredaktor Köppel auf den Weg gegeben hat, erläuterte er im Gespräch mit “persoenlich.com”.

“Gazelle”: Ein stolzes Magazin für stolze Migrantinnen
(jetzt.de, Thilo Guschas)
Wenn niemand für junge Ausländerinnen spricht, dann mach? ich das eben, dachte sich Sineb El Masr – und gründete die Zeitschrift Gazelle.

Hauptsache fetzig
(taz.de, Jürgen Busche)
Die Neigung zur Kritikerbeschimpfung ist ausgeprägt in Deutschland. Das ist schon seit langem so, mittlerweile sind die Kulturredaktionen aber auch mitschuldig daran – wie aktuelle Beispiele aus Buchkritiken zeigen.

“Putin will Nationalgefühl stärken”
(diepresse.com, Patricia Käfer)
Pressefreiheit. Der Staat selbst oder die staatliche Wirtschaft kontrollieren Russlands Medien.

Allgemein  

Schönheitschirurg lässt Nase laufen

"Polizei sucht diesen Busen"

Um die Geschichte, die die “Bild”-Autoren Attila Albert und Daniel Cremer da aufgeschrieben haben, mal kurz zusammenzufassen: Der Schönheits-Chirurg Michael A. König sagt, dass vier seiner Patientinnen ihre Schönheits-Operationen nicht bezahlt haben. Und er hat “Bild” Fotos von Busen und Nase zweier Patientinnen zur Verfügung gestellt. “Bild” behauptet:

Es sind die wohl ungewöhnlichsten Fahndungsbilder, die Ermittlern je untergekommen sind. Nackte Brüste und eine wohlgeformte Nase — von Frauen, die ihre Rechnung beim Schönheits-Chirurgen nicht bezahlt haben!

Nein, es sind nicht “die wohl ungewöhnlichsten Fahndungsbilder, die Ermittlern je untergekommen sind”. Es sind überhaupt keine “Fahndungsbilder”.

Und dass “Bild” Unsinn schreibt, erkennt man schon daran, dass Busen- und Nasen-Foto vor den Operationen aufgenommen wurden. Beim Busen steht das sogar so in der Bildunterzeile. Zur Nase (siehe Ausriss) aber schreibt “Bild”:

Nicht bezahlt: Die neue Nase von “Silke” (23) aus Köln.

Im Text heißt es hingegen über “Silke”:

Sie verschwand vor der Wundversorgung — mitsamt der Tamponaden in ihrer Nase.

Soweit das.

“Bild”-Artikel und “Bild”-Überschrift sind aber auch noch in anderer Hinsicht völliger Unsinn: Die Polizei sucht “diesen Busen” überhaupt nicht (obwohl “Bild” das am Ende des Textes sogar nochmal behauptet und schreibt, der Chirurg habe “jetzt die Polizei eingeschaltet”). Ein Sprecher der Kölner Polizei sagt uns, von einer Anzeige in dieser Sache sei ihm nichts bekannt, das Betrugsdezernat jedenfalls sei nicht mit dem Fall befasst. Und der betroffene Chirurg Michael A. König teilt uns auf Nachfrage mit:

Wir haben uns entschieden, keine Anzeigen zu erstatten.

Mit Dank an Jasper K. für den sachdienlichen Hinweis.

Nachtrag, 6.10.2006: Auch die “Main-Post” berichtet übrigens über Michael A. Königs “Busen-Fahndung per Bild-Zeitung”.

Mit Dank an Jochen S.

Springers Leitlinien leiten nicht

“[Unsere journalistischen Leitlinien] sind ein Schutzwall für unabhängigen Journalismus. Wir haben sie in einer Zeit eingeführt, in der der kommerzielle Druck auf Redaktionen immer größer wird. Jeder wird natürlich beobachten, wie wir damit umgehen – das macht uns angreifbarer als diejenigen, die still ihre faulen Kompromisse machen.”

Mathias Döpfner, Vorstandschef Axel Springer AG, 13. März 2004

 

Ganz konkret zeigt sich der Umgang der Axel Springer AG mit diesen Leitlinien natürlich einfach daran, dass Bild.de sich konsequent weiter als Schleichwerbeportal positioniert und exakt dieselben Schleichwerbe-Praktiken pflegt, die Bild.de von Gerichten bereits zweimal untersagt wurden. (Oder daran, dass der Berater des “Bild”-Chefredakteurs seine jahrelange Werbekampagne für eine Nassrasierer-Marke im Blatt fortsetzt.)

Aber die Bedeutungslosigkeit dieser “journalistischen Leitlinien” ist noch grundsätzlicher. Im Sommer haben wir versucht, eine Stellungnahme des Verlages zu den merkwürdigen Werbepraktiken im Spiele-Ressort von Bild.de zu bekommen. Wir wollten, dass uns jemand erklärt, warum diese Praktiken, die wir als Schleichwerbung bezeichnen würden, anscheinend nicht gegen die “journalistischen Leitlinien” verstoßen.

Was dann passierte, ist vielleicht ganz aufschlußreich.

Wir haben eine Mail an Tobias Fröhlich geschrieben, der Pressesprecher für “Bild” und Bild.de ist. Nach mehreren Nachfragen bekamen wir die Antwort, er werde sich mit der Sache nicht befassen. Wir haben daraufhin eine Mail an Edda Fels geschrieben, die Leiterin Unternehmenskommunikation bei der Axel Springer AG. Wir baten sie, uns einen Ansprechpartner für unser Anliegen zu nennen. Sie gab uns zur Antwort, soweit sie wisse, sei Herr Fröhlich an der Sache dran. Als wir sie darauf aufmerksam machten, dass für Herrn Fröhlich die Sache längst erledigt sei und fragten, ob es “irgendeinen Ansprechpartner in der Axel Springer AG” gibt, der dem Vorwurf von Verstößen gegen die “journalistischen Leitlinien” nachgeht, bekamen wir keine Antwort mehr. Stattdessen meldete sich einige Tage später Herr Fröhlich und bat um Verständnis, dass er “jetzt nicht im Detail auf Ihre Darstellung in Ihren Fragen eingehen möchte”. Eine Antwort in der Sache erhielten wir nicht.

Als nächstes wandten wir uns mit einem Brief an Mathias Döpfner. Wir baten ihn um Unterstützung, da er noch wenige Wochen zuvor bei einer Tagung des “Netzwerk Recherche” die Bedeutung der “journalistischen Leitlinien” betont hatte. Wir fragten ihn:

Warum geht meinem Hinweis, Bild.de verstoße systematisch gegen die “Journalistischen Leitlinien”, niemand nach — und sei es nur, um den Vorwurf zu entkräften? Wer sorgt intern dafür, dass die “Leitlinien” nicht nur eine Monstranz sind, die auf Festtagen vorgezeigt wird, sondern eine tatsächliche Bedeutung im Alltag haben? Und an wen kann man sich wenden, wenn man einen Verstoß gegen die “Leitlinien” festgestellt zu haben glaubt?

Herr Döpfner hat uns nicht geantwortet.

An seiner Stelle schrieb uns wieder Edda Fels:

Wir können uns nur wiederholen, aber das tun wir gern.

1) Selbstverständlich gilt die Trennungsregel zwischen Redaktion und Anzeigen auch für Bild.T-Online.

2) Online und Print sind zwei unterschiedliche Mediengattungen, dies sieht auch die gängige Rechtsprechung mit Bezug auf Kennzeichnung von werblichen Inhalten so.

3) Sites mit werblichem Inhalt sind auch bei BTO [Bild.T-Online] gekennzeichnet.

Damit endeten unsere Versuche, jemanden in der Axel Springer AG zu finden, der für die Einhaltung der journalistischen Leitlinien zuständig ist. Unsere Vermutung: Es gibt niemanden. Möglichen Verstößen wird nicht nachgegangen. Die Leitlinien sind in der Praxis der Redaktionen ohne Bedeutung.

Eine Antwort auf unsere Fragen haben wir nicht bekommen. Aber natürlich ist auch das eine Antwort. Die journalistischen Leitlinien sind offenbar nur dazu da, dass Mathias Döpfner bei Medienkongressen und in Interviews über sie reden kann.

Symbolbild am Sonntag (Wiedervorlage)

Was stand denn nun wirklich auf dem ominösen Zettel, den Nationaltorwart Jens Lehmann beim WM-Viertelfinal-Elfmeterschießen gegen Argentinien aus dem Stutzen zog?

Gute Frage eigentlich, die Kinonews.de heute (zum bevorstehenden Kinostart von Sönke-Wortmanns WM-Doku “Deutschland. Ein Sommermärchen”) auf einer mit dem Wort “Anzeigensonderveröffentlichung” überschriebenen “BamS”-Seite stellt.

Neu allerdings ist die Frage nicht. Vor einer Woche schon stand sie ganz ähnlich auch im “Spiegel”:

Was stand drauf auf jenem Zettel, den Torhüter Jens Lehmann während des Elfmeterschießens gegen Argentinien studierte?

Seltsam ist sie allerdings schon, die ganze Fragerei jetzt — vor allem für “BamS”-Leser. Hatte ihre Zeitung doch bereits vor einem Vierteljahr auf der Titelseite — zwischen den Worten “BamS enthüllt” und “Lehmanns Elfer-Spickzettel” — ein handbeschriebenes, zerknittertes Stück Papier abgebildet, das bei Bild.de (siehe Ausriss) bis heute mit den Worten “Das stand auf dem Zettel von Lehmann” verlinkt ist.

Okay, wir wissen längst: Der “BamS”-Zettel damals war “nicht echt” (“Berliner Zeitung”) bzw. “nachempfunden” (“BamS”) und “völlig falsch” (Jens Lehmann). Wie falsch, wissen wir allerdings erst, seit der “Spiegel” vor einer Woche exklusiv Auszüge aus einem Begleitbuch zu Wortmanns WM-Film abdruckte* — und “Bild”-Leser immerhin seit Freitag.

Zum Vergleich:

Aber zum Glück gibt es ja in der “Bild am Sonntag” eine “Korrektur”-Rubrik. Und deshalb wissen “BamS”-Leser seit heute immerhin, dass…

… ähm, dass die zweite Belagerung Wiens durch türkische Heere nicht 1668, sondern 1683 stattfand.

*) Weil Lehmann den zerknitterten Zettel direkt in die Wackelkamera von Sönke Wortmann hält, können sich demnächst auch alle “Sommermärchen”-Zuschauer davon überzeugen, dass zumindest die Zerknitterung des “BamS”-Zettels dem Original täuschend echt nachempfunden ist!

Wie “Bild” die Interessen der Opfer wahrt

Am 29. Dezember 2004 machte die “Bild”-Zeitung groß auf mit den verwundeten Gesichtern der zehnjährigen Sophia und des neunjährigen Kevin, deren Eltern nach dem Tsunami in Thailand verschollen waren. “Bild” fragte:

Mama, Papa, wo seid ihr?

Im Inneren zeigte “Bild” weitere Kindergesichter, fotografiert von Till Budde, darunter das eines 13-jährigen Mädchens, das verletzt in einem Krankenhaus schläft.

BILD war im Vachiar-Hospital von Phuket. Auf der Station der traurigen deutschen Kinder.

Unter anderem von der 13-jährigen ließ sich “Bild”-Reporter Julian Reichelt schildern, wie sie das Unglück erlebt hatte, wie sie um ihr Leben kämpfte, wie sie von ihren Eltern getrennt wurde, die seitdem vermisst wurden. Er schrieb alles ausführlich auf.

“Bild” hat mit dieser Berichterstattung damals massiv gegen den Pressekodex verstoßen. Der Presserat urteilte nach einer Beschwerde des Onkels des Mädchens:

In Richtlinie 4.2 ist festgehalten, dass bei der Recherche gegenüber schutzbedürftigen Personen besondere Zurückhaltung geboten ist. Explizit genannt werden (…) u.a. Menschen, die sich nicht im Vollbesitz ihrer geistigen oder körperlichen Kräfte befinden oder einer seelischen Extremsituation ausgesetzt sind, sowie Kinder und Jugendliche. Jedes dieser Merkmale trifft auf das betroffene 13-jährige Mädchen zu. Das Foto wurde zudem unstreitig ohne die Einwilligung eines Erziehungsberechtigten gemacht. (…)

Die Zeitung untermauert die rechtmäßige Beschaffung ihrer Informationen damit, dass der Redakteur mit der 13-Jährigen und mit anderen Kindern gesprochen habe. Alle seien froh gewesen, sich in ihrer Heimatsprache mitteilen zu könne. Diese Schilderung bestärkt die Kammer in der Überzeugung, dass die Kinder und insbesondere die 13-Jährige hier durch die Extremsituation überfordert waren. Dies spricht ebenfalls dafür, dass die besondere Situation der Kinder zur Beschaffung von Informationen ausgenutzt worden ist. (…)

In beiden Veröffentlichungen werden die Persönlichkeitsrechte des 13-jährigen Mädchens verletzt. Es wird jeweils ohne jegliche Unkenntlichmachung und mit voller Nennung seines Vornamens abgebildet. Es wird — verletzt, schlafend und dadurch besonders wehrlos — für einen breiten Leserkreis erkennbar. Diese Abbildung widerspricht nicht nur dem Grundsatz von Richtlinie 8.1, wonach die Nennung der Namen und die Abbildung von Opfern in der Berichterstattung über Unglücksfälle in der Regel nicht gerechtfertigt ist. Auch der in Richtlinie 8.2 geforderte Schutz von Orten der privaten Niederlassung, wie z.B. Krankenhäusern, wird durch diese Veröffentlichung nicht beachtet.

Die Beschwerdekammer sprach “Bild” eine Missbilligung aus.

Das war praktisch für “Bild”, denn eine Missbilligung ist für die Zeitung folgenlos. Insbesondere werden Missbilligungen — anders als Rügen — vom Presserat nicht veröffentlicht. Sie erscheinen nur (im Fall der 13-Jährigen jetzt, also mit eineinhalbjähriger Verspätung) in dessen “Jahrbuch”, allerdings ohne Angabe der jeweiligen Zeitung. Wer nicht weiß, dass die Geschichte der “traurigen deutschen Kinder” von Phuket in “Bild” stand, kann die Missbilligung nicht der Zeitung zuordnen.

Kenner könnten es allenfalls schließen aus der unbeirrten Art, in der die Rechtsabteilung der Axel Springer AG die Berichterstattung von “Bild” gegenüber dem Presserat zu rechtfertigen suchte. Im konkreten Fall gab sie an, “Bild” habe “im allgemeinen Informationsinteresse” gehandelt und den Behörden beim Versuch der Familienzusammenführung geholfen. (Der Presserat stellte dagegen fest, dass “keines der Bilder etwa mit einem Suchaufruf oder ähnlichem verbunden wurde”.)

Das Springer-Justiziariat erklärte weiter:

Dass die Zeitung in diesem Rahmen die berechtigten Interessen der Opfer gewahrt habe, zeige sich u.a. darin, dass auf den Abdruck von Anzeigen neben den Berichten von der Flutkatastrophe verzichtet worden sei, um die menschliche Dimension dieses Ereignisses nicht durch banale Werbetexte zu relativieren.

Auf den Abdruck von Anzeigen “verzichtet”? Der Artikel mit dem Foto, um das es in der Beschwerde ging, erschien auf Seite 2 der “Bild”-Zeitung. Die zweite Seite der “Bild”-Zeitung ist grundsätzlich werbefrei. Jeden Tag.

Und die Bilder der neunjährigen Sophia und des zehnjährigen Kevin standen am selben Tag auf Seite 1 in “Bild”. Unmittelbar links davon war eine Anzeige für Schmerztabletten von “Neuralgin” (“Äußerst günstig!”). Rechts unten auf derselben Seite warb die Firma Quelle für eine Espresso-Maschine im neuen Quelle-Katalog.

Unsere Übersicht über die Presserats-Rügen für “Bild” enthält jetzt auch das Jahr 2005.

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Sprachrohre einer egalitären (Medien-)Öffentlichkeit (nzz.ch)
Die Weblogs boomen: Im Internet gibt es Millionen von Amateur-Publizisten. Die meisten widmen sich Privatem, doch einige erheben aufklärerische Ansprüche. Können sie das Mediensystem bereichern?

Per Anhalter durchs Pluriversum (zeus.zeit.de)
Die Laien erobern das Internet. Mit welchen Folgen? Sieben Thesen zur digitalen Zukunft.

Wüste Drohungen (ndr.de)
Wie die NPD Journalisten behandelt.

All you can read (taz.de)
Warum ich so gerne für kostenlose Anzeigenblätter schreibe.

Umstellt von Erziehern (freitag.de)
Am Fall Natascha Kampusch zeigt sich die Unfähigkeit, Opfer zu denken.

Generalverdacht (sz-magazin.sueddeutsche.de)
Hier sehen Sie sechs Mitarbeiter des SZ-Magazins. Und einen mutmaßlichen Terroristen. Würden Sie ihn erkennen?

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